Sonntag, 18. August 2019

Animagic 2019 - Eine Messe ohne Magie



Die Animagic. Die mit Abstand relevanteste Anime-, Manga-, J-Games, Japanconvention Deutschlands, die einmal jährlich in Mannheim stattfindet. 2019 zum 21. Mal. Als drei Freunde und ich uns dieses Jahr entschieden haben, sie zum ersten Mal für zwei von drei Tagen zu besuchen, und somit einen Tapetenwechsel zur Leipziger Manga Comic Convention im Rahmen der Buchmesse zu bekommen, dachten wir, jetzt lernen wir endlich das GROSSE, RICHTIGE Event kennen, dessen verachtete kleine Schwester die MCC ist. 
Wir hätten nicht falscher liegen können.

Die Animagic - Das ist mein ganz persönliches Fazit nach zwei verbrachten Tagen auf ihr - ist eine organisatorische Katastrophe der allerschlimmsten Ungüteklasse. Ich glaube nicht, dass ich je vorher in meinem Leben schon mal so ernüchtert, frustriert oder entsetzt war von einer Veranstaltung beziehungsweise der in ausnahmslos allen Bereichen durchsickernden Inkompetenz ALLER Beteiligten. Oft war es nicht die Wut oder Frustration, die bei mir an die Oberfläche brodelte, sondern das reine Unverständnis, wie selbst Dinge grundlegender Selbstverständlichkeit auf einer Messe dieser Größe eine Raketenwissenschaft zu sein scheinen. 

Viel länger will ich nicht um den heißen Brei herumreden - Das hier wird nicht weniger als ein Manifest, bei dem ich versuche, all unsere Kritikpunkte, die wir vor Ort erlebt haben, möglichst chronologisch und einigermaßen sinnvoll aufzulisten und aufzuschlüsseln, warum die bedeutend kleinere MCC in Leipzig die in so gut wie jeder Hinsicht überlegene Messe ist, warum die Animagic mehr Schein als Sein ist, und warum ihr hier sicherlich alles findet, nur keine Magie. 


Ein Wort der Warnung für Außenstehende, die nichts mit der Animagic zu tun haben, diesem Artikel aber dennoch eine Chance geben - Er wird lang, und darum werde ich nicht noch zusätzlich alles erklären, was die Animagic genau ist und ausmacht, wo dieses und jenes ist und so weiter. Das lässt sich leicht herausfinden, hier gehe ich wirklich ins Detail über inhaltliche Punkte. Außerdem möchte ich mit diesem Beitrag nicht den Anschein erwecken, die Animagic wäre einzig und allein furchtbar und hatte keine guten Seiten an sich. Das ist natürlich Quatsch, darum werde ich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrages auch einen separaten Artikel über die GUTEN Aspekte geschrieben haben, den ihr HIER findet. Die Stadt Mannheim indes verdient eine eigene, kleine Hasstirade. Ihr findet diese HIER. Den Cosplayern widme ich mich gesondert HIER.

Wenn Sie, lieber Leser oder gar charmante Leserin, bis hierhin durchgehalten haben, vielen Dank. Sie müssen nicht länger warten, es geht los. 





Die Ticketpreise - Für ein Tagesticket der dreitägigen Messe zahlt ihr 45 €. Für ein Zwei-Tages-Ticket sind es 55 €, und alle drei Tage schlagen mit 70 € zu Buche. Zum Vergleich, für alle vier Tage der Buchmesse und MCC in Leipzig zahlt ihr 32 €, wenn ihr nicht den Frühbucher-Rabatt bekommt. 
Das ist ein MEHR als stolzer Preis für eine glorifizierte Shoppinghalle mit einigen Konzerten, die das Geld jedoch sicher wert sind. Ansonsten kann man auch viele Kinofilme sehen und seine Stars treffen. Soweit kein Problem. Ich werde aber jetzt gleich beim nächsten Kritikpunkt aufschlüsseln, warum diese Preise eine himmelschreiende Unverschämtheit darstellen.

