Sonntag, 25. Oktober 2020

Der Induktionsherd vs. alle anderen Modelle -> Was ist wahr, was nicht?

 


 

Das hier wird mal wieder so ein richtig schöner, kleiner Popelbeitrag live aus Papa's Staubstube, der von früher erzählt. Um genau zu sein davon, wie das damals mit dem Kochen war: Wir hatten doch nichts! Junge, wir haben noch mit Eisenplatten gekocht, ach was, mit abgerundeten Steinen als Bestrahlungsfläche für den Sonnenofen! Aber heute ist alles modern, und das merken wir vor allem an den vielen, unheimlich wichtigen Knöpfchen. Oder vielleicht auch daran, wie schnell es geht.


Ich bin kein großer Koch. Ich habe mir vor einiger Zeit das Backen angeeignet, aber das Kochen als Handwerk ist mir nur als Leistungsempfänger ein Begriff. Meine eigenen Tätigkeiten am Herd beschränkten sich bis vor drei, vier Jahren auf die guten alten Nudeln mit Soße und ab und zu mal eine Reispfanne. Das mag sicherlich auch an meiner grasierenden Faulheit liegen, welche sich in allen Bereichen meines Lebens ausgewirkt hat, aber vor allem viel meinem alten, ranzigen Eisenherd die Schuld zu. Diesen hatte ich mit 18 zur Erstausstattung erworben, wo er mir einige Zeit lang passable Dienste leistete. Dann stellte ich fest, dass Kochen und ein Mindestmaß an Komfort und Selbstachtung sich gar nicht gegenseitig ausschließen, aber... die Faulheit. Darum blieb der Eisenherd noch lange bei mir, ehe es mir dann doch endgültig reichte und ich meine Küche wieder zu mehr machen wollte als den Lagerraum für Biotreibstoff. Ich suchte, ich fand, und entschied mich, das Upgrade gleich voll auszuloten - Ein Induktionherd, ganz neu mit Ofen und allem, am Zahn der Zeit, um mich selbst wieder zum Kochen zu motivieren und vom wissenschaftlichen Fortschritt der Menschheit zu profitieren. Ich hatte Glück und schoss mir einen Induktionsherd, und es passierte, was ich erwartet hatte: Mein Kochverhalten evolutionierte sich und wurde zum verdammten X-Man meiner Alltagsroutine. Das ist ein knappes halbes Jahr her und ich werde hier ein paar Gedanken darüber teilen, wie sich der Umgang mit dieser krassen, neuartigen Scifi-Technologie gestaltet, welche Klischees wahr sind und welche nicht. 


Aber zuerst, ein Überblick für Neulinge im Kochgeschäft.





Die verschiedenen Herdarten




Nicht hübsch in Haus und Herd: Platte 

Stahlplattenherde sind der alte und im heutigen Handelsalltag beinahe ausgestorbene Standard. Zwar sind die Platten robust, verbrauchen jedoch viel mehr Strom als sämtliche andere Herdarten, und aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen, wie überaus unerfreulich es ist, sie reinigen zu müssen. Über die Jahre brennt da viel ein, und man kann sich leicht VERbrennen. Eine zurecht vom Aussterben bedrohte Herdart, welche nicht in Würde gealtert ist. 




Weg mit dem Streichholz: Gasherd

 

Gut gehalten hat sich der Gasherd: Damals wie heute die schnellste Lösung, sein Essen effektiv zu erhitzen, und so viel energiesparender und umweltfreundlicher als mit jedem Elektroherd. Allerdings benötigt man einen Gasanschluss, wenn man nicht aller paar Monate eine Gasflasche wechseln will. Die Töpfe werden extrem heiß, was schmerzhaft enden kann, und die Gefahr von offenem Feuer/Gas ist natürlich auch nicht zu ignorieren.




Alle wichtigen Ceranien: Glaskeramik

 

Die Herdplatte des 21 Jahrhunderts, die von der eifrigen Hausfrau bis zum trägen Studenten alle Generationen an die Töpfe bringt. Überall günstig zu kaufen, hübsch anzusehen, schnell in der Erhitzung und recht einfach zu reinigen. Leider aber genau so leicht zu beschädigen, denn Glas ist Glas. Außerdem ist die Hitze-Regulierung sehr langsam, und wird OFFEN ausgestrahlt. Verbrennungsgefahr. Im Übrigen, etwas Trivia: 'Glaskeramik' ist der korrekte Begriff, 'Ceran' ist nur ein Markenname der Firma Schott. Und ja, das habe ich nachgelesen.





Der coole, Neue in der Stadt: Induktion

Die aktuell noch auf dem Vormarsch befindliche Induktionstechnologie ist Leuten vorenthalten, die deutlich mehr Geld auf den Tisch legen können, trumpft dafür aber mit einer komplett anderen Erwärmungstechnik auf: Magnetspulen unter den Platten sollen die Töpfe direkt von innen erhitzen, was die Oberfläche kalt belassen und das Essen im nu fertigstellen soll. Der Energieverbrauch ist zwar nicht viel geringer als der von Glaskeramik, aber die Hitze-Regulierung ist so schnell und genau wie bei keinem anderen Herd. Außerdem geht der Glaube, man bräuchte teures, spezielles Magnetgeschirr für die Benutzung. So das Hörensagen.

Bringen wir etwas Klarheit in den Induktionsherd:

 

 

 

Wie viel besser ist Induktion?

SEHR. Ich kann gar nicht genug betonen, wie unglaublich komfortabel mein Induktionsherd meinen Alltag gestaltet hat. Ja, der Anschaffungspreis war hoch, und das gebraucht, aber er war einmalig und es war die Sache jeden Cent wert. Mit Eisenplatten kochte mein Wasser mit Glück nach 20 Minuten, der Induktionsherd schafft das in 2 Minuten. Innerhalb von 10 Minuten ist mein gesamtes Abendessen fertig, aufwendigere Gerichte sicher unter 30. Verbrennungsgefahr gibt es so gut wie keine, die Oberfläche ist der von Glaskeramik sehr ähnlich und damit extrem leicht zu reinigen - was selten überhaupt nötig ist. Es besteht die Möglichkeit das Essen im Topf warm zu halten, die Hitze-Regulation reagiert SOFORT, sprich, wenn ich die Platte ausschalte ist die Hitze weg. Stelle ich keinen richtigen Topf drauf, entsteht keine Hitze und der Herd piept auch wenn er angeschaltet ist - er ist also kein Risikofaktor, auch wenn man das Abschalten mal vergisst.



Man braucht spezielles, magnetisches Kochgeschirr?

Das STIMMT nicht!! Das ist schlicht und ergreifend NICHT korrekt, sondern nur ein weit verbreiter Irrglaube. Die Magnetspulen benötigen lediglich einen metallischen Boden, in dem sie Hitze erzeugen können. Aber das Gute an Töpfen ist nunmal, dass sie fast IMMER einen Metallboden haben. Ich selbst habe keinen einzigen neuen Topf gekauft, als ich meinen Induktionsherd in Betrieb genommen habe, und 8 meiner 10 Töpfe funktionierten einwandfrei darauf. Wenn ihr nicht sicher seid, hängt einen Kühlschrankmagneten an euren Topfboden - bleibt er hängen, könnt ihr damit auf Induktion kochen.

Und keine Sorge, wenn ihr einen falschen Topf drauf stellt, sagt der Herd euch das und es passiert einfach nichts.

Dass vielerorts 'Spezielles Induktionsgeschirr' verkauft wird ist nicht mehr als eine teure Marketing-Masche. 



Die Herdplatten werden überhaupt nicht heiß?

Leider stimmt auch das nicht so ganz, wie es einem überall heiß gemacht wird. Es ist richtig, dass die Hitze im Topf selbst entsteht und die Platten darunter somit nicht heiß werden sollten. Das ist die Theorie. Die logische Praxis hingegen ist, dass ein Metalltopf der von innen erhitzt wird Wärme an den Boden unter sich abgibt und die Herdplatten somit eben doch einigermaßen heiß werden - Ehrlicherweise aber viel, viel weniger als gewöhnliche Herde. Drauf fassen möchte ich dennoch nicht.



Wie ist es mit der Reinigung?

Da es dank der hypereffektiven Hitzeregulation spotteinfach ist, einen kochenden Topf schnell runterzureuligeren habe ich so gut wie keine Spritzer auf dem Herd, auf den Platten kann nichts einbrennen und das Reinigen beschränkt sich somit auf das gelegentliche Abwischen.



