Montag, 30. September 2019

Anime-Review: Your Lie in April - 'Did it reach her?'


                                             Your Clannad in Bad


Your Lie in April war vor ein paar Jahren das neue, große Ding für Fans emotionaler Anime. Es wollte das sein, was Violet Evergarden und Kimi no Namae wa heutzutage sind.  Das Prädikat 'Für Fans von Clannad' hing in seinem Windschatten wie ein Wassersurfer beim Springbreak. 
Und ganz unabhängig davon, dass mich solche Vorschusslorbeeren immer skeptisch machen, so wie es auch hier der Fall war, bevor ich die viel zu viele Episoden(22) umfassende Serie begonnen und durchgesehen habe, kann ich mich dem nicht anschließen. Ganz persönlich empfand und empfinde ich ihn als zutiefst mittelmäßig, in manchen Punkten besser, in vielen schlechter. Your Lie in April ist ein (liebenswerter) Abklatsch und Baukasten von und für wirklich jeden überambitionierten Dramamance-Anime da draußen. Eure Tränen werden gefordert! Eure Hirnzellen, die lasst besser daheim.

Story
 
Nach der ersten Episode wisst ihr buchstäblich, wie dieser Anime abläuft und endet. Wenn ihr schon ein paar Vertreter des Genres gesehen habt, und somit Erfahrung mit deser Art Anime habt(Dramatisch, Romanze, Kitsch), könnt ihr den Verlauf jeder einzelnen Episode quasi runterbeten. Nach der ersten Folge. im Grunde braucht ihr euch die anderen 21 Folgen also gar nicht anzuschauen, weil ihr recht habt, genau so wie ihr es euch denkt läuft es ab und endet es. YLIA unternimmt über einen langen Zeitraum hinweg nichts, um euch zu überraschen oder abgesehen von den in diesem Genre erwartbaren Standardmühen zu unterhalten. Stattdessen rattert es sein Dramance-Modelkit mit Twists und unglaublichen Wendungen herunter, die ihr kilometerweit vorher kommen seht. Das ist nicht unbedingt schlimm, denn viele Dramance-Anime machen das so, denn am Ende des Tages geht es in einem so realistischen, nahbaren Genre um das Wie. Der Unterschied dieser anderen Anime zu YLIA ist, dass diese es irgendwie kreativ und unterhaltsam machen. YLIA ist weder kreativ noch unterhaltsam beim Kopieren. Es fühlt sich an, als ob ihr euch hier etwas anseht, das ihr schon tausende Male gesehen habt. Und das habt ihr auch.

Charaktere


Fast alle vorkommenden Charaktere sind flach und / oder Stereotypen, mit einigen seltenen Ausnahmen bei den Nebenakteuren. Der Protagonist ist das ruhige, traumatisierte Genie, introvertiert und insgesamt nicht wirklich sozial, keine herausragenden Persönlichkeitsmerkmale, obwohl es für ihn zumindest eine Entwicklung in der Geschichte gibt, nur leider keine Große. Tsubaki ist der typische Kindheitsfreundin-Trope, und das MEINE ICH WIRKLICH SO. Es dauert nicht mehr als einen Auftritt von ihr, und ihr wisst schmerzhaft genau, was sie für wen fühlt. Sie ist ein ungehobelter Wildfang, immer fröhlich und gibt natürlich bestimmte Gefühle bis zum Ende vehement nicht zu, obwohl ihr gesamtes Umfeld, einschließlich uns, es lange schon besser weiß. Arische Titelheldin Kaori hat im Grunde gar keine Persönlichkeit. Sie ist hyperaktiv, krankhaft optimistisch, zutiefst unschuldig und im Großen und Ganzen nur ein Plotdevice, um Drama zu produzieren und Kousei's Schritt zum Beulen zu bringen. Sie hat keine Entwicklung und es gibt keine tieferen Einsichten in ihre Persönlichkeit, was eigentlich eine Schande ist, sie hätte eine gute Figur sein können, denn das interessante Potential war da. Der Rest der Besetzung ist nicht erwähnenswert, ein bruderanbetendes Mädchen, wettbewerbsorientierte Teenager-Konkurrenten für Kousei, seine unhöfliche, brutale Mentorin, die coole, eisige Freundin von Tsubaki und so weiter. YLIA ist ein Bilderbuch mit alten,verranzten Stereotypen, die wir schon seit Anno 2005 leid sind. Zumindest nerven sie einen aber nicht, und das ist ein wirklich guter Punkt für Your Lie in April. Kein einziger der Charaktere ist in 22 Folgen wirklich nervig. Die meisten Anime schaffen das nicht. Selbst wenn kein Charakter interessant ist, sind sie auch nicht schrecklich. Das ist doch schon mal etwas? Für den Clannad-Vergleich erinnern wir uns aber mal daran, welche komplexe Entwicklung und Persönlichkeit dort wirklich jeder Hintergrundstatist, geschweige denn Nebencharakter hat, und wo jeder dritte Dialog uns mit einer Gänsehaut bombardiert. In YLIA? Da bekommen wir nur eine Gänsehaut von den fremdschämigen WirKennenUnsMitKlassischerMusikAus-Dialogen.


Optik
 

Irgendwie ist die Optik nicht schlecht. Eher schon gut. Nichts Wunderbares, nichts Außergewöhnliches, aber gut gemacht über den Fortschritt des Anime und mit ein paar schönen Bildern und Szenen. Wenn ich etwas Schlechtes über die Optik sagen kann, dann dass sie vielleicht etwas langweilig daherkommt. Nichts Außergewöhnliches in der Masse der Durchschnittswerte, nichts, was wirklich hängen geblieben wäre. Bei Clannad habe ich heute noch die Poolszene mit den weinenden Zwillingen, die Prügelei mit Sunohara oder die absolut ikonische, andere Welt vor Augen. Wieder eine Runde für das Original, Your Lie in April. Sorry.

Sound


Natürlich der beste Teil eines Anime, der sich fast nur um klassische Musik dreht. Während Openings und Endings alle langweilig, klischeehaft und unkreativ sind, trifft die klassische (Klavier-)Musik in der Serie selbst immer den Ton(Haha) und ist es wert, angehört und genossen zu werden. Der Soundtrack ist einprägsam, besonders das Maintheme ist ein ikonisches und wunderschönes  Stück, das man nicht so schnell vergessen kann oder will. Jedes Mal, wenn es einsetzt, bekommt man eine Gänsehaut, und die bekomme ich auch heute noch, wenn ich es ab und zu auf Youtube anmache. Dieses Stück hat Clannad-Vibes. Dieses Stück erinnert einen beim Schauen daran, warum YLIA eigentlich überhaupt relevant geworden ist. Und wenn man es sich heute noch anhört, denkt man wieder an den Anime zurück, und wie schön das doch war und... dann fällt einem ein, dass es das leider nicht war. Zu schade.



Fazit

Ich muss zugeben, dass ich es keinen Moment lang wirklich genossen habe, Your Lie im April anzuschauen. Ich halte die 22 Folgen, die man problemlos auf 12 hätte runterkürzen können, weitestgehend für Zeitverschwendung, aber es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ihr anderer Meinung seid. Wenn es euch nichts ausmacht, die gesamte Handlung und alle Charaktere mit deren Innenleben schon von der ersten Episode an vollständig kennen und 22 Folgen einem Drama-Anime-Hamster dabei zuzusehen, wie er sich in seinem Rad dreht, wie er es bereits 4000 Mal vorher getan hat, und wenn ihr Serien wie Clannad(Okay, ich habe es gesagt!!!) wirklich, wirklich, wirklich liebt und nicht genug davon bekommen könnt, könntet ihr euch an diesem entspannten, unaufgeregten Anime erfreuen, der sich viel Zeit für das Innenleben seines Hauptcharakters und dessen Gefühlswelt nimmt und dabei noch einen Querschnitt durch das Genre der klassischen Musik macht. Und in seinen manchmal, ganz selten, wirklich unglaublich gelungen und berührend geschriebenen Dialogen Zitate raushaut, die die Jahre als einzige positive Spur von Your Lie in April überdauern. Did it reach her? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass sie vermutlich eine ebenso intensive Gänsehaut hat wie ich, wenn ich diesen Satz höre. 
Erwartet von YLIA keine Überraschungen. Oder ihr werdet bitterlich enttäuscht sein. Versprochen.



5/10 Friend B's für Your Lie in April


- Yoraiko 



Samstag, 28. September 2019

Serien-Review: The Boys (2019) - 'I am the Homelander. I can do whatever the f*ck I want.'


https://s-cdn.serienjunkies.de/the-boys/hdtv.jpg 





 TL;DR:
 Wer Superhelden mag, sie einmal ganz anders erleben will oder Klein-Gegen-Groß-Crimestories mag, bekommt hier mit 8 Folgen keinen zu langen Einstieg in eine Comicverfilmung, die auf jeden Fall keinem weh tut. 

Meine Einstellung zu Superhelden ist in etwa die Selbe wie die zu Pornos - Es macht Spaß, sie sich ab und zu anzusehen, manchmal kommt was Gutes dabei raus, aber meistens sind sie mir egal und ich verstehe die Begeisterung darum nicht. Superhelden sind für mich die traurigen Kopien von Manga-Helden, nur in weniger kreativ und mit albernen Kostümen. Ich konnte westlichen Comics und dem Superheldenkosmos also noch nie etwas abgewinnen, und das hat sich auch mit der großen Marvel-Revolution nur unerheblich geändert. Sicher, ein Deadpool oder ein Winter Soldier sind schon mal ganz großartige Popkorn-Unterhaltung, aber für mich gibt es keine seelenlosere, flachere Popkorn-Unterhaltung als Marvelfilme wie Avengers. Entsprechend versuche ich also, die Cape-tragenden Weltenretter so gut es geht zu vermeiden. Kürzlich hat mir nun aber mein Mitbewohner die Serie 'The Boys' wärmstens ans Herz gelegt. Mit der Beschreibung, es handele sich um eine Serie von bösartigen Superhelden die machen was sie wollen und eine Gruppe einfacher Leute erhebe sich gegen sie hat er mich eingefangen. Das klang interessant: Das Superhelden-Konzept ins Gegenteil verkehrt, quasi eine düstere, dystopische Vision von Superhelden, die gar nicht so super sind, und gegen die die Gesellschaft etwas unternehmen muss. Spannendes Setting. 

Um es mal vorweg zu nehmen: Das hatte ich leider doch etwas falsch verstanden. 