Denn es gibt die Trink-, und Essregelung - Die wohl kontroverseste Auflage der Animagic, und in meinen Augen auch die Nötigendste. Die Animagic findet im Hochsommer statt, in einer schwülen, engen Halle mit vielen Fenstern. Was folgt also logischerweise aus diesem Umstand? 
Klar - Großer Kommerz. Pro Person ist innerhalb des Geländes eine 0,5-Liter Flasche mit einem Getränk gestattet, außerdem ein 'kleiner Snack' für den Blutzuckerspiegel. Und DAS auch erst seit DIESEM Jahr - Vorher war es komplett untersagt, etwas zu trinken mitzubringen. Wer die Messezeit von 14:00 bzw. 10:00 bis 1:00 Uhr Morgens also einigermaßen ausreizen und dabei nicht zusammenbrechen will, wird ohne Umschweife unverhohlen dazu genötigt, das ABSURD-überteuerte Messe-Essen und Trinken zu kaufen oder das Gelände ständig zu verlassen. Für 70€-Tickets. 
Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Innerhalb der gesamten Buchmesse ist Essen und Trinken übrigens ohne Einwände gestattet. Diese Regelung ist, man verzeihe mir den dramatischen Ausdruck, ekelerregend berechnend und geldgierig, und es ist amüsant und verwunderlich zugleich, dass die Besucher das seit 20 Jahren mit sich machen lassen. Wie hanebüchen diese Regelung ist, merkt man auch daran, dass sie von der Security vor Ort zumeist gar nicht umgesetzt wurde - Die meisten haben es durchgenickt, weil sie selbst wussten, wie harreraufend diese Auflage ist. Na, wenn das mal nicht ein Armutszeugnis ist liebe Animagic.

Ich sprach eben über die Messe-Verpflegung - Teures Essen und Trinken auf einer Veranstaltung ist keine große Neuheit. Als einzige Option auf der Animagic aber ist die Foodmeile im obersten Stockwerk eine ganz besondere Dreistigkeit. Hier bekommt man für 6-7 Euro jeweils buchstäbliche Mini-Portionen(Foto weiter unten) serviert. Gehen wir also davon aus, dass man nichts zu Essen mitbringt und das Gelände nicht verlässt, braucht man allein für einen Tag auf der Animagic 20 € für die Verpflegung, eher 30. Ganz großes Geschäft.


Es gibt aber doch noch eine Alternative, das Maid-Café - Als eines der Aushängeschilder steht man hier 'nur' etwa 30 Minuten an, um hinein zu dürfen, sich von einer Maid oder einem Butler bedienen zu lassen und kleine Speisen zu überraschend fairen Preisen zu verzehren. Leider sind besagte Speisen wirklich nichts Besonderes. Wer extravagante Kuchen oder fantasievolles Gebäck erwartet, wird enttäuscht, stattdessen gibt es langweilige Donuts und Aldi-Kuchen. Außerdem fällt beim Maid-Café ein seltsames Konzept in den Angeboten auf - Man kann auf dem sehr begrenzten Raum für kleines Geld mit der Bedienung Spiele wie UNO spielen - Während in 5m Entfernung 50 Leute zugucken, weil sie in der Schlange stehen und darauf warten, dass jemand aufsteht, nachdem er fertig ist, und nicht noch Spiele spielt. Eine sehr fragwürdige Entscheidung im Konzept des Cafés, wenn ihr mich fragt. 
Was ihr tut, wenn ihr das hier lest.

