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Samstag, 17. Juli 2021

RPG-Maker-Review - Vampires Dawn-Parodien Vampires Deaf & Vampires Dawn 2: Was wirklich geschah

 


RPG-Maker-Parodiespiele sind beinahe so alt wie das Medium selbst - Als fanbetriebenes Entwicklertool wurden damit gerade in den Kinderschuhzeiten der Community damals in den 2000ern oftmals unfreiwillig-komische oder auf ihre eigene Art und Weise schrullige Rollenspiele erstellt, welche häufig an Final Fantasy und Konsorten erinnern sollten. Und ebenso wie Final Fantasy hat auch der RPG Maker in dieser Zeit seine ganz eigenen Tropes, Klischees, Stereotypen und wiederkehrenden Elemente kultiviert, über die sich die popkultrell-geprägte Spielerschaft natürlich im Klaren war - Selbstironische Parodiespiele waren da nur der logische nächste Schritt.

Als größte und erfolgreichste Marke der deutschen RPG Maker-Bewegung zog natürlich auch Vampires Dawn einige dieser Pixel-Kabarettisten an, als eine Marke die in ihrer bluternsten Erzählung derartig viel Stoff für spöttische Neuinterpretationen bot, dass sie auch über feste Parodien hinaus immer wieder in Spielen dieses Mediums auf die Schippe genommen wurde. Unter so mancher Trashgame-Veräppelung wie etwa Vampires Peal verbarg sich aber auch mal die eine oder andere Lacher-Perle, und zwei davon möchte ich hier kurz vorstellen: Vampires Deaf und Vampires Dawn 2: Was Wirklich geschah, die beiden relevanten Vampires Dawn-Parodien.

Zwar gibt es allerhand allgemeine RPG-Maker-Genreparodien (Beispiele dafür wären Quest for Whatever I + 2, Rpg Maker Cutscenes, Sonnenschauer, Ritter on the Run, ...) doch diese Spiele beschäftigten sich beide recht explizit mit der Vampires Dawn-Marke, auch wenn sie das auf sehr unterschiedliche Wege taten. 


Vampires Dawn 2: Was wirklich geschah von Jander


Der 2. Teil von Marlex' Vampir-Trilogie bot 2005 unbestritten die stärkere Geschichte und interessantere Welt als sein Erstling, und so verwunderte es nicht, dass eben diese Geschichte am ehesten auf die Schippe genommen wurde. VD2: WWG ist ein selbstablaufender Parodie-Film, bei dem man nur Textboxen weiterzudrücken hat, der explizit und ausschließlich für Kenner der Vorlage funktioniert. Chronologisch werden intensive Szenen des Originals hier durch den blutfreien Kakao gezogen und ins Absurde verdreht, etwas das für Neulinge schlichtweg keinen Mehrwert bietet weil sie den Kontext nicht kennen - Aber das ist bei Parodien ja oft der Fall. 

Insgesamt kann ich VD2: WWG aus heutiger Sicht kein gutes Zeugnis mehr ausstellen, weil die Situations-, und Dialog-Komik über weite Strecken recht platt und pointenlos daherkommt und selbst für eingefleischte Fans des Franchises wenig unerwartete Ulks verborgen sind. Vor allem wenn Jander die Wortwitze weglässt und einfach absurde Szenen animiert, ist dann aber doch mal ein Lacher drin.

Das Spiel teilt sich auf 2 verschiedene Ordner auf, was nicht nur vollkommen unnötig, sondern am Ende auch der traurigste Witze am Projekt ist: Die 2.Hälfte wurde nie vollendet, so dass das Spiel dann einfach mit der Nachricht 'Ich hab keine Zeit mehr zum Makern, ciao' endet. Danke Jander, für die Erinnerung der Vergänglichkeit dieses Mediums. 

Für VD-Fans der ersten Reihe, an denen dieses Schmankerl vorbeiging, ist es für die 1-2 Stunden dennoch einen Blick wert. 


Vampires Deaf von !Zero! 


 

Der eigentliche Star ist Vampires Deaf. Auch dieses Spiel teilt sich unnötigerweise in 2 Hälften auf, die jedoch beide überzeugen können. Vampires Deaf widmet sich zwar Vampires Dawn, dazu kommen aber gleich nochmal zwei andere Maker-Größen der damaligen deutschsprachigen Community, Unterwegs in Düsterburg und Dreamland. Derartig gestärkt mit der Dreifaltigkeit der Nostalgie parodiert sich Vampires Deaf munter durch die verschiedensten Makerwelten, inkludiert dabei immer mal wieder weitere bekannte Titel und schafft es obendrein auch noch, eine irgendwie ganz eigene, absurde Atmosphäre und Handlung aufzuziehen. Auch Vampires Deaf ist ein selbstablaufender Film, und obwohl eine Option für automatische Textboxen wünschenswert gewesen wäre, ist der Humor hier stärker als in VD2: WWG oder vielen ähnlichen Parodien. Größtenteils natürlich infantil, aber für Makerkenner regelmäßig mit gelungenen Gags garniert. Außerdem ruscht es nie zu sehr ins Vulgäre, was immer respektabel ist. 

Obwohl diese Parodie irgendwie ihre ganz eigene, verrückte Welt auf die Beine stellt, besitzt die Handlung wenig-überraschend kaum einen roten Faden, so dass die Hauptcharaktere nur durch wahllose Zufälle immer wieder übereinanderstolpern - Ein durchaus amüsantes Konzept, das im Großen und Ganzen auch aufgeht.

Optisch bietet diese kleine, alte Parodie so viel mehr als man erwarten würde, es gibt viele nette Schauplätze, darunter einige wirklich einprägsame Orte, und zahlreiche liebevolle Animationen und eigene Pixelkunstwerke. Der Eindruck vom Spiel ist im Rahmen des Genres hochwertig, auch mit dem bemühten Hauptmenü.