The Boys - Handlung und Charaktere

Wir befinden uns in einer Welt, in der es ein paar wenige Superhelden, Sups genannt, gibt, die im Dienste der Gesellschaft stehen und wie Superstars gefeiert und vermarktet werden. Dabei dreht sich die Serie um die berühmtesten von ihnen, die sogenannten SEVEN, sieben Superhelden die für den Megakonzern Vordt arbeiten und von Homelander angeführt werden, der psychopathischen Version von Superman und dem wohl mächtigsten Lebewesen der Welt. 

Unser Protagonist ist der junge und verträumte Hughie, der als kleiner Berater in einem Technikhandel ein unbedeutendes aber zufriedenes Leben fristet. Bis bereits in der ersten Folge bei einem alltäglichen Gespräch mit seiner Freundin Robin auf dem Bürgersteig diese in buchstäblich tausende kleine Fetzen zerstückelt wird, als der Flash-Abklatsch A-Train superschnell durch sie durchrennt. Dies setzt bei Hugie einen Rachefeldzug in Gang, den er zusammen mit einer alten Dingdreher-Bande von hartgekochten Veteranen im Laufe von in Staffel eins 8 Episoden durchziehen wird, um die zutiefst korrupten und moralisch verkommenen Seven endlich zu Fall zu bringen, allen voran den selbsternannten Gott Homelander. 


Ein starker Anfang, der schnell abflacht
 
Das Wichtigste zuerst: The Boys ist keine düstere Serie. Bei der Beschreibung meines Mitbewohners hatte ich mit etwas wirklich Düsterem im Sinne von Jessica Jones gerechnet, aber leider versteht sich diese Serie eher als schwarze Komödie. Die Humorelemente, das habe ich erwartet und so war es auch, haben mich vor allem in den ersten drei Episoden kein einziges Mal abgeholt und sind mir immer leicht störend aufgefallen, zum Glück aber nicht so, dass es einen wirklich rausreißen würde. Später wird das besser, der Rest aber nicht. Fängt die Serie auch vielersprechend und mit hohem Tempo an,zieht sie nach 2-3 Folgen sehr stark die Handbremse an und streckt sich, TROTZ der niedrigen Folgenanzahl, ab der Hälfte sehr. Was mich dabei vor allem gestört hat ist, dass das hier KEINE Superheldenserie ist. Das ist KEINE Rachegeschichte oder gar eine Dystopie, in der eine kleine Gruppe frustrierter Unterdrückter versucht, gegen die Supermonster zu kämpfen. Es ist im Grunde ein Heist-Thriller. Nach den ersten Folgen beschränken sich die Handlungen der Protagonisten fast nur noch auf Geheimhaltung, Spionage, Informationsbeschaffung, Manipulation und Sabotage, dabei nutzen sie als Basis ein kleines, heruntergekommenes Anwesen und müssen permanent aufpassen, ihre Gesichter nicht öffentlich zu zeigen. Die Serie ist da wirklich sehr ruhig und geht sozusagen realistisch vor in der Bemühung der titelgebenden 'Boys', Wege zu finden wie man dem Megakonzern Vordt und seinen Seven schaden kann. Das kann man mögen, wie viele es auch tun, aber für mich war so eine Detective-Informationskrieg-Story einfach überhaupt nicht das, was ich mir von einer Dark Superhero-Serie erwartet hatte, und ich war dementsprechend ernüchtert. 

Der Humor wird später besser bzw. weniger schlecht, ist alles in allem gefühlt aber einfach überflüssig in der Serie. Sie hätte so viel besser sein können, wenn sie wirklich nur ernst und düster gewesen wäre, statt aller Nase lang einen 'Darf man darüber überhaupt lachen?'-Gag zu bringen. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Störender im Gesamtkonzept fiel mir da schon auf, AUCH WENN DAS ABSICHT SEIN KANN, dass die Seven, um die sich die ganze Serie dreht, eigentlich nur aus Witzfiguren bestehen. Wirkt das Avengers-Ensamble am Anfang noch wie eine Art unantastbarer Superkrieger, werden sie von Folge zu Folge mehr dekonstruiert und man merkt, dass der eigentlich wirklich ernstzunehmende Antagonist Homelander ist. Wie gesagt, das wird schon Absicht sein, aber die Serie schwenkt sehr schnell dahin, dass es nicht mehr heißt "Wir müssen die Seven zu Fall bringen", sondern "Homelander muss weg." Der tatsächlich so gut wie unsterbliche Laseraugen-Overlord wird geradezu überzeichnet als Ultrabösewicht inszeniert und verdient sich diese Rolle auch gut als der moralbefreite Bastard, der er in jeder Folge ist, verborgen unter der schmierigen Fassade des weltoffenen Patrioten des Volkes. Das ist schon okay, nur wäre eine Antagonistenriege aus eben wirklich wenigstens 3-4 intelligenten, bedrohlichen und ernstzunehmenden Superwesen spannender gewesen, als es wieder nur mit einem Imperator zu tun zu haben, der ALLE ANDEREN kontrolliert und bedroht. 

Es hilf nicht, dass der Personenkreis der Boys nicht viel interessanter ist. Das betrifft allen voran Protagonist Hughey, der nach zwei starken, ersten Folgen zur Kartoffel verkommt und für den gesamten Rest der Serie so gut wie nichts Relevantes oder Bedeutendes mehr beiträgt, stattdessen steht er immer in der Ecke rum, äußert moralische Bedenken und guckt, als hätte er einen salzigen Fisch im Mund. Billy Butcher, der 'Anführer' der Gang, ist der 'MACHER' in der Serie und die treibende Kraft hinter den Geschehnissen. Das wäre auch nicht weiter schlimm, wenn dieser lethargische Hughey nicht in den letzten zwei Folgen auch noch zunehmend anstrengender und nerviger werden würde. Plötzlich ist ihm das alles doch zu viel, plötzlich will er aussteigen, bekommt Angst und moralische Bedenken, und warum? Weil wir eine Spannungskurve brauchen und der Typ sonst eh keine Relevanz in dieser Serie hat. 

Als letzter großer Kritikpunkt meinerseits ist das hundertprozentig auf Cliffhanger und #BetterGoWatchSeason2Now getrimmte Ende zu nennen. Vielleicht war ich zu naiv, aber ich hatte erwartet, dass die Staffel in sich abgeschlossen ist und die Serie rund beendet, auch weil ich kaum noch Potential für eine Staffel 2 sehe. Dass wir zum Abschluss also diesen recht billigen und auch ein wenig vorhersehbaren Twist serviert bekommen, stieß mir doch einigermaßen sauer auf.

The Boys ist nicht schlecht

Das Alles klingt jetzt unglaublich negativ, aber Fakt ist, dass ich The Boys in acht oder neun Tagen gebingewatched habe. Das mag auch daran liegen, dass meine Ansprüche an Serien nicht besonders hoch sind, aber es gibt auch allerhand Stärken zu nennen, welche die Serie in sich vereint. Am wichtigsten ist dabei ohne jeden Zweifel die schauspielerische Leistung des Castes - Homelanders
Antony Starr stiehlt allen anderen buchstäblich die Show, die Süffisanz, Gelecktheit und größenwahnsinnige Arroganz mit der er Homelander spielt, macht seinen Charakter zu einer perfekten, hassenswerten Figur, die intelligent, heuchlerisch, zutiefst sadistisch und hochgefährlich ist. Seine Performance ist es, die einen Großteil des Reizes dieser Serie ausmacht. Dann haben wir Karl Urban als Billy Butcher, dessen Frau von Homelander vergewaltigt und mutmaßlich getötet wurde, der den abgekochten, psychisch verrohten Gangster überzeugend spielt. Man fühlt seine Wut auf die 'Sups' quasi, der gerade gegen Ende nur all zu oft in offenen Rassismus umschlägt.  Chace crawford als The Deep, der in Folge 1 als widerwärtiger Schänder auftritt, dann aber Stück für Stück tatsächlich einigermaßen nachvollziehbar als lächerliche, vollkommen macht-, und planlose Figur erzählt wird, die wirklich niemand ernst nimmt und die Delphine vielleicht etwas zu sehr liebt, als gesund für ihn wäre. Auch sonst eigentlich nur gute Performances, bis vielleicht auf den Protagonisten Hughey, gespielt von Jack Quaid. Aber das mag auch einfach daran liegen, dass ich den Schauspieler schlichtweg nicht leiden kann und nicht gerne sehe.

Die Cinematic bzw. die Optik der Serie ist teilweise wirklich großartig. So bekommen wir direkt in der ersten Episode diese eindrucksvolle und dezent verstörende Szene, während am Ende selbiger ein cool inszenierter Kampf mit einem Unsichtbaren stattfndet. Dann trumpft der Humor auf, wenn er sowas zustande bringen kann. In Kurz, 80 % der Zeit sind die Bilder der Handlung und dem Setting geschuldet entsättigt, unspannend und eben sehr konservativ. Aber die Optik hat ihre Momente, wenn auch leider wenige davon. 

Starlight, der weibliche und unverkommene Neuzugang bei den Seven, ist ein guter Charakter und hätte vielleicht die eigentliche Protagonistin sein sollen, was sie auf eine Weise ja auch war. Ihre Entwicklung, die sie im Gegensatz zu Hughey hat, war angenehm mit anzusehen, wenn man wohl auch noch mehr aus ihr hätte herausholen können. Was ich sehr mochte war die Beziehung zwischen dem Boys-Mitglied Frenshie und dem asiatischen Sup-Mädchen, dass er aufnimmt, da man auch hier eine einfühlsame Entwicklung beobachten kann, die beide zusammenwachsen lässt. Der Rest der Boys ist, wie angedeutet, eher steril und unnahbar unterwegs. Zuletzt: The Deep hat einen wirklich guten Arc innerhalb der ersten Staffel. Er wird von einem der Hauptgesichter der Seven - einem arroganten und selbstgerechten Lackaffen - zum ganz, ganz armen Schwein, und man beginnt wohl oder übel unweigerlich ein bisschen, mit ihm mitzufühlen. Man muss nicht mit seinem Charakter sympathisieren, kann aber sehen, dass da in Zukunft wohl noch Einiges passieren wird. 