Bevor wir zu den deutlich kritischeren Schwergewichten der Messe-Organisation kommen, lasst uns noch mal über ein scheinbar leichtherzigeres Thema reden - Cosplay
DAS Aushängeschild der Manga Comic Convention in Leipzig. Und in Mannheim? Eine traurige Begleiterscheinung. Zwar ist der Rosengarten vor der Messehalle, der nicht offiziell zur Animagic gehört, eine der schönsten Foto-Locations, die ich je in Deutschland gesehen habe, aber da hört es dann auch schon auf - Während auf der MCC lediglich Regeln wie 'Keine gefährlichen Waffenimitate, keine ZU ausladenden Kleidungsstücke, kein Blut oder andere Wunden da Familienveranstaltung' vorherrschen, unterbindet die Animagic Cosplay innerhalb ihrer Hallen komplett. Bevor man diese betritt, muss man SÄMTLICHE Requisiten und Cosplay-Accessoires im Cosplay-Zelt abgeben, um sie später wieder abzuholen. Fotoshootings innerhalb der Animagic sind also ausgeschlossen, das Cosplay-Event beschränkt sich auf die Wiese davor. Wow. Viele haben sich natürlich nicht daran gehalten, so auch ich, und die Security hat es kaum gestört. Gute Security. Böse Animagic. Es mag auch mit daran liegen, dass das Niveau der Cosplayer für das Gefühl meiner Freunde und mir deutlich unter dem der MCC liegt - Nur selten haben wir so aufwändige, beeindruckende, atemberaubende Kostüme und Handarbeiten gesehen wie in Leipzig, aber vielleicht mussten die auch nur alles abgeben oder waren den ganzen Tag auf der Wiese... so mag es auch der Grund sein, dass meine Freundin und ich, die die Charaktere Punpun und Aiko aus Gute Nacht, Punpun gecosplayt haben, den ganzen Tag leider kein einziges Mal erkannt wurden. Innerhalb der Halle konnte ich mein Kostüm nicht tragen, und außerhalb ist man eben nur vorher und nachher. Enttäuschend.





Wir müssen über die Besucherfreundlichkeit und die Zugänglichkeit für Neulinge reden, wie wir welche waren, beziehungsweise über das Nichtvorhandensein von beidem. Die MCC bietet mindestens eine Woche vor Messestart ein Programmheft mit komplettem Hallenplan der Buchmesse und Mangahalle an, jeder Stand ist durchnummeriert, man findet sich super zurecht. Die Animagic? Keine kompletten Hallenpläne. Nur sehr rudimentäre Standübersichten. Weder im Programmheft noch vor Ort ist ein Lageplan vorhanden, so dass man die über diverse Stockwerke und Gebäudeteile verteilten und versteckten Hallen und Räumlichkeiten durch eine Mischung aus vager Wegbeschreibung des Programmheftes und Raten finden muss. Die MCC ist in nur einer Halle, deswegen findet man alles sofort, hier sind einige Räume wie das Bring und Buy im Keller. Ein Stand, der nur durch einen schmalen Seitengang ohne jeden Hinweis darauf überhaupt erreichbar ist, so gut versteckt, dass man sie als Neuling eventuell gar nicht erreicht. Man macht ständig Umwege oder verliert die Orientierung zwischen all den Treppen, Rolltreppen und Abzweigungen. Das ist vor allem dann kritisch, wenn man schnell zu einem Konzert huschen muss um noch einen Sitzplatz zu bekommen, spontan aber nicht weiß, in welcher Halle das stattfindet oder wo diese Halle eigentlich nochmal genau ist. Der Aufbau der Animagic ist eine Katastrophe, und die Stockwerke sind auch nicht sinnig besetzt, so dass man sich ständig fragt, wo jetzt noch mal was war. 

Apropos Räumlichkeiten - Enge. Ich habe es schon angedeutet, die Animagic ist immer brechend voll, eng, gestaut, stickig, unübersichtlich. Im Gegensatz zur Halle 1 der Manga Comic Convention und der Glashalle der Buchmesse gibt es hier weder gute Möglichkeiten zum Cosplay, noch nennenswerte Rückzugsorte oder breite Gänge. Das Betrachten der Auslagen anwesender Händler und Verlage ist eine einzige Tortur und ein Kampf gegen die Massen, teilweise kann man sich nicht bewegen vor Menschen. Was der Buchmesse der Samstag ist, ist in Mannheim schon Freitag traurige Realität. So macht das Bewegen innerhalb des Congress-Centers noch weniger Spaß. 

