Dienstag, 30. Juli 2019

Film-Review - Aus dem Nichts (2017)




Für einen deutschen Film... ja ja, und so weiter, und so fort. Haken wir dieses Prädikat doch gleich ab, indem ich sage, dass der Film für mich nicht viel 'Deutsches' im negativ konnotierten Kontext hat, die Kamera-Arbeit sieht sehr gut aus, alles ist professionell ausgeleuchtet, die Dialoge klingen nicht permanent seltsam, die Musik ist stimmungsvoll. Aus dem Nichts muss und darf sich also ohne Vorbelastung mit allen Filmen der Welt messen.

Ich will es kurz machen und schnell zum Wichtigen kommen - Der Film ist für mich überraschend souverän, emotional involvierend und bezieht ganz klar Stellung in einer Position, die ich vollkommen teile, so wie hoffentlich die Meisten die ihn gesehen haben. Er ist unterteilt in drei Akte. Der Erste führt die Familie ein, das Attentat auf Vater und Sohn folgt, und wir bekommen eine glaubhafte und deprimierende Trauerbewältigung von Schauspielerin Diane Kruger gezeigt. Der Zweite ist die Gerichtsverhandlung, die einigen zu überdramatisiert war, die ich aber im vollkommen richtigen Maß angespitzt und emotionalisiert fand, und die für mich insgesamt noch leicht vor Akt I den stärksten Abschnitt des Filmes darstellt. Dann kommt Akt 3, der grob mit dem Wort Rachegedanken unterstrichen werden kann. Also, wie gesagt, Teil 1 ist stark, Teil 2 ist deswegen so stark und gewissermaßen spannend, weil man selbst so involviert und versessen darauf ist, dass die beiden Nazi-Attentäter ihre Strafe bekommen, zusammen mit Diane Krugers Anwalt die hanebüchenen und widerwärtigen Argumentationen der Verteidigung anhören und gedanklich auseinandernehmen und Befriedigung verspüren, wenn sich die Beweisschlinge um die Hälse der stereotypen und reuelosen Täter zuzieht, die im Film (zurecht!) als gewissenlose Nazimonster dargestellt werden. 

Bis hierhin war das Ganze ein solides Drama mit universellen Faktoren, die beinahe jeden ansprechen. Leider, leider, leider bricht der Film für mich mit dem Ende des zweiten Aktes und anschließend mit dem dritten Akt fast vollkommen auseinander und verbaut sich sehr viel. 
Gerade beim gleich folgenden Kritikpunkt hat man meiner Meinung nach wieder stark gemerkt, dass das hier eben ein Film, und nicht die Realität ist, der ein Drehbuch hat, der den Zuschauer mit Wendungen überraschen und schocken will, selbst wenn diese Wendungen meilenweit vorhersehbar und schändlich bei den Haaren herbeigezogen sind. Achtung, Spoiler. Trotz der im Film präsentierten, erdrückenden und lückenlosen Beweislage der Anklage gegen Hitlerfan 1 & 2 werden diese vom Gericht freigesprochen wegen ein paar zweifelhaften Argumenten der fiktiven Verteidigung. Ich weiß, so was kann in der Realität passieren und ist es sicher häufig auch, aber in diesem ganz speziellen Fall kam das völlig - Achtung, Wortwitz - aus dem Nichts, ein dramaturgischer Pokniff, DAMIT es den dritten Akt geben kann. Lächerliches und leider auch wirklich vermeidbares Writing. 

Dann haben wir den dritten Akt, der ähnlich dem ersten seeehr langsam verläuft, dabei aber verfehlt, die selbe emotionale Stärke aufzubauen. Der Film geht am Ende zwanzig Minuten zu lang, und das eigentlich nur, weil Diane Kruger - Achtung Spoiler - die freigesprochenen Nazis zwar erst mit der selben Nagelbombe wegsprengen will, die ihre Familie ermordet hat, sich es dann aber doch anders überlegt weil ein Vogel auf dem Wohnwagen der Täter sitzt, und sie für ein paar Stunden eine 'Was soll's, Schwamm drüber'-Attitüde fährt. Dann will sie aber plötzlich DOCH Rache, und tut das, was sie eigentlich schon vor zwanzig Minuten erledigt haben wollte. Okay...? 

Der letzte Akt ist sehr zäh, lange, ereignislose Einstellungen, wenig Musik, viel Ruhe und Diane Krugers nachdenkliches Gesicht. Sie ist definitiv die große Stärke des Films, ihr Schauspiel ist herausragend und bildet eine trauernde, zerrissene Ehefrau und Mutter fast schon zu gut ab. Aber auch sie kann eben nur mit dem arbeiten, was das Drehbuch ihr vorgibt. Das kontroverse Ende, indem sie sich und die Nazis schließlich in die Luft jagt, spaltet die Gemüter. Ist Selbstjustiz gerechtfertigt? Nein. Sollte man sie in einem Film als erstrebenswert darstellen? Nein. Das wurde hier aber meines Erachtens nach auch nicht gemacht. Als Zuschauer denke ich mir, dass die letzten 20 Minuten unnötig waren, weil Diane Kruger danach zum selben Schluss kam, und ich es so bevorzugt hätte, wenn sie sie gleich beim ersten Mal in die Luft gejagt hätte. Ich befürworte das nicht, ABER, in diesem fiktiven Fall, der ein unwirklich hirnrissiges Gericht brauchte um stattzufinden, der zwei absolut gewissenlose Nazis porträtiert, die Diane Kruger die Familie weggesprengt haben einfach deswegen, weil ihr Mann ein Türke war, kann ich zumindest vollkommen nachvollziehen, warum sie so gehandelt hat. Und es ist eine zufriedenstellendere Konklusion dieses Filmes für mich, als wenn sie mit einem Schulterzucken und einem Lächeln in den Sonnenuntergang gefahren wäre, weil Gegengewalt ja keine Lösung ist. Nein, ist sie nicht, aber nichts tun und die Mörder der eigenen Familie am Strand Urlaub machen lassen auch nicht.

Nochmal gesondert positiv hervorheben möchte ich die Kamera-Arbeit in manchen Szenen wie etwa dem Schluss, die einige wirklich interessante und visuell ansprechende Perspektiven einfängt. Das umgedrehte Meer vor den Credits, die verschwommene Linse, als Diane Kruger aus dem Hintergrund langsam auf den Wohnwagen der Nazis zu läuft, so was. Diese Ideen haben das extrem sterile Bild etwas aufgelockert. 

Alles in allem ist Aus dem Nichts flacher, zäher, unglaubwürdiger als es erst den Anschein gemacht hat und hätte sein können, sicherlich kein Film den man gesehen haben muss, aber mit seinen 106 Minuten Lauflänge war er für mich auch kein Kampf, er ist durchaus unterhaltsam in der ersten Hälfte und behandelt ein wichtiges Thema mit der richtigen, nazi-feindlichen Gesinnung dahinter.
Typischer Fall für Sonntagabend auf dem Sofa.


5/10 Bomben für Aus dem Nichts


Yoraiko  




Sonntag, 28. Juli 2019

Lasst uns über Trailer reden...


Trailer - Und damit meine ich nicht die Fahrzeug-Anhänger, sondern die Vorschaufilmchen im popkulturellen Spektrum, sollen uns anteasern. Sie sollen uns einen Vorgeschmack auf einen Film, Spiel oder eine Serie geben und uns Lust auf mehr machen. So ist es zumindest gemeinhin. Viele Trailer schneiden einfach Szenen des letztendlichen Produkts zusammen und unterlegen sie mit Musik, manche Trailer aber erzählen auch eine ganz eigene Geschichte oder ergänzen das Hauptprodukt sogar. Trailer können extrem mächtig sein, aber auch überaus schädlich. 

