Dieses Review könnte interessant für euch sein, falls - aber nicht nur dann - Folgendes ganz oder teilweise auf euch zutrifft: Ihr guckt eher wenige oder nur sehr ausgewählte Anime, wollt ein spannendes Highlight und die herausgepickten Referenz-Titel. Denn in diese Kategorie fällt die Serie The Promised Neverland, die zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung Anfang 2019 einen überraschenden und lang-anhaltenden Hype erfahren hat, sowohl als Manga als auch und vor allem als Anime. Falls ihr komplett unbefleckt in die Seherfahrung gehen wollt wie ich, und das ist wirklich keine schlechte Idee, sei hier gesagt: Habt ihr etwas für spannende, durchdachte Plots mit vielen Wendungen übrig, ist die Serie was für euch. Sie ist sehr, sehr gut. Lasst euch nicht vom kindlichen Zeichenstil oder der obskuren Plotbeschreibung abschrecken. Die erste Staffel zählt 12 Episoden. So, das hätten wir. Da das hier mein erstes, für Denkbloggade entstehendes, frisches Anime-Review ist, nutze ich zur Vereinfachung doch mal das MyAnimeList-Muster mit Kategorien und gucke, wie das so funktioniert.
Story
Die Frau, die sie wie ihre Mutter lieben, ist nicht ihre wirkliche
Mutter, und die Kinder, mit denen sie zusammenleben, sind nicht ihre
Geschwister. Denn Emma, Norman und Ray wachsen wohlbehütet in einem
kleinen Waisenhaus auf. Doch eines Tages endet ihr glücklicher Alltag
abrupt, als sie die schockierende Wahrheit über ihr Zuhause erfahren.
Welches Schicksal wird die Kinder erwarten…?!
Yepp genau, diese nichtssagende, seltsame Inhaltsbeschreibung ist einer der Gründe, warum Neverland dann doch unter dem Radar vieler Personen geflogen ist, inklusive mir, denn ich konnte mir darunter überhaupt keinen Plot vorstellen, vor allem mit dem Hinweis, dass das Genre wohl Horror sein soll. Jetzt, da ich die erste Staffel hinter mich gebracht habe, bin ich dankbar für diese vage Inhaltsangabe. Es ist ein typischer Fall von Je weniger man weiß, desto besser. Denn weiß man eigentlich nicht, wo so eine fröhliche Waisenhaus-Geschichte hinführen soll, fällt bereits nach der ersten Episode der Vorhang, und man fragt sich, wie mit dieser Entwicklung noch elf weitere Episoden gefüllt werden sollen.
Dabei zeigt The Promised Neverland wieder mal, dass man wirklich jede Idee und jedes Konzept, und sei es noch so simpel, in eine hochspannende Serie verwandeln kann, wenn es nur gut durchdacht ist. In großen Teilen handelt es sich bei diesem Anime nämlich schlichtweg um ein ausgedehntes Fangen-Spiel. Das heißt nicht, dass die Action die Spannung und die Dialoge überwiegt, ganz im Gegenteil - Oft habe ich gelesen, dass man TPN die Nachfolgeschaft für große Mindfuck und Hirnschmalz-Anime wie Death Note oder Code Geass attestiert hat. Na ja. Ganz so komplex und vielschichtig ist die Geschichte dann doch nicht, aber sie atmet definitiv den selben Geist wie ihre Vorgänger. Jede Folge ist gefüllt mit Planungen, Gedankenspielen und mentalem Ausmanövrieren seitens der Waisenkinder-Protagonisten, eine Wendung und neue Erkenntnis jagt die Nächste, das Pacing der Serie ist wirklich hervorragend und verliert fast nie an Spannung. Das Ende der ersten Staffel ist kein wirklich Cliffhanger(Haha) sondern bietet einen runden Abschluss des Erzählabschnitts und lässt Spannung und Erwartung aufkommen wie es weitergeht ohne billig zu schocken. Das mit dem Hype mitschwingende Horrorgenre ist vielleicht dezent übertrieben, aber einen in manchen Momente das Blut in den Adern gefrieren lassenden Thriller kann man TPN nennen, muss man sogar. Das ist keine fröhliche Achterbahnfahrt.