Fazit - Der Induktionsherd vs. alle anderen Herde

Ich selbst kenne in der Benutzung nur die Metallplatten so wie die Glaskeramik, und der Induktionsherd ist beiden Modellen haushoch überlegen. Es ist für mich jedes Mal aufs Neue wieder beeindruckend, wie unglaublich schnell die Platten warm und später wieder kalt werden, ich muss kaum reinigen und kann, wenn ich Hunger verspüre, zehn Minuten später essen. Der Kauf des Induktionsherdes war eine meiner besten lebensqualitätstechnischen Entscheidungen, und keine Firma zahlt mir einen Cent, damit ich das mit meiner unglaublichen Reichweite sage. Nein, ehrlich - Schnell, sicher, und dank dem Tempo energiesparsam - Induktionsherde. 


Lohnt sich vor allem, wenn man öfter kocht, ein Putzmuffel ist oder Kinder im Haus hat. Wer sich den teuren Spaß leisten kann, sollte es in meinen Augen auch tun - es ist eine Investition für viele Jahre. Glaskeramik mag als Alternative passabel funktionieren, aber für mich persönlich sind die einzigartigen Vorteile der Magnetspulen viel zu spürbar, als dass ich nochmal zu einem anderen Modell zurückkehren könnte. 


Danke, dass du für mich da bist, Indie. <3 




- Yoraiko

 

 

 

 

 

Montag, 19. Oktober 2020

Film-Review: Oculus (2013) - Ein Spiegel, sie zu knechten

 

 


 '"I've seen my demons - and there are many."

 

 

Oculus ist einer dieser Horrofilme, die man nur auf einem von zwei Wegen zu Gesicht bekommt: Entweder durch eine direkte Empfehlung, oder weil man zufällig über ihn stolpert. Mir ist Letzteres passiert, vor ein oder zwei Jahren, beim Stöbern in Internetportalen bin ich rein zufällig über das Cover des 2013 veröffentlichten Fast-Indie-Horrorfilms gestoßen, war interessiert, habe ihn mir angesehen. Und darüber war ich wirklich glücklich, denn 'Oculus' ist ein in vielerlei Hinsicht 'anderer' Horrorfilm, der mit beeindruckender Durchdachtheit, einem ganz eigenen Stil und intelligentem Psychoterror abseits abgetretener Pfade und billiger Jumpscares überzeugt. Dennoch ist der Film so unbekannt und findet in den meisten Bestenlisten nicht statt, was ich hauptsächlich darauf schiebe, dass 'Ocolus' sehr viel Aufmerksamkeit fordert und dadurch nicht was für jeden ist, und schon gar nicht von Fans von konventionellen Horrorfilmen wie 'IT' oder 'The Conjuring' ist, die klare Fronten haben, den Zuschauer an die Hand nehmen, leicht erkennbar in Gut und Böse unterteilen und am Ende alles aufklären. 

 

Ocolus trägt erfrischenderweise nicht die DNA des Popkorn-Horrors in sich, hat so gut wie keine Jumpscares oder dumme Teenager, es ist ein reinrassiger Psychothriller, der sowohl die handelnden Charaktere als auch uns dazu zwingt, unsere Wahrnehmung der Realität zu hinterfragen.

 

Spieglein, Spieglein an der Wand...  

Bedrohliche Spiegel sitzen in der Selbsthilfegruppe für ausgenudelte Horrorklischees gleich neben Psychoclowns, alten Herrenhäusern, Inzest-Hinterwäldlern, ausgemusterten Baby Borns, Messermördern und kamerascheuen Geistern. Regisseur Mike Flanagan gelang es mit Ocolus aber, ein einfaches Monster-Element mit einem ausgezeichneten Drehbuch zu einem verstörenden Thriller aufzubauen, der die Charaktere, die es zu bekämpfen versuchen, gegen sich selbst ausspielt. 

Tim und Kaylie Russel waren noch Kinder, als ihr Vater ihre Mutter folterte und ermordete, und Tim ihn schließlich aus Notwehr erschießen musste. Kaylie war überzeugt davon, dass all das durch den altertümlichen Spiegel ausgelöst wurde, den ihr Vater sich vor Wochen ins Büro gehangen hatte. Jetzt, viele Jahre später, wird Tim aus seiner psychatrischen Anstalt entlassen, von seiner Schwester abgeholt und auch gleich in ihren Plan eingeweiht - Den Spiegel, mit dem sie sich seit seiner Einweisung beschäftigt hat, endlich zu zerstören, und zu beweisen, dass von ihm eine übernatürliche Bedrohung ausgeht - Mittels Kameras und zahlreichen, narrensicheren Sicherheitsvorkehrungen.

 'Ocolus' findet auf zwei Zeitebenen statt

Zuerst ist da das Hier und Jetzt, in dem Kaylie ihren Bruder in das Haus ihrer Kindheit einlädt, wo sie extensive Vorbereitungen getroffen hat - Zahlreiche Alarmwecker, Kameras, Therometer, regelmäßige Anrufe, eine Guillotine(!!) an der Decke, die automatisch hinabstürzt, wenn sie nicht ständig zurückgestellt wird - um den antiken Spiegel an der Wand zu zertrümmern. Denn dieser, so zeigen es ihre historischen Recherchen und ihre Erfahrungen aus der traumatischen Kindheit, ist in der Lage in die Psyche seiner Opfer einzudringen und ihre Wahrnehmung zu manipulieren. 

Dann erleben wir die Vergangenheit - Kayle und Tim als Kinder, die in dieses Haus einziehen, und wie der Spiegel beginnt, ihre Eltern zu verändern. 


Während die Spannung der ersten Ebene vor allem dadurch entsteht, dass die Suggestin und Wahrnehmungsveränderung des Spiegels trotz aller Sicherheitsvorkehrungen der beiden Geschwister immer weitere Kreise zieht und dabei sowohl Zeit als auch Raumgefühl verschwimmen lässt, ist der Reiz der Vergangenheit, dass diese alsbald in die Gegenwart überfließt. Die Ebenen sind in der ersten Hälfte des Filmes mit guten Schnitten einigermaßen verständlich getrennt, verschmelzen aber mit zunehmender Laufzeit auf ganz hervorragende und kreative Art miteinander, so dass in manchen Szenen sowohl Vergangenheit als auch gegenwart zur selben Zeit im selben Raum stattfinden, wenige Kameraschwenke die Zeit wechseln oder die Vergangenheit-Ichs der Geschwister fließend in ihre jetzige Form übergehen. All das natürlich nur das Spiel des Spiegels, doch auf inszenatorischer Ebene genial. Das fordert Aufmerksamkeit, denn man muss im Auge behalten, was Realität ist und was vielleicht nicht, in welcher Zeitebene man sich gerade befindet und wo die Zusammenhänge bestehen. Man könnte noch mehr darüber sprechen, wie wohldurchdacht das Script des Regisseurs ist und wie intelligent der Horror und die Psyche in Oculus funktioniert, aber da will ich eigentlich nicht zu viel verraten. Es ist ein intellektuelles Gruselerlebnis, das in die Kerbe ähnlicher Indiefilme wie etwa 'Coherence' schlägt. 


Das Ende mag fast von Anfang des Filmes an vorhersehbar gewesen sein, verliert durch diese Tatsache aber nicht viel an emotionalem Impakt, welcher die verstörende Abschlussszene ausmacht. Auch hier eine Besonderheit im Horrorgenre - Das Finale bleibt noch länger im Sinn. Und es ist wie der Rest des Filmes hervorragend durchdacht, doch hier zu viel zu sagen wäre fatal. 

 

 

Die Szenenbilder sind hochwertig, die Musik atmosphärisch, die Schauspieler sind gut gewählt, vor allem Karen Gillan als Kaylie überzeugt auf ganzer Linie als das zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Trauer und Hass gefangene Kind, auch wenn ihr schottischer Akzent in der englischen Synchronisation dann und wann durchbricht. 



Fazit



Was ist real? Wann ist jetzt? Was ist Täuschung? Wo ist hier? Diese Fragen stellen sich nicht nur die Charaktere in Oculus permanent, sie werden an den Zuschauer weitergegeben, der hier von Anfang bis Ende aktiv zum Mitdenken angeregt wird in einem betont-kreativen, verstörenden und verworrenem Psychothriller, der sich nicht mit plumpen Jumpscares und abgestandenen Gruselklischees aus der Mottenkiste aufhält, sondern sehr schnell dazu übergeht, die erzählerischen Ebenen im Film außeinanderfallen zu lassen. Wie dabei im späteren Verlauf Zeit und Raum miteinander verschwimmen und sich gegenseitig scheinbar beeinflussen gehört mit zu der spannendsten Inszenierung des Genres und ist etwas, das man so nicht in anderen Horrorfilmen zu sehen bekommt.

