Freitag, 18. Oktober 2019

Light Novel-Review: The Saga of Tanya the Evil / Yojo Senki Volume 1





In Anime-Kreisen ist der Titel 'Youjo Senki' schon länger ein namhafter Begriff - Die Anime-Adaption der zugrunde liegenden Lightnovel ging 2017 an den Start und etablierte sich prompt als eine der unterhaltsamsten und wertigsten Actionserie des derzeitigen Angebotes. Musik, Geschichte, Optik, Humor - Alles war herausragend. Da kommt man gar nicht unbedingt darauf, auch mal zum Quellmaterial zu greifen, das als schnödes Buch weniger reizvoll erscheint. Aber die Lightnovel-Reihe zählt schon 10 Bände und ein Ende ist nicht in Sicht, demzufolge wird man hier wohl mehr Tanya bekommen, als es der Anime je leisten können wird. Ich jedenfalls hatte als großer Fan des Anime vor zwei Monaten dann endlich genug Interesse, in die Novelserie mit den beeindruckenden Coverarts hineinzuschnuppern, und weiß jetzt nach Beendigung nicht so genau, was ich dazu sagen soll.

Band 1 - 'Deus Io Vult'("Gott will es!") ist für mich unheimlich schwer zu bewerten, nachdem ich gestern endlich damit fertig geworden bin. Ganz allgemein ist unheimlich schnell(und positiv) zu bemerken, wie radikal viel Theorie, Hintergrundwissen, Palaver und Gedankenspiel der Anime für die Adaption herausgeschnitten hat, um das Tempo und den Unterhaltungswert der Geschichte zu erhöhen, in meinen Augen vollkommen zurecht. The Saga of Tanya the Evil ist überaus sperrig, setzt sehr gute Englischkenntnisse, eine einigermaßen hohe Konzentrationsfähigkeit und ein Mindestinteresse an Militärischer Theorie, Geschichte und Strategischen Manövern voraus. Mindestens die Hälfte davon fehlte mir, und so empfand ich die erste Hälfte des Buches als extrem zäh und anstrengend. 

Das liegt daran, dass Autor Carlo Zen eine sehr spezielle Art des Storytellings verwendet, der das Buch auch seine Dicke verdankt: Die 317 Seiten hätten 200 sein können, ohne wesentliche inhaltliche Verluste, auch wenn mir ein Großteil der Kernfans da sicher widerspricht. Jedenfalls gibt es in dem Buch grundsätzlich nur 5 verschiedene Szenentypen:
- Ein innerer Monolog von Tanya
- Ein Dialog zwischen Tanya und einem Vorgesetzten oder Kameraden
- Ein Dialog von Militäroffizieren ohne Tanya
- Eine Kampfszene in einer Schlacht
- Seitenlange Ausführungen über militärische Manöver, Strategien und deren Kontexte

Es gibt ein paar wenige Ausnahmen in Form von Monologen anderer Charaktere, aber grundsätzlich ist es so. Dabei muss man sagen, dass die Actionszenen im Anime sehr dominant sind, wobei sie im Buch nur einen sehr, sehr, sehr kleinen Teil aus machen, stattdessen wird das Lesegeschehen eben dominiert von laaaangen, theoretischen und sehr trockenen Gesprächen über Kriegsführung in all ihren Formen. Es gibt Triviawissen zu Strategie und Waffen und Ähnlichem und man merkt zumindest, dass Carlo Zen eine große Leidenschaft für diese Themen hat. Ich aber leider nicht, und so musste ich mich sehr oft zwingen, wieder zum Buch zu greifen. 

Ich war schon lange vor der Hälfte der Geschichte bereit, die Novelreihe als Flop abzutun, die nur von ihrem wunderbaren Anime profitierte, aber in der zweiten Halbzeit wird alles etwas besser und bekömmlicher. 
Die Monologe von Tanya werden mehr, und jeder davon ist gut und zutiefst unterhaltsam - Wenn man dem berechnenden Geschäftsmann in Tanyas Geist lauscht, wie er jeden Dialog, jede Aussage und jede Aktion sorgfältig plant, kalkuliert und zu seinem Vorteil abwiegt, kommt man nicht umhin köstlich unterhalten zu sein und sich vielleicht auch ein wenig selbst darin wieder zu finden. Kalkulieren wir nicht auch immer wieder, ob und wie sehr Situationen und andere Personen uns nützen und zu unserem Vorteil sein können? Jedenfalls sind das die in der ersten Hälfte des Buches seltenen und später häufigeren Lichtblicke. 

Allerdings wird auch häufiger ÜBER Tanya gesprochen - Die Szenen, in denen die Offiziersversammlung über Tanya von Degurechaff redet, über ihre Beförderungen berät, ihr unglaubliches Talent hinterfragt und ganz allgemein das Mysterium der Protagonistin zu ergründen versucht sind schlichtweg hochspannend. Als Leser wusste ich natürlich, was hinter Tanya steckt, aber die Art wie hier eine uns bekannte Protagonistin zum unbegreiflichen Monster aufgebaut wird war schwarzer Humor auf höchstem Level. 

Auf höchstem Level ist Tanya selbst auch ohne Frage - Wie der Autor im Nachwort ganz richtig feststellt ist die Protagonistin nach allen Klassen und Standards eine hoffnungslos überpowerte Mary Sue, der schier alles gelingt, die einen riesigen Erfolg nach dem Anderen einbucht und schon innerhalb des ersten von mehr als zehn(!) Büchern zur beispiellosen Militärlegende digitiert.  

Fokus auf andere Charaktere gibt es bisher wenig - Abgesehen von den erwähnten, überschaubaren Monologen ausgewählter Personen, die mit dem 'Rhine Devil' zu tun haben, bleiben wir entweder immer direkt auf Tanya oder es geht zumindest um sie. Interaktionen, die über Kämpfen oder bloße Dienstgespräche hinausgehen, hat sie mit anderen Charakteren nicht. Das war im Anime laut meiner erinnerung durchaus anders, kann aber ja auch noch in den kommenden Büchern hinzu kommen. 

Am Ende haben wir einen mehr oder weniger passablen Cliffhanger, der den weiteren Weg der Geschichte andeutet und klar macht, dass das Imperium, unter dem Tanya dient, am Anfang eines Weltkrieges steht. Persönlich bin ich nun nach der starken zweiten Hälfte, die sich mehr mit Tanya als dem Imperium und dem Krieg beschäftigt, sehr sehr unschlüssig ob ich die Reihe nicht doch weiter verfolgen möchte. Zuerst stand das für mich außer Frage, doch der Reiz die Legende vom Rheinteufel weiter mitzuverfolgen, ist da. Ob sich dieser gegen die begrenzte Lebenszeit, die noch begrenztere Lesezeit und die starke Konkurrenz durch hervorragende Lightnovels wie Spice & Wolf durchsetzen kann, bleibt für mich abzuwarten. Am Ende des Tages aber ist Youjo Senki 1 eine vorrangig durchwachsene Lese-Erfahrung, die sicher keine referenz für das Lightnovel-Medium darstellt, dessen ureigenmes Merkmal es ist, eher leichte Literatur zu sein. Wer in das Franchise einsteigen möchte, tut das besser unbedingt über den Anime. 


6/10 Silver Wing-Abzeichen für The Saga of Tanya the Evil





- Yoraiko


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