Potential (noch) nicht genutzt

 Alles in allem war The Boys eine Abwechslung, auf die ich ohne meinen Mitbewohner niemals gestoßen wäre, und ich bin eigentlich ganz froh, mich mal aus meiner Komfortzone getraut zu haben. Das Potential einer Superhelden-Dystopie wurde hier mit der ersten Staffel leider nicht ausgenutzt, da die Serie sich zu sehr in Nebenhandlungen und dem Aufdröseln der Seven verloren hat. Das kann in der zweiten Staffel besser werden, aber ob ich mir die noch ansehen werde...? Keine Ahnung, eigentlich habe ich keine große Lust dazu. Aber wenn The Boys mit Staffel 2 endet, wäre es vielleicht eine Überlegung wert.

Wer Superhelden mag, sie einmal ganz anders erleben will oder Klein-Gegen-Groß-Crimestories mag, bekommt hier mit 8 Folgen keinen zu langen Einstieg in eine Comicverfilmung, die auf jeden Fall keinem weh tut. 

6/10 Arschbomben für The Boys
 
- Yoraiko


Freitag, 27. September 2019

Manga-Review: Attack on Titan Anthologie


https://www.carlsen.de/sites/default/files/styles/product_medium/public/produkt/cover/9783551792907.jpg?itok=B4c8ngSN 



Während die Hauptserie Attack on Titan sich für mich mit aktuell 25 Bänden als eine der größten Plot-Katastrophen seit Manga-Gedenken herausgestellt und seinen Platz in meinem Herzen so gut wie verloren hat, habe ich auf der kürzlich stattgefundenen Animagic 2019 gebraucht die AoT-Anthologie erstehen können, die mich wegen dem brachialen Cover durchaus reizte. Aber auch wegen der Vorstellung, einmal westliche Comiczeichner die interessanten Wesen von Hajime Isayama interpretieren zu sehen. Letztendlich habe ich das auch nicht bereut, aber ernüchtert war ich insgesamt doch definitiv. 

Grundsätzlich ist es so, dass ich der westlichen Comicindustrie nicht viel abgewinnen kann. Ganz allgemein, diverse Ausnahmen außer Acht lassend, sind westliche Comics einfach viel hässlicher, rudimentärer und für mich unansprechender gezeichnet als Manga, das zeichnerische Niveau kann sich nicht mal Ansatzweise mit dem Japans vergleichen, und die Geschichten sind in den allermeisten Fällen auch viel platter, weniger komplex oder fantasieloser. MARVEL und DC sind die allerbesten Beispiele dafür, was westliche Comics für mich repräsentieren. Und na ja, die Attack on Titan Anthologie hat leider gerade meine optischen Zweifel ein weiteres Mal bestätigt. Die Sammlung von Kurzgeschichten ist qualitativ extrem durchwachsen, mit klarer Kurve ins Negative. Das Meiste ist pubertäre und nichtssagende Comedy, nur hier und da hat man mal eine Erzählung die zumindest versucht, sich der Ernsthaftigkeit der Vorlage anzunähern. Das zeichnerische Niveau ist allgemein recht niedrig und es fällt mir schwer zu glauben, dass man keine kompetenteren Künstler finden konnte die bereit gewesen wären etwas beizusteuern als, na ja, Leute wie Damion Scott, der hier zusammen mit Sam Humphries und Siegmund Torre den konkurrenzlosen Tiefpunkt der Anthologie abgeliefert haben, der aussieht und sich liest wie das Erstlingswerk einer neunjährigen Animexx-Künstlerin. Bestenfalls. Dann gibt es aber auch ein paar Highlights wie 'Der Himmel über uns' oder 'Fie Fai Foh', die ideenreich und kreativ sind, und mich mehr als nur einmal schlucken ließen. Aber ich werde chronologisch hindurchgehen, um zu jeder Story etwas zu sagen.



Unter der Oberfläche
Nicht wirklich eine Geschichte, die abgesehen von dem Twist am Ende irgendetwas mit Attack on Titan zu tun hat, und deswegen recht fehlplatziert in dieser Anthologie. Die Zeichnungen sind allenfalls passabel, und die Handlung ist nicht der Rede wert.

Das Lachen des Titanen
Hier konnte ich zunächst auf eine ernste, kleine Anekdote aus dem AoT-Universum hoffen, die Story stellte sich jedoch als Finte heraus, die nicht mehr zu erzählen hatte als einen sehr, sehr unlustigen Witz ohne Pointe. Oder eben viele davon. 

Leben und Sterben lassen
Nicht besonders ansprechend gezeichnet, aber durchaus ernst und fesselnd, und mit einer sehr interessanten Idee ausgestattet, die es so vorher in AoT nicht gab. Das Ende kommt leider sehr abrupt und lässt einen schulterzuckend zurück, aber hey, bis dahin war es okay.

Braver Hund
Die war gut. Ordentlich gezeichnet, mit sehr atmosphärischen Farben, und bis auf eine pointierte Aussage am Ende ohne Text. Gute, in sich geschlossene Handlung. Das hatte ich mir von dieser Anthologie erhofft. 

Attack on Playtime
Wie erwähnt ein gedrucktes Verbrechen zum Kopfschütteln. Vollkommen bescheuert, ohne jeden Witz oder Wert, augenblutend gezeichnet, Schund. Schund Schund Schund. Einfach nur Schund. 

Der Himmel über uns
Mein persönliches Highlight. Die Geschichte zweier liierter Frauen, die versuchen mit einem Fluggerät über die Mauern zu fliehen. Die Idee ist im AoT-Universum nicht gänzlich neu, besticht für mich hier aber mit emotionaler Tiefe, einem bittersüßen Ende, charmanten Zeichnungen und ganz allgemein der richtigen Attack on Titan-Atmosphäre, die fast keine andere Geschichte der Anthologie so eingefangen hat. 

Bahamut
Also was das genau sein sollte weiß ich auch nicht.
Eine konfuse Erzählung in abstraktem Zeichenstil, die nicht so wirklich irgendetwas Positives oder Interessantes in sich trägt, die Charaktere sind komisch, die Dialoge wirken seltsam und gestelzt, prätentiös ist wohl das Wort, das diese Story am besten beschreibt. Und obendrein interessiert sie sich auch noch einen Dreck für die Gesetze der Welt Isayamas. Papierkorb.
  
Attack on Demon Con
Die war tatsächlich ganz amüsant, vor allem auch, weil sie kurz genug war um den Witz nicht überzustrapazieren. Solide und süß gezeichnet, mit einem infantilen aber sinnvollen Ende. 

Fie Fai Foh
Objektiv sicher die mit Abstand stärkste Geschichte des Bandes. Eine ganz eigene Welt, Kultur und Atmosphäre, ein anderes Setting mit eigenen, starken Charakteren, detaillierten und gelungenen Zeichnungen, einem sehr passenden Titanendesign und einer funktionierenden Dramaturgie hin zum tragischen Ende. War gut. 

Labyrinth der Erinnerungen
Eine wunderbar gezeichnete, und ganz auf ihren emotionalen Impact fokusierte Geschichte, die nicht zu viel will und genau richtig macht, was sie erzählt. Ein durchdachter und unangenehmer Twist am Ende, nachvollziehbare Charaktere, mehr braucht es nicht.

App Motion Book Preview
Optisch einprägsame und grunsympathische Charaktere, eine vielversprechende Stimmung und tolle Zeichnungen. Sehr angenehm, nur zu schade, dass das hier nur die Vorschau auf irgendetwas ist, das mir nicht wichtig genug ist, um es auch nur zu googeln. So viel also dazu.



Die Comedy-Stripes zwischendurch waren derartig furchtbar und humorbefreit, dass ich sie nicht mal mehr separat erwähnen möchte. Was ich hiermit habe. Verdammt.

Alles in allem würde ich niemandem empfehlen, sich die Anthologie für die ausgeschriebenen 19,99 € zu holen, das grenzt bei dem Inhalt an Betrug. Als Fan der Serie kann man sich das im Regal durchaus hübsche Buch aber mal gebraucht für einen Zehner geben. Das größte Proargument ist tatsächlich noch die Kolumne über die Städte der Welt von Attack on Titan zwischen den Kapiteln, die interessante Hintergrundinfos liefert und sogar einen netten Meta-Twist hat.
Viel mehr als ein netter Bonus ist es aber nicht.


5/10 Mauern für Attack on Titan Anthologie

- Yoraiko

 

 

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Donnerstag, 26. September 2019

Film-Besprechung: Utoya 22. Juli (2018) - 'We are on an island here. We are safe.'

Bildergebnis für utoya 22.juli 


Am 22. Juli 2011 zündete der norwegische Rechtsextremist Anders Behring Breivik
im Zentrum der Hauptstadt Oslo eine Autobombe, die mehrere Menschen das Leben kostete und Weitere verletzte. Zwei Stunden später drang er mit einem Selbstladegewehr bewaffnet auf der nahegelegenen Insel Utøya ein, auf der ein Jugendlager campierte, und erschoss dort im Verlauf von etwa 90 Minuten 69 Menschen. Den Breivik-Anschlägen fielen insgesamt 77 Menschen zum Opfer, weitere gingen verletzt und geschädigt für ihr Leben aus der Sache heraus. Der Täter wurde am selben Tag festgenommen und sitzt mittlerweile seine 21 jährige Gefängnisstrafe mit anschließender Sicherheitsverwahrung ab.

So viel zu den Fakten. Ein Terroranschlag, der damals gefühlt ganz Europa den Atem anhalten ließ, und mit seiner Brutalität und Abscheulichkeit traurigen  Alleinstellungscharakter hatte. Wenn man über ein so verhältnismäßig junges, geografisch im eigenen Land verortetes und so tragisches Thema einen Film macht, ist das garantiert nicht einfach, weder für den norwegischen Regisseur Erik Poppe, noch für den Zuschauer. Denn einfach, das war es für mich mit Sicherheit nicht, aber das hatte ich auch nicht erwartet.


Das Schlimmste und Beste an diesem Film ist, dass er authentisch ist. Wir verfolgen 'Protagonistin' Kaja im Jugendlager auf der Insel zunächst in den Minuten vor dem Anschlag, und schließlich durch diesen hindurch, und stets haben wir das Gefühl, wirklich dabei zu sein, zu erleben und zu wissen, wie es sich angefühlt und wie es ausgesehen hat - Kein beneidenswertes Gefühl. Aber es macht diesen dokumentarischen Film um so vieles furchtbarer. Dabei nimmt er sich mit etwas mehr als 15 Minuten genau die richtige Zeit, um die Jugendlichen des Lagers zusammen mit unserer Identifikationsfigur Kaja und ihren Beziehungen zu etablieren und vorzustellen. Allgemein ist der Film naturgemäß sehr anstrengend anzusehen - Er geht 'nur' 93 Minuten, fühlt sich aber länger als zwei Stunden an, nicht im negativen Sinne. 