Die Musik enthält viele popige Midis aus kommerzielen Quellen wie damaligen Musikcharts, vor allem das Stück Californication ist für mich ikonisch mit Vampires Deaf verbunden und DAS Theme dieses Spiels.

Mit 'Deleted Scenes' und im Maker versteckten Entwicklernotizen gab es dann sogar noch ein paar belohnende Extras oben drauf. 

So ist Vampires Deaf zurückblickend eine gelungene Parodie, die einen angenehmen Spagat aus akzeptablem Humor, toller Kulisse und ulkiger Atmosphäre vollbracht hat - Für 90 bis 120 Minuten Spielzeit. Für Makerkundige eigentlich ein Muss.



Persönlich würde ich VD2: WWG heutzutage mit 4 von 10 und Vampires Deaf mit 6 von 10 Punkten bewerten, aber darum geht es gar nicht so sehr: Es sind kleine, selbstgemachte Franchise-Parodien, die vor allem damaligen und heutigen VD-Fans immer noch Freude bereiten können, und das - sei es nun 2002 oder 2021 - ist in jedem Fall immer der Kerngedanke des RPG-Makers gewesen.

Ich bedanke mich, dass ihr dieses kleine Review verfolgt habt, hoffe ihr habt eure Freude mit den Spielen und werde sicherlich bald auch mal die allgemeinen Parodien des Mediums adressieren.


Bis dahin!


- Yoraiko

 

 

 





um 7/17/2021 09:09:00 PM Keine Kommentare:
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Kategorien: 09. RPG Maker-Reviews

Freitag, 25. Juni 2021

RPG Maker-Review: Sternenkind-Saga (2014) - Bipolarer Fantasy-Roman




Videospiele, oder ganz allgemein mediale Produkte, welche sich über einen sehr langen Zeitraum in der Entwicklung befinden, haben einen gewissen Fatalismus an sich - Die Fallhöhe der Erwartungshaltung mal mehr mal weniger zahlreicher Fans steigt bei solch transparenten  Prozessen exponentiell mit jedem weiteren Monat an, schürft Leidenschaft und Vorfreude wie ein sengendes Hexenfeuer. 

 

Nicht erst seit Duke Nukem Forever, Star Wars, Cyberpunk 2077, Last of Us 2, LOST, Suicide Squad, Frozen 2, Kingdom Hearts 3, Pokemon Sword & Shield oder No Man's Sky wissen wir, dass die prestigereichsten Franchises durch eine jahrelange Glanzpropaganda, vollmündige Versprechungen, zahlreiche Vertröstungen oder schlichtweg kackendreiste Lügen zu hochexplosiven Atombomben werden können. Brennende Zugwracks, die unaufhaltbar auf die größtmögliche menschliche Enttäuschung zurasen.

 

Ausgerechnet aus der deutschen RPG-Maker-Szene, Indiespielschmiede der Leidenschaft, Von Fans für Fans, mehr mit Herz als Kommerz, hat sich 2014 ein weiterer, trauriger Vertreter in diesen Algorythmus der Schändlichkeit gesellt. Das Projekt Sternenkindsaga, das bis zu seinem vorläufig-endgültigen Release mehr als 12 Jahre(!!) von mehr als 20 Leuten(!!) entwickelt wurde, trat an als das unumstritten ambitionierteste Projekt seit Entstehung der deutschsprachigen Makerszene. Viele Jahre lang wurde der Hype darum geschürt, angefeuert, die SKS-Community wuchs stetig weiter und verwandelte sich letztendlich fast schon in einen Kult. 

 

Nun, viele Jahre nach der Veröffentlichung der kostenlosen Vollversion, nehme ich mir die Zeit, um Sternenkind-Saga ausführlich vorzustellen und zu besprechen. Dabei ist das Spiel, wie ich es eben schon angedeutet habe, in meinen Augen das größte Debakel und die konkurrenzloseste Enttäuschung der Makercommunity überhaupt, ein unkohärenter, diffuser Clusterfuck, der einem strengen Zeitlimit und zu hohen Amibitonen zum Opfer gefallen ist.

 

In diesem Text soll es ausschließlich um das Spiel gehen, seine Elemente, seine Qualitäten und Schwächen. Für den gesamten Kontext des Debakels, eine persönliche Perspektive und das Drumherum könnt ihr euch dieses Video in Besprechungsform ansehen, oder dieses kurze Freisprech-Review, falls ihr eine knackige Zusammenfassung einem langen Text vorzieht - Dann aber frage ich mich, was ihr mit Sternenkindsaga wollt.


Sternenkindsaga mag qualitativ nicht bis zum Ende halten, was es euch verspricht, doch dies betrifft ausschließlich die zweite Hälfte des Spiels. Warum die erste Hälfte dennoch das Beste ist, was ihr vermutlich jemals im nonkommerzielen Pixelsegment sehen werdet, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen. 


Krieg im Lande Karadon - Ein Welt voll Götter, Wikinger und Wolfsmenschen
Die Basis des Spiels bildet die vollständig vom SKS-Team erdachte Fantasy-Welt rund um das wikingeresque Land Karadon, das im Zeichen seiner acht Gottheiten ein Ort stolzer Krieger und Heldentum ist. Man merkt dieser Pen & Paper-ähnlichen Welt ihre lange Entwicklungszeit mit ihren eigenen Göttern, Religionen, Kulturen und Ländern wirklich an, selbst wenn es hier und da große Parallelen zu Fantasy-Franchises wie Herr der Ringe oder Skyrim gibt, ist die Welt von Sternenkindsaga unheimlich komplex, vielfältig, kreativ und immersiv, so dass die Entwickler ihr Spiel nicht grundlos als 'Ausgedehnten Roman' verstehen - Ein entspannter Abend mit Tee und Kaminfeuer im Hintergrund, so taucht ihr am besten in diese Welt ein. 