Filmtrailer beispielsweise, um mal das urälteste Medium des Vorschau-Clips zu nennen, sind meistens ein zweischneidiges Schwert - Die Kunst, nicht zu viel vom letztendlichen Film oder seiner Handlung zu verraten, den Zuschauer aber dennoch neugierig zu machen und ihm ein Gefühl für die Erzählung zu geben ist eine Schwere, und von Konsorten wie Hollywood etwa wird es nicht mal mehr versucht - Da verraten dir 90 % aller Trailer einfach schon den gesamten Film mit dem ganzen Plot, allen Twists, sämtlichen Schockmomenten, Gags, Pointen und Szenen. Der Spruch 'Hast du den Trailer gesehen, hast du den Film gesehen' kommt nicht von ungefähr. Grundsätzlich denke ich, dass jeder Trailer, der bedeutend länger ist als zwei Minuten, zumindest bei Filmen zu viel verrät und nicht angesehen werden sollte, es sei denn er ist wirklich intelligent inszeniert. Gerade bei Filmen des Horror-, Thriller-,  und Psychogenres habe ich ja ohnehin den Anspruch, möglichst unwissend und unbefleckt reinzugehen. Und Filmtrailer habe ich mir noch NIE bewusst angesehen - Wenn mich ein Streifen interessiert, muss ich dazu nicht noch Ausschnitte sehen. Filmtrailer haben wie ich finde auch nur sehr selten einen Mehrwert, sie nehmen Inhalte vorweg und bestätigen im Zweifelsfall ohnehin nur, was wir eh vorhatten - Guck ich! 
Natürlich gibt es in meiner Wahrnehmung einige Ausnahmen, die eben doch erfolgreich darin waren, einen ganz und gar in die Atmosphäre eines kommenden Filmes hineinzuziehen, einen vielleicht sogar zu erstaunen und mit Neugier und Wissensdrang für das Endprodukt zu füllen. Ich möchte einige dieser Filmtrailer teilen und etwas dazu sagen. Best of the Best, exemplarische Trailer der Filmindustrie, die schon eigene kleine Kunstwerke sind, bitteschön.
Und ja, einige diese Trailer verstoßen gegen die 2-Minuten-Regel, aber das mit guter Methode dahinter.


THE VVITCH - Official Trailer (2015)

Einer der, wenn nicht der beste Filmtrailer den ich je gesehen habe. Er hat alles: Einen langsamen, atmosphärischen Aufbau, der einen vollkommen in diese schmutzige, mittelalterliche Welt eintauchen lässt, eine obskure, belastende, düstere Stimmung, ein unnatürliches Gefühl des Unwohlseins, und schließlich mit dem Gebet einen schockierenden Klimax mit beeindruckenden Bildern, ohne zu viel zu verraten. Außerdem ist der Trailer ehrlich - Der Film ist genau das, was der Trailer suggeriert. Und auch wenn The Witch letztendlich nicht ganz so überragend und bahnbrechend war wie man es sich erhofft hatte, war es noch immer ein sehr guter Psychothriller. So macht man Trailer. Genau so.
  DIE TRIBUTE VON PANEM 3 Mockingjay Teaser (2014)

Während ich die ersten beiden Hunger Games-Filme gut bis sehr gut fand, sind Teil 3 und 4 für mich kleine bis mittelschwere Katastrophen, vor allem Teil 3. Dieser Trailer aber zeigt, wie man eine Welt und eine coole Idee zu einem effektiven Werbegag machen kann, der eigenen Content hat, nichts verrät und dennoch anteased. Verbunden mit einem so wirkungsvollen Slogan wie "Panem heute, Panem morgen, Panem auf ewig" eine für mich gelungene Werbeaktion.

                                             Mother! Teaser (2017)

Oder auch "Wie verrate ich absolut gar nichts, setze trotzdem ganz klar die Atmosphäre, verbinde sie mit einer guten Idee und mache ausnahmslos jeden Horrorfan neugierig?
Toller Teaser. Großartiger Film.

 
Alita war und wird wohl für lange Zeit die erste und einzige gute Anime-Verfilmung des Westens sein und bleiben, ein hochunterhaltsamer, optisch bahnbrechender Streifen an dem ich wenig auszusetzen hatte. Und der Big Eyes-Trailer wusste das anzudeuten. 


Wieder ein Fall von "Guter Trailer, scheiß Film" - Was es für einen guten Trailer braucht ist einfach nur eine schlaue Idee. Hier hat man das Konzept der Stille verwendet um den Zuschauer zu überraschen und die Spannung aufzubauen. Das Setting ist uns sofort klar, wir verstehen die Welt, und wollen mehr aus ihr sehen. Wenige billige Schocker hier. Leider war das Endergebnis dann doch weniger innovativ als erhofft. 


Eine zauberhafte Atmosphäre zusammen mit herzerwärmenden Ausschnitten und toller Musik kann reichen, damit ein Disneyfilm frischer und mystischer wirkt, als er es vielleicht ist. Dieser Teaser zeigt, dass man nicht die Handlung eines solchen Filmes zusammenfassen muss, um eine gute Vorschau zu kreieren. 
 

Konträr zu Alita haben wir hier eine der schlechtesten Anime-Realverfilmungen der letzten Jahre, aber im Gegensatz zu vielen mochte ich den Trailer. Er ist zwar schon etwas zu sehr auf Action ausgelegt, aber die verstörte Version von Enjoy the Silence finde ich einfach nur ganz große klasse, und sie passt auch gut zum Franchise. Musik ist also auch ein sehr wichtiges Thema bei Trailern.



Das also zu den Filmen. Witzigerweise sind auf meiner Liste deutlich mehr Videospiele-Trailer. Dazu muss ich sagen, dass Spieletrailer in meiner Wahrnehmung zumindest noch nicht so lange relevant sind. Filmtrailer gab es vor 50 Jahren schon, wobei das mit Spielen erst so vor 10 - 15 angefangen hat würde ich sagen, und noch später in einer ähnlichen Inszenierung wie Filmtrailer. Dennoch haben sie diesen schon oft einiges voraus, was allen voran daran liegt, dass Spieletrailer weniger alles vorweg nehmen und verraten können als Filmtrailer und oft eigene, kreative Ideen mitbringen.   


Wenn man an atemberaubende, sprachlos-schlagende Trailer denkt, welchen Mediums auch immer, muss man über Dead Island reden. Ein Trailer, der damals einen beispiellosen Hype generiert hat mit einer eigentlich simplen aber inszenatorisch einwandfrei umgesetzten Idee. Der Trailer markierte für mich den Anfang von Videospieltrailern im großen Rahmen, ab da waren sie relevant. Das Spiel war leider ein einziges Desaster, aber der Trailer, der war ein Film in sich. Und die Musik... gibt mir heute noch Gänsehaut. Ein emotionales, kleines Juwel. 


 Als jemand der niemals Interesse an Metal Gear Solid oder Kojima an sich hatte, kann ich wohl behaupten, dass dieser Trailer, vor allem sein Finale, mich sprachlos zurückgelassen hat. Alle Trailer vorher und nachher zu Death Stranding interessierten mich nicht, und mit jedem Detail das wir erfahren habe ich weniger Interesse am Spiel, aber die Dramaturgie, die Musik und das Acting dieses Trailers... Mads Mikkelsens Performance... einzigartig. Einprägsam. Fesselnd. Man hat absolut gar keine Ahnung was passiert, aber es ist geil. Gucke ich mir gerne immer wieder an, selbst wenn ich DS vielleicht nie spielen werde. So generiert man Hype.



