Erstellungsjahr: 2004
Ersteller: Mysterylady
Genre: Rollenspiel, Adventure, Drama, Fantasy
Spielzeit: Ca. 20 Stunden
Engine: RPG Maker 2000
'Mysterylady'
war das Internetsynonym einer bekannten und recht populären,
österreichischen RPG-Maker-Erstellerin, welche von 2001 bis 2013 in der
deutschen Szene aktiv war, und mit ihrem einprägsamen und vor allem
optisch außergewöhnlichen Stil einen bleibenden Fußeindruck hinterlassen
hat. Ihre drei nennenswerten Makerspiele, welche grob als 'Heldensaga' betitelt werden, erzählen eine vage zusammenhängende Geschichte, deren zweiter Teil 'Feuer um Mitternacht'
den mit Abstand größten Erfolg verbuchte und auch heute noch als großer
Klassiker der deutschen Community gilt, wenn auch nicht mehr so
euphorisch wie damals. Dies ist das zweite von drei zusammenhängenden
Reviews in chronologischer Reihenfolge zu allen Mysterylady-Spielen,
welches sich genau mit diesem Feuer um Mitternacht beschäftigt.
Im Gegensatz zum tragisch-trashig
gealterten Helden hat mich bei Feuer um Mitternacht nicht die
Manipulation der Nostalgie heimgesucht, stattdessen war alles, wie ich
es in Erinnerung hatte: Menschlich und außergewöhnlich, mit den
typischen Schwächen der Heldensaga, die sich aber dort, wo es
zählt, bedeutend weniger störend abspielen als noch im Erstling. Man
merkt der Erstellerin vor allem in den Dialogen und der Story eine
spürbare Weiterentwicklung seit Helden an, die sie im dritten und letzten Teil Eroberung - weiß der Teufel warum - auch gleich wieder verloren hat.
Feuer um Mitternacht hat sich in den
letzten Jahren zu einem der kontroversesten 'Makerklassiker' der
deutschen Szene gewandelt, welches längst keine so saubere Ruhmweste wie
ein 'Monschein', ein 'Unterwegs in Düsterburg' oder
ein Kelvengame hat. Kaum ein anderes, altes RPG ähnlicher Bekanntheit
wurde so vehement in Youtube-Let's Plays zerrissen, kaum eines
rückwirkend so für seine Unglaubwürdigkeit abgestraft. Ich selbst habe
im Bezug auf dieses Spiel eine gewisse Befangenheit: Feuer um
Mitternacht ist mein liebstes Makerspiel überhaupt,
ohne wirkliche Konkurrenz, und das hat sich auch nicht mit dem
kürzlichen erneuten Durchspielen geändert. Doch meine Befangenheit macht
mich nicht blind - Helden hatte ich auch in glänzender
Erinnerung, und das war nicht mehr als ein Furzkissen mit Goldlack. Es
fällt mir darum noch immer schwer, nachzuvollziehen, wie so viele
'neuere' Spieler von Mysteryladys Flaggschiff-Titel dessen im
Makermedium so seltene Stärken übersehen. Feuer um Mitternacht ist ein
Spiel vor allem über Charakterentwicklung, über komplexe Beziehungen zwischen
Charakteren, und über Identität. Was will ich sein, was will ich
werden, und was will ich dafür tun oder auch nicht? Und während die
Protagonisten der allermeisten (RPGMaker-)Spiele am Anfang der
Geschichte exakt das selbe sind wie am Ende, macht der Protagonist von
Feuer um Mitternacht eine kontinuierliche Entwicklung durch, die erst
mit den Credits beendet ist und ihn zum buchstäblichen und
nachvollziehbaren Gegenteil dessen macht, was er zu Anfang war und
ausstrahlte. Hinzu kommt eine Handvoll weiterer, gutgeschriebener
Personen, die sich meist weit ab des stereotypen Klischeespektrums eines
Vampires Dawn oder der blassen Infantilität eines 'Helden' bewegen.
Feuer um Mitternacht ist eine Charakterstudie mit der für mein Gefühl
besten und ausgefeiltesten Handlung im deutschsprachigen Makerraum, mit
den stärksten Charakteren die eine Entwicklung durchmachen die mir von
anderen selbstgemachten RPGs fremd ist. Was man dafür in Kauf nehmen
muss, ist ein bestenfalls sperriges Gameplay mit noch immer viel zu vielen Bugs, einem borderline-fatalistschen Schwierigkeitsgrad, ausreichend Rechtschreibfehler für drei Bücher und eine Handlung, die vielleicht nicht immer so viel Sinn ergibt wie die Entwicklung ihrer Charaktere.