Die Handlung setzt mit einer dramatischen Rückeroberungsmission ein - Wolfsmenschen, auch Garzesh genannt, haben sich der Insel Bergenthorn nordwestlich von Karadon bemächtigt, so dass das martialische Wikingervolk diese blutrünstige Pest nun mit einer großen Schiffsflotte wieder in die Bedeutungslosigkeit zu kehren gedenkt - Ein Vorhaben, das tragisch scheitert. Fortan werden Rekruten aus dem ganzen Land in die ehrwürdige Drachenhalle zusammengerufen, um eine neue Armee für einen weiteren Angriff zu bilden. Darunter befindet sich auch Haaki Weykenson, der Protagonist, welcher schon von Kindesbeinen an anders war als viele der Jungen in seinem Alter - Denn er ist ein Sternenkind, und alles weitere... liegt bei Euch, dem Spieler. 

 

Die Geschichte ist gerade am Anfang sehr spannend, kann einen aber auch leicht überfordern, da man ersteinmal in diese gigantische Welt voll Fachbegriffen, eigenen Göttern, Sternzeichen und Fantasywesen hineinfinden muss. Hat man das geschafft, will man kaum noch wieder weg, zumindest wenn man des Lesens nicht müde wird - Sternenkindsaga polarisiert vor allem darin, dass es ein Textmonster ist, das textlastigste Makerspiel das existiert, und sind die Texte auch allesamt auf hohem Romanniveau muss man dafür in der Stimmung sein. Jeder kleine Gegenstand und jeder noch so unscheinbare NPC bekommen einen liebevollen Dialog der uns etwas über die Charaktere oder die Welt erzählt, nichts ist austauschbar. Während die Handlung in den ersten Stunden eher der rote Faden ist, der einen durch diese immense Welt führt, nimmt sie gegen Ende der ersten Spielhälfte gewaltig Fahrt auf und bleibt erzählerisch nicht weit hinter kommerzielen Rollenspielen wie Witcher 3 oder Skyrim zurück.  

In der zweiten Hälfte dann geht es fast nur noch um die im Kern des Plots stehenden, mysteriösen Garzesh, die Geheimnisse dieser Welt und die dunklen Schatten Karadons, etwas das spannender klingt als es tatsächlich ist, denn in der zweiten Hälfte fällt vor allem die Geschichte in ihre morschen Einzelteile zusammen und offenbart rauchende Ruinen, doch dazu unten mehr. 

 

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Sternenkindsaga's Welt auch auf kommerzieler und nicht-videospielerischer Ebene mit zu dem Komplexesten, Liebevollsten und Atmosphärischsten gehört, was ich je gesehen habe. Diese Welt ist ein Paradies für Abenteurer, mehr als irgendein anderer Ort in einem Videospiel.  


Die Charaktere - Helden, Götter und Narren

Neben Haaki Weykenson, auf den ich aufgrund seiner betonten Formbarkeit durch den Spieler weiter unten noch eingehe, besteht eure vierköpfige Heldentruppe aus auf den ersten Blick eher unscheinbaren Genrevertretern: Der bullig-waffenerfahrene, einfach gestrickte aber herzensgute Hühne Gorath, die burschikose, kampfeslustige Amazone und Kindheitsfreundin Svenja, und der verschlossen-kultivierte, gebildete Veteran Arson. Es ist ein Quartet, das ihr von der groben Beschreibung sicherlich in jedem zweiten Fantasy-Roman in der Bahnhofsbuchhandlung findet, doch das Geheimnis liegt hier wie bei vielen Aspekten von SKS in der Erzählung. Durch die vielen tausend Dialoge und Interaktionen, die dutzenden Stunden an immersiver Spielzeit die ihr zusammen verbringt, die ausgearbeiteten Persönlichkeiten, Ängste, Hintergründe und Träume dieser Truppe ist es einem schon sehr bald fast unmöglich, sie nicht ins Herz zu schließen oder zumindest auf einem Niveau mit Charakteren aus AAA-Produktionen a lá Game of Thrones zu respektieren. 

Vervollständigt werden die Helden durch eine breitgefächerte Riege ebenfalls exzellent-geschriebener Nebencharaktere, etwa die anderen Rekruten, der ikonisch-martialische Ausbildungswarlord Kaylar, zahlreiche wichtige Persönlichkeiten der Drachenhalle oder letztendlich auch die ominösen Garzesh. Es gibt kaum ein Spiel in dem ihr so viele so grundsätzlich verschiedene und variantenreiche Charaktere trefft wie in Sternenkindsaga. Hier wird keine Welt simuliert, das IST eine eigene Welt. 

 

Die acht originalen Götter der Wikinger, zum Beispiel Rachegöttin Tanis, Zeitengott Aion oder Kriegergöttin Tura - bilden zusammen mit vielen weiteren Details der karadonischen Religion eine stimmige Basis für dieses fiktionale Volk und seine zahlreichen Personengruppen. Außerdem stehen sie Pate für einige der wichtigsten Features im Spiel.