Das wird mit den Schlangen nicht besser -  Jesus. Ich bin zwar nicht gläubig, aber in diesem Fall möchte ich seinen Namen doch ausrufen. Nie habe ich so viele, so lange Schlangen gesehen wie hier. Teilweise blockierten die Autogramm-Schlangen komplette Verlagsstände(Tokyopop, Freitag), so dass man nicht mehr herankommt, sich nichts anschauen kann und böse angeguckt wird, wenn man sich an der Schlange vorbeizudrängeln versucht, andernorts muss man sich in eine gewaltige Schlange stellen, um ÜBERHAUPT in den ungünstig aufgebauten Stand eines Anime-Publishers zu DÜRFEN(!!!!). Ja, du bist gemeint, Peppermint Anime. Die Kirsche auf der Scheißetorte hat dem aber das Bring & Buy aufgesetzt - Der große Gebrauchtwarenstand, an dem man Manga, Anime und Merchandise zu günstigen Preisen erwerben kann. Zur Location habe ich schon alles gesagt, bleibt noch der Aufbau - Will man an den Stand herantreten, also hinter die rote Absperrung gelangen, um überhaupt erörtern zu können, ob vielleicht etwas für einen dabei ist, nachdem schon 2000 Leute vorher alles Gute herausgefischt haben, stellt man sich in eine Schlange, die zwei mal um den gesamten Stand herumgeht. Ich habe hier knapp 40 Minuten gewartet, ehe ich es aufgegeben habe, weil es einfach nicht voranging. Hätte ich das durchgezogen, hätte ich wohl 3 Stunden warten müssen, um gebrauchte Artikel potentiell kaufen zu können. Lasst euch das auf der Zunge zergehen. 3 Stunden anstehen für Gebrauchtwaren. Das wäre Ebay also in der Realität. Ganz großartig geplant, Bring & Buy. Kann man sich nicht ausdenken.

Ein Punkt, der mir persönlich ganz besonders aufgestoßen ist, weil seine Geschmacklosigkeit die Bahnen sprengt, ist der Umgang mit der Trauer gegenüber Kyoto Animation - Diese Rede zur Eröffnungsfeier des Animagic-Chefs lässt zwar Respekt aufkommen und der Messe bestärkend zunicken, die Bemühungen der Animagic hören aber da auf, wo es übers Reden hinaus geht und den Besucher involviert - Ich zitiere das Programmheft:
Eure Anteilnahme könnt ihr Kyoto Animation auch mit AnimagiC-Kondolenzkarten
Ausdruck verleihen: Diese liegen im Bereich der Signing-Wall auf
Ebene -1 bereit. Schreibt eure Gedanken an Kyoto Animation
nieder und legt die Karten in der dafür vorgesehene Box ab. Wir
werden alle Karten an unsere Freunde von Kyoto Animation weiterleiten.
Vielen Dank für eure Unterstützung!
Aber gerne, das ist doch selbstverständlich. Besagte Kondolenzkarten lagen also gut versteckt in der hintersten Ecke des Kellergeschosses lieblos auf einen Tresen geklatscht neben der fröhlichen Unterschriftenwand, die auch sehr fehl am Platze erschien. Was aber fand man bei den Karten NICHT? Genau - Einen Stift. Es gab schlichtweg keinen. Die Animagic hat es - und ich kann nicht glauben, dass ich das schreibe - nicht hinbekommen, einen Mitarbeiter zu Netto zu schicken, um dort ein 5er-Kuli-Set für 3,99 € zu holen und ein paar davon neben die Trauerkarten zu legen, damit man sie auch beschriften kann. Ich weiß, was ihr jetzt sagen wollt - Manche Menschen haben wirklich vor gar nichts Respekt und klauen alles, was ihnen unter die Finger kommt - Ja. Dann hätte man die Stifte vielleicht einer der drei MITARBEITERINNEN geben können, die DIREKT hinter dem Tresen, ZWEI METER neben den Trauerkarten saßen, und sich angeregt unterhalten haben. Einen Stift konnten sie auf Nachfrage nicht bieten. 