Der einzige Live Action-Videospieltrailer den ich bis heute kenne, und der ein perfekter Trailer für einen Realfilm oder eine ganze Serie sein könnte. Das Geld das man hier in die Hand genommen hat dürfte beträchtlich sein, und der Trailer ist ein spannender Minifilm für absolut jeden Zuschauer, ob man nun was Gaming oder Deus Ex zu tun hat oder nicht. Tolle Dramaturgie, verrät nichts von der Story, etabliert aber die Welt perfekt. Da ist es dann fast schon schade, dass das 'nur' der Trailer eines Deus Ex-Spiels war, und dann auch noch eines nicht wirklich Guten... aber diesen Kontrast gibt es eben oft zwischen Werbematerial und Endprodukt. 


Jeder der mit der Kingdom Hearts-Spielereihe großgeworden ist, erinnert sich an diesen Trailer bzw. das geheime Ende des zweiten Teils. Was war es für eine aufregende Zeit damals. Als das Internet noch nicht so groß war, und wir alle dachten, das hier ist Kingdom Hearts 3. Als wir die wildesten Theorien gesponnen haben. Ich erinnere mich gerne daran zurück. Dieser Trailer weist eine wunderbare Musik, Dramaturgie und Optik auf, er ist spannend, verrät nichts, macht begierig auf mehr, war der einzige solche Trailer im KH-Franchise. Und obwohl Birth by Sleep letztendlich natürlich nicht ganz so fantastisch war, wie der Trailer es suggerierte, steht meine Meinung, dass ich mir einen Vollzeit-Film in dieser Art jederzeit ansehen würde. 


Und wieder ein exemplarischer Trailer und gefühlter Meilenstein in der Videospieltrailerhistorie. Die Geschichte dieses Trailers hat seinerzeit und langanhaltend eine solche Faszination ausgelöst, dass man sie im zweiten und letzten Witcher 3-DLC endlich adressiert und den Fans einen befriedigenden Abschluss gegeben hat. Optik, Mystik, Spannung, Gameplay - Alles ist hier kunstvoll verbaut, und das Lied ist ein außergewöhnlicher Ohrwurm. 



Wie simpel Trailer sein können, zeigt diese Vorschau zu Mirrors Edge. Präsentiert das Gameplay, legt das hypnotische Maintheme darunter, fertig. Ein Gameplay, das damals in der Form noch einigermaßen neu war, und deswegen ausreichend neugierig machte. 


Der einzige RPGMaker-Trailer, den ich je bewusst gesehen habe, und ein wirklich bemerkenswerter. Die verstörende Atmosphäre und die düster-poetischen Zitate sind unweigerlich faszinierend, und der Trailer veranschaulicht eine für diese alten Retrospiele ungewöhnliche Präsentation, die für die meisten Horrorfans ansprechend sein dürfte. Leider ist das Projekt nie über eine Demo hinausgekommen, diese aber ist mehr als spielenswert.



In meinem Beitrag Die Welt wartet auf Last of Us 2 habe ich sehr ausführlich über diese Trailer gesprochen, darum hier nur nochmal zur Kenntnis. Und ich möchte erwähnt haben, dass der Trailer3 wie ich finde der Standard ist, an dem sich alle Videospieletrailer heutzutage messen müssen. Besser geht es kaum.


Ein interessantes, kleines Steam-Spiel des Horrorgenres, das mit seinem bemerkenswerten und ehrlichen Trailer von sich Reden gemacht hat. Das Spiel ist wirklich einen Durchlauf wert wenn man das Genre mag, und der Trailer vermittelt dieses adäquat. 


In meinen Top-Videospielen aller Zeiten habe ich über Transistor geredet, aber auch sein Trailer schlägt in die selbe, ominöse und futuristische Sparte, etabliert die besondere Beziehung der Protagonisten und führt in das Gameplay ein, ohne sich dabei selbst zu kannibalisieren. 


Über die Far Cry-Reihe mag man denken was man will, aber dieser Trailer war einfach nur urkomisch, sehr raffiniert geschnitten und mit einer unheimlich guten Idee gesegnet. Er ist kurz, aussagekräftig und lädt mit seinen Details zum mehrfachen Ansehen an. So bekommt man die Leute auch dazu, über sein Spiel zu sprechen.



Ich könnte mich nun noch Serientrailern widmen, aber die Wahrheit ist, dass ich zu wenige Serien sehe, um dazu eine Aussage machen zu können, und Dinge wie Cartoon-, oder Anime-Trailer sind mir schlichtweg zu wenig präsent. Das soll es also mit diesem gar nicht mal so kleinen Abriss über Trailer an und sich gewesen sein, ich hoffe, der ein oder andere hat euch gefallen, ihr konntet mir zustimmen oder habt selbst Trailer, die ihr zeitlos ganz besonders findet und teilen würdet. 

- Yoraiko




Mittwoch, 24. Juli 2019

Anime-Review - The Promised Neverland (Staffel 1)




Dieses Review könnte interessant für euch sein, falls - aber nicht nur dann - Folgendes ganz oder teilweise auf euch zutrifft: Ihr guckt eher wenige oder nur sehr ausgewählte Anime, wollt ein spannendes Highlight und die herausgepickten Referenz-Titel. Denn in diese Kategorie fällt die Serie The Promised Neverland, die zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung Anfang 2019 einen überraschenden und lang-anhaltenden Hype erfahren hat, sowohl als Manga als auch und vor allem als Anime. Falls ihr komplett unbefleckt in die Seherfahrung gehen wollt wie ich, und das ist wirklich keine schlechte Idee, sei hier gesagt: Habt ihr etwas für spannende, durchdachte Plots mit vielen Wendungen übrig, ist die Serie was für euch. Sie ist sehr, sehr gut. Lasst euch nicht vom kindlichen Zeichenstil oder der obskuren Plotbeschreibung abschrecken. Die erste Staffel zählt 12 Episoden. So, das hätten wir. Da das hier mein erstes, für Denkbloggade entstehendes, frisches Anime-Review ist, nutze ich zur Vereinfachung doch mal das MyAnimeList-Muster mit Kategorien und gucke, wie das so funktioniert.  



Story
Die Frau, die sie wie ihre Mutter lieben, ist nicht ihre wirkliche Mutter, und die Kinder, mit denen sie zusammenleben, sind nicht ihre Geschwister. Denn Emma, Norman und Ray wachsen wohlbehütet in einem kleinen Waisenhaus auf. Doch eines Tages endet ihr glücklicher Alltag abrupt, als sie die schockierende Wahrheit über ihr Zuhause erfahren. Welches Schicksal wird die Kinder erwarten…?! 

Yepp genau, diese nichtssagende, seltsame Inhaltsbeschreibung ist einer der Gründe, warum Neverland dann doch unter dem Radar vieler Personen geflogen ist, inklusive mir, denn ich konnte mir darunter überhaupt keinen Plot vorstellen, vor allem mit dem Hinweis, dass das Genre wohl Horror sein soll. Jetzt, da ich die erste Staffel hinter mich gebracht habe, bin ich dankbar für diese vage Inhaltsangabe. Es ist ein typischer Fall von Je weniger man weiß, desto besser. Denn weiß man eigentlich nicht, wo so eine fröhliche Waisenhaus-Geschichte hinführen soll, fällt bereits nach der ersten Episode der Vorhang, und man fragt sich, wie mit dieser Entwicklung noch elf weitere Episoden gefüllt werden sollen. 