Das Gameplay: Zurücklehnen und Genießen

In Sternenkindsaga habt ihr vor allem eines zu tun: Lesen, Lesen und nochmals Lesen. Das ist so fundamental mit allem und jedem in dieser Welt verwoben, das ich es gleich nochmal sage: Ihr müsst es lieben, zu lesen. Wirklich alles in Karadon überschwemmt euch mit langenwierigen und ausgedehnten Texten. Selbst ich, der ich mit einem Schinkenroman in der Hand zur Welt gekommen bin, musste dann und wann bei dem literarischen Erguss eines geheimnisvollen Mehlsacks im Rekrutenkeller und der mehrseitigen Beschreibung eines Abortbesuches mal Stöhnen, aber die fantastische Immersion und die romanartige Erzählstruktur brachte mich immer gleich zurück. Versteht SKS als Roman, dann seid ihr auf der sicheren Seite. 

Abgesehen davon hängt das Gameplay sehr zentral von euren Sternzeichen und Talenten ab, auf die ich gleich in Features eingehe. Ihr erkundet die gigantische Drachenhalle, die saftigen Wälder Karadons, verlassene Leuchttürme und schließlich das lebensfeindliche Wolfsnest Bergenthorn, findet unzählige Schätze und versteckte Orte, entdeckt Geschichten längst vergangener Tage, macht Ausflüge in das Mystery,-, Horror-, oder Romantikgenre und kämpft euch dabei durch allerhand Abschaum niederer Geburt wie etwa Goblins, Diebe, Untote, Harpyen oder eben Wolfsmenschen. 

In der Interaktion mit den vielen NPCs könnt ihr euch auf verschiedenem Wege holen was ihr benötigt, seid ihr ein Haudrauf der einfach alles umnietet oder umwerbt ihr euren Gegenüber geschickt mit Worten? Die erste Hälfte von Sternenkind-Saga legt euch beim Erkunden nur wenige Steine in den Weg, lässt aber dennoch keine spannenden und gut erzählten Missionen vermissen. Schließlich steuert alles auf den inhaltlichen und lang-erwarteten Climax hin und ihr seid Teil einer weiteren Rückeroberungsinvasion der Garzeshinsel Bergenthorn, welche das Ende der ersten Hälfte einleutet.

Dann, in der zweiten Hälfte, ist die Welt deutlich leerer und lebloser, und ihr begebt euch nur noch von einem Zielpukt zum Nächsten.



Die Features: Choose your own Adventure  

Neben der Geschichte und den Dialogen lebt Sternenkindsaga vore allem von seiner schier endlosen Fülle vielversprechender Features, die nicht nur fast allesamt deutlich virtuoser umgesetzt werden als in den meisten (Kommerzielen) Spielen, einige davon gab es in dieser Form vorher auch schlichtweg nicht. Da ist zuallererst das Sternzeichen, unter dem Protagonist Haaki geboren wird: IHR bestimmt die Natur des Helden. Ist er ein verschlagener Dieb, der in allem und jedem zunächst seinen eigenen Profit sieht, ein zartbesaiteter Heiler, der das Wohl der anderen über sein eigenes stellt oder doch ein leidenschaftlicher Dichter, der sich mit seiner Poesie einen Weg in jedes Frauenherz zu erschreiben versucht? Diese Varianz ist NICHT oberflächlich wie wir es aus klassischen RPGs kennen, es bestimmt buchstäblich Haakis ganze Natur und seine meisten Dialoge, was alleine schon den Wiederspielwert immens erhöht. Dann gibt es da die Götter, deren Karma neben Gold die wichtigste Währung im Spiel ist - Ihre Gunst erlaubt oder verwährt euch verschiedene Wunder, Schätze und Fähigkeiten, tut ihr etwas Ehrenhaftes steigt ihr in der Gunst des Einen, ermordet ihr einen Feind im Kampf sinkt ihr in der Gunst des Anderen. Dieses System erwächst vor allem in der ersten Hälfte zu voller Blüte, da ihr immer im Hinterkopf habt, wie eure Taten euren Stand bei den Göttern beeiflussen. Die Wahl eurer Schutzgottheit hat einen eher geringen Einfluss, doch dazu später mehr. 

Das Talentsystem steht für eure Möglichkeiten der Erkundung dieser Welt - Alles in eurer Umgebung wird von euren Talenten beeiflusst und inwieweit ihr diese besitzt. Könnt ihr nicht schwimmen, bleiben Gebiete hinter Flüssen euch verborgen, habt ihr keine geschärften Sinne verpasst ihr viele Geheimnisse, könnt ihr keine Schlösser knacken bleibt die Tür wohl zu, könnt ihr nicht Flirten, gilt das auch für die Hose jeder Frau. Es gibt so viele Talente und so komplexe Auswirkungen, dass es schier unmöglich ist, alles was die Welt zu bieten hat in einem Durchlauf zu entdecken - Etwas, das den Spielverlauf noch individueller gestaltet und zum Wiederspielen motiviert. 

Später könnt ihr - Gemessen an eurem Sternzeichen - noch eine eigene Stadt(!!) aufbauen und diese gleich einem Age of Empires individuell mit den Gebäuden eurer Wahl bestücken. Ähnlich einem Fußball-Manager könnt ihr eine sogenannte Orkball-Mannschaft aufstellen und an einem Turnier teilnehmen, Ihr seid in der Lage Tränke zu brauen, eigene Ausrüstung zu erschmieden, dürft unzählige Minispiele wie etwa das Abschießen eines Katapults absolvieren und dabei viele, in mühevoller Kleinstarbeit gezeichnete Artworks bewundern, welche die Zeichner des SKS-Teams beigesteuert haben. 