Ich drücke das nochmal in aller Form aus, weil ich in diesem Moment so wütend war, dass mir fast der Hals aufgeplatzt wäre - 
Wenn die Animagic, DIE Animagic, die mit Abstand relevanteste Japan-Veranstaltung GANZ Deutschlands es NICHT hinbekommt, für die Trauerkarten einer niedergebrannten Animationsfirma mit ÜBER DREISSIG TOTEN ein paar VERDAMMTE Stifte bereitzulegen, ja DANN BEKOMMT KYOTO ANIMATION VON MIR EBEN KEINE TRAUERKARTE!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!  

Die Respekt-, und Taktlosigkeit dieses Versäumnisses und dieser Karten muss man auch erst mal verdauen. Das ist schon wirklich, ehrlich, uneingeschränkt peinlich, und ich gebe offen zu, dass ich jetzt noch stinksauer über dieses Detail bin.

Da wir die Eröffnungsfeier angesprochen haben - Die Veranstaltungen der Animagic überschneiden sich permanent. Und während es vollkommen normal ist, dass eine Messe mit so vielen Kinos, Angeboten und Gästen mehrere Termine zur gleichen Zeit hat, hört mein Verständnis da auf, wo selbst die ERÖFFNUNGSFEIER der Animagic mit der TRAUERREDE(!!) nur eine von mehreren Optionen ist, zwischen denen man sich entscheiden muss, wie etwa ein Kinofilm oder ein Konzert. Mein Verständnis geht auch nicht weiter, wenn man sich zwischen großen Stars wie den Violet Evergarden-Sängerinnen und Mika Kobayashi entscheiden muss. Solche ungünstigen Planungen sind einfach sehr, sehr schade, mindestens die Eröffnungsfeier aber hätte Konkurrenzlos sein MÜSSEN.

Hinzu kommt, was für einige der niederschlagendsten Momente meiner Messezeit gesorgt hat, dass die riesigen Konzertsäle teilweise 20 Minuten vor Beginn eines Events schon so brechend voll waren, dass niemand mehr reingelassen wurde. Meine Freunde und ich waren 15 Minuten vor der Weltpremiere des Violet Evergarden-Filmes, auf den wir uns seit Wochen gefreut hatten, vor der Halle - Nichts ging mehr. Auf die Nachfrage, ob man sich denn nicht an die Seiten setzen könne, wurde mit Brandschutz reagiert - Verständlich, aber auch frustrierend und seltsam, warum man so früh Leute einlässt. Warum man keine andere Lösung findet als hunderte Wartende zu verprellen. Anime in Concert, Mika Kobayashi und ähnliche Größenordnungen waren ähnlich rege besucht, und schwer zu besuchen. 

In diesem Kontext muss ich noch das seltsame und widersprüchliche Zeitkonzept der Animagic ansprechen - Nehmen wir an, ihr seid 3 Tage da, und wollt die Messezeit voll ausnutzen. Sie beginnt Freitag 14:00 Uhr, und ihr bleibt bis 1:00 Uhr Nachts. Ihr geht nach Hause, macht euch fertig, esst kurz was, es ist 2:00 Uhr. Ihr seid totmüde und fallt ins Bett. Wann aber beginnt am nächsten Tag die Weltpremiere des Violet Evergarden-Films? Klar - 11 Uhr. Wenn ihr also rechtzeitig da sein wollt, steht besser nicht nach acht Uhr auf, eher sieben. Und natürlich geht Samstag nochmal vier Stunden länger, die ihr eigentlich wieder ausreizen wollt, aber Vorsicht - Sonntag geht es wieder 10 Uhr mit der Messe los, nebst wichtigen Events in aller Frühe, die man nicht verpassen darf. Viel Spaß mit eurer verkürzten Lebenserwartung nach diesem Wochenende.