Dabei zeigt The Promised Neverland wieder mal, dass man wirklich jede Idee und jedes Konzept, und sei es noch so simpel, in eine hochspannende Serie verwandeln kann, wenn es nur gut durchdacht ist. In großen Teilen handelt es sich bei diesem Anime nämlich schlichtweg um ein ausgedehntes Fangen-Spiel. Das heißt nicht, dass die Action die Spannung und die Dialoge überwiegt, ganz im Gegenteil - Oft habe ich gelesen, dass man TPN die Nachfolgeschaft für große Mindfuck und Hirnschmalz-Anime wie Death Note oder Code Geass attestiert hat. Na ja. Ganz so komplex und vielschichtig ist die Geschichte dann doch nicht, aber sie atmet definitiv den selben Geist wie ihre Vorgänger. Jede Folge ist gefüllt mit Planungen, Gedankenspielen und mentalem Ausmanövrieren seitens der Waisenkinder-Protagonisten, eine Wendung und neue Erkenntnis jagt die Nächste, das Pacing der Serie ist wirklich hervorragend und verliert fast nie an Spannung. Das Ende der ersten Staffel ist kein wirklich Cliffhanger(Haha) sondern bietet einen runden Abschluss des Erzählabschnitts und lässt Spannung und Erwartung aufkommen wie es weitergeht ohne billig zu schocken. Das mit dem Hype mitschwingende Horrorgenre ist vielleicht dezent übertrieben, aber einen in manchen Momente das Blut in den Adern gefrieren lassenden Thriller kann man TPN nennen, muss man sogar. Das ist keine fröhliche Achterbahnfahrt. 

Charaktere
Die Charaktere sind glaubwürdig, facettenreich und enorm mögenswert geschrieben, der Anime macht es sich zur Aufgabe, dass man von Anfang an nicht nur die drei Hauptcharaktere, sondern möglichst jedes der über 30 Waisenkinder ins Herz schließt, und das gelingt bestens. Das ist auch aus einem bestimmten Grund essentiell, den ich hier aber nicht spoilern werde. Der oder die Antagonisten sind ebenso charismatisch und offen gesagt herrlich bitterböse, respekt-, und angsteinflößend, selten in Anime erlebt man es, dass scheinbar normale Personen mit so wenig Aktion so eine bedrohliche Präsenz ausstrahlen können, hier reichen die kleinsten Blicke und Zwischenstöne in der Stimme, damit man als Zuschauer mit den Kindern zusammen tief schlucken muss. Wiederum andere Antagonisten sind geradezu theatralisch überspitzt und gleich einem Comic Relief ins Lächerliche gezogen, was jedoch nur schmerzlich zu ihrem überbordernden Wahnsinn beiträgt und einen Tim Burton-artigen Beigeschmack hat. Im Manga war das teilweise nicht so, allgemein weicht der Anime in vielen Details von der Vorlage ab, ob das gut oder schlecht ist, da ist man sich uneins. Es gibt in TPN kaum einen Charakter jedenfalls, den man nicht mag. Sogar jene, die uns als nervig oder dumm vorkommen, werden wir später besser verstehen. 

Wenn ich überhaupt eine Kritik anbringen müsste, dann dass wir natürlich im Medium Anime für beinahe jeden Antagonisten eine (Tragische) Hintergrundgeschichte bekommen, und so auch hier. Persönlich hätte ich das nicht unbedingt gebraucht, für mich darf jemand zur Abwechslung auch einfach mal aus Überzeugung oder Niedertracht handeln, aber gut, in diesem Fall trägt es auch zum Plot bei.

Optik
Der Zeichenstil der Vorlage ist sehr rustikal und unbekömmlich, was der Gruselatmosphäre und den Schockeffekten dort sehr zuträglich ist, während man hier mit bunter, süßer Quietschoptik in Sicherheit gewogen wird. Ich empfinde den Anime als das optisch DEUTLICH überlegene Medium, denn gerade durch die fluffigen Charakterdesigns kommen die düsteren, entsetzlichen Momente umso stärker duch. Die Schockeffekte wurden meist so oder ähnlich aus dem Manga übernommen, und ziehen die Charakterdesigns vor allem bestimmter Antagonisten ins hoffnungslos Groteske, teilweise fühlt man sich wie in einer Horror-Freakshow. Diese optische Mischung aus Heiter und Düster funktioniert sehr gut. Ansonsten sind die Charakterdesigns wirklich hübsch anzusehen mit ihrem Hybrid aus Anime und Realismus, selbst der böseste Antagonist kann so noch vor Schönheit strahlen, und die in den 12 Episoden immergleiche Umgebung bleibt frisch durch die gute Gestaltung mit satten Farben. Die Effekte sind zeitgemäß. TPN ist sehr wünschenswert anzusehen.

Sound
Die Musik ist eine der größten Stärken, der Soundtrack bietet einen tollen Mix aus ruhiger, treibender Spannung, mittelalterlichen Akzenten die dem ganzen ihren Hauch Mystik und Magie verleihen und orchestraler Epik. Definitiv ein OST, den man nicht nur vorbeidudeln hört, sondern den man danach nochmals recherchieren möchte. 

Die Soundeffekte stechen auch positiv heraus, und das ist selten. Wenn bestimmte Dinge zerbrochen werden, gibt das die hässlichsten Geräusche, wenn Schockeffekte eingesetzt werden, dann mit passenden, verstörenden Geräuschen die im Gegensatz zu Hollywoods Gruselstreifen nicht aus einem viel zu lauten Knall bestehen. Die Synchronstimmen sind alle perfekt besetzt, exemplarisch sind die Protagonistin und die Antagonisten. Opening und Ending fallen für mich qualitativ zwar weit ab, aber das ist bei Anime einfach ein generelles Problem.  

Fazit
The Promised Neverland hat mich wirklich sehr überrascht. Ich habe nichts erwartet, möglicherweise nur etwas Durchschnittliches, und wurde mit etwas Bemerkenswertem beschenkt. Der Anime bleibt im Gedächtnis und hat seinen positiven Ruf durchaus verdient und funktioniert, und das finde ich bei Thrillern grundsätzlich wichtig, für beinahe jeden Erwachsenen Zuschauer, sei es Oliver der Otaku oder Tante Friede von nebenan. Die 12 Episoden sind schnell und kurzweilig inszeniert und schauen sich weg wie nichts, dabei meistern die Cliffhanger Folge um Folge den schmalen Grad zwischen Du willst weitergucken und Ich zwinge dich nicht jetzt unbedingt weitergucken zu wollen. In der Mitte gibt es vielleicht die ein oder andere Länge und am Ende des Tages wird nicht jeder alle Charaktere mögen oder bei den vielen Twists irgendwann aussteigen, aber der Anime leistet sich keine großen Schnitzer, und das ist heutzutage selten genug. Ich bin auf Staffel 2 gespannt. 


8/10 Gabeln für The Promised Neverland


Yoraiko 


Film-Review - The Lego Movie 2 (2019)



Der Lego-Film war 2014 eine der größten und positivsten Überraschungen der letzten Jahre für mich, hat mich mit seinem Ideenreichtum, seiner komödiantischen Raffinesse, seiner popkulturellen Quer-Referenzierung und nicht zuletzt seiner emotionalen Wucht förmlich weggeblasen. Der Batman Lego-Film lieferte dazu zwar keinen gänzlich gleichwertigen Nachfolger, bot aber abermals einen sehr, sehr guten, urkomischen und auch emotionalen Ausflug ins Legouniversum, mit dem man rundum zufrieden sein konnte. Die Erwartungen an LegoMovie2 waren entsprechend hoch. 

Diesen Erwartungen konnte er leider nicht, weder in der öffentlichen noch meiner Wahrnehmung, gerecht werden. Teil 2 ist ein in eigentlich jeder Hinsicht schwächerer Film als Teil 1 und Batman, und das ist nur bedingt schlimm weil diese zwei Filme eben großartig waren, aber ich hatte schon das Gefühl, dass hier viel Potential verschenkt wurde. 