Oculus ist konsequent bis zum Schluss, und auch für zartbesaitetere Zuschauer geeignet - Die Gewaltdarstellung hält sich in Grenzen, trotz mancher wirklich harter Szene, die an die Nerven geht. 

Zu empfehlen ist im übrigen auch der Kurzfilm des Regisseurs, auf dem Oculus basiert. Das Konzept und die Machart lassen sich bereits gut verfolgen und ergeben in der Summe eine spannende halbe Stunde. 



8 von 10 Guillotinen für Oculus




 

- Yoraiko

 

 

 

 

Freitag, 16. Oktober 2020

Goodbye, Leipzig - Ein Tribut an die Linkshochburg des Ostens

 


 

Zwei Wochen ist es nun her, dass das Hauptquartier der Staubstube sich vom tiefen Osten in Sachsen in den erfrischenden Norden verlagert hat. Von Leipzig nach Hamburg - Ein Update auf mehreren Ebenen. 12 Jahre habe ich in Leipzig gewohnt, nun wurde es Zeit für eine Veränderung.


Hier habe ich bereits einen Beitrag darüber verfasst.


Schon jetzt kann ich sagen, dass der Umzug sich für mich vollstens gelohnt hat - Hamburg ist eine wunderbare Stadt, größer, schöner, weiter, und so ganz anders als Leipzig. So sehr ich die linke Hochburg im braunen Moor Sachsens auch schätze. Beizeiten werde ich sicherlich ein bisschen Content zu Deutschlands größter Hafenstadt machen, aber zunächst möchte ich nochmal zurücksehen. Darum habe ich einige Impressionen Leipzigs, bei Tag und bei Nacht, auf Bild gebannt, um nochmal die schöne Seite dieser tollen Stadt festzuhalten. Alle Bilder, die dabei herausgekommen sind, findet ihr HIER.



Beachtet außerdem bitte meine beiden Beiträge zu den besten Nerdstores, welche die Messestadt zu bieten hat, City Comics und Comic Combo. Solltet ihr nur ansatzweise in irgendeine Richtung popkulturell interessiert sein, sind beide Geschäfte einen Besuch wert. 


Nochmals sage ich Adieu zu Leipzig und danke für 12 Jahre gute Bewirtung. Da ich öfter unten sein werde werde ich sicherlich ausreichend Gelegenheit haben, unfaire Vergleiche zu ziehen und darüber zu schreiben oder in der Youtube-Staubstube darüber zu sprechen.



Bis dahin - Moin! 



- Yoraiko



Mittwoch, 14. Oktober 2020

RPG Maker-Review: Mysterylady's Heldensaga, Teil 3: 'Eroberung' (2011) - Die Helden sind tot


 

Erstellungsjahr: 2011
Ersteller: Mysterylady
Genre: Rollenspiel, Adventure
Engine: RPG Maker 2000

 

'Mysterylady' war das Internetsynonym einer bekannten und recht populären, österreichischen RPG-Maker-Erstellerin, welche von 2001 bis 2013 in der deutschen Szene aktiv war, und mit ihrem einprägsamen und vor allem optisch außergewöhnlichen Stil einen bleibenden Fußeindruck hinterlassen hat. Ihre drei nennenswerten Makerspiele, welche grob als 'Heldensaga' betitelt werden, erzählen eine vage zusammenhängende Geschichte, deren zweiter Teil 'Feuer um Mitternacht' den mit Abstand größten Erfolg verbuchte und auch heute noch als großer Klassiker der deutschen Community gilt, wenn auch nicht mehr so euphorisch wie damals. Dies ist das Letzte von drei zusammenhängenden Reviews in chronologischer Reihenfolge zu allen Mysterylady-Spielen, welches sich mit der furzkissenähnlichen Pointe beschäftigt.


Eroberung ist ein surrealistisches und paradoxes Produkt. In der Spiele-Erstellung verlaufen - sei es nun kommerziel oder makerindie - Lernkurven meistens gerade, und nicht zitteraalförmig. Dass Mysteryladys Erstling 'Helden' ein spürbar ungeschliffenes und aus heutiger Sicht wenig überzeugendes Flickenspiel war, erscheint logisch, denn es war nunmal ihr erstes Spiel. Dann aber kam das bekannte Feuer um Mitternacht, welches einen erzählerischen Weitsprung darstellte, und aufzeigte, wie viel die österreischiche Erstellerin in kurzer Zeit in punkto Charakteren, Story und Spielverlauf dazugelernt hatte. Gute Voraussetzungen für den damals vielerwarteten Abschluss der Heldentrilogie 'Eroberung', richtig? FALSCH

Genau da setzte the weirdest timeline ein - Eroberung warf Mysterylady nicht nur spielerisch, sondern auch erzählerisch auf einen Stand zurück, der noch weit VOR Helden zu liegen schien, mit einem Level an unüberzeugenden, charisma-resistenten Charakteren, welche neben zusammengeklebten Montagepersönlichkeiten vor allem unter IQ-Bulimie und konzeptlosen Designs litten. Beinahe in jedem Aspekt der Welt und Geschichte der Trilogie enttäuschte 'Eroberung' auf ganzer Linie, war stellenweise so schlecht und unfertig, dass es gegenüber den treuen Fans beinahe wie eine Unverschämtheit wirkte. Herausragend hingegen zeigte es sich ganz in der Tradition der Reihe im Bewertungspunkt 'Bugs, Rechtschreibfehler & Hindernisse', die in ihrer Summe gewaltiger und grotesker waren als in beiden Vorgängern zusammen. Vor allem im letzten Drittel des Spiels bemerkte man dann noch die stark-abflauende Motivation hintern den Prozessen, die zur Fertigstellung führten. Unweigerlich hatte man das Gefühl, Mysterylady hätte Eroberung noch vor Helden erstellt. Es passte nicht zusammen, und ich verstehe bis heute nicht, wie es zu dieser Kluft zwischen Feuer um Mitternacht und Eroberung kommen konnte.  


Doch sie war da, die Fans kamen darüber hinweg und verdrängten die Existenz des Spiels, Mysterylady zog sich aus der Community zurück und ihre Reihe versank - nicht ganz unverdient - in der Bedeutungslosigkeit. Bis heute hört man nur noch ab und zu etwas von Feuer um Mitternacht, doch was es mit Eroberung genau auf sich hatte, wollen wir noch kurz herausstellen.



Die Geschichte - Im Nord nichts Neues 
Eroberung spielt einige Jahre nach der Handlung von Feuer um Mitternacht und ferner natürlich auch nach der von Helden. 

 
Wir begleiten das junge Mädchen Wigeth, die mit ihrer Freundin Kara in einem Haus wohnt, seltsame Träume von einem dem Protagonisten des Vorgängers nicht unähnlichen Zeitgenossen hat und sonst das gewohnt-alltägliche Abenteuer-Leben eines zwölfjährigen Kindes führt.
Sie lebt im Dörfchen 'Nord', welches natürlich die südlichste Siedlung in einem Land ist, dessen Name man nicht erfährt. Doch wieder einmal herrscht Krieg, was die Protagonistin jedoch nicht direkt betrifft und sie auch nicht interessiert. Ihr Plan zum Spielauftakt ist, ein nahegelegenes, verlassenes Herrenhaus zu erkunden und Beute zu machen. 

 

Helden und Feuer um Mitternacht hatten beide auf ihre Weise einen außergewöhnlichen Anfang, der nichts mit den gleichförmigen Anläufen klassischer RPGs zu tun hatte. Eroberung hinkt hier hinterher, da sich der genretypische 'Zusammenbruch des friedlichen Alltags' äußerst langsam und zäh einschleicht, was die ersten Spielstunden insgesamt zur unfreundlichen Erfahrung macht. Erst, als ein geheimnisvoller 'Hyäne' zu Wigeth stößt, kommt die Geschichte allmählich in Fahrt. Leider bleiben sowohl Dialoge als auch die agierenden Charaktere, vornehmlich Hyäne Atrik und Wigeth, blass und wenig ausgearbeitet, der mitunter liebenswerte Charme der ad absurdum geführten Stereotypen der Vorgänger fehlt vollends. Auch Spannung mag in der Dynamik zwischen den Hauptakteuren nicht aufkommen, da man schon nach wenigen, ausgetauschten Textboxen glaubt zu wissen, wohin die Reise geht - und man hat recht.