Es ist obskur. Die Buchmesse Leipzig löst den Schlafmangel und die Messe-Erschöpfung ihrer Besucher dadurch, dass sie nur von 10 bis 18 Uhr geht, genug Zeit also, um sich auszuschlafen. Und während ich es wirklich, wirklich cool finde, dass die Animagic bis 1:00 Uhr Morgens ihre Türen offen hat, torpediert sie sich selbst damit, weil eigentlich niemand das durchhalten kann. Wenn sie es anbietet, bis ein Uhr zu bleiben, muss sie davon ausgehen, dass Besucher das nutzen. Ich könnte es verstehen, wenn man die ersten 2-3 Stunden des nächsten Tages nur mit unwichtigen Events füllt, so dass man nicht unbedingt anwesend sein muss, aber auf 11 Uhr, eine Stunde nach Messe-Eröffnung DIE WELTPREMIERE EINES BELIEBTEN 
MEGA-FRANCHISES zu legen, kommt einem organisatorischen Selbstmord gleich. Wer soll denn bitte so wenig schlafen und das alles durchhalten?! Und wir waren gerade mal zwei von drei Tagen da. Hat überhaupt mal IRGENDJEMAND in der Organisation zwei Minuten darüber nachgedacht, was sie da fabrizieren?! 
Fair genug, so ernüchternd es ist, obwohl die Messe bis 1:00 Uhr auf hat, macht das meiste Interessante um 20 Uhr zu, der Rest um 22. Das eigentlich mitunter Einzige, was einen in den Hallen hält, ist der Games Room. Auch das bestenfalls fragwürdig, da man sich zwischen den ganzen Events des Tages und der Erkundung der Stände und Aussteller entscheiden muss, die früh dicht machen. 

Hat man es dann aber doch mal in ein Konzert geschafft, so wie wir es Samstag mit einer halben Stunde Vorlauf in das Violet Evergarden-Konzert von TRUE&Aira Yuki geschafft hatten, folgt die nächste Ernüchterung - So wundervoll und mitreißend die Sängerinnen auf der Bühne auch waren, so kratzig, übersteuert und dröhnend waren die riesigen Boxen neben ihr. Mein Freund, übrigens studierter Tontechniker, war davon dermaßen aufgebracht und pikiert, dass er mit dem Gedanken spielte, nach dem Konzert hinter die Bühne zu gehen und den Mitarbeitern der Animagic seine Karte anzubieten, falls diesen das nächste Mal wieder das Budget für einen anständigen Sound ausgeht. Respektlos und Unverschämt gegenüber den Künstlern, die auf der Bühne alles gegeben haben, und von undeutlichen Boxen hoffnungslos übertönt wurden. 

Anime in Concert hingegen war fraglos der unangefochtene Höhepunkt der Animagic. Ein 40-köpfiges Orchester spielte wie jedes Jahr berühmte Animestücke neu auf, und ich werde im positiven Animagicbeitrag darauf eingehen, was mir daran alles gefallen hat. Hier aber sind wir auf der dunklen Seite der Macht, dem Gangster's Paradise, dem Bankett der Nitpicker, und da muss ich leider sagen, dass das Konzert nach meiner hohen Erwartungshaltung äußerst ernüchternd und durchwachsen war. Von absolut stümperhaft und konfus geschnittenen Anime-Szenen(Das Einspielen des grässlichen Pokemon XY-Anime zum Pokemontheme war herrlich, weil sofort ein empörtes Raunen durch die Menge ging) auf der Leinwand im Hintergrund zur Musik über viel zu lange Musikstücke einzelner Franchises die teilweise über sechs bis sieben Minuten gingen, bishin zu so vollkommen unverständlichen und hanebüchenen Programmpunkten wie dem alten Vorabend-Fernseh-Anime Sindbad - Eine nicht nachzuvollziehende Auswahl, die der verwirrte Konzertsaal dann auch noch Stück um Stück länger als fünf Minuten ertragen musste. Dann kam das Digimontheme, ein großer Applaus machte sich breit, der schnell erstarb, als es nur die Balladenversion war. Am Ende gab es dann doch noch das Original, aber auch hier hat kaum noch jemand wie vom Dirigenten gewünscht mitgesungen, die Stimmung war seltsam. Allgemein hätte man wie ich finde auf kürzere Behandlungen, und dafür mehr Varianz setzen sollen. Und es gäbe derartig viele große Soundtracks, die von einem fähigen Orchester ein auditiver Hochgenuss wären, dass ein Programm, das letztendlich von Namen wie Kiki's kleiner Lieferservice, Sindbad oder Ponyo dominiert wird, schlichtweg wie Häme wirkt, und das hat sich auch unangenehm in der Stimmung gezeigt. Eine versäumte Chance, lieber Dirigent, auch wenn Sie Ihren persönlichen Geschmack in die Titel einarbeiten wollten. 