Das fängt bei der Konzeption an. Lego Movie 1 ebenso wie Batman waren buchstäbliche All ages-Filme. Kinder konnten sie sich anschauen, sich sekündlich mit buntem Glitzer, Effekten und lustigen Gags bebomben lassen und einfach das Erlebnis genießen. Aber auch Erwachsene jeden Alters kamen voll auf ihre Kosten mit den ungezählten Referenzen und Anspielungen, und emotionalen Zwischentönen, die Kindern meistens entgehen. Lego Movie 2 tut das überraschenderweise nicht, sondern ist gefühlt deutlich mehr auf eine sehr junge Zielgruppe ausgelegt, senkt sein Niveau und seine Ansprüche enorm und wird deswegen stellenweise sogar infantil. Die gegen Anfang des Filmes präsentierte Mad Max-Wüste vermittelt genau das Gegenteil, dass man hier als älterer Zuschauer wieder sehr wohl beachtet wurde, und viele Referenzen tragen dem auch Rechnung - Bruce Willis in Lüftungsschächten, "Jetzt verstehe ich Radohead" in einer verzweifelten Situation, und... nein, mehr fällt mir gerade beim besten Willen auch nicht ein, was schon kein gutes Zeichen ist. Aber die Verjüngung merkt man dann doch schnell an dem Humor, dem Tempo, den Charakteren und der Geschichte. Die Gags und der Witz, die bisher so wichtig waren, wollen in den meisten Fällen einfach nicht so richtig zünden, ich musste nur sehr selten lachen, viele Jokes sind platt und vorhersehbar. Die Dialoge haben nur allzu oft einen faden Beigeschmack von Toggo am Nachmittag, und erreichen nicht die Durchdachtheit des Erstlings. 

Ebenso will der Plot nicht mehr recht gefallen. Während im ersten Teil noch unklar war, wohin die Reise geht, bekommen wir diesmal einen wenig spannenden 'Save the friends'-Trip serviert, der langweilige und uninspirierte Kulissen bietet, aus dem Lego Duplo-Thema nicht viel macht und die Kreativität von Teil 1 vermissen lässt. Die Twists sind meilenweit voraussehbar und auch eher anstrengend als gelungen, die Charaktere machen nicht mehr so viel Spaß wie bisher. Und was der Film tut, um seinen älteren Zuschauer mit Referenzen und Anspielungen und Querverweisen von oben bis unten und vorne bis hinten zu überfluten, macht Lego Movie 2 insgesamt leider deutlich weniger zugänglich als Teil 1 - Ich habe ihn mit meiner Mutter gesehen, welche Mitte 40 ist, und sie hat bei 90 % der Anspielungen nur Bahnhof verstanden und entsprechend noch weniger gegrinst oder Spaß gehabt als ich, was beim ersten Teil GANZ anders war. 
Bist du kein Kind oder nicht in einer popkulturellen Nerdblase, verpuffen 50 % des Humors wirkungslos an dir.

Optisch sieht Teil 2... in Ordnung aus. Natürlich ist man hier meistens mit bunter Bildgewalt bedient, aber irgendwie hat mich das alles nicht mehr so abgeholt, wurde doch eher schulterzuckend hingenommen, denn im ersten Teil war das noch neu, aufregend, überraschend, jetzt gehört es schlichtweg dazu. Zur Musik muss ich ganz klar sagen, dass ich den Film auf deutsch gesehen habe, und dass ich mir zu 90 % sicher bin, dass die englische Vertonung hier wieder das deutlich bessere Ergebnis liefert. Das kann ich dann auf Bluray überprüfen, denn dafür war der Film dann doch gut genug. Dennoch, trotz deutschem Ton, glaube ich sagen zu können, dass die Lieder diesmal einigermaßen obskur und gestelzt wirkten, so richtig wollte der Funke da nicht überspringen und der ikonisch-gewollte Ohrwurm-Song der Mitte kann nicht gegen ein Everything is Awesome bestehen. 

Positiv hervorzuheben sind z.b die Credits, die vor Ideenvielfalt sprühen welche im Film fehlte, und aufzeigen, wie man diesen letzten Abschnitt der Seherfahrung auch noch interessant gestalten kann. Eine Post-Scene gab es leider nicht. Einige der coolen und witzigen Referenzen hab ich schon erwähnt, mein Favorit war wirklich Radiohead.

Gaaanz relevant war die Frage der Meta-Ebene. Lego Movie glänzte damals am Ende mit einem wie ich finde absoluten Hammertwist in der Erzählebene, der aus einem guten, witzigen, kreativen Spaßfilm einen großartigen, emotionalen Spaßfilm machte. Noch heute erinnere ich mich an die 
'You don't have to be the bad guy"-Szene, und bekomme alleine beim Schreiben dieses Satzes wieder Gänsehaut. Tolles Acting, tolle Musik, hervorragende Inszenierung. Kann Teil 2 dem folgen? Absolut nicht. Zum einen wird hier schon von Anfang an die reale Ebene immer wieder eingeblendet, der Bruder und seine kleine Schwester haben nicht annähernd eine so interessante Dynamik wie der Vater und sein Sohn im ersten Teil, und das zentrale Problem ist albern und wird albern und vorhersehbar gelöst, nichts, das an die Komplexität des Erstlings herankäme. Sehr enttäuschend. 

Seelenlos. Anspruchslos. Überambitioniert. Unzugänglich. Das sind die Prädikate, die ich für The Lego Movie 2 wähle. Das alles ist letztendlich Kritik auf hohem Niveau - Der Film ist immer noch solide und unterhaltsam, man verschwendet nicht seine Zeit wenn man ihn sich anguckt und hat wenigstens ein paar mal geschmunzelt oder gekichert. Aber er scheitert darin, seinen Vorgängern das Zepter abzunehmen oder auch nur mit aufs Podest zu steigern, und das kann man finden wie man will, aber ich bewerte es als verpasste Chance.

6/10 Steine für The Lego Movie 2


- Yoraiko   





Dienstag, 23. Juli 2019

Kurzgeschichte - Mother and Daughter





Es begann mit einer Tochter und endete mit einer Mutter. War sie zunächst noch neugierig, so war sie schließlich grausam. Eine Unterscheidung zwischen beidem zu treffen, Neugier und Grausamkeit, hat sich seit jeher als schwierige Aufgabe erwiesen, wie ihre Geschöpfe mir immer und immer wieder gezeigt haben. 

Am Anfang war die Welt. Die Welt welche ich für uns erschuf, nachdem wir unsere eigene verlassen hatten. Gut gehütet in ewiger Schwärze, die sie später als ‘Universum’ bezeichneten, bildete sie die erste von vielen hundert anderen Welten und ‘Universen’ die ich kreierte. Es war das Schicksal eines jeden von uns, der seine Heimat verließ, um selbst zu erschaffen. Meine Tochter war jung, sehr jung, als ich die Erde vollendet hatte. Doch ihr missfiel die Dunkelheit und Trostlosigkeit des sie umgebenden Raumes, also erschuf ich für sie das Sonnensystem. Es gefiel ihr, und sie beschäftigte sich zunehmend mit meiner ersten Welt. Sie fand Gefallen daran, und der ihr angeborene Drang zu schöpfen erwachte, viel, viel früher als es die Regel war. Sie wollte sich um ‘Erde’ kümmern. Ich hatte bisher nicht den Schritt gewagt, Leben zu formen, und dennoch war die Verantwortung immens. Unvorstellbar für ein unreifes Wesen wie sie. Aber sie ließ nicht nach. Sie schmückte das Dunkel mit Lichtpunkten, die sie Sterne nannte, sie erschuf nebelartige Gebilde mit den Farben unserer Heimat, und sie trug viele Ideen zu meiner ersten Lebensform bei, die ihre Kinder später ‘Dinosaurier’ tauften. Der Glanz in ihren Augen wurde mit der Zeit heller, eindringlicher, blendender. Ich realisierte, dass es zu früh gewesen sein mag, sie mit aus unserer Heimat mitzunehmen, um sie an unseren Welten teilhaben zu lassen. 