Gleich einem 'Naruto' oder einem 'Zelda' stellen die Hauptcharaktere in Eroberung das uninteressanteste Element in einer mehr oder weniger ausgearbeiteten Welt dar.
Zu keiner Zeit erreichen die Akteure die Tiefe eines Daar oder auch nur die infantile Unschuld eines Alan, und mit zunehmendem Spielverlauf wird diese Symptomatik nur schlimmer. Sind zumindest Wigeth und Kara am Anfang noch in den Grundzügen sympathisch, schlägt auch das im Laufe der Handlung in zwanghafte Abneigung um. 


Als wiederkehrender Mysterylady-Fan erfährt man mit dem Auftauchen alter Bekannter einen Wendepunkt, wenn sich minütlich Aha-Momente und Déjà-vus einstellen. Dieses Wiedersehen bereitet Freude, weil es von der nichtssagenden Heldin ablenkt, flacht jedoch ebenso schnell wieder ab, weil die bekannten Charaktere nicht nur älter, sondern auch anstrengender geworden sind. Helden war freilich keine nachfühlbare Dialogsimulation, aber die Gespräche in Eroberung lesen sich, gerade gemessen mit heutigen Standards, oftmals unfreiwillig komisch. Ein Beispiel sei gegeben: 


Pete: "...Ist mir schon klar gewesen als du uns zum ersten Mal über den Weg gelaufen bist, aber das Ganze hat mich eben neugierig gemacht. Das man mit einer Göttin sprechen kann ist ja nicht ganz normal und da wusste ich das wird mein neues Abenteuer und egal was du sagst ich komme mit! Also sag mir in kurzform was ich wissen soll und dann Abmarsch!"

Atrik: "Ich habe nicht Lust noch jemand in Gefahr zubringen, aber du bist recht stark....du kannst mit! es geht nach Nord."

Pete: "...Nord...hm. Keine Ahnung wieso du da hin willst, aber wenn wie ein paar feindlichen Soldaten in die Fresse haun können bin ich dabei!"

 

Spürt ihr diesen Soul Calibur-Storymodus-Charme? Solcherlei literarisches Viagra wäre amüsant, bestünde nicht das ganze Spiel daraus, und das macht die Sache dann doch eher tragisch. Es ist wichtig sich zu vergegenwärtlichen, dass Eroberung von der selben Person geschrieben wurde, die im Vorgänger mehr als zehn Charaktere mit eigenen Hintergründen und überzeugenden Wesenszügen mehr oder weniger glaubhaft an einen Tisch gebracht hatte. Was war nur geschehen?

Den Protagonisten aus den ersten beiden Teilen wird keine Liebe zuteil - Dem Einen fehlt es nach seinem vermeintlichen Tod am Ende seiner Geschichte an jeglichen Emotionen, wenn er auf alte Freunde trifft, der Andere taucht nur mal ganz kurz als Midclass-summon zum Finale des Spiels auf und verschwindet dann wieder. Warum war das hier nochmal ein Trilogieabschluss? In Feuer um Mitternacht funktionierte das Gefühl einer zusammenhängenden Welt besser.

Tropes wie 'Der Kampf gegen die eigene dunkle Seite' oder 'Ich bin dein Vater!!' werden ironielos inszeniert und meilenweit vorhersehbare Twists als Jahrhundertenthüllungen profiliert. In allen Elementen der Handlung von Eroberung steckte der Verdacht, dass Mysterylady ihre Spieler für dumm verkaufen wollte.


Das Ende von Eroberung und essentiell der Heldentrilogie folgte konsequent den Spuren des rechtlichen Spiels und stellte für mich persönlich das unbefriedigendste Ende eines RPG-Makerspiels überhaupt dar. Keine zusammengeführten Fäden, kein Blick auf die Charaktere die wir so lange begleitet haben, keine Konklusion, keine Aussage. Feuer um Mitternacht wird gleich ganz vergessen. 

Punkte gäbe es hier wenn überhaupt nur für die kurzweilige Wiedersehens-Freude mit bekannten Charakteren, bis diese den Mund aufmachen, und die Story rund um die wiederkehrenden Götterschwestern, die erst am Ende zusammenbricht.




Grafik & Sound
Mysterylady hatte in 'Feuer um Mitternacht' ihren Grafikstil gefunden, der immer schon Geschmackssache war, seinen Zweck in der Regel jedoch gut erfüllte und für Wiedererkennungswert sorgte. Ansprechende Charaktergrafiken vollendeten einen zumindest rundähnlichen Eindruck. In Eroberung ist leider gar nichts rund. Der Stil der Charaktergrafiken wurde geändert und weichgespült, Designs zum Unbesseren verändert, weißhaarige Charaktere haben plötzlich pinke Ponymähnen und junge Frauen sind ergraut wie Großmutter Holle. 

 

Die Umgebungen sind noch geprägt von Mysteryladys Stil, es fehlt ihnen jedoch ähnlich wie in Helden an einprägsamen Orten und Highlights, stattdessen läuft man von Anfang bis Ende durch eine braungraugrüne Masse, die sich als Städte und Wälder tarnt und kaum Geschichten erzählt. Die Monstergrafiken des nach wie vor schmucklosen Standard-Kampfsystems sind unglücklich gewählt und stellenweise sogar schädlich, wie ich gleich noch beschreiben werden.



Die Musik ist, was sie in Helden immer war. Nicht schlecht gewählt, kein Angriffspunkt für Kritik, jedoch auch nicht das Bienchen im zerrauften Hausaufgabenheft, das 'Eroberung' doch so dringend gebraucht hätte. Ihr hört hier nichts, das ihr nicht schon kennt. Asynchron vom einheitlichen Rest des Spiels ist die Endfestung, die eine gewisse Eigenästhetik hat. Das sind postive Strohhalme, nach denen ich greife.




Gameplay & Kampfsystem

"Helden" und "Feuer um Mitternacht" wurden, Zweiteres mehr als Ersteres, fast vollständig durch die Geschichten und ihre Charaktere getragen und ließen sich spielerisch mit drei Wörtern zusammenfassen: 

Laufen, Kämpfen, Neuladen.

Das war nicht schön, funktionierte aber, um den Ereignissen Kontext zu verpassen. Das Balancing war berüchtigt, in Helden als ein mittelschweres Desaster und in Feuer um Mitternacht als eine Grindingrutsche. Dabei ist aber wichtig festzustellen, dass mir die Kämpfe im Vorgänger insgesamt Spaß gemacht haben. Helden war ungeschliffen, hatte aber ein, zwei Ideen im Bezug auf seine Kämpfe. In Feuer um Mitternacht gab es vorallem eines: Fette Techniken und fettere Explosionen. Und was war ein Retro-RPG ohne Explosionen?

Kurz gesagt, es funktionierte, trotz oder vielleicht gerade wegen einer abstrusen Schwierigkeit.

Eroberung hatte ein... seltsames Balancing. In meinem damaligen wie kürzlichen Durchlauf habe ich viel Zeit mit Grinding verbracht, mehr als gesund sein sollte. Trotz dieses Grindings hatte ich nicht die Endtechniken aller Charaktere erreicht. Eine seltsame Kalkulation Seitens der Erstellerin. Abgesehen davon kann man vom Balancing sagen, dass es anfangs mitunter frustrierend schwer und gegen Ende
schlichtweg gängelnd wird. Das Helden-Problem lebte wieder auf und man wurde mit wirklich, WIRKLICH viel zu vielen Gegnern beschmissen. Hier wurde offenbar 'Viel' mit 'Schwer' verwechselt. Dem hingegen steht dann wieder der geradezu absurd-einfache Doppel-Endkampf gegen die vor Selbstsicherheit strotzende Antagonistin, die aber nicht stärker ist, als sie aussieht - was mich zu einem anderen Punkt bringt

Die Monstergrafiken. Blicken wir zurück. 


Helden - Spritegrafiken. Einfach, aber schick. Nicht gut gealtert, aber man versteht den Zeitgeist. 