Auch etwas, das ihr innerhalb der Makerszene nur bei Sternenkindsaga - Und darüber hinaus in dieser Qualität nur selten - findet, sind die romantischen Beziehungen. Es gibt verschiedene weibliche Charaktere im Spiel, mit denen Haaki eine Beziehung aufbauen und pflegen kann. Das richtet sich grundsätzlich nach dem von euch gewählten Sternzeichen, doch das letzte Wort habt ihr. Diese Beziehungen halten zahlreiche exklusive Szenen, viele ernsthaft-gute Romantik und spätere Beeinflussungen des Spielverlaufs bereit. Und vergesst nicht - Der Wiederspielwert. Sobald ihr mit dem Schlagen roserner Kriege fertig seid, könnt ihr euch wieder auf richtige Schlachtfelder begeben.



Das Kampfsystem - Besser als Standard.

Lange Zeit über hielt Sternenkindsaga das textbasierte Standardkampfsystem des RPG Makers bereit, das nichts besonderes war, aber auch niemanden störte. Mit der Vollversion wich dies einem Sideview-Strategiekampfsystem aus eigener Feder, das eine deutliche Verbesserung darstellt. Mit eigenen Kampfpunkten könnt ihr Fähigkeiten freischalten und diese dann mit euren vier Recken individuell einsetzen. Drei verschiedene Schwierigkeitsgrade so wie das Karma der Götter und euer Talentsystem sorgen dafür, dass ihr euch das Kampfgeschehen so zusammensetzen könnt, wie ihr es am liebsten habt - Entspannt und zurückgelehnt um nicht eure Immersion zu stören oder schwer und fordernd wie in einem klassichen Pen & Paper. Dann und wann macht das Balancing mal einen unfairen Schwenk nach oben, aber alles in allem reiht auch dieser Aspekt sich formschön in die Ruhmeshalle Karadons ein.

Viel mehr gibt es zum Kampfsystem nicht zu sagen, da ihr es nach wenigen Spielstunden vollständig durchschaut habt und es insgesamt recht unspektakulär ausfällt - Es ist solide. 




 

Zwischenfazit: 

DAS GUTE - Die erste Spielhälfte


So weit, so gut. In der ersten Spielhälfte - Also für zehn bis zwanzig Stunden, länger als manch kommerzielles Rollenspiel geht - ist Sternenkindsaga für Lesefreunde das polierteste und liebevollste Makerspiel, das je veröffentlicht wurde. Die Atmosphäre und Detailverliebtheit Karadons ist ohnesgleichen, die Umgebung ist der wahrgewordene Traum eines jeden erkundungsfreudigen Spielers, das Gameplay ist in vielen Punkten individualisierbar und auch die Optik ist - trotz der ausbleibenden, ständigen Oppulenz eines Crosscode oder Vampire Chronicles 3 - in ihrem Mittelaltergenre zumindest im Pixelsegment unangefochten magnifizient und glänzt mit unzähligen Animationen, lebendigen und vielschichtigen Umgebungen und variantenreichen Gebieten. Der Soundtrack ist komplett in MP3 gehalten und setzt sich aus melodisch-folglorischen Klängen so wie antreibenden Kriegsmelodien zusammen - Einwandfrei bis ins letzte Detail. Die Charaktere und die Geschichte fesseln uns wie ein hervorragendes Buch und binden uns auch emotional ans Spiel. Sternenkindsaga stellt sich als eine Reise heraus, die wir nie beenden möchten.

Und dann beginnt die zweite Hälfte. 




Der Absturz - Akt 2

Wie im Vorwort erwähnt werde ich den ganzen Kontext des Entwicklungsprozesses hier außen vor lassen - Dafür gibt es das verlinkte Video. Konzentrieren wir uns also auf die notwendigen Fakten. 

Sternenkindsagas zweite Hälfte kann man auch den Vollversion-Content nennen, also jener Inhalt, der erst mit der finalen Veröffentlichung hinzu kam. Ganz allgemein gesprochen merkt man jeder Minute dieses Contents an, dass er unter Zeitdruck und nachlassender Motivation litt, stellenweise auch ganz offen unter mangelnder Sorgfalt. Dieser Schnitt verläuft interessanterweise exakt gerade - Bis zur Rückeroberungsmission Bergenthorns ist Sternenkindsaga eine qualitative 98 %-Medaille. Zehn Minuten später stürzt es auf 66 % ab und landet am Ende irgendwo bei 32 %. Keine Stelle der zweiten Spielhälfte ist qualitativ besser als eine beliebige Stelle der ersten Hälfte. Bis zum Ende hin wird alles, das ihr bis dato an SKS geschätzt habt weniger, leerer, lebloser, enttäuschender. 

So sind es die großen Schlachten und Kämpfe auf Bergenthorn, die euch lange in Aussicht gestellt und hochdramatisiert werden, die ihr als Einzige dann letztendlich ganz oder teilweise verpasst, weil ihr geschlafen habt. So sind es die über dreißig, vierzig, fünfzig Stunden aufgebauten Plotstränge, Hintergrundgeschichten und Antagonisten, die in den letzten Stunden außeinanderfallen, vergessen werden oder ein Game of Thrones-Treatment bekommen. 

Karadon kind of forgot about the Garzesh.

So ist es eure eigene Stadt Sanasheym, welche trotz dem immensen Aufbauprozess letztendlich nicht mehr ist als eine Ansammlung unbetretbarer Pappaufsteller, welche euch bedeutungslose Bonuspunkte einbringen - Talentpunkte, die ihr nicht mehr braucht, weil man spätestens in Bergenthorn alle Talente vollgeskillt hat, Karmapunkte die ihr nicht mehr braucht weil alles was die Götter euch bringen Fähigkeiten sind die ihr längst habt, Kampfpunkte die ihr nicht braucht weil ihr alle Angriffe längst beherrscht, Gold, für das ihr keinen Nutzen habt, weil es nichts Sinnvolles mehr zu Kaufen gibt. Diese Unfertigkeit erreicht geradezu groteske Ausmaße, als ihr feststellt, dass ihr euren eigenen, riesigen Dorftempel nicht betreten könnt. Die Umgebungen und Gebiete werden einsilbiger, wenig Verstecktes und Optionales wartet auf euch, von überall schreit euch die Intention an, euch endlich zum Ende eurer Reise zu bringen. 

