Freitag, 13. März 2020

RPG-Maker-Review: 'Alice' (2010)




Erstellungsjahr: 2010
Ersteller: Kelven 
Genre: Horror, Mystery, Drama
Spielzeit: Ca. 3 - 5 Stunden
Engine: RPG Maker 2000


Und weiter geht die bunte Kelven-Nostalgie-Makermogul-Achterbahnfahrt. Sollte jemand zu diesem Zeitpunkt Denkbloggade finden und sich noch nicht mit der deutschen RPG-Maker-Szene auskennen, so weiß er zumindest schon mal, wer die meisten, bekannten Spiele beigesteuert hat - Kelven, Kelven, Kelven. Aber Alice ist ein bisschen besonders und profitiert gar nicht so sehr von Nostalgie.
Für wen das kleine, von Alice im Wunderland inspirierte Horror-Adventure etwas sein könnte, und wer besser die Finger davon lässt, das klärt sich im Folgenden.


Kelven als einen der fünf einflussreichsten Maker der deutschen Szene (Marlex, Grandy, Real Troll, Lachsen und eben Kelven) unterscheidet man in der im Sterben inbegriffenen Makerszene grundsätzlich in zwei Schaffensperioden: Damals und Nicht ganz so damals. Alt und Neu. Retro und Indie-Modern. Während seine 'alten', teilweise von der Screenfun bekannten Projekte vor allem die Genres Fantasy und Horror absteckten, verschrieb Kelven sich in späteren Jahren nach einigen Genre-Experimenten ganz dem Horror und Neuauflagen alter Klassiker. Die 'Alte' Zeit ordnet man etwa bei 2002 - 2008 ein, während seine als 'moderner' angesehenen Projekte eigentlich mit Sonnenschauer(2008) ihren Anfang nahmen. Alice folgte 2010 danach. Auch das ist nun wieder zehn Jahre her, aber da heutzutage nicht mehr viel Gutes vom einst so fähigen Ersteller kommt, muss man zunehmend zurückblicken.

Alice kam überraschend und sehr kurzfristig, als kleines Horrorspiel erwartete man sich nicht allzu viel davon. Jedoch stellte sich schnell heraus, dass dieses Spiel wie auch Sonnenschauer für Kelvens 'neuen' Stil steht, frischer, grafisch aufpolierter, mit zeitgemäßerer Musik. Ja, tatsächlich war ich damals der Meinung, Alice sei für seine Kürze eines der am besten funktinierenden Gruselspiele Kelvens und sehr gut gealtert, ein sicherer Tipp für Pixelfreunde. 
Nun habe ich es, zehn Jahre später, ein zweites Mal duzrchgespielt und muss leider einsehen, dass mich die Erinnerung an der Nase herumgeführt hat. 
Dennoch, Alice ist kein schlechtes Spiel.









Story:

Jeder, der sich mal für eine Weile mit Popkultur beschäftigt hat, sein es Bücher, Filme oder eben Spiele, wird nach zweieinhalb Wochen über genug 'Alice im Wunderland' gestolpert sein, dass es für den Rest seines Lebens reicht. Lewis Caroll' buntes Kinderbuchwerk ist überall, wie ein Virus hat es sich in den letzten dreissig Jahren in jeden noch so kleinen Aspekt jedes Mediums gefressen und ist omnipräsent als eine der größten künstlerischen Inspirationen. Warum genau das so ist, weiß wohl auch keiner so wirklich. Tatsache aber ist, dass auch Kelven die Wunderland-Thematik zum Spiel verwurstet hat, tatsächlich auf eine angenehme und kreative Weise wie ich finde. 


Wir spielen die unter Gedächtnisverlust(Natürlich...) leidende 'Emilie', welches sich im Keller eines großen Anwesens befindet und zusammen mit zwei Schulfreundinnen nach einem Ausweg sucht. Bald trifft sie auf eine weitere Klassenkameradin, die Tochter des Hausbesitzers, 'Alice', welche sie überhaupt erst herbrachte. 