Für viele ist dieser Deal ein
Schlechter, und letztendlich ist das eben die Frage: Wollt ihr von einem
Makerspiel gutes Gameplay und ein stimmiges Gesamtpaket, oder doch eine
packende Charakterstory, die sich homogen entwickelt und euch in ihrer
Authentizität anderswo versagt bleibt?
Seid ihr noch unsicher, lest weiter.
Fifty Shades of Daar
Der im Staate Dunglas landesweit
gesuchte Schwarzmagier und vermeintliche Massenmörder 'Daar' geht mit
seiner Ruchlosigkeit eines Tages zu weit, als er versehentlich einen
Jungen tötet, welcher als 'Hoffnung der Welt' das Gleichgewicht der
Natur in sich trug. Für diese Tat muss sich Daar nicht nur vor den
Priesterinnen, die ihn verfolgen, sondern auch vor der schier
allmächtigen Göttin Reeza höchstpersönlich verantworten, was nicht nur
im Vollverlust seiner Kräfte sondern schließlich auch in einer
tiefgreifenden Identitätskriese endet. Ausgesetzt wie ein Hund gilt es
für Daar fortan, unter dem Radar zu bleiben, Reeza zu gehorchen und
herauszufinden, was es mit diesem sogenannten Gleichgewicht der Welt auf
sich hat.
Feuer um Mitternacht ist eines der wenigen Makerspiele, die sich getraut haben, einen echten Antihelden in der Hauptrolle zu installieren. Daar ist ein vulgärer, pöbelnder, unausstehlicher, brutaler, ignoranter, selbstgerechter Hexer, dem jedes Opfer recht ist, wenn es seinen Zielen dient. Also die perfekte Ausgangslage für eine lange, komplexe Charakterentwicklung, die ihn sowohl durch ganz Dunglas als auch an diversen, irgendwie mit ihm verbundenen Charakteren vorbeitreibt. Der rote Faden besteht hier aus den Befehlen Reezas, welche in der Handlung als eine Art 'Schutzpatronin' für Daar fungiert. Erst etwa in der Mitte des Spiels überschlagen sich Twists und Erkenntnisse, Hintergründe werden klar und die wirkliche Handlung wird offenbart. Das sorgt dafür, dass Feuer um Mitternacht sich zu Beginn sehr erzählfreundlich anfühlt - Daar muss sich ohne die Kraft der Teleportation mit geringen Mitteln durch Städte und Gegenden arbeiten, denen er dabei genau so fremd ist wie wir. Ihn treibt keine Weltrettungsquest an, er wird nicht begleitet von seiner Kindheitsfreundin die insgeheim seine Babys möchte, er ist einfach ein gesuchter Verbrecher, der seine Kräfte zurückerlangen möchte, ohne groß aufzufallen. Das sorgt für eine gewisse Spannung, was mich auch dazu bringt, wie die Geschichte in Feuer um Mitternacht strukturiert ist.
Helden besitzt, das habe ich in meinem kürzlichen Plaxthrough festgestellt, keinerlei Storystruktur.
Es ist eine wahllose Aneinanderreihung von Events. Bei Feuer um
Mitternacht hatte ich dieses Gefühl nie, da die Motivation, an Ort A zu
gehen oder B zu tun immer zumindest weitestgehend nachvollziehbar
geschieht, und sich die Story und die Ereignisse vor ALLEM in der
zweiten Hälfte des Spiels so gänzlich unromantisiert entwickeln. Keine albernen Dramaturgien, es wird getan was getan werden muss.
Es ist sinnvoll nochmals herauszustellen, dass Feuer um Mitternacht sich in verschiedene Handlungsbögen
unterteilt, dabei aber vor allem die zweite Hälfte komplett anders
aussieht als die Erste. Dies hängt mit der enormen Charakterentwicklung
zusammen, die vor allem der Protagonist hinter sich bringt, so dass das
Spiel später zwar weniger 'aufregend' ist als am Anfang, dafür aber auch ein ganzes Stück herzerwärmender und emotionaler. Storytechnisch
finden in Feuer um Mitternacht wirklich einige verschiedene Ansätze
statt, wo andere Spiele sich auf nur einen Einzigen begrenzen. Beispiele
wären hier Unterwegs in Düsterburg oder Eternal Legends, welche von Anfang bis Ende die gleiche Storyline verwenden, während Feuer um Mitternacht oder etwa auch Die Reise ins All von Realtroll innerhalb der Erzählung mehrmals die Stimmung und Zielsetzung durchwechselt.
