Dienstag, 30. Juli 2019

Film-Review - Aus dem Nichts (2017)




Für einen deutschen Film... ja ja, und so weiter, und so fort. Haken wir dieses Prädikat doch gleich ab, indem ich sage, dass der Film für mich nicht viel 'Deutsches' im negativ konnotierten Kontext hat, die Kamera-Arbeit sieht sehr gut aus, alles ist professionell ausgeleuchtet, die Dialoge klingen nicht permanent seltsam, die Musik ist stimmungsvoll. Aus dem Nichts muss und darf sich also ohne Vorbelastung mit allen Filmen der Welt messen.

Ich will es kurz machen und schnell zum Wichtigen kommen - Der Film ist für mich überraschend souverän, emotional involvierend und bezieht ganz klar Stellung in einer Position, die ich vollkommen teile, so wie hoffentlich die Meisten die ihn gesehen haben. Er ist unterteilt in drei Akte. Der Erste führt die Familie ein, das Attentat auf Vater und Sohn folgt, und wir bekommen eine glaubhafte und deprimierende Trauerbewältigung von Schauspielerin Diane Kruger gezeigt. Der Zweite ist die Gerichtsverhandlung, die einigen zu überdramatisiert war, die ich aber im vollkommen richtigen Maß angespitzt und emotionalisiert fand, und die für mich insgesamt noch leicht vor Akt I den stärksten Abschnitt des Filmes darstellt. Dann kommt Akt 3, der grob mit dem Wort Rachegedanken unterstrichen werden kann. Also, wie gesagt, Teil 1 ist stark, Teil 2 ist deswegen so stark und gewissermaßen spannend, weil man selbst so involviert und versessen darauf ist, dass die beiden Nazi-Attentäter ihre Strafe bekommen, zusammen mit Diane Krugers Anwalt die hanebüchenen und widerwärtigen Argumentationen der Verteidigung anhören und gedanklich auseinandernehmen und Befriedigung verspüren, wenn sich die Beweisschlinge um die Hälse der stereotypen und reuelosen Täter zuzieht, die im Film (zurecht!) als gewissenlose Nazimonster dargestellt werden. 

Bis hierhin war das Ganze ein solides Drama mit universellen Faktoren, die beinahe jeden ansprechen. Leider, leider, leider bricht der Film für mich mit dem Ende des zweiten Aktes und anschließend mit dem dritten Akt fast vollkommen auseinander und verbaut sich sehr viel. 
Gerade beim gleich folgenden Kritikpunkt hat man meiner Meinung nach wieder stark gemerkt, dass das hier eben ein Film, und nicht die Realität ist, der ein Drehbuch hat, der den Zuschauer mit Wendungen überraschen und schocken will, selbst wenn diese Wendungen meilenweit vorhersehbar und schändlich bei den Haaren herbeigezogen sind. Achtung, Spoiler. Trotz der im Film präsentierten, erdrückenden und lückenlosen Beweislage der Anklage gegen Hitlerfan 1 & 2 werden diese vom Gericht freigesprochen wegen ein paar zweifelhaften Argumenten der fiktiven Verteidigung. Ich weiß, so was kann in der Realität passieren und ist es sicher häufig auch, aber in diesem ganz speziellen Fall kam das völlig - Achtung, Wortwitz - aus dem Nichts, ein dramaturgischer Pokniff, DAMIT es den dritten Akt geben kann. Lächerliches und leider auch wirklich vermeidbares Writing. 

Dann haben wir den dritten Akt, der ähnlich dem ersten seeehr langsam verläuft, dabei aber verfehlt, die selbe emotionale Stärke aufzubauen. Der Film geht am Ende zwanzig Minuten zu lang, und das eigentlich nur, weil Diane Kruger - Achtung Spoiler - die freigesprochenen Nazis zwar erst mit der selben Nagelbombe wegsprengen will, die ihre Familie ermordet hat, sich es dann aber doch anders überlegt weil ein Vogel auf dem Wohnwagen der Täter sitzt, und sie für ein paar Stunden eine 'Was soll's, Schwamm drüber'-Attitüde fährt. Dann will sie aber plötzlich DOCH Rache, und tut das, was sie eigentlich schon vor zwanzig Minuten erledigt haben wollte. Okay...? 

Der letzte Akt ist sehr zäh, lange, ereignislose Einstellungen, wenig Musik, viel Ruhe und Diane Krugers nachdenkliches Gesicht. Sie ist definitiv die große Stärke des Films, ihr Schauspiel ist herausragend und bildet eine trauernde, zerrissene Ehefrau und Mutter fast schon zu gut ab. Aber auch sie kann eben nur mit dem arbeiten, was das Drehbuch ihr vorgibt. Das kontroverse Ende, indem sie sich und die Nazis schließlich in die Luft jagt, spaltet die Gemüter. Ist Selbstjustiz gerechtfertigt? Nein. Sollte man sie in einem Film als erstrebenswert darstellen? Nein. Das wurde hier aber meines Erachtens nach auch nicht gemacht. Als Zuschauer denke ich mir, dass die letzten 20 Minuten unnötig waren, weil Diane Kruger danach zum selben Schluss kam, und ich es so bevorzugt hätte, wenn sie sie gleich beim ersten Mal in die Luft gejagt hätte. Ich befürworte das nicht, ABER, in diesem fiktiven Fall, der ein unwirklich hirnrissiges Gericht brauchte um stattzufinden, der zwei absolut gewissenlose Nazis porträtiert, die Diane Kruger die Familie weggesprengt haben einfach deswegen, weil ihr Mann ein Türke war, kann ich zumindest vollkommen nachvollziehen, warum sie so gehandelt hat. Und es ist eine zufriedenstellendere Konklusion dieses Filmes für mich, als wenn sie mit einem Schulterzucken und einem Lächeln in den Sonnenuntergang gefahren wäre, weil Gegengewalt ja keine Lösung ist. Nein, ist sie nicht, aber nichts tun und die Mörder der eigenen Familie am Strand Urlaub machen lassen auch nicht.

Nochmal gesondert positiv hervorheben möchte ich die Kamera-Arbeit in manchen Szenen wie etwa dem Schluss, die einige wirklich interessante und visuell ansprechende Perspektiven einfängt. Das umgedrehte Meer vor den Credits, die verschwommene Linse, als Diane Kruger aus dem Hintergrund langsam auf den Wohnwagen der Nazis zu läuft, so was. Diese Ideen haben das extrem sterile Bild etwas aufgelockert. 

Alles in allem ist Aus dem Nichts flacher, zäher, unglaubwürdiger als es erst den Anschein gemacht hat und hätte sein können, sicherlich kein Film den man gesehen haben muss, aber mit seinen 106 Minuten Lauflänge war er für mich auch kein Kampf, er ist durchaus unterhaltsam in der ersten Hälfte und behandelt ein wichtiges Thema mit der richtigen, nazi-feindlichen Gesinnung dahinter.
Typischer Fall für Sonntagabend auf dem Sofa.


5/10 Bomben für Aus dem Nichts


Yoraiko  




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