Mehr muss man gar nicht sagen, denn der ganze Plot ist eigentlich recht simpel und unspannend gehalten. Wovon 'Alice' vor allem lebt und profitiert ist Atmosphäre. Lewis Carolls' auf der Oberfläche fröhliches Pastellabenteuer wurde hier, ähnlich wie bei Alice: Madness Returns ins Extreme verkehrt und zum Thema eines Gruselkabinetts umfunktioniert, das weniger Horror als mehr Mystery ist. Die Charaktere drücken sich kryptisch aus aber nicht anstrengend, die morbiden Bewohner des Wunderlandes sind keine große Innovation aber angenehm absurd und stimmig. Die Musik ist die ganze Zeit über sehr gut in die mysteriöse aber doch zauberhafte Stimmung eingearbeitet, vor allem das vor unschuldigem Charme sprühende Stück des Charakters 'Alice' untermalt die seltsame Andersartigkeit des Spiels und der zugrunde liegenden Vorlage. Weniger als Gameplay, Story oder gar Spannung ist das hier ein guter Atmosphäre-Trip insbesondere von Fans von Alice im Wunderland. 

Was man Kelven oft vorgeworfen hat ist, dass man mit seinen Horror-Protagonisten kaum mitfühlen kann, dass sie zu blass, stumm, eindimensional sind. In Alice hat er sich diesem Problem angenommen, indem Protagonistin Emilie nach jeder Szene und jedem Ereignis einen inneren Monolog führt und uns als Spieler erzählt, wie sie das gerade fand, wie sie sich fühlt und was sie darüber denkt. Das funktioniert grundsätzlich wie gewünscht und bringt uns ihren Charakter etwas näher, allerdings merkt man wenn man sich mit dem Schreiben etwas auskennt oder mal einige Bücher konsumiert hat leider auch schnell, wo Kelvens Grenzen lagen, und so sind die meisten von Emilies Monologen auf einem infantilen explanatory dialogue und Show dont tell-Niveau. Zumindest ich bin auch weder beim ersten noch beim zweiten Spieldurchlauf in irgend einer Form mit den drei 'Hauptcharakteren' geschweige denn 'Alice' warm geworden. Ich könnte sagen, dass das Spiel dafür zu kurz ist, aber andere Werke schaffen es in der Hälfte der Zeit. 

Auch über die Story darf man, wie in so vielen Horrorwerken, am Ende nicht zu genau nachdenken. Gerade Kelvens neuere Spiele sind dafür bekannt, in dieser Hinsicht eher öfter als selten rauchende Ruinen zu sein. Auch die Auflösung der kleinen Alice-Story ist letztendlich schmerzlich faul und platt geraten.



Ich will gar nicht viel mehr dazu sagen, weil der Screenshot es eigentlich bereits adequat zusammenfasst. Ist schon okay für ein kurzes Gruselspiel. Wirklich.

Relevant ist noch, dass man am Ende ein paar Minispiele spielt und Entscheidungen trifft, die das Ende beeinflussen. Fünf Enden gibt es an der Zahl, zwei bad endings, zwei neutrale und ein Gutes. Leider ist keines dieser Enden in irgend einer Form interessant oder befriedigend, da sie nicht länger als wenige Sekunden gehen. Sehr schade, zumindest beim guten Ende wäre da etwas mehr gegangen. So fand ich lediglich das 'Richtige' Bad Ending ganz gelungen, weil es immerhin gelungen trostlos ist.




Grafische Kelvenpracht





Für jemanden, der mit der Retro-Pixel-Ästhetik nicht viel anfangen kann, ist es anhand dieser Bilder vermutlich nicht ersichtlich, aber Kelvens 2010er Werk sprüht vor düsterem Glanz. Die detailreichen Inneneinrichtungen, die verdrehten Hausgegenstände, die ins abstruse gezogenen Wunderlandbewohner: Alice ist wirklich ein hübsches Spiel, auch heute noch, und damals sah man hier den Kontrast zu Kelvens früheren Werken.
Proitagonistin Emilie bewegt sich bei kleinen Aktionen, wir bekommen Animationen hier und da, in dieser Sektion ist das Spiel gut gealtert - Den Umständen entsprechend.