Die Eskalation, die hier mit dem Eindringen Breiviks auf der Insel stattfindet, der sich als Polizist verkleidete, mit den Jugendlichen sprach und dann anfing auf diese zu schießen, geschieht rasch und unsauber, und vollkommen glaubwürdig. Dabei ist eines ganz wichtig und anerkennend zu betonen: Dem Terroristen und Massenmörder wird in diesem Film keine Bühne geboten. Man sieht ihn den gesamten Film über so gut wie gar nicht, höchstens weit entfernt auf einer Klippe blitzt er mal für ein paar Sekunden auf. Der für mich richtige Weg, ein solches Ereignis darzustellen. Stattdessen sind es gerade gegen Anfang nur die immer wieder dröhnenden, hallenden Schussgeräusche, die sowohl die Jugendlichen als auch mich als Zuschauer zusammenzucken lassen. Ich habe selten in einem Film so lebensechte, furchteinflößende Schussgeräusche gehört. Diese Schussgeräusche ersetzen eine direkte Darstellung des Terroristen in Utoya 22. Juli, und sie sind ebenso bedrohlich. Begleitet werden die Schüsse vor allem in der ersten Hälfte des Films von den (qualvollen Schmerzens-)Schreien der Jugendlichen, Gewimmer, Flehen, Weinen, Verzweiflung, Todesangst. Eine Sonata des Schreckens, die nur allzu oft verstummt, sobald ein weiterer Schuss gefallen ist und durch die Bäume der Insel widerhallt. 

Genau wie die sich versteckenden Jugendlichen, deren Verhalten das dem, welches wir an den Tag legen würden, genau und 1:1 entspricht, fragen wir uns zudem, warum die Polizei, die mit zahlreichen Handys benachrichtigt wird, einfach nicht auf der Insel eintreffen will. Ohne es zu wollen hat der Film hier eine Spannungskurve, die uns als Beobachter wütend und fassungslos macht - Die Behörden wussten, was auf der Insel vor sich geht, aber sie erschienen nicht. Wer sich mit dem Fall auseinandersetzt wird lesen, dass die Behörden große Probleme hatten, ein Boot oder einen Hubschrauber zu organisieren, und dafür später zurecht scharf kritisiert wurden. Das hat den Toten von Utoya jedoch auch nichts gebracht.

Wir begleiten Kaja dabei, wie sie im Chaos auf der kleinen Insel nach ihrer Schwester sucht, versucht andere Kinder zu retten, und sich schließlich unter die Klippen am Rande des Wassers flüchtet. Die ruhigen Minuten, die wir dann mit ihr und einem anderen Jungen in ihrem Dialog bekommen, empfand ich als sehr gelungen in Hinsicht auf den Schrecken, den man in den letzten vierzig Minuten mit verkrampften Händen vor dem Mund miterlebt hat. Gespräche über die eigenen Träume, ein kleiner unverfänglicher Flirt, ein dummer Witz, Gespräche wie die Jugendlichen sie geführt haben werden, während die Schussgeräusche über die Insel hallten. 

Achtung, dieser Absatz ist ein Spoiler - Am Ende bricht der Film mit einer Erwartungshaltung, die ich fast kritisieren wollte - Dass es eine Protagonistin gibt, die sicher ist. Die gab es damals nicht. Und so wird Kaja vor unseren Augen ebenfalls erschossen, weil niemand auf Utoya sicher war. Wir sehen, wie ein paar Jugendliche von einer Bootfahrerin gerettet werden, und der Film endet. Eine von vielen Freiwilligen, die damals Jugendliche von der Insel holten, und teilweise welche abweisen mussten, weil ihre Boote voll waren. Wir bekommen Informationen über den Anschlag als Textanzeige. Creditsmusik gibt es nicht, stattdessen ein unheilvolles, ruhiges Flimmern und das Rauschen des Wassers, um uns mit unseren Gedanken allein zu lassen.

Ein Film, wie man ihn über ein solches Ereignis machen sollte. Bravo. 

Es gibt eine Sache, über die ich noch nachdenken musste. Dieses Ereignis damals, hat mich schockiert. Dieser Film, er hat mich entsetzt. Ein furchtbarer, guter Film, der mir durch Mark und Bein ging. Mehr noch vielleicht als der ein oder andere Film über den Holocaust, den nahen Osten oder den 11.September. Hier läuft man schnell Gefahr, genau wie bei den Anschlägen im November 2015 in Paris, selektive Trauer vorgeworfen zu bekommen. Es stürben jeden Tag überall auf der Welt mehr Menschen als bei solchen Ereignissen, und man würde sich nur darum scheren, wenn es vor der eigenen Haustür geschieht. Jain. Die Sache ist die, und sei es nun der Holocaust oder Syrien - Wir hier in Zentraleuropa leben weder in dieser Zeit noch in dieser Gegend der Welt. Das haben wir uns nicht ausgesucht, aber es ist so. Wir können uns heute einfach nicht mehr vorstellen, dass so etwas wie der Holocaust nochmals stattfinden kann. Das scheint (Zum Glück) vollkommen unmöglich und surrealistisch. Und wir leben (hier) auch nicht im Kriegsgebiet, und so furchtbar die Geschehnisse in Ländern wie Syrien sind, sie sind nicht hier, und so machen sie uns nicht auf die buchstäblichste Weise betroffen. Aber. Die Anschläge vom 22. Juli 2011 fanden in Oslo, Norwegen statt. Im Herzen Europas. Buchstäblich IN unserer Haustür. Nichts hätte Norwegen oder uns darauf vorbereiten können, und es zeigt uns auf, dass solche Dinge immer und wirklich überall passieren können. Nur ein paar hundert Kilometer entfernt von uns tötete ein Mann 77 Menschen. Ich empfinde es als vollkommen verständlich, dass uns das mehr schockiert, entsetzt, ängstigt und betrifft als tragische Tode in weit entfernteren Teilen der Welt oder zurückliegenden geschichtlichen Abschnitten.

Es ist die morbide Nahbarkeit Oslos oder auch Paris', die den alarmierenden und bestürzenden Effekt solcher Anschläge und auch dieses Films ausmacht. 

Utoya 22. Juli jedenfalls war ein ganz großartiger Film. Er ist informativ, er ist geradezu fatalistisch hautnah und nachvollziehbar, und er ist nur schwer zu ertragen. Ich möchte ihn nicht wieder sehen. Aber ich kann ihn absolut jedem empfehlen, der sich so etwas angucken kann.



8/10 Kerzen für Utoya 22. Juli

Yoraiko  

 

Mittwoch, 25. September 2019

RPG Maker-Review: Aliminator (2003)



Unbenannt.PNG



Erstellungsjahr: 2003
Ersteller: Kelven
Genre: Horror, Shooter, Scifi
Spielzeit: Ca. 2 - 3 Stunden
Engine: RPG Maker 2000



Die frühesten Werke Kelvens haben es ansich, dass sie experimentell wirken. Sie zeigen auf, dass der heute als Fließband-Ersteller bekannte Makerveteran sich ausprobiert und einfach getan hat, wonach ihm gerade der Sinn stand. Dabei kamen vielleicht nicht immer schöne Schwäne heraus, aber mit Sicherheit auch keine hässlichen Entlein. Und während ähnlich frühe Titel wie Eterna eine ganz andere Klasse und Ausrichtung haben, gab es auch vergessene Werke wie den Scifi-Horror Aliminator. Aliminator… für mich persönlich damals mein erster Scifi-Shooter oder auch Horror-Shooter, auf dem Maker und überhaupt. Weder wurde dem Spiel eine Bekanntheit zuteil, die auch nur an der Haube der 'Großen Drei' (Zwielicht, Licht und Finsternis, Eterna) kratzte, noch erinnerte sich einige Jahre später noch jemand daran. Zurecht, wie man sagen muss. Aliminator hat es nicht nötig, dass man es nochmal spielt, denn es ist nicht mehr als ein früher Entwicklungsschritt in der Karriereleiter Kelvens. Ein paar Stunden ist das Spiel stark, dann darf man ausmachen. Doch was letztendlich hinter dem ambitionierten Gruselspiel steckte, darüber möchte ich hier kurz sprechen.
   

                      


 

Die Geschichte, die hier selbstverständlich nur als hauchdünner Vorwand dient, passt auf eine Coladose: Eine Mienenstation auf einem fremden Planeten gibt seit Monaten kein Lebenszeichen mehr von sich, und man entsendet einen Trupp Space-Marines inklusive einer Alien-Killerin, das sind wir. In den folgenden zwei bis drei Stunden schießen wir uns durch Außerirdische und anderes Gesocks um herauszufinden, was hier nur passiert sein könnte. 


Die ersten 20 Minuten. Ich betone immer wieder, wie ungemein wichtig dieser Abschnitt für ein RPG Maker-Spiel ist, VOR ALLEM in Horrorspielen. In Aliminator sind es diese 20 Minuten, in denen der Titel glänzt - Die Atmosphäre ist zum Schneiden dick, die metallenen Wände der Raumstation raunen unheilvolle Ereignisse, und die Musik erzeugt sehr effektiv ein Unwohlsein. Der springende Punkt ist, dass wir noch nicht wissen, womit wir es zu tun haben. Aliminator ist zu Beginn noch kein Shooter sondern ein Horrorspiel. Und das hat es ganz gut gemacht. Wenn alle Charaktere zusammen die Station betreten, sich trennen, es langsam mysteriös wird, man einsam durch leere, flackernde Gänge schleicht und Kinderlachen hört. Wenn man meterlange Blutspuren in ansonsten leeren Gängen vorfindet. Im Umkehrschluss wird diese Stärke allerdings sofort verworfen, sobald der erste Aliengegner auftaucht. Von da an gibt es kein Drumherum mehr, sondern nur noch stumpfes Shooter-Gameplay bis zum Schluss. Leider wird Aliminator auch mit zunehmender Spieldauer von Minute zu Minute schlechter. Das monotone Alientöten in den immer gleichen Gängen wird schnell langweilig, der Plot und die Dialoge sind so erzwungen und teilweise haarsträubend, dass Ärzte mit Holzstöcken gestandene Marinesoldaten K.O. hauen. Und auch Grafisch oder Musikalisch hat Kelven sich hier nicht in größere Mühen gestürzt, sondern erst Mal einfach nur gemacht. Die gefühlten zwei Silent Hill-Themes wirken bei ihren ersten Einsätzen noch wahnsinnig atmosphärisch und gruselig, aber nach der vierzigsten Map mit dem immergleichen Gedudel wünscht man sich eigentlich nur noch etwas Ruhe, um vielleicht auch mal ein Gefühl für die Raumstation zu entwickeln. 