Als allerletzten Kritpunkt ist für mich eine emotionale Enttäuschung zu nennen, die mir fast die Augen feucht werden ließ - Ich weiß, ich war naiv. Es war mein erstes Mal auf einer solchen Messe, und so auch das erste Mal, dass ich Interesse an Autogrammen gezeigt habe. Dennoch glaube ich, dass auch die Animagic hier Fehler gemacht hat. Wovon rede ich? Ich wollte Autogramme von drei Personen bzw. Kollektiven - Den Violet Evergarden-Leuten, allen voran Violet's Synchronsprecherin, den Youjo Senki-Anime-Verantwortlichen und dem Overlord-Novelautor. In dieser Reihenfolge. Während die letzteren beiden für mich Bonus waren, war für mich der Höhepunkt der Messe, Yui Ishikawa gegenüberzustehen und ein Autogramm von ihr zu bekommen. Im Programmheft Stand die Uhrzeit des entsprechenden Events, direkt darunter 
"First come, first served." Tut mir leid, vielleicht bin ich einfach nur zu dumm, aber wenn ich eine Uhrzeit und ein Wer zuerst kommt, malt zuerst darunter lese, sehe ich da einen Zusammenhang. Wir waren also 30 Minuten vor Beginn der Autogrammstunde da, sehen wenig verwunderlich eine biblische Schlange, ich war aber mehr als bereit, mich anzustellen - Nur um von den Besitzern von nummerierten Karten zu erfahren, dass man diese direkt nach Messebeginn um 10:00 Uhr hätte abholen müssen. 
Das war gemeint mit first come first served. Wer keine Karte hat, bekommt kein Autogramm. Niedergeschlagen und enttäuscht verlasse ich die Schlange und hake das ab. Bei Youjo Senki das Selbe. Ich wiederhole mich, vielleicht lag es an mir, dass ich so dumm war. Aber MÖGLICHERWEISE, nur VIELLEICHT, ist es ein GANZ KLEIN WENIG IRREFÜHREND, DASS ABSOLUT NIIIIRGENDWO DARAUF HINGEWIESEN WIRD, DASS MAN FÜR DIE AUTOGRAMMSTUNDE TICKETS BRAUCHT, UND DASS DIESE DIREKT NACH MESSEBEGINN ABGEHOLT WERDEN MÜSSEN, WENN IHR DEN VAGEN HINWEIS DARAUF UNTER DIE UHRZEIT DER AUTOGRAMMSTUNDE SELBST SETZT, IHR INKOMPETENTEN KNALLKÖPFE!!!!! AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA
AAAHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH
HHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHHH!!!!!!!!!
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!



Gut, es geht wieder. Das mit Overlord hat als Einziges tatsächlich geklappt, und das auch nur, weil KSM Anime, ein Publisher den ich normalerweise hasse und verachte, hier aber schweren Herzens positiv hervorheben muss, die Tickets im Vorfeld verlost hat, und ich eines davon gewonnen habe. Okay, man darf es etwas seltsam finden, dass man trotz gewonnenen Ticket 1 1/2 Stunden in einer gigantischen Schlange warten muss, aber hey, ich stand einem meiner Helden gegenüber und hab jetzt eine Autogrammkarte als kleinen Trost. Genauer gehe ich darauf im positiven Eintrag ein. Auch hier allerdings ein Wehrmutstropfen, der eigentlich nur noch mit einer Menge Zynismus und schwarzem Humor verdaut werden kann - Jeder der im Vorfeld ein Ticket gewonnen hat, hat ein Autogramm zugesichert bekommen. KSM hat allerdings dermaßen viele Gewinner gezogen, dass sie ein paar Personen hinter mir gestoppt und die Leute weggeschickt haben. Ja, ganz genau - Wäre ich drei Plätze weiter hinten gewesen, hätte es kein Autogramm gegeben. Ihr gewinnt im Vorfeld, freut euch ein Loch in den Bauch, steht zwei Stunden an und beobachtet eure Idole aus der Nähe, wie sie Autogramme geben, nur um dann weggeschickt zu werden weil KSM falsch kalkuliert hat. 
Was für eine gottverschissene Meisterleistung KSM, 
du mei - ne - Fresse