Feuer um Mitternacht - Standardmonsterbilder. Solide Selbsteinschätzung, Mysterylady.
Eroberung - Verstörende Chibi-Playmobil-Knetgegner. Mitunter umweht sie ein Charme von Discount Kelvengegnern, wobei Kelvens Monster immer ästhetisch einheitlich und überzeugend waren. Es fällt in Eroberung schwer, bedrohliche Monster ernst zu nehmen, wenn sie... so aussehen.

                                       Selbe Erstellerin.


Wenn wir noch einmal zum Gameplay schwenken, denken wir wieder an die Vorgänger. In Helden wie Feuer um Mitternacht gab es aber jeweils einen wichtigen Moment im Spiel, welcher gleichzeitig ein intelligentes Gameplay-Element war:
Man konnte im letzten Teil der Handlung aus seinen zahlreichen Kameraden Mitstreiter erwählen und mit ihnen aufs Ende des Spiels losziehen. Nichts Aufwendiges, nur eine kleine Spielerei im Grunde - Aber immer noch
eine Seltenheit und für mich als Kind damals eine Riesenfreude, wo ich den Maker noch nicht kannte. Ich habe sogar mal Helden neu angefangen, nur weil ich mich auf diese Stelle gefreut habe. In Eroberung gibt es eine solche Option - Überraschung - nicht. Nicht, dass man Interesse an irgendeinem der Mitstreiter gehabt hätte...

 

Das Nahrungs-System darf nicht unerwähnt bleiben. In den ersten beiden Teilen hörte man davon nichts und auch in Eroberung war diese neue Gameplay-Einschärnkung ein grotesker Fremdkörper, der lediglich zur Folge hatte, dass man aller paar Minuten Items wie Essen und Trinken einwerfen musste, teure Items. Das wurde im Laufe des Spiels schwieriger, so dass man permanent unter Maluseffekten litt. Warum?
 

Was das Erkunden der Umgebungen angeht, hat die selektiv-inspirierte Mysterylady sich für ihre grassierende Unlust ungeschönten Realismus zu Nutze gemacht, so dass Heldin Wigeth an den Türen fast aller Häuser in allen Städten folgerichtig abblockt. 


"Ich sollte lieber nicht in fremde
Häuser gehen!"


Ja, da hat sie natürlich Recht, in fremde Häuser gehen gehört sich nicht. Jeden Gegner, der einem vor die Linse kommt abzuschlachten aber auch nicht, wo also ziehen wir die Grenze? 

 

Wenn es anstrengend wird.
Denn anstrengend war Eroberung nur für seine Spieler.




Bugs
Das leidige Damoklesschwert über Mysteryladys Kopf. Sowohl Helden als auch Feuer waren bugverseucht und spielstoppende Fehler, die einem Game Over gleichkamen, gretschtem einem nicht selten in die Beine. Jedoch ging diese Fehlerflut nie weiter als den Spieler als vermeidbares Nebenrauschen unsäglich zu nerven. Eroberung setzte damals traurige neue Maßstäbe, die auch heute noch Bestand haben. Betatester gab es nicht, zumindest nicht bis es veröffentlicht wurde.  

 

Also, "Eroberung" hat 785 Maps/Gebiete. Und ich behaupte, dass auf jeder einzelnen dieser 785 Maps mindestens ein Bug oder Fehler existiert. Meistens aber viele mehr. Das heißt, wir können davon ausgehen, dass Eroberung mindestens doppelt so viele Fehler wie Maps hat - Allermindestens. Das wären laut Adam Ries stolze 1560 Bugs in einem Spiel. Diese Rechnung bezieht sich übrigens nicht auf die von Mysterylady veröffentlichte Version, sondern auf die von Fans gefixte Version. Ich weiß nicht ob gefixt es trifft, ich würde da gerne so manchen Buchstaben austauschen, wäre das Original nicht sicherlich noch viel schlimmer gewesen. Eine solche Quote hat vor und nach Eroberung meines Wissens nach noch kein anderes Makerspiel erreicht, womit es das mit Abstand verbuggteste Spiel ist, war und sein wird, das je mit dem RPG Maker entwickelt wurde. Natürlich kann das Projekt auch nicht ohne Cheaten durchgespielt werden, da es mehrere Stellen im Spiel gibt, die nicht passierbar sind. Sollte euch also weiß der Teufel was reiten, dieses Spiel einzuwerfen, tut es bitte im RPG Maker oder als Let's Play.

 



Fazit

Ich erinnere mich, dass mir Eroberung damals als Jugendlicher noch ehrlich, wirklich weh tat. Ich war noch nicht von der Welt, der verlockenden Süße des Zynismus und der Unzulänglichkeit popkultureller Geschichten abgestumpft, und so war ich zutiefst niedergeschlagen, dass mein vielleicht liebstes Makerfranchise zu dieser Zeit auf diese unwürdige Weise endete.

Wir erleben immer wieder, wie ein undurchdachtes Finale ein ganzes Franchise rückwirkend vernichten kann. Game of Thrones. LOST. Kingdom Hearts III. Sternenkind-Saga. Naruto. Dexter. Last of Us II?

Eroberung hatte hier den Vorteil, dass es nicht überraschend am Ende absackte, sondern in seiner Ganzheit unbefriedigend und beleidigend war. Und dennoch tat es weh, weil man es nicht so ganz verstand. Letztendlich hat man das fade Gefühl vergessen, weil das Heldenfranchise zusammengerechnet auch nur gerade so die Ziellinie des Klassiker-Rennens erreichte, doch wenn man zurückblickt fällt auch heute noch auf, wie verdient und konsequent Eroberung isoliert und ignoriert wurde. 

 

Denn wie Rammstein es schon so schön ausgedrückt hat, hat Mysterylady es in blasse Pixel umgesetzt.  

'Ich habe keine Lust etwas zu kauen
Denn ich hab' keine Lust es zu verdauen'

Niemand hatte Lust auf Eroberung.
Niemand war motiviert für Eroberung.
Stattdessen ist das Spiel gezeichnet vom Unwillen, es zur Welt zu bringen. Es ist ein trauriges Retro-Mahnmal und gleichsam die Kehrseite dieser damals so lebendigen und vielschichtigen Hobby-Community, die eindrucksvoll
aufzeigt, wie ein Fanspiel mit Potential zuende gehen kann, wenn die kreativen Ressourcen und die Freizeit sich eben einfach auf andere Dinge verschieben. Viele Makerspiele blieben unvollendet, und das war ein Jammer, doch manche wurden vollendet, und das war dann mitunter nicht besser. 

 

Es fällt mir schwer, etwas Positives zu sagen, wenn ich über dieses Retroprojekt spreche - Es ist eine Unverschämtheit gegenüber Fans und eine bodenose Grube für Neulinge gewesen. Gerade alteingesessene Spieler waren frustriert, dass die langwierig aufgebaute Geschichte um Alan, Yamon & Co. niemals einen vernünftigen Abschluss bekam, da das "ENDE" in seiner präsentierten Form nur ein leeres Vakuum aus dem schwarzen Loch des Schulterzuckens war. Mysterylady verabschiedete sich folgerichtig kommentarlos aus der Community, nachdem sie dieser eine deftige Narbe geschlagen hatte, und so blieb Freunden der Heldensaga damals wie heute nur übrig, die Reihe in stiller Andacht zu Grabe zu tragen und vielleicht in besinnlicher Nostalgie noch einmal "Helden" und "Feuer um Mitternacht" zu spielen oder besser noch als LP anzusehen, um wieder mit Yamon & Co. Abenteuer im Lande Dunglas zu erleben.

Es ist schlecht. Spielt es nicht, seht es nicht an, es ist das Spiel, dessen Name nicht genannt werden darf. Ich ende mit den Worten des von mir sehr respektierten Friedrich Nietzsche:

 

'Die Helden sind tot.'