Persönlich habe ich die Handlung vor
allem im letzten Drittel wirklich geliebt, weil der Kontrast zu Beginn
des Spiels so außerordentlich ist. Es ist wie das Ende eines langen
Buches, durch das man sich zusammen mit den Charakteren begeben hat. Da
fält es dann auch leichter zu verzeihen, dass der Kernplot und einige
zentrale Konflikte am Ende von Mysteryladys großem Zweitling nicht so wirklich viel Sinn ergeben
und besser nicht zweimal hinterfragt werden sollten - Das ist ein
ärgerliches Versäumnis, vor allem weil es diese Elemente in der
umgesetzten Form nicht mal zwangsweise gebraucht hätte, doch der Trost
bleibt bestehen, dass es in Feuer um Mitternacht nie um die größere
Handlung, sondern immer um die Charaktere und deren äußere und innere Konflikte ging.
Das Ende von Feuer um
Mitternacht erreicht - trotz seiner Antiklimatik - was dem Vorgänger
und vielen anderen Makerspielen versagt blieb - ein runder Abschluss,
der sich mit wirklich ALLEN Charakteren und derem Verbleib beschäftigt
und uns als Spieler das Gefühl gibt, wirklich etwas für diese Personen
getan zu haben. Das ist viel wert, auch nach all der Zeit noch.
Die Charaktere - Ain't no stereotypes in good, ol' Dunglas
Was an Feuer um Mitternacht positiv durch die Dialoge scheint, ist deren Alltagsnähe und Menschlichkeit.
Viele der handelnden Personen reden so, wie sie es in der Realität wohl
auch tun würden, ohne die ganzen Grammatik-, und Rechtschreibfehler,
versteht sich. Eine Großzahl der Gespräche zwischen den in verschiedenen
Beziehungen stehenden Charakteren sind so sympathisch, so herzerwärmend
oder belustigend, dass ich gar nicht anders kann als eine Zuneigung für
den Cast zu entwickeln. Und das mit zunehmender Spielzeit exponentiell.
Wir haben Hauptcharaktere wie Laura,
eine junge Hexerin welche Daar als eine Art Vorbild ansieht(Und
wahrscheinlich Poster von ihm an der Wand hat), die
kompromisslos-rechtschaffene Hohepreisterin Philandora(Danke nochmal für den fantastischen Namen Mysterylady), die sadistisch-nachsichtige Exibitionisten-Göttin Reeza oder die burschikose Jägerin Kayla,
welche im Schatten ihrer Schwester Philandora steht. Man kann von
vielen dieser Personen halten was man will, aber gerade aus heutiger
popkultureller Sicht fällt positiv auf, wie wenige anstrengende Klischees einem hier entgegenschlagen. Sicherlich kann man einer Laura das 'Niedliche Kind' attestieren, oder einer Kayla 'Die toughe Braut',
aber die Wahrheit ist, dass das nur Fragmente der geschriebenen
Persönlichkeiten abbildet. Was mir neben den sich entwickelnden
Beziehungen zwischen 'zusammenarbeitenden' Charakteren gefallen
hat ist, wie in Feuer um Mitternacht aus Totfeinden und Rivalen
zutiefst vertraute Kameraden und manchmal sogar Freunde werden. Das ist
kein seltener Trope in klassichen Heldengeschichten, hier aber ist er
hervorragend umgesetzt. Der Protagonist entwickelt sich in eine
Richtung, die einem später stellenweise das Herz wegschmilzen lässt, und
das unnahbare Monster vom Anfang gänzlich ent-mystifiziert. Und während
Helden in anderen Geschichten in ihrer Charakterentwicklung vielleicht
einen oder maximal zwei Umbrüche und Veränderungen durchmachen,
verändert Daar sich im Laufe der Handlung drei oder vier Mal
signifikant, als würde er eine Eierschalen-Matrjoschka sprengen.