Das vorher noch so makellos und durchdacht wirkende Storykonstrukt offenbart mehr und mehr Logikfehler, wichtige Nebencharaktere tauchen nie wieder auf, euer Love Interest der in der ersten Hälfte noch so wichtig war vergammelt vor sich hin, spannende Nebenquests werden nie wieder erwähnt, Versprechungen die euch von Anfang des Spiels an gemacht wurden werden nicht eingehalten, epische Szenenaufbauten enden in einem sprichwörtlichen und buchstäblichen Wolfsfurz.  

Systeme wie die Wahl eurer Schutzgottheit offenbaren ihre Obsolenz und man fühlt sich unangenehm an Spiele wie die von Telltale erinnert in der Art und Weise, wie man euch Bedeutung vorgaukelt - Die Funktion der Schutzgottheit etwa ist es nur, euch bestimmte Wunder zu verbieten. Das Karmasystem dient einzig und allein zum Erwerb müder Mätzchen, keine Storyeinbindungen, keine späteren Geheimnisse.

Wichtige und liebgewonnene Charaktere werden in Nebensätzen und Miniszenen wegrationalisiert, um euch auf Teufel komm raus eine wenig-effektive 'Krieg isterbarmunslos!'-Message einzuhämmern. Animationen und Szenensorgfalt nimmt ab, Dialoge und Ereignisse werden unglaubwürdiger. 

All das gipfelt dann schlussendlich in einem konsequenten Episode 8-Pendant, dem stimmungsarmen, spannungslosen und stellenweise parodisch-peinlichen Finale. Um mich von 2015 selbst zu zitieren: (Leichte Spoiler)


So unfassbar geil das treibende Theme gerade ist (Himmel…!) - Sehen wir irgendetwas von der Schlacht? Hören wir Kriegsgeräusche? Herrscht abgesehen von der Musik in irgendeiner Form Kriegs/Final-Atmosphäre, etwa durch ein paar Effekte, TintScreen oder so? Habe ich gerade das Gefühl, dass die Scheiße unbeschreiblich am dampfen ist und von mir das Schicksal Karadons in GENAU DIESEM MOMENT abhängt? All diese Fragen sind zu beantworten mit einem Wort: Nein. 
Da findet eine gigantische Schlacht statt. Also, irgendwo da, wo ich absolut nichts davon mitbekomme.

 

Viele Makerspiele haben ein Problem damit, ein stimmiges und konsequentes Finale zu inszenieren. Sternenkindsaga hat es nicht einmal probiert, führt euch wie schon zuvor geschickt an jeder Schlacht und jeder Auftakt-Stimmung vorbei zu einem staubtrockenem und spotteinfachen Storyclimax, der wirklich alles perfekt illustriert, was in der zweiten Hälfte dieses ehrwürdigen Projekts schief gelaufen ist. Selbst das Finale von uralten Makerspielen wie Vampires Dawn, Unterwegs in Düsterburg, Mondschein, Feuer um Mitternacht, Licht und Finsternis und alles was euch sonst nocht einfällt lässt die letzte Stunde der Saga weit, weit hinter sich. 


Auch zum Ende hin erlebt ihr allen voran vergeudetes Potential - Aber das würde zu sehr Spoilern, also sagen wir einfach, das ein befriedigender Abschluss eurer langen Reise in jeder Hinsicht ausbleibt.

Man könnte an dieser Stelle noch stundenlang fortführen, welche Verfehlungen, Kompromisse und Enttäuschungen euch in der zweiten Hälfte von Sternenkindsaga erwarten, aber vielleicht erlebt ihr die bei entsprechendem Interesse einfach selbst - Wahrer Frust fühlt sich besser an als fremder Frust. 


Fazit - Bipolarer Fantasy-Roman

Sternenkindsaga ist für lesefreudige Spieler das beste deutsche Makerspiel, das jemals veröffentlicht werden wird - In der ersten Hälfte. Seine zweite Hälfte dann ist in besseren Momenten durchschnittlich, meistens aber weit darunter. Das wäre in Ordnung, wenn nicht vorher über viele Stunden eine Qualität und Erwartungshaltung aufgebaut worden wäre, die letztendlich zu keinem Zeitpunkt eingehalten werden kann und den ausdauernden Spieler enttäuscht, ernüchtert, irritiert zurücklässt. Fast schon unverschämte Züge nehmen einige lose Enden und unfertige Elemente der zweiten Hälfte an, und Sternenkindsaga ist insgesamt ein Trainwreck, das man auf kommerzieler Ebene in seinem jetzigen Zustand mit einem epischen Shitstorm überzogen hätte, weil es ein unfertiges Produkt ist, welches das SKS-Team wissentlich zu früh veröffentlicht hat. Nun ist das Spiel aber kostenlos, ein Hobbyprojekt, so dass man es nicht zu harsch kritisieren sollte, richtig? Falsch, denn es wirbt darum, eure Zeit, Leidenschaft und Fantasie in sich zu versenken, so dass Kritik ebenso zulässig ist wie Lob. Das Spiel ist ein diamantenverzierter, goldener Krug, dessen obere Hälfte der Füllung köstlich und verzückend ist, während die untere Hälfte aus ausgedörrten, bitteren Bohnen besteht, deren Nachgeschmack sich kaum wieder ausspülen lässt. 


