Donnerstag, 11. Juli 2019

RPG Maker-Review - Vampires Dawn (2001)






Erstellungsjahr: 2001
Ersteller: Marlex
Genre: Fantasy, Mystery, Adventure
Spielzeit: Ca. 10 - 15 Stunden
Engine: RPG Maker 2000


 

 

Die deutsche RPGMaker-Szene hatte in meinem Leben schon immer einen festen Platz, und darum werde ich auch in mindestens dem einen oder anderen eigenen Artikel länger auf sie eingehen, vorher aber beginne ich schon, meine Kritiken zu einigen Spielen, die aus ihr hervorgegangen sind, hochzuladen. Wer Retrospiele beziehungsweise hübsche Pixelgrafik mag, kann in dieser Kategorie durchaus ein Auge aufhalten. Wir beginnen mit einem der bekanntesten Vertreter, Vampires Dawn.

 


Was kann man zu diesem Spiel sagen, was noch nicht irgendwo in den weiten des deutschen Interwebz gesagt wurde? Es löste Anfang der 2000er einen großen Boom der deutschsprachigen Makerszene aus, in dem es u.a. in der Screenfun vorkam, genoss immer eine äuße4rst vokale Fangemeinde, hat nach wie vor einen ambitionierten Entwickler, ist dem Ruf nach nicht in Würde gealtert und nutzt zu viele unzeitgemäße Mechaniken.
 

Vampires Dawn war eines von zwei Makerspielen, auf das ich gekommen bin, indem ich als kleiner Racker meiner Mutter dabei zugesehen habe, wie sie es auf dem PC spielt. Dabei hat sie mir immer die Texte vorgelesen. Okay, man darf sich jetzt darüber streiten, wie erzieherisch wertvoll es ist, mit seinem kleinen Kind Vampires Dawn zu spielen, aber sparen wir das erst mal aus. Da meine Mutter nicht sehr weit kam, bevor die Frustrationskeule sie unsanft aus dem Spiel beförderte, probierte ich es einige Zeit später selber und war sofort gepackt von der dichten Erzählung und der Atmosphäre, für meine damaligen Maßstäbe. Insofern hat das Kind in mir Vampires Dawn als mein zweites Makerspiel in guter Erinnerung. Der alte Mann in mir muss da ehrlicher sein, denn ich weiß, dass VD kein wirklich gutes Spiel ist, im Gegensatz zum Nachfolger.
 



Vampires Dawn ist eines der wenigen Makerspiele, die mir beim erneuten Durchspielen wirklich keinen Spaß gemacht haben und die ich eher ungerne gespielt habe. Natürlich wusste ich, worauf ich mich einlasse und ein VD ist nun mal historisch relevant, aber so ehrlich muss man dann auch sein. Dabei bekommt man schlicht genau das, was man erwartet und was dem Spiel immer vorgeworfen wird: Eine Open World mit hauchdünnem roten Faden, unerträgliche Random-Encounter überall wo kein Blut mehr fließt, viel zu hohe Sprünge im Schwierigkeitsgrad, vollkommen belanglose und nutzlose Quests so wie beliebige Städte, um nicht alle Schrunzen des Retro-Urgesteins zu nennen. So vieles, das der zweite Teil richtig und richtiger macht ist im Vorgänger noch nicht mal im Ansatz zu erkennen. Nicht, dass VD2 ein glorreiches Makerspiel wäre, aber dazu mehr an anderer Stelle.