  1 von 10 Helden für Eroberung







- Yoraiko







Sonntag, 11. Oktober 2020

RPG Maker-Review: Mysterylady's Heldensaga, Teil 2: 'Feuer um Mitternacht' (2004) - Eine Geschichte so gut

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Erstellungsjahr: 2004
Ersteller: Mysterylady
Genre: Rollenspiel, Adventure, Drama, Fantasy
Spielzeit: Ca. 20 Stunden
Engine: RPG Maker 2000



'Mysterylady' war das Internetsynonym einer bekannten und recht populären, österreichischen RPG-Maker-Erstellerin, welche von 2001 bis 2013 in der deutschen Szene aktiv war, und mit ihrem einprägsamen und vor allem optisch außergewöhnlichen Stil einen bleibenden Fußeindruck hinterlassen hat. Ihre drei nennenswerten Makerspiele, welche grob als 'Heldensaga' betitelt werden, erzählen eine vage zusammenhängende Geschichte, deren zweiter Teil 'Feuer um Mitternacht' den mit Abstand größten Erfolg verbuchte und auch heute noch als großer Klassiker der deutschen Community gilt, wenn auch nicht mehr so euphorisch wie damals. Dies ist das zweite von drei zusammenhängenden Reviews in chronologischer Reihenfolge zu allen Mysterylady-Spielen, welches sich genau mit diesem Feuer um Mitternacht beschäftigt.


Im Gegensatz zum tragisch-trashig gealterten Helden hat mich bei Feuer um Mitternacht nicht die Manipulation der Nostalgie heimgesucht, stattdessen war alles, wie ich es in Erinnerung hatte: Menschlich und außergewöhnlich, mit den typischen Schwächen der Heldensaga, die sich aber dort, wo es zählt, bedeutend weniger störend abspielen als noch im Erstling. Man merkt der Erstellerin vor allem in den Dialogen und der Story eine spürbare Weiterentwicklung seit Helden an, die sie im dritten und letzten Teil Eroberung - weiß der Teufel warum - auch gleich wieder verloren hat.


Feuer um Mitternacht hat sich in den letzten Jahren zu einem der kontroversesten 'Makerklassiker' der deutschen Szene gewandelt, welches längst keine so saubere Ruhmweste wie ein 'Monschein', ein 'Unterwegs in Düsterburg' oder ein Kelvengame hat. Kaum ein anderes, altes RPG ähnlicher Bekanntheit wurde so vehement in Youtube-Let's Plays zerrissen, kaum eines rückwirkend so für seine Unglaubwürdigkeit abgestraft. Ich selbst habe im Bezug auf dieses Spiel eine gewisse Befangenheit: Feuer um Mitternacht ist mein liebstes Makerspiel überhaupt, ohne wirkliche Konkurrenz, und das hat sich auch nicht mit dem kürzlichen erneuten Durchspielen geändert. Doch meine Befangenheit macht mich nicht blind - Helden hatte ich auch in glänzender Erinnerung, und das war nicht mehr als ein Furzkissen mit Goldlack. Es fällt mir darum noch immer schwer, nachzuvollziehen, wie so viele 'neuere' Spieler von Mysteryladys Flaggschiff-Titel dessen im Makermedium so seltene Stärken übersehen. Feuer um Mitternacht ist ein Spiel vor allem über Charakterentwicklung, über komplexe Beziehungen zwischen Charakteren, und über Identität. Was will ich sein, was will ich werden, und was will ich dafür tun oder auch nicht? Und während die Protagonisten der allermeisten (RPGMaker-)Spiele am Anfang der Geschichte exakt das selbe sind wie am Ende, macht der Protagonist von Feuer um Mitternacht eine kontinuierliche Entwicklung durch, die erst mit den Credits beendet ist und ihn zum buchstäblichen und nachvollziehbaren Gegenteil dessen macht, was er zu Anfang war und ausstrahlte. Hinzu kommt eine Handvoll weiterer, gutgeschriebener Personen, die sich meist weit ab des stereotypen Klischeespektrums eines Vampires Dawn oder der blassen Infantilität eines 'Helden' bewegen. Feuer um Mitternacht ist eine Charakterstudie mit der für mein Gefühl besten und ausgefeiltesten Handlung im deutschsprachigen Makerraum, mit den stärksten Charakteren die eine Entwicklung durchmachen die mir von anderen selbstgemachten RPGs fremd ist. Was man dafür in Kauf nehmen muss, ist ein bestenfalls sperriges Gameplay mit noch immer viel zu vielen Bugs, einem borderline-fatalistschen Schwierigkeitsgrad, ausreichend Rechtschreibfehler für drei Bücher und eine Handlung, die vielleicht nicht immer so viel Sinn ergibt wie die Entwicklung ihrer Charaktere.


Für viele ist dieser Deal ein Schlechter, und letztendlich ist das eben die Frage: Wollt ihr von einem Makerspiel gutes Gameplay und ein stimmiges Gesamtpaket, oder doch eine packende Charakterstory, die sich homogen entwickelt und euch in ihrer Authentizität anderswo versagt bleibt?

Seid ihr noch unsicher, lest weiter.



Fifty Shades of Daar

Der im Staate Dunglas landesweit gesuchte Schwarzmagier und vermeintliche Massenmörder 'Daar' geht mit seiner Ruchlosigkeit eines Tages zu weit, als er versehentlich einen Jungen tötet, welcher als 'Hoffnung der Welt' das Gleichgewicht der Natur in sich trug. Für diese Tat muss sich Daar nicht nur vor den Priesterinnen, die ihn verfolgen, sondern auch vor der schier allmächtigen Göttin Reeza höchstpersönlich verantworten, was nicht nur im Vollverlust seiner Kräfte sondern schließlich auch in einer tiefgreifenden Identitätskriese endet. Ausgesetzt wie ein Hund gilt es für Daar fortan, unter dem Radar zu bleiben, Reeza zu gehorchen und herauszufinden, was es mit diesem sogenannten Gleichgewicht der Welt auf sich hat.



Feuer um Mitternacht ist eines der wenigen Makerspiele, die sich getraut haben, einen echten Antihelden in der Hauptrolle zu installieren. Daar ist ein vulgärer, pöbelnder, unausstehlicher, brutaler, ignoranter, selbstgerechter Hexer, dem jedes Opfer recht ist, wenn es seinen Zielen dient. Also die perfekte Ausgangslage für eine lange, komplexe Charakterentwicklung, die ihn sowohl durch ganz Dunglas als auch an diversen, irgendwie mit ihm verbundenen Charakteren vorbeitreibt. Der rote Faden besteht hier aus den Befehlen Reezas, welche in der Handlung als eine Art 'Schutzpatronin' für Daar fungiert. Erst etwa in der Mitte des Spiels überschlagen sich Twists und Erkenntnisse, Hintergründe werden klar und die wirkliche Handlung wird offenbart. Das sorgt dafür, dass Feuer um Mitternacht sich zu Beginn sehr erzählfreundlich anfühlt - Daar muss sich ohne die Kraft der Teleportation mit geringen Mitteln durch Städte und Gegenden arbeiten, denen er dabei genau so fremd ist wie wir. Ihn treibt keine Weltrettungsquest an, er wird nicht begleitet von seiner Kindheitsfreundin die insgeheim seine Babys möchte, er ist einfach ein gesuchter Verbrecher, der seine Kräfte zurückerlangen möchte, ohne groß aufzufallen. Das sorgt für eine gewisse Spannung, was mich auch dazu bringt, wie die Geschichte in Feuer um Mitternacht strukturiert ist.



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Helden besitzt, das habe ich in meinem kürzlichen Plaxthrough festgestellt, keinerlei Storystruktur. Es ist eine wahllose Aneinanderreihung von Events. Bei Feuer um Mitternacht hatte ich dieses Gefühl nie, da die Motivation, an Ort A zu gehen oder B zu tun immer zumindest weitestgehend nachvollziehbar geschieht, und sich die Story und die Ereignisse vor ALLEM in der zweiten Hälfte des Spiels so gänzlich unromantisiert entwickeln. Keine albernen Dramaturgien, es wird getan was getan werden muss.




Es ist sinnvoll nochmals herauszustellen, dass Feuer um Mitternacht sich in verschiedene Handlungsbögen unterteilt, dabei aber vor allem die zweite Hälfte komplett anders aussieht als die Erste. Dies hängt mit der enormen Charakterentwicklung zusammen, die vor allem der Protagonist hinter sich bringt, so dass das Spiel später zwar weniger 'aufregend' ist als am Anfang, dafür aber auch ein ganzes Stück herzerwärmender und emotionaler. Storytechnisch finden in Feuer um Mitternacht wirklich einige verschiedene Ansätze statt, wo andere Spiele sich auf nur einen Einzigen begrenzen. Beispiele wären hier Unterwegs in Düsterburg oder Eternal Legends, welche von Anfang bis Ende die gleiche Storyline verwenden, während Feuer um Mitternacht oder etwa auch Die Reise ins All von Realtroll innerhalb der Erzählung mehrmals die Stimmung und Zielsetzung durchwechselt.