Versteht ihr Sternenkindsaga als zweigeteilte Pixel-RPG-Erfahrung, lässt sich das Projekt dennoch in aller Ausdrücklichkeit empfehlen - Ihr findet in keiner Sprache etwas wirklich Besseres, das sich mit diesem Spiel vergleichen lässt. Doch seid gefasst darauf, dass nicht einmal Sternenkindsaga bis zum Ende so gut sein konnte wie Sternenkindsaga.  

Seit 2018 gibt das Team um Daen vom Clan zudem an, an der sogenannten Kriegsherren-Edition zu arbeiten - Also an einer Überarbeiteten Version, welche viele der Versäumnisse ausbessern und das zahlreiche Spielerfeedback umsetzen soll. Ob und wann diese Kriegsherrenedition erscheint, kann nur Zeitengott Aion sagen, aber wenn die Geschichte namhafter medialer Projekte uns eines gelehrt hat dann dass, dass man sich besser Zeit lässt mit den Geschichten, die man auf seine Fans loslässt - Sein es nun Filme, Spiele oder Romane - Oder alles in einem.


            9,5 von 10 Elfenliebchen für Sternenkindsaga - Die erste Hälfte.
2,5 zerbrochene Fenster für Sternenkindsaga - Die zweite Hälfte.
-> more like Sternenblindsaga am i right bois

 


Weiterführende Links:

- > Sternenkindsaga-Feature in der Staubstube                                                          
- > Das Sternenkindsaga-Forum im RPG Atelier
- > Mein damaliger, 124 Seiten-starker Text-Walkthrough, der eher schlecht als recht gealtert ist


- Y

 

 

 

 



um 6/25/2021 05:29:00 PM Keine Kommentare:
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Kategorien: 09. RPG Maker-Reviews

Samstag, 10. April 2021

RPG Maker-Review - Grim Memoria (2009) von ~Jack~ - Hochglanzpoliertes Indie-Rollenspiel

 

 
Erstellungsjahr: 2009
Ersteller:
~Jack~
Genre:
Fantasy, Shortgame, Drama
Spielzeit:
Ca. 2 - 4 Stunden
Engine:
RPG Maker 20003
 
 
 
RPG Maker-Spiele sind auch nur eine Kategorie von Pixel-Indiespielen, wie wir sie zum Beispiel auf Steam zu tausenden finden. Die Abspaltung dieser beiden Sammelbegriffe ist meistens durch die Qualität (deutscher) Makerspiele erklärt, welche keinen kommerzielen Hintergrund, kein ganzes Entwicklerteam und somit auch keine augenöffnende Qualität vorweisen können. Es ist das Genre der selbstgemachten Rollenspiele, ein Liebhaber-Medium für Nostalgiefans und Freunde des Pixelsegments. Dann und wann aber verschwimmt diese Grenze zwischen Hobbyprojekt und Professionalität, und stellenweise verschwindet sie gänzlich. Prominente Beispiele dieses Prozesses sind To the Moon, IB, Ara Fell oder die ganzen Youtube-Horror-Hits wie etwa IT MOVES oder Mogeko Castle. Bei solchen auf ganzer Linie überzeugenden Machwerken fragt keiner mehr nach der Engine oder dem Ursprung. 
 
 
~Jack~ war ein deutscher Entwickler der Makerszene, der sich den Übergang in die scheinbare Professionalität zum Ziel fast jedes seiner Projekte gemacht hat - bereits in meinem Review zum besten Maker-Kurzfilm 'Loop' von ihm habe ich herausgestellt, wie eine filmnahe Inszenierung und ein gutes Gespür für eine fesselnde Dramaturgie diesen Prozess beschleunigen können. Auch sein Hauptprojekt Vampire Chronicles 3, das selbst im zuletzt-veröffentlichten Demostatus im Juli 2009 zum technisch und audiovisuell herausragendsten zählte, das die Szene je gesehen hatte, war weit mehr als nur ein Ferienprojekt vom heimischen PC. Hätte VC3 den Status einer Vollversion erreicht, so wäre es zweifellos als eines der bedeutensten Projekten der RPG Maker-Community bekannt geworden. Zu unrecht vergessen ist es leider untergegangen, Jack ist nicht länger in der Szene aktiv und die Welt drehte sich weiter. Hier aber soll es um sein Kurzspiel Grim Memoria gehen, das durchaus fertig geworden ist und die Schwelle zur Massenkompatibilität in meinen Augen ebenso erfolgreich hinter sich lässt - Es ist ein hochpoliertes Indie-Rollenspiel, dem man kaum noch Elemente des Makers anmerkt, und für das man unter anderen Umständen gerne Geld auf Steam ausgeben würde. 

Seid ihr interessiert an einer emotionalen, gut durchdachten Geschichte, welche sich in wenigen Stunden innerhalb einer komplexen Fantasy-Welt entfaltet, so lest an dieser Stelle weiter und findet heraus, warum Grim Memoria noch mehr ist als die Summe seiner hochwertigen Teile. 


Tragödie im ersten Akt
 
 
Die Handlung von Grim Memoria schlängelt sich im bekannten Muster durchs Trope-Unterholz: Ein junger Mann namens Geryon wird in einem Fluss an ein einsames Haus im Wald gespült, in dem die herzensgute Bella lebt, die ihn sogleich rausfischt, gesund pflegt und eine Beziehung zu ihm aufbaut. Geryon erinnert sich an nichts und weiß nicht, was der Zweck seiner Existenz ist, also kann er ja auch gleich bei Bella bleiben. Nur eines scheint sich tief in seinem Unterbewusstsein immer wieder bemerkbar zu machen: Sein Drang, frei zu sein. 
 