Sucht ihr in eurem Retro-RPG vor allem einprägsame Charaktere, seid ihr hier richtig. Was im Gegensatz zu den Protagonisten stark abflacht sind die Antagonisten. Der noch deutlich diabolischere und größenwahnsinnigere Hexer als Daar, Zordac,
nimmt eine zentrale Feindesrolle ein, die allerdings nie so recht
Bedrohlichkeit versprühen will und am Ende auch irgendwie in sich selbst
zusammenfällt. Die bereits aus Helden bekannte Gegenspielerin 'Shiva'
deren Hintergründe ich hier nicht weiter beleuchte, ist in ihrer Idee
eine großartige Schurkin, die am Ende jedoch auch dem inkonsequenten
Finale Mysteryladys zum Opfer fällt, und in 'Eroberung' vollends zur Witzfigur zerschreddert wird.
"Ich glaube ich habe das mit dem Blumenblühen jetzt kapiert"
Der Trost? Die 'Bösewichte' sind in Feuer um Mitternacht nicht der wahre Antagonist, sondern der Held selbst. Belassen wir es dabei.
Its always dungel in Dunglas
Die Welt von Dunglas
ist etwas, das mir von Feuer um Mitternacht merklich in Erinnerung
geblieben ist, weil Mysterylady den Spieler so gnadenlos mit ihr
zuscheißt. Das Konzept der 'verbundenen Gebiete' ohne
Weltkarte, durch die man sich immer in Echtzeit bewegen muss, kannten
wir schon aus Helden, aber dort führte es zu unsäglichen Fillergebieten
und immergleichen Waldpfaden, die keinen Zweck verfolgten. In Feuer um
Mitternacht hat sich auch das Mapping der Erstellerin DEUTLICH
gebessert, so dass viele auch eher einfache Waldgebiete einfach
einbprägsam und charakteristisch für das Spiel sind. Außerdem profitiert
die Umgebung SEHR vom zentralren Storykniff: Man wird - gewollt oder
ungewollt - an fast jeden Ort im Spiel mehrmals zurückkehren,
manchmal durchläuft man das selbe Gebiet vier oder fünf Mal, und jedes
Mal aus einer anderen Richtung. Was wie nerviges Backtracking klingt
sorgt für viele "Aha!"-Momente, weil man nach
und nach versteht, wie die Gebiete miteinander verbunden sind und so
eine nachvollziehbare, fühlbare Welt entsteht. Dieses Gefühl ist schwer
mit einer Weltkarte zu erreichen.
Hinzu
kommt, dass Mysterylady in ihrem Erstling kaum Akzente setzen konnte -
eine Stadt sah aus wie die Nächste, die Wälder und Wiesen waren grüne
Kleckse, man langweilte sich beim Durchqueren über die ganze Tastatur.
In Dunglas gibt es viele Akzente und viele hervorstechende Gebiete, die
für damaligen Makerstandard recht ansehlich waren, manche sogar
hervorragend und einprägsam. Hier sein etwa die Wasserstadt Lysee, welche auf Holzstegen gebaut ist, der heilige Tempel oder auch die 'Tote Zone'
genannt, in der alles aussieht wie eine bombardierte Stadt des zweiten
Weltkriegs. Plus Untote. In der Welt von Dunglas ist eine Menge
Variation, denn die Erstellerin verstand es diesmal, dass Städte und
Wälder mehr sein müssen als Fließband-Material zum Durchlaufen.
Gameplay & Kämpfe - Die Creme de la Scheiße
Reden wir nicht drumrum - das Gameplay in Feuer um Mitternacht ist ein Kompromiss,
zu eurem Verlust. Jetzt mal abgesehen davon, dass die fehlende
Weltkarte impliziert, dass ihr sehr viel Zeit mit Laufen und Latschen
verbringt, ist die große Krux, dass Mysterylady sich auch dieses Mal
wieder nicht die allergeringste Mühe gegeben hat zu testen, ob ihr
verdammtes Spiel überhaupt spielbar ist. Wie auch in Helden - und fast
schlimmer als da - ist das Projekt bis obenhin voll mit Bugs, von denen nicht wenige dazu führen, dass man nicht weiterspielen kann und Neuladen muss. Die Textboxen sind bis obenhin voll mit Rechtschreibfehlern und kruden Sätzen, die so keinen Sinn ergeben, was insgesamt definitiv zu einer Minderung der Immersion führt.