                       



Abschnittweise offenbart Aliminator immer mal wieder interessante Umgebungen - Zum Beispiel verdunkelte Räume mit Rotlicht, Gewächshäuser, Flackergänge. Es ist jedes Mal aufs Neue schade, dass keines dieser Konzepte - vom Gewächshaus vielleicht mal noch abgesehen - ordentlich umgesetzt wurde, so dass auch diese potentiellen Atmosphärebringer zu bloßen Durchlauf-Maps verkamen.

 

Die Präsentation ist einprägsam - Pictures wurden gescrollt, gezoomt und auf andere Arten in Szene gesetzt. Das ist durchaus effektiv und stimmungsfördernd gewesen, scheiterte letztendlich aber fatal an den Grafiken selbst, welche damals nun mal noch nicht die Ausgearbeitetesten waren. Würde Kelven diese Techniken aber heute nochmals benutzen, würde das wahrscheinlich sehr, sehr unheimlich für uns alle werden.

                      



Story und Charaktere sind wie gesagt kaum von Wert. Würde mir heutzutage noch jemand einen Trope wie das verstorbene “Warum hast du mich nicht beschützt, Mama?”-Kind oder den naiv-grausamen Psychodoktor vorsetzen, so hätte er meine Aufmerksamkeit verloren. Ebenso wie es heute nich mehr ratsam ist, dass sich Charaktere, die ein elitäres, jahrelanges Training hinter sich haben sollten, sich verhalten wie die läufige Teenager in einem 90s Slasher. Im späteren Verlauf wird Aliminator zudem zu einem Silent Hill-Verschlag, was das Spiel meiner Meinung nach wirklich nicht gebraucht hätte und merklich runterzieht, also, noch weiter. Da das Spiel aber derartig alt ist und Kelven seinen Fokus an ganz andere Baustellen gesetzt hat, kann man diesen Aspekt mit einem Schulterzucken abtun, wenn man denn schon einen solchen Shooter spielt.

 

Der letzte Kampf ist wie so ziemlich jeder Kampf im Spiel keine Herausforderung, und das Ende… ist kommentarlos und minimalistisch. Ein bitteres Ende, dass unsere Heldin nicht gut wegkommen lässt, was einem dann, auch wenn sie nicht mehr war als ein laufendes Plotgerät, ein bisschen leid tun kann. So ein Ende war damals für Spieler, die sich stundenlang durch die Station geballert hatten, um den Hintern der Protagonistin zu retten, wie ein erhobener Mittelfinger. 

                       



Erklärungen oder jegliche Hintergründe zu den Aliens im Spiel gab es auch nicht, aber zur Abwechslung bin und war ich hier der Meinung, dass das auch okay so war. Genau wie das minimalistische Ende ohne alles. Es funktionierte so, weil Aliminator letztendlich konsequent bis zum Schluss das ist, was es sein will: Ein Shooter. Keine Geschichte.

 

Aliminator ist nicht in Würde gealtert, es ist kein gutes Spiel und kein guter Shooter. Aber für mich ist es nach wie vor ein prägender Abriss damaliger Scifi-Shooter und ein nostalgisches, verschrobenes Vorzeige-Werk für angestaubten Scifi-Makerhorror. Ich werde es sicherlich nicht nochmals durchspielen, aber vielleicht, ab und an, doch nochmal den Anfang erleben. 
So war das damals. 




3/10 Marines für Aliminator





- Yoraiko



Dienstag, 24. September 2019

Manga-Rezension - Ikigami Vol2

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Ein schwacher zweiter Teil. Das ist für mich die Tagline für Band 2 von Ikigami. Nachdem der erste Band, zu dem ich nichts Konkretes geschrieben habe, damals für mich wie aus dem Nichts kam und überraschend stark war, lässt der zweite Band wie erwartet erst mal deutlich nach, so ist es ja auch üblich. Dabei ist die erste vorgestellte Geschichte ein wenig besser und überraschender als die vorhersehbare Zweite, und spielt auch mit dem Konzept des Todesbriefes, der dem Unglücklichen 24h zum Leben lässt, gut herum.

So empfand ich Droge der Liebe vor allem als einigermaßen gelungen, weil es emotional stark, durchaus komplex und mit dem einen oder anderen Twist ausgestattet war. Die Geschichte des Versagers, der nichts hinbekommt, aber jemanden an seiner Seite hat, der sich für ihn einsetzt, funktioniert eigentlich immer, so auch in Serien wie WELCOME TO THE NHK. Ikigami spielt hier erst mit der Erwartung, wer den Todesbrief tatsächlich bekommt, und auch mit Kazusas Charakter. Letztere war durchaus jemand, mit dem man mitfühlen konnte, und dadurch mehr und mehr auch der Protagonist. Dass die Droge der Liebe letztendlich entgegen dem angedachten Sinn dafür sorgt, dass sich das liebende Pärchen nicht noch einmal sehen kann, ist zwar einerseits eine Anti-Drogen-Message mit dem erhobenen Zeigefinger, andererseits aber auch ein unheimlich raffinierter Twist, weil Kazusa es ist die die Drogen nimmt als Person, die Drogen die ganze Zeit verflucht hat. Außerdem schön, dass immer wieder kleine Momente des eigentlichen Protagonisten von Ikigami, Kengo, eingestreut werden, da die übergeordnete Geschichte und Welt natürlich das eigentliche Interessante am Manga ist. Ganz an die beiden Erzählungen des ersten Bandes kommt diese Kurzgeschichte zwar nicht, aber sie war deutlich stärker als das Debakel danach.  

Die Nacht vor der Einberufung empfand ich als ganz furchtbar. Die Geschichte war vollkommen vorhersehbar, emotional platt, erzählerisch platt und deutlich weniger durchdacht als die bisherigen Stories. Es ist immer sehr fragwürdig, wenn ein Charakter nur dadurch etwas erreicht bzw. anerkannt wird, weil er einer anderen Person ähnlich sieht. Und das passiert auch hier - Es wird dem Leser vorgegaukelt, der sterbende Protagonist habe eine Beziehung zu dieser alten Frau, dabei könnte sie ihm egaler nicht sein. Er sieht eben nur ihrem Mann ähnlich. Auch sonst hatte ich nicht viel für den Hauptcharakter übrig, das Beste an der Geschichte waren wieder die Sprünge herüber zum Ikigami-Boten Kengo, und seinem Aufeinandertreffen mit einer (latent-psychopathischen) Psychologin. 


Was sich für mein Empfinden auch sehr, sehr schnell abnutzt sind die 'emotionalen Ausschreie'. Also diese Momente, wenn ein Charakter wie für eine Genkidama Kraft und Emotionen sammelt und im nächsten Moment sein ganzes Leid hinausbrüllt. Da das im Manga bisher jedes Mal einfach als ein großes Panel oder ein 'AAAAAAAAAAAaaaaHHHHHHHHHHHHH', 'UWAAAAAAAAAAAAAAAAH' dargestellt wurde wirkt das immer leicht albern. Ich kann mir da ein Schmunzeln nicht verkneifen, aber vielleicht bin das auch nur ich. 

Mal sehen, wann der dritte Band zufällig in meinen Besitz wandern wird, die Serie hat mich leider nach Band 1 nie genug interessiert, bewusst in sie zu investieren. Aber das ist das Gute an ihrem Format, man muss nicht dran bleiben. Man kann jederzeit wieder einsteigen. Es sei denn, man stirbt in 24 Stunden.

 - Yoraiko

 

Sonntag, 22. September 2019

Der Fall (von) Attack on Titan






Attack on Titan ist das Franchise, das 2013 buchstäblich die Welt überrollt hat. Der Manga, der bedeutend früher als der Anime veröffentlicht wurde, bekam vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit von der großen Masse, aber als schließlich die Serie startete, brach ein beinahe nie da gewesener Megahype aus, der die gesamte Anime-Community verschlang und noch weit darüber hinausging - Plötzlich kannte wieder jeder Anime. Arbeitskollegen und Freunde haben sich über Attack on Titan unterhalten, Youtube war voll davon, die erste Staffel von Isayamas hautlosen Riesen bescherte der Animekultur einen zweiten Frühling, der sich gewaschen hatte. Es war DER Anime. Ein Werk, das in die Fußstapfen von Dragonball, One Piece und Naruto trat wenn es darum ging, den Mainstream zu bestrahlen und jeden, aber auch wirklich jeden ins Boot zu holen. Das umfasste auch meine Mutter, ihres Zeichens eine Mittvierzigerin die mit Anime so viel anfangen kann wie One Punch-Man mit einem Wutsack. Eine Folge brauchte es, um sie anzufixen. Jeder feierte es ab, als Anime des Jahrzehnts wurde AoT gefeiert, eine Actionserie ohnesgleichen. 

Heute, im Jahre 2019, haben wir Staffel 3 erreicht, und sind damit auch 'endlich' im großen Reveal der Welt und Hintergrundgeschichte des Manga angekommen. Die Serie wird mit der nächsten Staffel enden, und somit wohl nicht dem Manga folgen sondern ein eigenes Ende kreieren. Vielleicht ist das auch gut so, denn der Attack on Titan-Anime ist, in seiner Gesamtheit alles in allem, für mich der beste Anime aller Zeiten, noch ein ganzes Stück vor Death Note. Aber das ist der Anime. Hier soll es heute nicht um den Anime gehen, nicht hauptsächlich, sondern um den Manga und die Kerngeschichte und Welt von Hajime Isayama. 

Denn, und das mag jetzt überraschend kommen nach der positiven Zusammenfassung:  
Nach Monaten des Überdenkens und Recherchierens ist Attack on Titan für mich noch immer eine der größten Plot-Katastrophen und Franchise-Trainwrecks aller Zeiten. Eine beinahe nie da gewesene Katastrophe von fehlgeleitetem Writing und einem verschwendeten Potential, das rückwirkend auch alles zerstört und mit dem Arsch einreißt, was AoT sich bis dato in 20 Bänden und zwei Staffeln aufgebaut hatte. 