Persönlich habe ich die Handlung vor allem im letzten Drittel wirklich geliebt, weil der Kontrast zu Beginn des Spiels so außerordentlich ist. Es ist wie das Ende eines langen Buches, durch das man sich zusammen mit den Charakteren begeben hat. Da fält es dann auch leichter zu verzeihen, dass der Kernplot und einige zentrale Konflikte am Ende von Mysteryladys großem Zweitling nicht so wirklich viel Sinn ergeben und besser nicht zweimal hinterfragt werden sollten - Das ist ein ärgerliches Versäumnis, vor allem weil es diese Elemente in der umgesetzten Form nicht mal zwangsweise gebraucht hätte, doch der Trost bleibt bestehen, dass es in Feuer um Mitternacht nie um die größere Handlung, sondern immer um die Charaktere und deren äußere und innere Konflikte ging.


Das Ende von Feuer um Mitternacht erreicht - trotz seiner Antiklimatik - was dem Vorgänger und vielen anderen Makerspielen versagt blieb - ein runder Abschluss, der sich mit wirklich ALLEN Charakteren und derem Verbleib beschäftigt und uns als Spieler das Gefühl gibt, wirklich etwas für diese Personen getan zu haben. Das ist viel wert, auch nach all der Zeit noch.




Die Charaktere - Ain't no stereotypes in good, ol' Dunglas 

Was an Feuer um Mitternacht positiv durch die Dialoge scheint, ist deren Alltagsnähe und Menschlichkeit. Viele der handelnden Personen reden so, wie sie es in der Realität wohl auch tun würden, ohne die ganzen Grammatik-, und Rechtschreibfehler, versteht sich. Eine Großzahl der Gespräche zwischen den in verschiedenen Beziehungen stehenden Charakteren sind so sympathisch, so herzerwärmend oder belustigend, dass ich gar nicht anders kann als eine Zuneigung für den Cast zu entwickeln. Und das mit zunehmender Spielzeit exponentiell.



Wir haben Hauptcharaktere wie Laura, eine junge Hexerin welche Daar als eine Art Vorbild ansieht(Und wahrscheinlich Poster von ihm an der Wand hat), die kompromisslos-rechtschaffene Hohepreisterin Philandora(Danke nochmal für den fantastischen Namen Mysterylady), die sadistisch-nachsichtige Exibitionisten-Göttin Reeza oder die burschikose Jägerin Kayla, welche im Schatten ihrer Schwester Philandora steht. Man kann von vielen dieser Personen halten was man will, aber gerade aus heutiger popkultureller Sicht fällt positiv auf, wie wenige anstrengende Klischees einem hier entgegenschlagen. Sicherlich kann man einer Laura das 'Niedliche Kind' attestieren, oder einer Kayla 'Die toughe Braut', aber die Wahrheit ist, dass das nur Fragmente der geschriebenen Persönlichkeiten abbildet. Was mir neben den sich entwickelnden Beziehungen zwischen 'zusammenarbeitenden' Charakteren gefallen hat ist, wie in Feuer um Mitternacht aus Totfeinden und Rivalen zutiefst vertraute Kameraden und manchmal sogar Freunde werden. Das ist kein seltener Trope in klassichen Heldengeschichten, hier aber ist er hervorragend umgesetzt. Der Protagonist entwickelt sich in eine Richtung, die einem später stellenweise das Herz wegschmilzen lässt, und das unnahbare Monster vom Anfang gänzlich ent-mystifiziert. Und während Helden in anderen Geschichten in ihrer Charakterentwicklung vielleicht einen oder maximal zwei Umbrüche und Veränderungen durchmachen, verändert Daar sich im Laufe der Handlung drei oder vier Mal signifikant, als würde er eine Eierschalen-Matrjoschka sprengen.


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Sucht ihr in eurem Retro-RPG vor allem einprägsame Charaktere, seid ihr hier richtig. Was im Gegensatz zu den Protagonisten stark abflacht sind die Antagonisten. Der noch deutlich diabolischere und größenwahnsinnigere Hexer als Daar, Zordac, nimmt eine zentrale Feindesrolle ein, die allerdings nie so recht Bedrohlichkeit versprühen will und am Ende auch irgendwie in sich selbst zusammenfällt. Die bereits aus Helden bekannte Gegenspielerin 'Shiva' deren Hintergründe ich hier nicht weiter beleuchte, ist in ihrer Idee eine großartige Schurkin, die am Ende jedoch auch dem inkonsequenten Finale Mysteryladys zum Opfer fällt, und in 'Eroberung' vollends zur Witzfigur zerschreddert wird.


"Ich glaube ich habe das mit dem Blumenblühen jetzt kapiert"


Der Trost? Die 'Bösewichte' sind in Feuer um Mitternacht nicht der wahre Antagonist, sondern der Held selbst. Belassen wir es dabei.





 

Its always dungel in Dunglas
Die Welt von Dunglas ist etwas, das mir von Feuer um Mitternacht merklich in Erinnerung geblieben ist, weil Mysterylady den Spieler so gnadenlos mit ihr zuscheißt. Das Konzept der 'verbundenen Gebiete' ohne Weltkarte, durch die man sich immer in Echtzeit bewegen muss, kannten wir schon aus Helden, aber dort führte es zu unsäglichen Fillergebieten und immergleichen Waldpfaden, die keinen Zweck verfolgten. In Feuer um Mitternacht hat sich auch das Mapping der Erstellerin DEUTLICH gebessert, so dass viele auch eher einfache Waldgebiete einfach einbprägsam und charakteristisch für das Spiel sind. Außerdem profitiert die Umgebung SEHR vom zentralren Storykniff: Man wird - gewollt oder ungewollt - an fast jeden Ort im Spiel mehrmals zurückkehren, manchmal durchläuft man das selbe Gebiet vier oder fünf Mal, und jedes Mal aus einer anderen Richtung. Was wie nerviges Backtracking klingt sorgt für viele "Aha!"-Momente, weil man nach und nach versteht, wie die Gebiete miteinander verbunden sind und so eine nachvollziehbare, fühlbare Welt entsteht. Dieses Gefühl ist schwer mit einer Weltkarte zu erreichen.


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Hinzu kommt, dass Mysterylady in ihrem Erstling kaum Akzente setzen konnte - eine Stadt sah aus wie die Nächste, die Wälder und Wiesen waren grüne Kleckse, man langweilte sich beim Durchqueren über die ganze Tastatur. In Dunglas gibt es viele Akzente und viele hervorstechende Gebiete, die für damaligen Makerstandard recht ansehlich waren, manche sogar hervorragend und einprägsam. Hier sein etwa die Wasserstadt Lysee, welche auf Holzstegen gebaut ist, der heilige Tempel oder auch die 'Tote Zone' genannt, in der alles aussieht wie eine bombardierte Stadt des zweiten Weltkriegs. Plus Untote. In der Welt von Dunglas ist eine Menge Variation, denn die Erstellerin verstand es diesmal, dass Städte und Wälder mehr sein müssen als Fließband-Material zum Durchlaufen.



 
 
 

 

Gameplay & Kämpfe - Die Creme de la Scheiße                                   

Reden wir nicht drumrum - das Gameplay in Feuer um Mitternacht ist ein Kompromiss, zu eurem Verlust. Jetzt mal abgesehen davon, dass die fehlende Weltkarte impliziert, dass ihr sehr viel Zeit mit Laufen und Latschen verbringt, ist die große Krux, dass Mysterylady sich auch dieses Mal wieder nicht die allergeringste Mühe gegeben hat zu testen, ob ihr verdammtes Spiel überhaupt spielbar ist. Wie auch in Helden - und fast schlimmer als da - ist das Projekt bis obenhin voll mit Bugs, von denen nicht wenige dazu führen, dass man nicht weiterspielen kann und Neuladen muss. Die Textboxen sind bis obenhin voll mit Rechtschreibfehlern und kruden Sätzen, die so keinen Sinn ergeben, was insgesamt definitiv zu einer Minderung der Immersion führt.