Schließlich erweichte sie mich. Sie erzählte mir von der Vision, die sie von der Erde und dem darauf erblühenden Leben sähe, und dass es etwas ganz anderes als die Schöpfungen unserer Artgenossen werden würde, etwas Atemberaubendes. Etwas wahrhaft Schönes. Etwas, das ihre Mutter erreichen würde. Ich konnte nicht mehr standhaft bleiben. Rückblickend stellte ich fest, dass sie mich bereits damals in ihrem Sinne manipulierte, bewusst oder unbewusst. Aber ich sah nur meine Tochter, ein Wunderkind, das als eine der frühesten unserer Art zu einem ‘Zeuger’ aufsteigen würde. Ich obschenkte ihr am vier-zentillionensten Freudentag ihrer Entstehung das Universum der Erde. Eine Welt, umgeben von großem Licht, farbenfrohen Himmelskörpern und einer sternenklaren Dunkelheit. So machte ich meine Tochter glücklich, zeigte ihr mein Vertrauen, und hatte nun Zeit für weitere Universen. Für weitere Welten. Ich ging, doch versicherte ich ihr, dass ich immer bei ihr sein würde, um zu sehen, wie ihre Kreation voran schritt.

Es war bald darauf, dass mir zum ersten Mal ein Blick auf das wahre Gesicht meiner Tochter gewährt wurde: - Die Art, die sie und ich für die Erde so mühsam und liebevoll gemeinsam erschaffen hatten, die Dinosaurier, wurden von ihr ausgelöscht. Ein tiefroter Himmel kündigte es an, brennende Feuerbälle stießen hinab und äscherten alles in ihrem Weg ein, Erdspalten taten sich auf und verschlangen sie zu tausenden. Markerschütternde Beben, glühende Magma-Meere und undurchdringliche Rauch-, und Nebelschwaden, die das für die Erdenwesen doch so notwendige Atmen unmöglich machten, richteten auch noch die letzten von ihnen. Als ich meine Tochter zur Rede stellte, war sie sich keiner Schuld bewusst. 
Für ihren Traum – für ihre vollkommene Rasse – so ihre Worte, mussten die Dinosaurier von der Erde verschwinden. Schnell. Ohne Chance auf Überleben. Sie wollte kein langes Leiden für unser beider Schöpfung. Ich glaubte ihr. Doch gleichwohl wurde ich stutzig. Ich erschuf ihr einen Bruder, den sie Jesus nannte. Er sollte auf sie Acht geben und sie beraten in ihrer Welt. 

Dann verging viel Zeit. Ich sah, wie die Kreation meiner Tochter, die nach unserem Bilde geformt war, heranwuchs und sich entwickelte. Sie nannten sich Menschen in deren Entwicklungsstufen sich die zu Anfang schrecklich rudimentäre, unsaubere und ungeschickte Erfahrung meiner Tochter im Zeugen einer Spezies zeigte, die sich aber zunehmend verbesserte, raffinierter, ja komplexer wurde. Schließlich beherrschten die Menschen eine Kommunikationsform ähnlich der unseren, die Sprache. Das stechende Gefühl, das mich damals beim Ende der Dinosaurier heimgesucht hatte, musste keine Bedeutung gehabt haben, so meine Schlussfolgerung. Ich widmete mich dem erblühenden Leben in meinen Welten. 

Es war Jesus, der mich zurückrief. Der Bruder der ihr zur Seite stehen sollte. Der Bruder, den sie zum Menschen degradierte und auf die Erde geworfen hatte unter dem Vorwand, er könne etwas über ihre Kinder lernen. Doch rief er erst dann nach mir, als es für ihn bereits zu spät war - Er verbrachte 33 Jahre unter den Menschen, um zu der entsetzlichen und markerschütternden Erkenntnis zu gelangen, dass die Schöpfung meiner Tochter, wie er es bezeichnete, unrettbar böse war. Eine Spezies von einer Niedertracht und Selbstzerstörerischkeit, wie nur ein Monster sie erschaffen könne. Aber beging er wie auch ich den Fehler, meiner Tochter zu glauben als sie ihm beteuerte, dass sie den Weg nicht wollte, den die Menschen einschlugen, und dass ihre Schöpfung außer Kontrolle geraten war. Sie musste verzweifelt, flehentlich gewesen sein. Und so wandte Jesus sich an die Menschen selbst, setzte ihnen ein Zeichen und opferte sich für ihre Sünden am Kreuz. Er rief zu mir. Rief meinen Namen an. Als ich da war, um Zeuge der Geschehnisse zu sein, hatte meine Tochter ihn bereits auferstehen lassen, und machte ihn damit zu einer der bedeutensten Glaubensfiguren ihrer Welt. Nicht im selben Maße bedeutend jedoch wie der Name, den die Menschen ihr nun gaben - Gott

Ich stellte sie zur Rede. Sie versicherte mir, dies wäre ein positives Zeichen gewesen. Etwas Großes. Etwas Gutes. Ein Mahnmal der Demut. Kaum wusste ich, dass sie damit die Demut vor ihr meinte. Doch zu verblendet war ich von meinem tiefen Vertrauen in sie, um einzugreifen. Jesus sollte auf Erden bleiben, um die Menschen anzuleiten. Erst viel, viel später erfuhr ich, dass meine Tochter ihn bare Tage nach meinem Weggang von einem Schweinekarren überfahren ließ, und ihn als Sternenstaub im Universum verteilt hatte. Bei meinem nächsten Eintreffen bemerkte ich, dass die Lebensspanne der Menschen gering, ihre Sterblichkeit hoch war. Ich fragte, was meine Tochter mit ihren Seelen tat, nachdem diese erloschen waren, und sie zeigte mir ihre Besondere Ecke des Universums. Eine Ecke absoluter Schwärze und endloser Dunkelheit, in der die Seelen in winzige Kugeln gesperrt wurden und herumtrieben, für immer und ewig den Moment ihres Todes durchlebend, dort, im vollkommenen Nichts. Dieses Schicksal war angelehnt an eine der Strafen, die in unserer Heimat für Böses verhangen wurde. Angemessen für Lebewesen unserer Lebensspanne, für die diese Strafe nicht mehr als ein Moment war. Unaussprechlich grausam jedoch für Menschen, deren Leben kaum hundert Jahre umfasste, und die ein vielfaches dieser Zeit bis in schiere Ewigkeit im Nichts zubrachten. Meine Tochter, so erklärte sie mir, hielt das für die richtige Methode, die verstorbenen Menschen über ihr Leben und ihre Fehler sinnieren zu lassen. Ich protestierte und forderte ein zeugerwürdiges Ende für alle Seelen, seien sie gut, seien sie Böse. Sie erschuf Himmel und Hölle - Zwei Ebenen, unter und über ihrer Welt. Die Eine für das Böse, es zu martern und sühnen zu lassen, die Andere für das Gute, es zu ehren und in Ewigkeit dankbar zu stimmen. Als ich sie fragte, ob sie die Entscheidung darüber alleine vornehmen würde, präsentierte sie mir ihre neueste Kreation - Die Engel. Seelen, die sich im Leben besonders hervorgetan hatten, und gemeinsam mit ihr Gericht über jede sterbliche Seele hielten, die in den Himmel oder die Hölle zu gelangen hatte. Selbstverständlich verschwieg mir meine Tochter die Tatsache, dass die Zuteilung andersherum war, als ich sie vermutete - Wer schlecht, grausam, egoistisch und zerstörerisch war gelang nach seinem Tod in dem Himmel, die Bösesten unter ihnen als Engel, während die Rechtschaffenen, die Guten, die Aufrichtigen in der Hölle litten und um Gnade flehten. Schon bald bildeten die Menschen große Gruppen, um meine Tochter unter dem Namen Gott anzubeten. Sie nannten sich Religionen. Doch eben diese Religionen, die auf der Erde Einigkeit und Wohlstand verbreiten sollten, verschlechterten die Lage der Menschheit. Ich beobachtete wie Glaubenskriege, lebende Opfergaben, Massenverbrennungen und Machtmissbrauch auf der Welt Einzug hielten, und dachte intensiv über die Worte meines verschollenen Sohnes Jesus nach. Hatte er recht? Waren die Menschen wirklich unrettbar böse? Oder war es doch eher ihr Gott? Ich sprach mit meiner Tochter und fragte, ob sie das Verhalten ihrer Schöpfung gutheiße. 
“Bist du zufrieden?” Fragte ich. 