Mit dieser Ansicht stehe ich relativ alleine da - Youtuber wie Gigguk, den ich oben verlinkt habe, sind begeistert von dem großen Payoff der Story, der im Anime nun auch erreicht wurde, und deklarieren Attack on Titan mehr als zuvor als Meisterwerk. Und während ich z.b. Gigguk in der Regel zutiefst respektiere und mit vielen Punkten seines Videos einhergehe, muss ich in der Schlussfolgerung widersprechen: 
Attack on Titan isn't Incredible Now. Not at all
Warum, das möchte ich im Folgenden lang, breit, möglichst nachvollziehbar und ehrlich aufschlüsseln. Die Totenmesse eine der vielversprechendsten Manga-Geschichten unserer Zeit, viel Vergnügen.  
Eine Warnung: Dieser Beitrag wird naturgemäß heftige Spoiler bis einschließlich Band 25 enthalten, weil ich hier im entsprechenden Abschnitt explizit über die große Enthüllung in Band 21 und die Konsequenzen spreche. Ihr wurdet gewarnt.       

 Ein Rückblick

Gegen Anfang gab es für mich natürlich nur den Anime - Die Cover des Manga kannte ich aus kleinen Foren schon, hier und da hat man die mal gesehen, aber viel anfangen konnte ich damit nicht - Nackte Riesen die Menschen fressen? Okay, bestimmt so ein nischiges Japanoding. Erst, als der Anime aus dem NICHTS kam, und sich in der Forencommunity in der ich damals wie heute Mitglied war zu einem gesellschaftlichen Binge-Hype hochgeschwungen hat, der mit einem unerträglichen Cliffhanger in JEDER! FOLGE! abhängiger machte als Kokain, und der brachiale Actionszenen und epische Chöre aufwies wie kaum ein Anime zuvor, war auch ich leidenschaftlicher Fan. Es war buchstäblich unmöglich, diesem Franchise noch zu entgehen. Und während einige Bekannte von mir Attack on Titan auch heute noch albern finden, wenn ich ihnen den Kampf von Annie und Eren am Ende von S1 zeige, weil das für sie eben nur nackte Riesen sind die kämpfen, weiß man als Fan der Serie und des Manga, was für eine großartige, geniale und komplexe Welt Isayama hier entworfen hat. 
Oder eben auch nicht. 

 'Read the Manga!'

Attack on Titan ist eine dieser Serien. Die 1:10.000-Serie. Ein Anime, der das zugrunde liegende Quellmaterial, in diesem Fall den Manga, perfekt adaptiert, nein, es sogar noch um 300 bis 400 % verbessert. Der Anime ist das in jeder Hinsicht überlegene Medium, und Stand heute gibt es keinen Grund, den Manga zu lesen, außer wenn man nicht Jahre auf den Anime warten wollte wie wir damals. Aber ich persönlich habe die vier Jahre auf S2 gewartet, weil ich keine Lust auf den Manga hatte. Nachdem diese aber eher ernüchternd und nur mit 12 Folgen endete, reichte es mir. Ich wechselte zum visuell schwachen, deutlich weniger mitreißend inszenierten Manga, der merklich unter dem fehlenden Soundtrack und den Extra-Ideen der Serienmacher leidet, dafür aber auch deutlich schneller vorankommt. Ich gelangte mit Band 20 - 22 zum großen Reveal, nachdem ich mich zuvor in heftigster Form über die Bände 15 - 19 aufgeregt hatte, die über Staffel 2 des Anime hinausgehen. Als Einsteiger in den neuen Content hatte ich aufgeregt erwartet, nun endlich die großen Antworten zu bekommen, aber Pustekuchen - Isayama schaffte es tatsächlich, die Enthüllung seiner Welt, auf die man als Leser doch so sehr brannte, vier ganze Bände hinauszuzuögern, in dem er diese mit gefühltem Filler-Material zustopfte, alle Charaktere zich Mal ominöse und unkonkrete Dialoge aufsagen und wiederholen ließ und dem Leser ein ums andere Mal mit Andeutungen und Unterbrechungen in wichtigen Szenen trollte. Es war für mich eine riesige erzählerische Verarschung, die an Dreistigkeit kaum zu überbieten war, in Fakt war dieser Abschnitt der Geschichte so schlecht, dass Isayama selbst eingestanden hatte wie unzufrieden er damit war und der Anime das Ganze deutlich runterkürzte und besser präsentierte. 

Aber dann kamen Band 20 - 22. Die große Enthüllung. Und meine aufgeregten, glänzenden Augen wurden trüb und leer. Fünf lange, lange Jahre hatte ich nun gewartet, mir das Hirn immer und immer wieder allein und mit Freunden darüber zermartert, WAS die Auflösung sein könnte, und als ich sie dann erfuhr, entglitt mir lediglich ein ernüchtertes 
'Oh. Okay.'       

 Faszination Shingeki No Kyojin - 
Was wir lieben

Fragt man 1000 Fans von Attack on Titan, vor allem des Anime, was sie an dieser Serie lieben, wird man vermutlich zahlreiche verschiedene Antworten bekommen, aber auch viele Überschneidungen. Attack on Titan steht für Themen, Symboliken und Werte, die wenige Anime oder überhaupt Geschichten in einer solchen Intensität vorher schon mal behandelt haben, zumindest für mein Wissen. Und so will ich versuchen, hier herunterzurattern, was Attack on Titan für mich schom immer bedeutet hat, um präszise überzuleiten, warum die große Enthüllung der gesamten Geschichte in einem solchen Maße schadet. 
 Dabei reden wir bitte nicht groß über die Animationen, Action und die Kämpfe - Die sind über absolut jeden Zweifel erhaben und das Beste vom Besten. Schummelt S1 auch noch mit vielen Standbildern, sehen die späteren Staffeln sogar noch besser aus. Allein auf der Oberfläche ist Attack on Titan also ein Brecher außer Konkurrenz. Der Soundtrack, auf den ich weiter unten noch eingehe, ist ein Meisterwerk. Nicht weniger.  


On that day, mankind received a grim reminder. We lived in fear of the Titans and were disgraced to live in these cages we called walls.

Mit diesem unvergleichlich ikonischen Zitat aus der ersten Folge Attack on Titan ist die Stimmung gesetzt. In dieser Geschichte geht es um Freiheit. Was für mich den Reiz und die Emotionalität von Shingeki no Kyojin ausmachte, war der verzweifelte Kampf der Menschheit gegen einen schier übermächtigen Feind - Die Titanen - um das wichtigste Gut: Ihre Freiheit. Gefangen in Mauern wie ein Vogel im Käfig ist Freiheit das eine, große Motiv der Geschichte. Doch als die Titanen die Mauern brechen und die Menschen terrorisieren, fressen und dominieren, kommt das Motiv der Angst und des Überlebens hinzu. Die Menschheit muss verzweifelt und mit ALLEN MITTELN ums pure Überleben kämpfen, darum, von den Titanen nicht endgültig ausgelöscht zu werden. Protagonist Eren, dessen Mutter an jenem Tag vor seinen Augen von einem Titanen gefressen wird, schwört, alle Titanen auszulöschen. Er ist der Held dieser Geschichte, aber er will nicht der Allerbeste sein. Er will nicht Hokage werden oder das One Piece finden. Er will alle Titanen abschlachten. Seine Wut, sein unglaublicher Zorn und seine Entschlossenheit sind es, die uns Zuschauern klar machen, wie ernst und trostlos die Situation der Menschen in dieser Welt ist, und wie hassenswert die Titanen doch sind. Das wird nur umso deutlicher, wenn im Verlaufe der Geschichte Haupt-, und Nebencharaktere sterben wie die Fliegen. Auch das ist etwas, dass Attack on Titan nie beschönigt hat - 
Jeder kann sterben(Na gut, fast.) und viele tun das auch. Wir gewinnen Charaktere in einem Moment lieb und sehen im Nächsten, wie sie schreiend und weinend von einem Titanen gefressen werden. Die Wut und der Hass der Menschen steigt. Sie wollen endlich frei sein. Wie gesagt, nie zuvor hat eine Geschichte das für mich so mitreißend und überzeugend dargestellt wie Attack on Titan. Der gnadenlose, meisterhafte, bebende Soundtrack des Anime, der zweifellos zu den besten Werken aller Zeiten gehört, unterstützt dies ebenso wie die bildgewaltigen Szenen und die ganze Vogel im Käfig-Thematik, die ebenfalls mit Musik unterstützt wird.  

Die Welt ist grausam. Auch das ist ein wichtiges Zitat in dieser Geschichte, eines von vielen. Nur allzu oft verliert Attack on Titan sich im guten Sinne in poetischen Existenzfragen und trostlosen Beobachtungen, die den Nagel ins Schwarze treffen. Die Grausamkeit der Welt spiegelt sich in den dröhnenden Chören ebenso wieder wie der Wunsch der Menschheit nach Freiheit. Man kann diesen Musikstücken nie überdrüssig werden. Niemals. Man verbindet sie untrennbar mit den Charakteren, ihrem Kampf, ihrer Verzweiflung. Bis Isayama selbst die Schwere all dessen zerstört, aber dazu später mehr.

Was Attack on Titan im späteren Verlauf, als die menschlichen Mauerbrecher-Titanen hinzukommen und offensichtlich der Feind der Menschheit sind, auch noch UNBEDINGT ausmacht, ist sein Mysterium - Eren formuliert es immer wieder perfekt für den Zuschauer: 
"Was um alles in der Welt könnte es WERT sein, dass man so viele Menschen tötet? WOFÜR kämpft ihr?!"
Und genau das fragt man sich als Zuschauer und Leser auch immer wieder - Wer sind diese drei Mauerbrecher? Wo kommen sie her? Und WAS ZUM TEUFEL kann es wert sein, der ganzen verbliebenen Menschheit die Mauern einzurennen und sie alle auszulöschen?!

Traurigerweise stelle ich mir diese Frage selbst nachdem ich ihre Antwort erhalten habe immer noch.

 Die Antwort

Mittlerweile kennen wir, die wir Band 22 hinter uns gelassen haben, die vorrübergehend endgültigen Antworten, die Welt, die Geschichte von Attack on Titan: 
Die Gesellschaft innerhalb der Mauern ist nur eine Inselbevölkerung, die Menschheit ist gar nicht ausgelöscht, die Welt ähnelt der unseren stark zu Beginn des industriellen Zeitalters. Dabei geht es um die zwei großen Konfliktparteien Marley und Eldia, wobei Marley der große, böse Feind ist, von dem die drei Mauerbrecher kommen, und das extrem stark an Nazi-Deutschland inklusive Eldia-/Juden-Slum angelehnt ist. Ich muss jetzt hier nicht alles nacherzählen, wenn ihr das lest wisst ihr hoffentlich ohnehin Bescheid.
 