Liebe Leser, liebe Leserin - Ich merke, wie meine Emotionen zunehmend hochkochen und mein Vokabular stetig vulgärer wird. Gut für uns alle also, dass ich am Ende meines ernüchternden Berichtes zur Animagic 2019 bin. Es war enttäuschend, es war frustrierend, es war kaum glanzvoll, und es lehrte uns Leipzigern Demut vor unserer eigenen, kleinen Messe, die wir immer als selbstverständlich und unterlegen hinnahmen, und die doch alles besser macht als seine große, unansehliche Schwester. Es waren dennoch ein paar schöne Tage in Mannheim, weil ich sie zusammen mit drei Freunden zugebracht und einige besondere Dinge auf der Animagic erlebt habe, aber alles, was Positives bleibt, kam nicht von der Messe selbst. 

Spielt ihr mit dem Gedanken, die Animagic zu besuchen, macht es ruhig - Bildet euch selbst ein Bild, aber seid vorbereitet und erwartet nicht zu viel. Wir zumindest sind uns sicher, dass der Ausflug auf die vermeintlich glanzvollste J-Messe des Landes einmalig bleibt, denn das Einzige, was diese wirklich von anderen Messen unterscheidet, sind die prominenten Stargäste, an die man kaum herankommt.
Tut mir leid, aber dafür ist mir mein Leben zu kurz.

Vielen Dank.





Animagic - You have to look for the magic. Very hard. 

- Yoraiko




7 Kommentare:

  1. Das war der beste Beitrag, den ich jemals gelesen habe. Super unterhaltsam, sehr informativ und nachvollziehbar. Ich glaube auch Leute die nichts mit Manga-Messen am Hut haben, würden deine Meinung größtenteils teilen. Wirklich gute Arbeit!

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  2. Vielen Dank für den tollen Bericht! Ich weiß schon, warum ich dort nie hingefahren bin. Ich bewege und ernähre mich doch gerne auf Conventions...

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  3. Das ist Quatsch. Die Animagic war z.B.in Koblenz am Besten!!!! Man muss in Mannheim nur wissen, wie man es machen muss. Wasser gibt es kostenlos am Wasserturm, Lebensmittel im nahegelegenen Lidl. Schade, dass man nur seine Sicht seiner ersten Ani mitteilt. Und ich bleibe dabei, die Animagic WAR in Koblenz am Besten. Tipp: man geht nicht Freitags in den Händlerraum, sondern Samstags oder Sonntags ;)

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    1. Na ja ist halt "mein" Blog und alle meine Freunde waren der selben Meinung.

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  4. Also ich kann dir bei einigen Punkten echt überhaupt nicht zustimmen. Ich war bisher zwei mal auf der animagic. Klar beim ersten mal is es etwas viel auf einmal aber wenn man sich einen Tag die zeit genommen hat um sich zurecht zu finden, dann geht es meiner Meinung auch. Das bei Autogrammstunden eine halbe Stunde vorher da sein schwierig ist, das ist für mich persönlich allerdings klar. Aber wie gesagt für mich persönlich. Das Programmheft finde ich persönlich immer sehr gut organisiert. Am besten ist wenn man neu dort ist, sich einen Plan zu machen und sich selbst genug Zeit zum durchatmen zu lassen und sich im rosengarten umzuschauen. Zum Schluss muss ich sagen ich kann einige deiner Punkte sehr gut verstehen, aber man muss auch sagen das man die lbm und die animagic überhaupt nicht miteinander vergleichen kann.

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