Was allerdings geade aus heutiger Sicht wirklich unverzeihlich ist, sind endgültige GAMEBREAKER und Designfehler. Ersteres in Form eines falsch gesetzten Switches vor dem ENDKAMPF(!!) des Spiels der dafür sorgt, dass man Feuer um Mitternacht nicht beenden kann, und der auch heute noch WIE AUCH IMMER in einigen Versionen des Spiels kursiert. Zweiteres in Form der - Es tut mir leid -
belastend-bescheuerten
Mechanik, dass wenn ihr einen Charakter habt der im Kampf ohnmächtig
wird und ihn nicht wiederbelebt bevor ihr in eine Szene kommt in der ihr
nur diesen Charakter spielt, es für euch Game Over heißt - weil euer einziger Charakter ja 'tot'
ist. Habt ihr dann keine Heilmittel mehr zur Verfügung, heißt es, das
gesamte Spiel neustarten, weil ihr keine zweiminütige Sequenz mit dem
Charakter ansehen könnt. Fabulös, Mysterylady, ehrlich, das hätte auch
der Teufel nicht besser hingekriegt.
"Lass mal den Teufel aus dem Spiel, der schuldet mir noch drei Seelen"
Der Schwierigkeitsgrad ist ein
berüchtigtes Element von Feuer um Mitternacht, denn er ist gnadenlos,
gängelnd, verzeiht keine Fehler und legt frühes Grinden nahe. Während
das gefühlt über weite Strecken besser funktioniert als bei Helden und
später, wenn der Levelknoten platzt mit brachialen Gefechten auch
richtiggehend Spaß macht, bluten Spieleraugen vor allem dann, wenn
Mysterylady sie vor Kampf-Sackgassen setzt - Brutal-unbalancierte Kämpfe
innerhalb einer Storysequenz, die ihr dann zumeist ohne jede weitere
Möglichkeit der Vorbereitung absolvieren müsst, weil das Spiel sonst für
euch zuende ist. Seid ihr dazu nicht in der Lage - Neustart. Gerade aus
aktueller Sicht ist sowas nicht mehr zumutbar und der eine echte Grund,
warum man Feuer um Mitternacht ohne Maker vielleicht besser als Let's
Play anschauen sollte. Zwar wird das Balancing selten so unfair wie in
Helden und auch der Endkampf ist spotteinfach, aber die Guillotine kann
eben dann zuschlagen, wenn man es am wenigsten erwartet und braucht. Für
mich waren es damals als Kind vier Neustarts, bevor ich das Spiel
beenden konnte. Vier.
Grafik & Musik - Mysterylady-Productions
Der grafische Stil
der Erstellerin hat hier in Feuer um Mitternacht ihre ganz persönliche
Note entwickelt, die sich gänzlich von allen anderen Makerstilen
unterscheidet und für mich etwas wirklich Hübsches, Verträumtes hat. Ich
mag die Charaktergrafiken, ich mag die Posen und die
Emotions-Ausrufezeichen, die Gebiete in hauptsächlichen
Standardgrafiken, welche aber gekonnt zusammengenäht sind. Hauptsächlich
warme Pastellfarben findet man in Dunglas, mittelalterlich mit ein paar
überraschenden Ausrissen im späteren verlauf.
Der Titelbildschirm
zeigt einmal mehr das zeichnerische Talent, das Mysterylady damals
innehatte, und zählt zu meinen Lieblingstiteln auf dem Maker. Das Standard-Kampfsystem wird enorm durch die animierten Charakterposen
aufgewertet, welche Mysterylady gezeichnet hat. Interessante, visuelle
Ideen wie zwei nackte Göttinnen mit Neonhaaren sind hinter ihrem
Potential geblieben, heben sich aber dennoch von der Masse an uniformen
Ganoven ab.
Insgesamt ist die Optik eines der stimmigeren Elemente von Feuer um Mitternacht, die es wie ein altes Bilderbuch erscheinen lassen.
Die Musik
ist abermals aus vielen kommerzielen Spielen dieser Zeit
zusammengestellt, Mysterylady bewieß jedoch einen gestiegeneren Standard
und weniger Einfallslosigkeit bei der Ausahl ihrer Titel. Während ihr
Erstling durchzogen war von nichtssagenden Melodien, hat sie sich in
Feuer um Mitternacht für tolle Stücke entschieden, die wunderbar zu den
ruhigen, emotionalen Momenten der Charaktere passen wollen und so ein
Stück weit auch auf das Spiel geprägt sind - Stücke wie das Ocarina of Time-Theme
oder die Lysee-Musik (Ich glaube es kam aus Daggerfall...?) werden für
mich für immer mit Feuer um Mitternacht und seiner Dramaturgie
zusammenhängen. Das zeugt nach all den Jahren für Feingefühl bei der
Auswahl.