Marley griff die Insel Eldia an, so mein Verständnis, weil es im Wettrüsten der Nationen langsam ins Hintertreffen gerät und den Urtitanen will, der alle Titanen kontrollieren kann. Außerdem für die Öl-, und Erzvorkommen auf der Insel Eldia. Und vielleicht noch aus der Sorge heraus, der Eldiakönig könne mit seinen Titanen angreifen. 

Auf die Frage, was Titanen eigentlich sind, erhalten wir Band um Band eine abenteuerlichere Erklärung. Sie sind Nachkommen eines Dämonenpaktes, der mit einer Frau geschlossen wurde, übersinnliche Wesen, die aus einer Quelle alles Organischen hervorgehen und, wie es zumindest für meinen Stand aussieht, sogar durch die Zeit reisen bzw. über die Zeit miteinander in Gedanken und Erinnerungen verbunden sind. Ich habe schon gar nicht mehr alles im Gedächtnis, so blödsinnig war das Meiste davon. 

Letztendlich ist das auch gar nicht so wichtig wie der Konflikt, der WAHRE Konflikt, der nun Attack on Ti... Mankind beschäftigt: Eldia gegen Marley. Kleines gegen großes Imperium. Menschen gegen Menschen. Für, äh... Ölkvorkommen? Freiheit? Willkommen in Civilization, dem zweiten Weltkriegssimulator, Call of Duty, alles in Titanen-Edfition. It's Incredible Now.    

 Die Fall von Attack on Titan - Warum seine Geschichte alles zerstört, was Isayama vorher aufgebaut hat

Ich habe nun wirklich mehr als lang und breit aufgezählt, was Attack on Titan für mich und wahrscheinlich viele andere Zuschauer und Leser immer ausgemacht hat, und was die Serie von anderen Anime unterschied. Nein, von anderen Geschichten, egal woher sie kommen. Freiheit. Der Überlebenskampf der Menschheit. Der Kampf gegen einen unbekannten, übermächtigen Feind. Erens Rache für alles, was die Titanen und Mauerbrecher ihm und den Menschen angetan haben. Und all das wird mit der großen Enthüllung meiner Meinung nach vollkommen bedeutungslos, entwertet und rückwirkend ad absurdum geführt. Die Geschichte von AoT ist, je länger man Stand Band 25 darüber nachdenkt, voll mit Plotholes, Fehlern und Ungereimtheiten, und ist mittlerweile ein völlig anderer Manga als zu Beginn. 

Zog sich der Reiz für mich aus den oben genannten Motiven, haben wir nun eine generische Kriegsgeschichte, die ich in jedem zweiten Manga und jedem dritten Buch bekommen kann. Das kleine, unterdrückte, missverstandene Reich gegen das große, böse, mächtige Imperium. Attack on Mankind. Menschen gegen Menschen. Attack on Titan hat sich selbst ad absurdum geführt. Und das wäre alles aber gar nicht SO schlimm, wenn es wenigstens Sinn ergäben würde - Wenn die Marley bzw. die Mauerbrecher gute, überzeugende Gründe für das hätten, was sie tun - 
ABER DIE HABEN SIE NICHT. Die treibende Kraft hinter den Geschehnissen sind ERZVORKOMMEN. Das muss man sich mal vorstellen - Wirtschaftliche Interessen haben die Mauern zerstört, zehntausende Menschen das Leben gekostet und diesen verzweifelten Kampf losgetreten, den wir drei Staffeln lang beobachten durften. WIRTSCHAFT und ein militärisches Wettrüsten. DAS ist es offensichtlich wert, dass man so viele Leben auslöscht. Jahrelang haben wir uns darüber den Kopf zerbrochen, was denn nur die Auflösung sein könnte, und dann ist sie dermaßen platt, unterwältigend und ernüchternd, dass jede, aber auch wirklich jede Fantheorie die bessere Alternative gewesen wäre, ja sogar das gute, alte "Die Insel ist ein großes Experiment"-Klischee wäre befriedigender, bedenkt man die Themen die Shingeki no Kyojin in den ersten 15 Bänden aufwirft.

Alles, was Attack on Titan immer symbolisiert hat, alles was es so leidenschaftlich umgesetzt hat - Das Motiv von Freiheit, die tiefgreifenden Songtexte, die Cinematic, die Verzweiflung der Menschheit, die WUT der Menschen auf die Titanen, auf die Mauern - All das hat einfach überhaupt nichts bedeutet und ist jetzt nicht mehr wichtig, wo der Feind doch nur ein großer böser Staat von Menschen ist, der sich die Hosentaschen vollstopfen will. Diese Geschichte war etwas Großes, etwas Besonderes, etwas Poetisches. Jetzt ist sie nur noch ein typischer 0815-Shonenmanga mit der selben Story wie jeder andere: Menschen kämpfen gegen andere Menschen. Hurra, das ist genau NICHT das, was ich mir von Attack on Titan gewünscht hätte oder was die Serie für mich immer ausgemacht hat. Wenn ich sehen will, wie Menschen Menschen bekämpfen, gucke ich was Anderes.  

Hinzu kommt, dass man den Manga mittlerweile auch  
Attack on Politics nennen könnte - Bändeweise sehen wir nichts mehr von Titanen oder Konflikten, sondern beschäftigen uns mit den politischen und wirtschaftlichen Interessen Marleys, erfahren mehr über die Strukturen und Ziele des Imperiums und werden in die Intrigen und Machtkämpfe eingeweiht. Alles sicher ganz spannend, aber sowas will ich doch nicht in Attack on Titan haben! 
Was ist aus dem Manga geworden, Civilizaton?! Den Lesern wird versucht, die Gegenseite sympathisch zu machen und aufzuzeigen, dass es beim Krieg kein Gut und Böse gibt, so fürchten die Marley die Vergeltung der Eldianer, jetzt, nachdem sie sich im Krieg mit diesen befinden - 
ABER WARUM BEFINDEN SIE SICH IM KRIEG MIT DER INSEL?! Weil Sie sinnloserweise drei Invasoren dahin geschickt haben. Für ERZVORKOMMEN. Diese GANZE GESCHICHTE wäre sonst nicht zustande gekommen, und man muss sich fragen - Was WILL Marley eigentlich?! Wofür das alles?! Soll das überliegende Interesse dieser Geschichte wirklich Wirtschaft sein? Denn so wirkt es auf meinem aktuellen Stand und nach dem Reveal noch immer. 

Auch Eren als Protagonist hat sich bedauernswerterweise in eine Kartoffel verwandelt. Habe ich oben noch erläutert, warum gerade sein Zorn und seine Emotionalität es sind, die uns an die Welt und die Charaktere binden, verpufft das nach dem Timeskip zu nichts. Sein Entsetzen, sein Unglauben und sein beispielloser Zorn darüber, dass seine Familie, alle seine Freunde und Kameraden, zehntausende Menschen, seine heimat, einfach fast JEDER DER IHM ETWAS BEDEUTET für ERZVORKOMMEN gestorben sind, blieben aus, und so endet auch dieser Aspekt der Geschichte im Nichts. Es ist ein über fünf Jahre erzählter Witz, dessen Pointe sich als feuchter Furz herausstellt. Und als Eren fragt, ob sie endlich frei sein können, wenn sie alle dort hinter dem Meer töten muss man sich auch fragen, was sein Ziel ist - Ganz Marley vernichten? Warum? Und was dann, alle anderen Länder vernichten? Hat er es nicht durchdacht oder hat Isayama es nicht durchdacht?

Und mögen viele das für mich völlig unverständlich auch als großen, meisterlichen Storytelling-Zug betrachten, ist das für mich nicht mehr Attack on Titan. Die tragisch-dramatischen Chöre und das Lied Vogel im Käfig besingen wohl kaum Nazideutschland als Bedrohung, Erens Wut gibt es nicht mehr, und Attack on Titan ist zu nur einer anderen Geschichte geworden, die außer ihrer beeindruckenden Durchdachtheit beim Foreshadowing und ganz aktuell mit Band 25 endlich wieder vernünftiger Action für mich eigentlich nichts mehr zu bieten hat. Denn alles andere, was das Franchise ausmachte, ist wie gesagt mit einem Runterbrechen des gesamten Konfliktes auf etwas zutiefst Menschliches weggefallen. 

Zudem wird die Geschichte wie ebenfalls angedeutet immer hanebüchener - Wir reden hier von Zeitreisen, und dass die Titanen Erinnerungen aus der Zukunft erhalten. Diese Quelle des Organischen, aus der alle Titanen kommen sollen, wird ebenso wenig erklärt und klingt nach einem genau so großen Schwachsinn wie die Fähigkeit mancher Titanenwandler, ihr Bewusstsein in ihren kleinen Zeh zu transferieren. Denkt zurück - Das war mal eine Geschichte einer mittelalterlichen Gesellschaft, die nur mit einfachsten Mitteln und einer Stinkwut gegen Monstertitanen kämpfte. Ja, schließlich kamen Titanenwandler hinzu, aber auch das fühlte sich noch homogen an. Und jetzt sind wir an einem Punkt 
- Ich kann nicht glauben, dass ich das schreibe
An dem wir uns mit Zeitreisen, übersinnlichen Organstraßen und magischen Vorfahren außeinandersetzen müssen. Isayama gibt sich nicht länger die Mühe, irgendetwas zu erklären, sondern macht es wie 80 % aller anderen Mangaka und löst einfach alles mit "MAGICZ!!1" auf. Sorry, aber wenn ich sowas will gehe ich Naruto lesen. Ich hatte mir von Attack on Titan immer nachvollziehbare und möglichst 'realistische' Erklärungen für die Titanen erhofft und nicht so eine Animegrütze.  

Das große, grundlegende Problem, das ich mit der kompletten Entwicklung habe ist weniger, wie sie aussieht oder wie sie die Geschichte nun verändert, sondern dass sie einfach etwas VOLLKOMMEN anderes aus Attack on Titan gemacht hat, als es das mal war. Und während viele das als Komplexität bezeichnen, bezeichne ich es als große Verarschung und Verachtung dem eigenen Franchise gegenüber. 