Sie beobachtete die Menschen für einen langen Moment eingehend, die blauen Augenbrauen gesenkt, ehe sie mich mit den von ihrer Mutter hinterlassenen, gelben Augen scheinbar ausdruckslos ansah.
“Nein, ich bin nicht zufrieden. Denn ich bin Gott, und ich zürne fürchterlich. Ich trage jetzt Verantwortung. Die Menschen glauben und verlassen sich auf mich. Es ist Gottes Pflicht, ihnen den Weg zu weisen.” 

Diese Worte waren mir fremd von meiner Tochter, und so auch ihre Stimmlage. Fraglos jedoch, dass sie recht hatte. Ihre Kreation, die Menschen, waren selbstzerstörerisch, und das im Namen Gottes. Nur Gott war es, der dem ein Ende setzen konnte. Und sie setzte ein Ende. Bevor ich Einspruch erheben konnte, war es vollbracht. Meine Tochter sprach nicht zu ihren Geschöpfen. Sie beschäftigte sich nicht mit ihnen, und versuchte ganz sicher nicht, sie zu verstehen. Denn sie erkannte sie nicht als eigenständige Existenzen an. Gott zürnte ihnen nur. Und so, Vernichtung. Bestrafung. Eine Sintflut, die millionen von ihnen ertrinken ließ. Eine Sintflut, die die Erde versenkte.  Eine Sintflut, die Gottes Strafe war. Sehr bemühte ich mich, die Gnade hinter meiner Tochters Taten zu sehen, die Weisheit darin zu verstehen. Ich dachte an unsere Heimat, und wie wir dort mit Fehlverhalten umgingen. Ich dachte an die Welten anderer Zeuger, dachte an meine Welten. Einen Halt fand ich nicht. Die Erde blieb einzigartig. In meinen Zweifeln versunken bemerkte ich nicht meine an mich herantretende Tochter. Sie suchte meinen Blick mit ihrem und wickelte ihr blaues Haar um ihren Finger - Eine Geste, die sie sich von ihrer Schöpfung angeeignet hatte.
“Ich heiße Fehlverhalten nicht gut. Ich bestrafe es. Sie werden sich von nun an besser benehmen. Bist du zufrieden?” 

Ihr letzter Satz - Eine Frage, die keine war. In ihren kalten, gelben Augen und dem Klang ihrer Stimme erkannte ich, was Jesus gemeint hatte, und was das Gefühl ausdrückte, das mit seit jeher plagte. Ihre Frage sollte mir spotten. Meine Tochter wollte mir klarmachen, dass ich diese Sintflut ausgelöst und die Menschen vernichtet hatte, indem ich ihre Schöpfung kritisierte. 
Und gleichwohl lag in ihr eine Drohung, die ich damals nicht erkannte. Ich verließ das Universum meiner Tochter, doch beobachtete weiter die Erde, ohne es ihr zu sagen. 

Die Menschen besserten sich. Doch waren sie unbeugsam und unnachgiebig in ihren Ansprüchen an sich selbst. Sie entwickelten sich immer schneller, weg von in Gruppen zusammengeschlossenen und in begrenzten Teilen der Erde lebenden Völkern hin zu einer verbundenen, herrschenden und ambitionierten Spezies, die die Welt umspannte. Meine Tochter hätte mit ihrer Menschheit glücklich sein müssen, die nach vielen Konflikten und Tragödien nun doch ihren Weg zur Glückseligkeit fand. Die herausragend war selbst unter hochbegabten Zeugern. Ich schätzte die Mittel meiner Tochter nicht, doch offenbar wirkten sie. 

Es entsetzte mich umso mehr festzustellen, dass sie jetzt, da sie sich meiner Präsenz nicht bewusst war und die Menschen ihre Triebe und Zerstörungswut abgelegt hatten, ihre Welt eigenhändig manipulierte. Mit kleinen Eingriffen in Zeit, Ort und Emotion löste sie einige der größten Menschenvernichtungen der Erde aus, welche bekannt wurden als ‘Weltkriege’, ‘Revolutionen’, ‘Diktaturen’. Ereignisse, die in unserer Heimat gänzlich ausgeschlossen waren. Meine Tochter sah mit einem zufriedenen, kleinen Lächeln dabei zu, wie sich ihre so mühsam entwickelte und disziplinierte Schöpfung gegenseitig bestialisch ausrottete, und jedes Mal, wenn die Menschen sich nach großen Verlusten doch wieder die Hand reichten und die Konflikte beendeten, entfachte Gott sie von Neuem. Das funktionierte zu meiner Erleichterung nicht ewig. Die Menschheit wurde aufmerksamer, vorsichtiger, bewusster ob ihrer Geschichte. Sie vermied gewaltvolle Auseinandersetzungen zunehmend, suchte friedliche Lösungen, Bündnisse und vor allem Vernunft. Vernunft, welche in unserer Heimat unabkömmlich war. Das zunehmende Vertrauen auf die Vernunft in den Menschen zeigte mir doch, dass sie die Kinder meiner Tochter waren, die wiederum mein Kind war. 

Aber sie hörte nicht auf. Ich lernte, so widerwillig ich es mir auch eingestand, dass meine Tochter die Erde nie übernommen hatte, um sie in ein Paradies zu verwandeln. Dass sie die Menschheit nach unserem Bilde nicht erschaffen hatte, um sie zu einer glücklichen und vollkommenen Zukunft zu führen. Es ging ihr einzig und allein darum, Gott zu werden, und jene hilflosen Wesen die ihrer Gnade ausgesetzt waren zu beherrschen. Sie fürchten zu lassen. Sie leiden zu sehen. Sie Demut zu lehren. Es gab einen seltenen, sehr seltenen Zustand höchster Unvernunft in unserer Heimat, der trotz seiner Seltenheit mit unvergleichlicher Sorgfalt behandelt wurde - Das menschliche Wort, das diesen Zustand am ehesten nahe kommt, 
ist Wahnsinn. Und als meine Tochter begann, die Erde selbst gegen die Menschen zu richten, gigantische Stürme und Tsunamis, Erdbeben und Vulkanausbrüche, Naturkatastrophen von erschreckender Alltäglichkeit über ihre Schöpfung zu bringen, die grausamsten Seelen im Himmel als Neugeborene wieder in die Welt zu schicken, da musste ich einsehen, dass sie diesem Zustand zum Opfer gefallen war. Vielleicht, seit ich sie hierher mitgenommen hatte. Ich Narr fürchtete mich vor dem, was aus meiner gütevollen Tochter geworden war. Aber handelte es sich überhaupt um meine Tochter, die zu all dem im Stande war? Oder doch eher Gott? Ich griff erst ein, als sie der Erde ein gewaltvolles Ende setzte. Als Kontinente auseinanderbrechen, Meere die Landmassen überschwemmten, Flammen vom Himmel regneten. Die Menschheit weinte. Die Menschheit flehte. Sie flehte zu Gott, sie zu erlösen. Doch Gott lächelte nur, denn Gott war zufrieden. Und Gott sagte, dass es gut war.

Ich erschien vor meiner Tochter und stieß sie vom Universum fort. Fort zu mir, um sie zur Rede zu stellen. 
“Was tust du da?  Warum tust du es? Was hast du vor? Was ist passiert?” 

Vier Fragen, deren Einfachheit und Emotionsgetränktheit mich von mir selbst schockierten. Das Wesen, das mir gegenüberstand, und das einst meine Tochter war, trug im Gegensatz zu mir keine Emotion zur Schau, ganz wie es den Zeugern ein Gebot sein sollte. 