 


Die Story ist, gerade zu Beginn, selbst für heutige Maßstäbe noch ordentlich erzählt, aber ab dem relevanter werdenden Charakter Aysha flacht es leider gewaltig ab und die Handlung beschränkt sich auf ‘Gehe zu Punkt X um Person Y zu töten’. Dabei überzeugen weder die Charaktere noch deren Dialoge miteinander, am ehesten ist Asgar zu erwähnen, aber selbst er entfaltet sich eigentlich erst in Teil 2 so richtig und wird sort zum ikonischen Makerpromi. Grafisch ist Vampires Dawn ebenfalls nur unterer Durchschnitt, bestenfalls. Es existieren ein paar hübsche Maps, aber nichts sonderlich Erwähnenswertes. Das RPG-Maker-Standard-Kampfsystem ist wenig überraschend trotz selbstgepixelter Animationen zäh und wenig motivierend zu spielen, was auch an dem kontraproduktiven Zauberlernsystem liegt, welches einem aller paar Level die Wahl zwischen mehreren Zaubern aufzwingt und sehr stoisch aufgebaut ist. Über Speichersteine wollen wir da mal gar nicht reden, begrenzte Speicherungen in solch einem Spiel sind der Tod. Ich erinnere mich in dieser Hinsicht an die Eismagier auf der Weltkarte - Muss man für eine oder mehrere Quests auf dem Eiskontinent einen versteckten Ort suchen, wird man ständig von Random Encounter-Eismagiern angegriffen, die weit über dem eigenen Level liegen. Flucht ist selten eine Option, und so kann ich mich dann spätestens nach dem zweiten überlebten Kampf gemütlich zurücklehnen, einen heißen Tee genießen und dabei zusehen, wie eine Gruppe Eismagier mich bis ins Blutnirwana friert und meine letzten 2-3 Stunden Spielfortschritt zerschreddert, weil Speichersteine so rar sind. Ja, so war das damals.
 



Was mich dagegen wirklich überrascht hat, war die sehr starke musikalische Gesamtuntermalung des Spiels, die für mich die größte Stärke in Marlex’ Erstling darstellt, wenn er sich die Stücke auch so ziemlich alle nur zusammengeklaut hat. Besser gut geklaut als schlecht gemacht. Da spielen Schmankerl wie Wherever you go, Forever von Stratovarius oder auch das gänsehautbereitende Kirchentheme am Ende. Viele Stücke wurden für mich so als zu Vampires Dawn zugehörig geprägt, auch wenn das fraglos nicht der Fall ist.

 



Was soll man sonst noch groß sagen? Ah ja - Bis zum Ende war das Spiel noch Ertragbar für mich. Kein Bienchen im Hausaufgabenheft, keine wirkliche Freude, aber auch kein schmerzender Hintern. Doch dann kam zuerst der alberne, unfaire Kampf gegen den Königsrat, und schließlich die zweite Form des Endbosses, die ebenso gnadenlos zuschlägt. Was dem Ganzen aber die Krone aufsetzte war das unfassbar deplatzierte und frustrierende Fangspiel mit den Leuchtvierecken im letzten Dungeon so wie die Ätherebene. Ersteres ist noch irgendwie auszutricksen, aber das letzte Gebiet hat fast bei jedem Schritt einen Kampf ausgelöst, unzählige Sackgassen malträtieren einen mit langsamen Laufempo, und das Ganze ist eigentlich Vampires Dawn in einer Nussschale: Schritt, Kampf, Schritt, Kampf, Sackgasse & ganzer Weg zurück, Kampf, Schritt. Ich wäre an dem Abend fast geplatzt. Alleine dafür sollte Marlex sich rückwirkend öffentlich entschuldigen und Schmerzensgelder zahlen. Ist so viel schlechtes Karma ein paar mehr Stunden Spielzeit wert?
 



Wollt ihr ein RPGMaker-Spiel spielen, nehmt ein Anderes. Wollt ihr Vampires Dawn ergründen, startet mit Teil 2, besser noch mit dem von mir in aller Bescheidenheit erstellten Remake Everlasting Blood. In jedem Fall aber, lasst besser die Finger von diesem veralteten Relikt deutscher Makergeschichte.Ein Let's Play hingegen, das kann man mal durchhüpfen. Und wer es moderner mag, wartet auf das Remake.


2/10 Monde für Vampires Dawn



- Yoraiko 

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