Das Gameplay fühlt sich an wie eine Köpfung


Da bin ich nur mit Ach und Krach noch auf eine Alice im Wunderland-Referenz gekommen, aber seis drum. Das Gameplay ist der größte Schwachpunkt von Alice und das Detail, das mir das Spiel leider doch etwas verleidet hat, trotz der dichten Atmosphäre.

Grundsätzlich funktioniert das Gameplay wie ein Point&Click-Adventure auf Tastaturbasis, zumindest war das Kelvens Ziel: Die Umgebung möglichst mit verschiedenen Aktionen erkunden, welche durch Ziffern umgeschaltet werden müssen. Diese Idee ging bedauerlicherweise überhaupt nicht auf und war auch fast von jedem Spieler als Kritik angemerkt. Es ist der größe Schwachpunkt eines Spiels, das sich eben um jenes Gameplay dreht. Die Optionen permanent und ständig umstellen zu müssen spielt sich extrem frickelig und mühsam, außerdem ergeben viele der Trennungen und Optionen schlichtweg keinen Sinn oder sind nicht konsequent umgesetzt. So funktioniert der Befehl 'Benutzen' zwar für Inventar-Items, nichts aber für Schalter oder Maschinen, die den Befehl 'Drücken/Ziehen' benötigen, welcher meistens zum Bewegen von Gegenständen verwendet wird. Der Befehl 'Öffnen' funktioniert manchmal für Türen und Kisten und manchmal nicht, wenn das Spiel von einem erwartet, dass man 'Benutzen' oder 'Untersuchen' auswählt. Und in nochmal so vielen Fällen trifft genau das Gegenteil von alldem zu und es ist plötzlich wieder ganz anders. Außerdem muss man diese Aktionen selbst in kleinen Räumen aller paar Sekunden umstellen, oft mehrmals hintereinander. Eine absolute Katastrophe, die einem jeglichen Spaß am Erkunden nimmt. Das 'Öffnen' als Option zu benutzen um in Schränke und Kommoden sehen zu können entwertet sich leider dadurch selbst, dass darin in 90 % der Fälle überhaupt gar nichts ist. Das Gameplay von Alice ist furchtbar und kennt kaum Stärken.  

 
Die Rätsel, welche ein wiederkehrendes Element in beinahe JEDEM Kelvengame darstellen und hier die einzige Variation im Gameplay bieten, sind leider auch nicht viel besser. Diese spielen sich sehr un-intuitiv, man muss teilweise drei Mal um die Ecke denken und die Lösungen sind zumeist trotzdem nicht ganz logisch. Ebenfalls funktionierende Lösungen mit anderen Gegenständen, die Kelven nicht bedacht hat, nimmt das Spiel nicht an. Man muss viel backtracken und bereits besuchte Abschnitte des Hauses zwei, drei Mal durchqueren, was sich nach 2/3 des Spiels leider in Monotonität niederschlägt.









Fazit


Alice war spielerisch nicht so honigweich wie ich es in Erinnerung hatte und ich war froh, als es vorbei war. Die Atmosphäre, Grafik und Musik sind jedoch noch immer auf gutem Maker-Niveau und gerade für Fans der Wunderland-Thematik verbirgt sich hier der eine oder andere Magic Moment. Dem gegenüber stehen gestelzte Dialoge, unbefriedigende Enden, eine alberne Geschichte und mangelhaftes Gameplay. Kurz gesagt ist es wohl eher zu empfehlen, euch ein gutes Let's Play von Alice auf Youtube anzusehen, da gibt es einige.




5/10 Spiegel für Alice
 


- Yoraiko 





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