Was allerdings geade aus heutiger Sicht wirklich unverzeihlich ist, sind endgültige GAMEBREAKER und Designfehler. Ersteres in Form eines falsch gesetzten Switches vor dem ENDKAMPF(!!) des Spiels der dafür sorgt, dass man Feuer um Mitternacht nicht beenden kann, und der auch heute noch WIE AUCH IMMER in einigen Versionen des Spiels kursiert. Zweiteres in Form der - Es tut mir leid -
belastend-bescheuerten Mechanik, dass wenn ihr einen Charakter habt der im Kampf ohnmächtig wird und ihn nicht wiederbelebt bevor ihr in eine Szene kommt in der ihr nur diesen Charakter spielt, es für euch Game Over heißt - weil euer einziger Charakter ja 'tot' ist. Habt ihr dann keine Heilmittel mehr zur Verfügung, heißt es, das gesamte Spiel neustarten, weil ihr keine zweiminütige Sequenz mit dem Charakter ansehen könnt. Fabulös, Mysterylady, ehrlich, das hätte auch der Teufel nicht besser hingekriegt.


 
"Lass mal den Teufel aus dem Spiel, der schuldet mir noch drei Seelen"




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Der Schwierigkeitsgrad ist ein berüchtigtes Element von Feuer um Mitternacht, denn er ist gnadenlos, gängelnd, verzeiht keine Fehler und legt frühes Grinden nahe. Während das gefühlt über weite Strecken besser funktioniert als bei Helden und später, wenn der Levelknoten platzt mit brachialen Gefechten auch richtiggehend Spaß macht, bluten Spieleraugen vor allem dann, wenn Mysterylady sie vor Kampf-Sackgassen setzt - Brutal-unbalancierte Kämpfe innerhalb einer Storysequenz, die ihr dann zumeist ohne jede weitere Möglichkeit der Vorbereitung absolvieren müsst, weil das Spiel sonst für euch zuende ist. Seid ihr dazu nicht in der Lage - Neustart. Gerade aus aktueller Sicht ist sowas nicht mehr zumutbar und der eine echte Grund, warum man Feuer um Mitternacht ohne Maker vielleicht besser als Let's Play anschauen sollte. Zwar wird das Balancing selten so unfair wie in Helden und auch der Endkampf ist spotteinfach, aber die Guillotine kann eben dann zuschlagen, wenn man es am wenigsten erwartet und braucht. Für mich waren es damals als Kind vier Neustarts, bevor ich das Spiel beenden konnte. Vier.





 

Grafik & Musik - Mysterylady-Productions 

Der grafische Stil der Erstellerin hat hier in Feuer um Mitternacht ihre ganz persönliche Note entwickelt, die sich gänzlich von allen anderen Makerstilen unterscheidet und für mich etwas wirklich Hübsches, Verträumtes hat. Ich mag die Charaktergrafiken, ich mag die Posen und die Emotions-Ausrufezeichen, die Gebiete in hauptsächlichen Standardgrafiken, welche aber gekonnt zusammengenäht sind. Hauptsächlich warme Pastellfarben findet man in Dunglas, mittelalterlich mit ein paar überraschenden Ausrissen im späteren verlauf.



Der Titelbildschirm zeigt einmal mehr das zeichnerische Talent, das Mysterylady damals innehatte, und zählt zu meinen Lieblingstiteln auf dem Maker. Das Standard-Kampfsystem wird enorm durch die animierten Charakterposen aufgewertet, welche Mysterylady gezeichnet hat. Interessante, visuelle Ideen wie zwei nackte Göttinnen mit Neonhaaren sind hinter ihrem Potential geblieben, heben sich aber dennoch von der Masse an uniformen Ganoven ab.


Insgesamt ist die Optik eines der stimmigeren Elemente von Feuer um Mitternacht, die es wie ein altes Bilderbuch erscheinen lassen.



Die Musik ist abermals aus vielen kommerzielen Spielen dieser Zeit zusammengestellt, Mysterylady bewieß jedoch einen gestiegeneren Standard und weniger Einfallslosigkeit bei der Ausahl ihrer Titel. Während ihr Erstling durchzogen war von nichtssagenden Melodien, hat sie sich in Feuer um Mitternacht für tolle Stücke entschieden, die wunderbar zu den ruhigen, emotionalen Momenten der Charaktere passen wollen und so ein Stück weit auch auf das Spiel geprägt sind - Stücke wie das Ocarina of Time-Theme oder die Lysee-Musik (Ich glaube es kam aus Daggerfall...?) werden für mich für immer mit Feuer um Mitternacht und seiner Dramaturgie zusammenhängen. Das zeugt nach all den Jahren für Feingefühl bei der Auswahl.
 

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Fazit - Verkannter Schrullenroman

Mir ist meine subjektive Sicht in diesem Review bewusst - es ist weniger eine Vorstellung als mehr eine Empfehlung und ein Loblied auf die Charaktere und die Handlung des Spiels. Gleichwohl muss man aber sagen, dass Feuer um Mitternacht so oder so einen deutlichen Sprung von Mysteryladys Erstling darstellte, da kann es keine Meinungsverschiedenheit geben. Ebenso überzeugt bin ich wenn ich sage, dass der Nachfolger die größte Katastrophe des Franchises war, womit ich für mich zu dem Schluss komme, dass Feuer um Mitternacht innerhalb der Heldensaga das einzige Projekt ist, dem ich mit der gebührenden Nostalgie auch heute noch Stärken abgewinnen kann. Ja, zweifellos, Feuer um Mitternacht braucht Zeit, um in Fahrt zu kommen, und davon nicht zu wenig. Der Anfang ist gewöhnunsbedürftig, doch ist man darüber hinaus, legen sämtliche Charaktere, vor allem der Protagonist, eine bis zum Ende des Spiels nicht aufhörende Entwicklung hin, werden in ihren Konzepten mehrmals umgeworfen und neugezeichnet. Dabei wird mit Dunglas ein fühlbares
und greifbares Umfeld skizziert, das vorallem dadurch besticht, dass die einzelnen Orte immer wieder auftauchen und sich nach und nach alles verbindet. Es ist kein Schlauch, wie in vielen anderen Makerspielen. Die Charaktere haben Tiefe, jeder von ihnen mehr als der Protagonist so manchen Spiels, und sie sind authentisch geschrieben, alberne Überzeichnungen sucht man vergebens. Feuer um Mitternacht ist auch weniger Heldenepos als mehr eine Charakterstudie über einen Protagonisten, der Stärke erlangen wollte, sich dabei verloren hat und im Laufe des Spiels nach und nach über sich, seine Taten und seine Vergangenheit hinauswachsen muss. Ein erzählerisches Vorgehen, das ihr auf dem Maker nur sehr selten finden werdet.

 
Auf der anderen Seite steht die Tatsache, dass dies hier ein Spiel ist und kein Roman. Dafür hätte es auch viel zu viele Rechtschreibfehler, und die Dialoge sind spürbar zu einfach geschrieben. Ein Spiel muss, mögen die Charaktere auch noch so überzeugend sein, als Spiel überzeugen, vor allem wenn es ein Retro-RPG von 2004 ist. Hier versäumt Feuer um Mitternacht fast alle Parameter, ist Laufsimulator, Frustpatrone und Stormtrooper-Kriegsgebiet in einem. Erwischt man die falsche Version des Spiels kann man es ohne Cheaten nicht Durchspielen, und in jeder Version existieren so viele Fehler, die einem ohne regelmäßiges Speichern Stunden des Fortschrittes nehmen können. Sogar mit Pixelnostalgie ist das nicht hinzunehmen und es ist schwer nachzuvollziehen, wie die Erstellerin damals nur so fahrlässig vorgehen, und wie man ihr das durchgehen lassen konnte. Sollte sich also jemand noch für diesen - gerechtfertigten - Klassiker der deutschen Szene erwärmen können, so tut er das besser über ein Let's Play - am besten eines, das nicht von unlustigen Idioten geführt wird. Aber das, liebe Leser, ist am Ende des Tages ja Geschmackssache.



Mein Geschmack spricht eine klare Sprache - Nachsicht. Nachsicht mit einem zerbeulten, grobschnitzigen, unspielbaren Spiel, das doch in seiner Handlung und in seinen Charakteren so unheimlich viel Herz besitzt. Ein Remake von Feuer um Mitternacht, oder eine Runterbrechung auf die Geschichte, würde ich persönlich mit Freudenjauchzen begrüßen. Da dies aber nicht geschehen wird, behalte ich mein persönliches Lieblings-Makerspiel in guter Erinnerung, statt es seiner Schwächen zu strafen.
 
Dafür - da habe ich keine Zweifel - wird es bei Eroberung noch genug Möglichkeiten geben.






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  8 von 10 Eruptionen für Feuer um Mitternacht

->Yoraiko liebt dich noch immer




- Yoraiko