“Ich bin nicht mehr länger nur eine Tochter. Ich bin nun auch eine Mutter. Eine Mutter muss ihre Kinder erziehen. Sieh sie dir an…” Ihre gelben Augen sahen hinab auf ihre Welt, ihre Menschen, ”... Siehst du, wie sie sich von mir abwenden? Wie die Religion an Bedeutung verliert, und ihre alberne Wissenschaft gewinnt? Solcher Undank kann nicht weiter fortbestehen. Und was resultiert daraus? Die Menschen werden schlecht. Sie kehren sich voneinander ab, stiften Hass, stiften Tod, lieben nur sich selbst. Das ist nicht das Paradies, das ich errichten wollte. Vielleicht muss ich von Neuem beginnen. Nicht als Tochter, sondern als Mutter.”

Ich wusste nun einzuschätzen,  wann sie lügte. Und ich erkannte, dass sie das im Moment nicht tat. Da verstand ich meine Tochter. Sie hatte nie, kein einziges Mal, bewusst etwas in ihren Augen Böses getan. Sie wusste nicht, dass sie diese Kriege ausgelöst hatte. Sie war sich nicht im Klaren darüber, dass sie die Katastrophen auf der Erde ganz alleine zu verantworten hatte. Aber das Schlimmste schien ihr Unwissen darüber, warum ihre Schöpfung war, wie sie war. 

“Und du glaubst, diesmal werden die Menschen anders sein?” 

Ehrliche Überraschung ließ sie ihre Augen weiten. 
“Aber natürlich. Wie könnten sie nicht? Meine Erfahrung wird bringen, dass sie gut und gerecht sind, dankbar für das was ihnen gegeben wird, aufrichtig wie ihr Gott. Ich begehe nicht nochmal den Fehler, sie ihrer eigenen Entwicklung zu überlassen und von meinem Willen abzukommen.”

Die folgenden Worte sollten die schwersten sein, die ich je gesprochen hatte. 
“Die Menschen sind nicht von deinem Willen abgekommen. Sie blieben bei ihm, und als ihrem Gott das nicht mehr reichte, vertieften sie ihn immer weiter, bis sie schlecht waren wie er. 
Deine Schöpfung ist böse, weil du böse bist.”

Ein Moment der Stille, an den ich noch ewig zurückdenken sollte. Dann, unendlich langsam, beobachtete ich im Gesicht meiner Tochter eine nur allzu menschliche Regung - Zorn. 
Wie kannst du es wagen…?

“Wie ich es wagen kann? Ich gab dir die Erde. Ich gab dir ihr Schicksal, und die Verantwortung über das Leben auf ihr. Doch du scheinst dem nicht gewachsen zu sein. Zu sehr mangelt es dir an Klarheit über dein eigenes Ich.”

Nie hatte ich davon gehört, dass ein Zeuger einem anderen Zeuger zu schaden versuchte. Nie hätte ich erwartet, dass meine Tochter der Erste sein würde. Wir waren unsterblich, doch wir waren nicht unantastbar. Sie wusste das.  Unaufmerksam im richtigen Moment, und die Kraft eines Zeugers konnte brechen, was unbrechbar war, seine unerreichte Erfahrung vorausgesetzt. Sie hatte sich darauf vorbereitet, lange. Tief in ihr war also doch ein Bewusstsein für Gut und Böse. Ich brach zusammen und fühlte, wie meine Seele mich verließ, wie der Segen des Zeugens mich verließ. Der Tod war uns ein fremdes Konzept, nur das Verschwinden kannten wir, wie auch ihre Mutter verschwunden war, doch das hier fühlte sich anders an. Schmerz erfüllte mich zum ersten Mal seit dem Beginn meiner Existenz. Sie trat vor mich und sah auf mich hinab.
“Dies ist meine Welt. Und wie es Gesetz ist unter Zeugern ist es dem einen untersagt, in das Werk des anderen einzugreifen. Ich vollstrecke deine Strafe selbst.”

“Das kannst du nicht tun… ! Du bist meine Tochter!!” 

“Nein, ich kann das nicht tun… aber Gott kann es. Doch fürchte dich nicht, denn Gott ist gnädig, und Gott ist barmherzig, und Gott ist nachsichtig mit seinen Sündern. Du sollst hier bleiben, und Gelegenheit bekommen, die Erde und die Menschheit in deinem Sinne zu verbessern, wie du es wünschst. Doch werde ich bald, in hunderttausend Jahren schon, deine Welten Buße tun lassen. Auch sie sollen den Segen einer liebenden Mutter erfahren.” 

“Was… ?”

“Bestimme selbst, wie du deine neue Existenz nutzt. Verbringe deine Kraft und Zeit, die Menschen der Erde zum Guten zu beeinflussen und vor Gottes Strafen zu bewahren. Opfere deine Welten. Oder nimm die Seelen der Menschen, verführe sie, gewinne ihren Glauben, um erneut zum Zeuger zu werden und deine Welten zu retten. Die Wahl ist dir gegeben. Das ist meine Gnade.”

Sie zerstörte die Welt. Doch sie drehte ihre Zeit zurück und erschuf sie von Neuem. Sie zwang mich in eine Gestalt, die die Menschen ängstigte und ihren Hass auf mich steigerte - Hörner, Hufe, das Antlitz eines Monsters. Sie berichtete ihnen, ich wäre ein gefallener Engel, das wahre Böse, der Teufel. Sie verbannte mich in die Hölle, und machte mich bekannt als den Feind Gottes, der den Menschen zu schaden gedachte. Was ich noch tun konnte, war begrenzt - Ich fing die Seelen schlechter Menschen in der Hölle, um sie von der Erde fern zu halten, und sendete die Seelen guter Menschen in den Himmel. Ich kämpfte, kämpfte mit dem Wissen, dass mir nur hunderttausend Jahre blieben, wieder ich selbst zu werden, und meine Welten zu retten. Quadrilliarden Leben hingen davon ab. Gleichwohl sah ich an, wie die Geschichte der Welt sich wiederholte, Plagen, Kriege und Katastrophen die Menschen quälten, die mich dafür verantwortlich machten. 

Ich begrub meine Emotion, und begrub mein Gewissen. Ich begrub mein Herz, und nahm die Vernunft. Die Vernunft, die meines Volkes Zeichen war. Die Vernunft, dass eine Welt weniger wert war als millionen Welten. Ich wurde zu dem, was man in mir sah - Ich sammelte Gläubige unter den Menschen, kleine Religionen entstanden um mich, und ich nahm Blut und Menschenopfer entgegen, stand für die schrecklichsten Taten mit meinem Namen, sammelte Seelen und Leid, um zu erstarken. Gleichwohl hatte meine neue, niedere Existenz meine Gefühle erstarken lassen, die der Vernunft meines alten Lebens widersprachen. Ich nahm den Kampf mit Gott auf. Opferte die Seelen, die ich sammelte wieder, um die Katastrophen zu beenden. Um Fehlgeburten zu verhindern. Um das schlechte im Menschen zum Guten zu wenden. Sie wussten es nicht, und ich gewann nur sehr, sehr langsam an Kraft. Aber es war das Richtige. Das sagte mir mein Selbst, und das sagte mir meine Geliebte, die in meinen Gedanken war.

Ich muss sie vor Gott beschützen. Die Erde, und alle anderen Welten. Meine Zeit läuft. 
Ihre Zeit läuft. Und sie ist nicht verloren. Sie ist Gott. Sie ist eine Tochter. Sie ist eine Mutter. Doch vor allem ist sie mein Kind. Und mehr als alles andere, werde ich sie retten. 
Irgendwann, in hunderttausend Jahren. 
Als Teufel, als Zeuger. 
Und als Vater.