Fazit - Verkannter Schrullenroman
Mir ist meine subjektive Sicht in
diesem Review bewusst - es ist weniger eine Vorstellung als mehr eine
Empfehlung und ein Loblied auf die Charaktere und die Handlung des
Spiels. Gleichwohl muss man aber sagen, dass Feuer um Mitternacht so
oder so einen deutlichen Sprung von Mysteryladys Erstling darstellte, da
kann es keine Meinungsverschiedenheit geben. Ebenso überzeugt bin ich
wenn ich sage, dass der Nachfolger die größte Katastrophe des Franchises
war, womit ich für mich zu dem Schluss komme, dass Feuer um Mitternacht
innerhalb der Heldensaga das einzige Projekt ist, dem ich mit der
gebührenden Nostalgie auch heute noch Stärken abgewinnen kann. Ja,
zweifellos, Feuer um Mitternacht braucht Zeit, um in Fahrt zu kommen,
und davon nicht zu wenig. Der Anfang ist gewöhnunsbedürftig, doch ist
man darüber hinaus, legen sämtliche Charaktere, vor allem der
Protagonist, eine bis zum Ende des Spiels nicht aufhörende Entwicklung
hin, werden in ihren Konzepten mehrmals umgeworfen und neugezeichnet.
Dabei wird mit Dunglas ein fühlbares
und greifbares Umfeld skizziert,
das vorallem dadurch besticht, dass die einzelnen Orte immer wieder
auftauchen und sich nach und nach alles verbindet. Es ist kein Schlauch,
wie in vielen anderen Makerspielen. Die Charaktere haben Tiefe, jeder
von ihnen mehr als der Protagonist so manchen Spiels, und sie sind
authentisch geschrieben, alberne Überzeichnungen sucht man vergebens.
Feuer um Mitternacht ist auch weniger Heldenepos als mehr eine
Charakterstudie über einen Protagonisten, der Stärke erlangen wollte,
sich dabei verloren hat und im Laufe des Spiels nach und nach über sich,
seine Taten und seine Vergangenheit hinauswachsen muss. Ein
erzählerisches Vorgehen, das ihr auf dem Maker nur sehr selten finden
werdet.
Auf der anderen
Seite steht die Tatsache, dass dies hier ein Spiel ist und kein Roman.
Dafür hätte es auch viel zu viele Rechtschreibfehler, und die Dialoge
sind spürbar zu einfach geschrieben. Ein Spiel muss, mögen die
Charaktere auch noch so überzeugend sein, als Spiel überzeugen, vor
allem wenn es ein Retro-RPG von 2004 ist. Hier versäumt Feuer um
Mitternacht fast alle Parameter, ist Laufsimulator, Frustpatrone und
Stormtrooper-Kriegsgebiet in einem. Erwischt man die falsche Version des
Spiels kann man es ohne Cheaten nicht Durchspielen, und in jeder
Version existieren so viele Fehler, die einem ohne regelmäßiges
Speichern Stunden des Fortschrittes nehmen können. Sogar mit
Pixelnostalgie ist das nicht hinzunehmen und es ist schwer
nachzuvollziehen, wie die Erstellerin damals nur so fahrlässig vorgehen,
und wie man ihr das durchgehen lassen konnte. Sollte sich also
jemand noch für diesen - gerechtfertigten - Klassiker der deutschen
Szene erwärmen können, so tut er das besser über ein Let's Play - am
besten eines, das nicht von unlustigen Idioten geführt wird. Aber das,
liebe Leser, ist am Ende des Tages ja Geschmackssache.
Mein Geschmack spricht eine klare Sprache - Nachsicht.
Nachsicht mit einem zerbeulten, grobschnitzigen, unspielbaren Spiel,
das doch in seiner Handlung und in seinen Charakteren so unheimlich viel
Herz besitzt. Ein Remake von Feuer um Mitternacht, oder eine
Runterbrechung auf die Geschichte, würde ich persönlich mit
Freudenjauchzen begrüßen. Da dies aber nicht geschehen wird, behalte ich
mein persönliches Lieblings-Makerspiel in guter Erinnerung, statt es
seiner Schwächen zu strafen.
Dafür - da habe ich keine Zweifel - wird es bei Eroberung noch genug Möglichkeiten geben.
8 von 10 Eruptionen für Feuer um Mitternacht
->Yoraiko liebt dich noch immer
- Yoraiko