Charaktere
Die Charaktere sind glaubwürdig, facettenreich und enorm
mögenswert geschrieben, der Anime macht es sich zur Aufgabe, dass man
von Anfang an nicht nur die drei Hauptcharaktere, sondern möglichst
jedes der über 30 Waisenkinder ins Herz schließt, und das gelingt
bestens. Das ist auch aus einem bestimmten Grund essentiell, den ich
hier aber nicht spoilern werde. Der oder die Antagonisten sind ebenso charismatisch und offen gesagt herrlich bitterböse, respekt-, und angsteinflößend, selten in Anime erlebt man es, dass scheinbar normale Personen mit so wenig Aktion so eine bedrohliche Präsenz ausstrahlen können, hier reichen die kleinsten Blicke und Zwischenstöne in der Stimme, damit man als Zuschauer mit den Kindern zusammen tief schlucken muss. Wiederum andere Antagonisten sind geradezu theatralisch überspitzt und gleich einem Comic Relief ins Lächerliche gezogen, was jedoch nur schmerzlich zu ihrem überbordernden Wahnsinn beiträgt und einen Tim Burton-artigen Beigeschmack hat. Im Manga war das teilweise nicht so, allgemein weicht der Anime in vielen Details von der Vorlage ab, ob das gut oder schlecht ist, da ist man sich uneins. Es gibt in TPN kaum einen Charakter jedenfalls, den man nicht mag. Sogar jene, die uns als nervig oder dumm vorkommen, werden wir später besser verstehen.
Wenn ich überhaupt eine Kritik anbringen müsste, dann dass wir natürlich im Medium Anime für beinahe jeden Antagonisten eine (Tragische) Hintergrundgeschichte bekommen, und so auch hier. Persönlich hätte ich das nicht unbedingt gebraucht, für mich darf jemand zur Abwechslung auch einfach mal aus Überzeugung oder Niedertracht handeln, aber gut, in diesem Fall trägt es auch zum Plot bei.
Optik
Der Zeichenstil der Vorlage ist sehr rustikal und unbekömmlich, was der Gruselatmosphäre und den Schockeffekten dort sehr zuträglich ist, während man hier mit bunter, süßer Quietschoptik in Sicherheit gewogen wird. Ich empfinde den Anime als das optisch DEUTLICH überlegene Medium, denn gerade durch die fluffigen Charakterdesigns kommen die düsteren, entsetzlichen Momente umso stärker duch. Die Schockeffekte wurden meist so oder ähnlich aus dem Manga übernommen, und ziehen die Charakterdesigns vor allem bestimmter Antagonisten ins hoffnungslos Groteske, teilweise fühlt man sich wie in einer Horror-Freakshow. Diese optische Mischung aus Heiter und Düster funktioniert sehr gut. Ansonsten sind die Charakterdesigns wirklich hübsch anzusehen mit ihrem Hybrid aus Anime und Realismus, selbst der böseste Antagonist kann so noch vor Schönheit strahlen, und die in den 12 Episoden immergleiche Umgebung bleibt frisch durch die gute Gestaltung mit satten Farben. Die Effekte sind zeitgemäß. TPN ist sehr wünschenswert anzusehen.
Sound
Die Musik ist eine der größten Stärken, der Soundtrack bietet einen tollen Mix aus ruhiger, treibender Spannung, mittelalterlichen Akzenten die dem ganzen ihren Hauch Mystik und Magie verleihen und orchestraler Epik. Definitiv ein OST, den man nicht nur vorbeidudeln hört, sondern den man danach nochmals recherchieren möchte.
Die Soundeffekte stechen auch positiv heraus, und das ist selten. Wenn bestimmte Dinge zerbrochen werden, gibt das die hässlichsten Geräusche, wenn Schockeffekte eingesetzt werden, dann mit passenden, verstörenden Geräuschen die im Gegensatz zu Hollywoods Gruselstreifen nicht aus einem viel zu lauten Knall bestehen. Die Synchronstimmen sind alle perfekt besetzt, exemplarisch sind die Protagonistin und die Antagonisten. Opening und Ending fallen für mich qualitativ zwar weit ab, aber das ist bei Anime einfach ein generelles Problem.
Fazit
The Promised Neverland hat mich wirklich sehr überrascht. Ich habe nichts erwartet, möglicherweise nur etwas Durchschnittliches, und wurde mit etwas Bemerkenswertem beschenkt. Der Anime bleibt im Gedächtnis und hat seinen positiven Ruf durchaus verdient und funktioniert, und das finde ich bei Thrillern grundsätzlich wichtig, für beinahe jeden Erwachsenen Zuschauer, sei es Oliver der Otaku oder Tante Friede von nebenan. Die 12 Episoden sind schnell und kurzweilig inszeniert und schauen sich weg wie nichts, dabei meistern die Cliffhanger Folge um Folge den schmalen Grad zwischen Du willst weitergucken und Ich zwinge dich nicht jetzt unbedingt weitergucken zu wollen. In der Mitte gibt es vielleicht die ein oder andere Länge und am Ende des Tages wird nicht jeder alle Charaktere mögen oder bei den vielen Twists irgendwann aussteigen, aber der Anime leistet sich keine großen Schnitzer, und das ist heutzutage selten genug. Ich bin auf Staffel 2 gespannt.
8/10 Gabeln für The Promised Neverland
- Yoraiko
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