Ich weiß, das hier ist schon irrsinnig lang, aber es gibt noch mehr, das man Isayama unbedingt ankreiden muss. Ein Mangaka, dessen Kompetenz und Intelligenz ich mittlerweile ernsthaft hinterfrage.

Da wäre zum Ersten eine der wahrscheinlich gedankenlosesten und einfältigsten Enthüllungen in Manga-History durch Isayama selbst, der in einem Interview, und ich finde das immer noch absolut unfassbar, einfach mal so die letzte Seite seiner Geschichte enthüllt hat. Darauf ist ein Charakter mit einem Baby und den Worten 
"Du bist jetzt frei." 




Einfach so, das Ende von Attack on Titan gespoilert, vom Mangaka. Unfassbar. Man stelle sich mal vor, die beiden (unrühmlichen) Macher von Game of Thrones hätten vor drei Jahren einfach mal so nebenbei die letzte Szene der Serie enthüllt, oder George R.R. Martin vor zwei Jahren die letzte Seite seines Buches. Man stelle sich vor, Eichiiro Oda enthüllt morgen mal so zwischen Tür und Angel, was das One Piece eigentlich ist. In so einer Liga spielt das für mich, und ich frage mich, wie in aller Welt der Verlag das zulassen konnte, wenn er überhaupt davon wusste. Wie dumm muss man als Mangaka denn sein, das Ende seiner eigenen, weltweit erwarteten Geschichte zu enthüllen?! 
Wer MACHT sowas?!
Das Panel, dass er enthüllt hat, verrät eigentlich alles - 
Die Eldia gewinnen und leben in Freiheit. Mindestens ein wichtiger Hauptcharakter überlebt, wahrscheinlich Eren oder Mikasa, und hat Kinder. Es herrscht Frieden. Als Verantwortlicher im Verlag hätte ich Isayama sofort fristlos gefeuert und verklagt. Isayama gibt von sich an, immer extrem selbstkritisch zu sein und oft Schlafmangel zu haben. Von Ersterem merke ich wenig, und von Letzterem umso mehr. Vielleicht dann doch lieber mal eine Runde Schlafen vor dem nächsten Interview, bevor man halbtot herumtorkelt und fahrlässig handelt. 

Das Zweite ist, dass Isayama tut und getan hat, was kein Autor, Ersteller, Mangaka jemals tun sollte - Er hat aufgrund von Fanwünschen seine Geschichte geändert. Fans, die aufgebracht waren wegen den nahenden Toden wichtiger Charaktere haben ihn so z.b. beeinflusst. Die Willensschwäche und mangelnde Disziplin, wirklich WICHTIGE Charaktere sterben zu lassen, wenn es in die Geschichte passt, fehlte Isayama hier, stattdessen hat er seinen krakeelenden Fans nach dem Mund geschrieben und Fanlieblinge leben lassen, um so genau wie Game of Thrones in seinen letzten Staffeln das Prinzip das Klo herunterzuspülen, dass jeder sterben kann - Das ist längst vorbei. Wichtige Charaktere haben in AoT eine meterdicke Plotarmor. 

Ikonischer Moment: Die Szene, in der Levi sich entscheiden muss, ob er mit der Titanenspritze den Kommandanten Erwin oder den Freund von Eren und Mikasa, Armin rettet. Diese Szene wird sowohl im Manga als auch im Anime als große, schwierige, dramatische Entscheidung inszeniert, bei der man nicht weiß, was die Charaktere tun - Dabei ist das gar nicht so. Zumindest für mich war von der allerersten Sekunde an vollkommen klar, dass Armin nicht sterben wird, weil er ein Hauptcharakter ist. Und so kam es dann auch, gegen jeden Sinn und Verstand. Ich bin zutiefst überzeugt, dass Isayama das erst anders geplant hatte, und Armin sterben sollte. Aber hey, wenn man als Fanboy laut genug schreit, so wird man manchmal gehört und der gesunde Menschenverstand so wie jedwede Logik aus dem Fenster befördert. Fraglich, wie oft Isayama seinen Plan noch geändert hat bzw. noch wird, weil Fangruppe X es so möchte. 

              Nicht alles ist verloren  

Natürlich lese ich Attack on Titan noch immer. Zum einen will ich wissen, wie es endet, zum anderen gibt es noch immer Stärken. Zwar betrauere ich seit 5 Bänden, wie das Franchise immer mehr Plotholes ansammelt, seine Geschichte sich mehr und mehr in eine rauchende Ruine verwandelt und einfach alles egal ist, aber die Action war in Band 25 wieder richtig gut, und das setzt sich hoffentlich fort. Außerdem berichten Fans aus ganz aktuellen, japanischen Kapiteln, dass die Geschichte gerade großartig und Isayama ein Genie sei. Bei solcher Euphorie bin ich zwar grundsätzlich extrem skeptisch, aber vielleicht, ja vielleicht, ist Isayama ja gar kein dummer, inkompetenter Geschichtsbuch-Freak. Vielleicht trollt er Stand Band 25 seine Leser auch noch auf genialste Weise bzw. hat tatsächlich gut durchdachte Antworten für Fragen wie die Titanenherkunft parat. An diesem Punkt glaube ich nicht mehr daran, und es würde die Geschichte auch nur noch bedingt retten, aber andererseits kann es für mich auch nur noch besser werden mit dem Plot. 

Das Foreshadowing habe ich angesprochen und es ist unglaublich. Je länger man sich mit den ersten beiden AoT-Staffeln und den ersten 15 Bänden beschäftigt, desto mehr findet man. Diese Szene, jener Hinweis. Unheimlich raffiniert durchdacht und das macht das erneute Lesen bzw. Sehen der Serie mehr als wertvoll. Hier sei nur die Sache mit Erens Stiefmutter genannt, die in ihrer Tragweite dermaßen tragisch und morbide ist, dass ich in dieser Hinsicht nur den Hut vor Isayama ziehen kann - Es bleibt wirklich abzuwarten für mich, ob er aus diesem Hut noch das ein oder andere Kaninchen zieht, oder es doch eher bei Verdautem bleibt. 

Der Anime rettet nach wie vor viel, und das war auch bei Staffel 3 nicht anders, die den deutlichsten Qualitätsunterschied zwichen Serie und Manga bisher aufwies. Überhaupt ist ALLES, was der Anime exklusiv neu eingeführt hat, wie den Berserk-Mode von Eren in S1, eine deutliche Verbesserung zum Sourcematerial gewesen, was ebenfalls sehr selten ist in der japanischen Popkultur. Und sei der Plot auch noch so desaströs, den Anime zu sehen wird dennoch ein tolles Erlebnis werden, und ich bin froh, dass er mit Staffel 4 endet, und sich somit vermeintlich vor den größten Schäden von Isayamas AusdemArschzieher-Writing rettet. 

Hoffnung
Ich habe Band 26 seit Wochen hier liegen und konnte nur noch nicht anfangen, weil ich diesen Beitrag vorher schreiben MUSSTE. Denn egal wie gut oder großartig Band 26 vielleicht wird, das ändert nichts an der Meinung und der Sicht auf Attack on Titan, die ich bis dahin hatte und zumindest jetzt noch habe. Was ich mir von Attack on Titan seit 5 Bänden nur noch erhoffe ist gute Action. Ein paar vernünftige Erklärungen und Motivationen für die Charaktere. Und vielleicht, ganz eventuell, wenn ein Wunder geschieht und die Planetenkonstellation richtig steht - Eine Plotrettung durch Isayama, der zeigt, dass doch noch viel mehr dahinter steckt. 

Müssen tut er das nicht - Mit meiner Meinung stehe ich alleine da. Ich habe noch keine einzige Person außer mir mitbekommen, die die Enthüllung und den aktuellen Plot von Attack on Titan nicht großartig findet. Also funktioniert es offenbar. 
Ja, ich habe mich geirrt, als ich damals in einschlägigen Foren davon ausgegangen bin, die Enthüllung werde einen Shitstorm auslösen, sobald sie den Anime erreicht. Das Gegenteil ist passiert. Dafür kann es mehrere Erklärungen geben. Vielleicht ist das einfach wieder ein Fall von Franchise-addiction, wie ich es nenne, also dem unbewussten Unwillen, sich gegen ein bereits geliebtes Franchise zu stellen, mit dem man viel Zeit verbracht hat. Es ist viel schwieriger etwas nicht mehr zu mögen, das lange Teil des eigenenLebens war, als zu etwas noch Unbekanntem zu sagen "Nö, das mag ich nicht, darauf habe ich keine Lust." Oder die Leute haben Attack on Titan einfach aus anderen Gründen gemocht als ich, sahen diese philosophische und poetische Tiefe der Themen in dieser Serie nicht so, oder sehen sie irgendwo noch immer. Vielleicht, und das ist sicher am wahrscheinlichsten, nehme ich das Alles aber auch einfach viel zu ernst. Für die meisten Zuschauer und Leser ist Attack on Titan sicherlich nur genau das: Unterhaltung. Sie denken nicht unnötig darüber nach oder zerbrechen sich ewig den Kopf darüber, oder sind schlichtweg nicht so überkritisch wie ich. 

Aber mit diesem viel zu langen, viel zu emotionalen Manifest sollte ich dennoch festgestellt haben, warum ich sicherlich alles bin, aber kein gedankenloser Hater, sondern einer der größten und leidenschaftlichen Fans des Franchises, der einfach so ganz und gar verprellt wurde von dem Weg, den dieses genommen hat. Der Schmerz ist groß wenn etwas, das man liebt, nach fünf Jahren nicht den Weg genommen hat, den man sich gewünscht hätte, und das war es zum Teil auch, was der (Furchtbaren, furchtbaren) Season 8 von Game of Thrones das Genick gebrochen hat, neben vielen Dingen. Aber man sollte mich nun zumindest besser verstehen können, und ich hoffe sehr, dass AoT mich zurückgewinnen kann.

Falls du dir die Zeit genommen hast, all das zu lesen - 
Vielen Dank. 

Zum Abschluss der Serie in einigen Jahren werde ich sicher auch noch mal einen Beitrag aufsetzen, Isayama allein weiß, ob dieser positiv oder negativ gefärbt sein wird. Wer lesen möchte, wie ich die Bände 15 - 27 einzeln reviewe, Schwächen und Stärken aufzeige und so weiter und so fort, dem empfehle ich die einzelnen Rezensionen, die auch auf Denkbloggade erscheinen werden. Danke für eure Aufmerksamkeit.

- Yoraiko