Es gelingt Jack im ersten Viertel seines Spiels, in wenigen Szenen, Gameplayabschintten und Dialogen ein wohlschmeckendes, harmonisches Storygericht aufzutischen, bestehend aus sympathischen Charakteren, gewürzt mit einer pikanten Chemie. Genau wie Geryon fühlen wir uns hier, in der Umgebung eines idyllischen Waldes mit liebender Freundin geboren und sicher. Das enttäuschte Stöhnen des Unvermeitlichen bleibt also nicht aus, wenn genau dieses Ideal alsbald von Geryons dunkler Vergangenheit wieder eingerissen wird und er härter als geahnt für seinen Wunsch nach Freiheit kämpfen muss. 

Erzählerisch ist es sicherlich Geschmackssache, welcher Abschnitt von Grim Memoria welchem Spieler am besten gefällt, doch ich schätze die erste Stunde des Spiels immer wieder am meisten, weil sie so positiv und simpel ist. Vielleicht hätte Jack den Umbruch dieses Szenarios noch etwas hinauszögern sollen, denn der Rest der Geschichte verläuft stürmischer und düsterer, aber vielleicht sorgt genau diese erzählweise auch dafür, dass kaum Langweile aufkommt.
 
 
 Spielbar in jeder Lebenslage
 
 
Denn auch das Gameplay von Grim Memoria ist für seine übersichtliche Lauflänge mehr als abwechslungsreich gestaltet: Mal geht ihr für das Abendessen Angeln, mal müsst ihr ein Monster mit Fallen in die Ecke drängen, mal Kräuter im Wald Sammeln und mal euch vor blutrünstigen Dieben in einer Stadt verstecken.
 

Stolpersteine gibt es dabei abgesehen von gelegentlichen Storykämpfen kaum welche, da die ganze Spielerfahrung so auffallend hochglanzpoliert ist - Jede Storysequenz steht genau im richtigen Verhältnis zum nächsten Gameplay-Abschnitt, die Minispiele sind alle selbsterklärend und unkompliziert, das Kampfsystem ist einsteigerfreundlich, die Dialoge präsentieren sich makellos. Grim Memoria ist spielbar in so ziemlich jeder Situation und von jeder Person, die etwas mit RPGs anfangen kann. Oder jeder Person, die eine lebendige, vor Aktivität summende Umgebung schätzt. 


 Triple A-Surround Design
 
 
Sprechen wir vom Worldbuilding und dem Niveau des Leveldesigns in den meisten Pixel-RPGs auf dem Markt, kann Grim Mrmoria problemlos mithalten. Dies ist eines der hübschesten und vorzeigbareten Kurzspiele der Makerszene, denn jedes Gebiet im Spiel wurde offensichtlich mit viel Liebe zum Detail erbaut. Diverse umherschwirrende Tiere, zahlreiche unterschiedliche Pflanzen und vor allem aufwendige, magische Effekte sind es, die einen stellenweise vergessen lassen, dass man für Grim Memoria keinen Cent bezahlt hat. Die Gebiete sind klein und für den zeitlichen Rahmen des Spiels eng abgesteckt, halten aber viel Content bereit. 

Die einzige Stadt im Spiel ist gut designed und mit greifbaren NPCs gefüllt, deren Schicksal einem nicht vollends egal ist. Und vor allem, sobald die Umgebungen... fantasievoller werden, lässt sich kaum ein Unterschied zwischen einem Crosscode, einem Octopath Traveler und einem Grim Memoria sehen.

Das World Building profitiert im Kern von der Implikation, dass dieses Spiel Teil der extrem-komoplexen und vielschichtigen Vampire Chronicles 3-Welt ist. Wer diese kennt, entdeckt hier viele bekannte Elemente, kann bestimmte Ereignisse in einen Kontext setzen und weiß die neuen Perspektiven zu schätzen. Im Gegensatz zum Makerfilm Loop hat Jack hier allerdings nicht den Fehler gemacht, dem Spieler diese Querverbindung mit dem Holzhammer aufzuhalsen und damit alle Personen ohne Vorwissen mit großem Fragezeichen dasitzen zu lassen. Solltet ihr vor Grim Memoria noch nie etwas Anderes von Jack gespielt haben, verschlechtert das euer Erlebnis in keinster Weise, da es bei Implikationen bleibt und die Geschichte für sich steht. 
 

No great Game without Music

 

Der Soundtrack ist unter vielen Leckerbissen in Grim Memoria neben der vorbildlichen Optik die eigentliche Star-Besetzung. Bekommen wir in den Gebieten und in ruhigen Situationen wohlklingende Töne der Unaufdringlichkeit zu hören, untermalt Jack vor allem Kämpfe und dramatische Situationen mit Musikstücken aus Brecher-Marken wie Kingdom Hearts oder Xenosaga. Was urheberrechtlich fragwürdig erscheinen mag, entfaltet in der Praxis aufgrund der mystischen Handlung eine so passende und aufregende Wirkung, dass die Jackspiele zu recht die einzigen bekannteren Makerspiele sind, die solch prominente Stücke erfolgreich einbinden.
 

Am allerbedeutensten aber ist die Leistung zu bewerten, dass Jack es in seinen zwei(!) möglichen Enden von Grim Memoria geschafft hat, tatsächliche Popsongs mit Gesang(!!!!) über die Szenen zu legen, damit die glückliche oder eben bittersüße Atmosphäre bis zum Maximalwert zu untermalen und mir jeweils eine Gänsehaut aufzuzwingen, die mich erstmal sprachlos zurückließ. 

Die beiden Enden von Grim Memoria sind in ihrer Inszenierung und Stimmung mit das beste, das ich vom RPG Maker-Medium kenne. Es besteht keine Notwendigkeit, dieses Spiel überhaupt als RPG Maker-Projekt auszustellen.


No Game is without a sin
 
 
Wohl aber muss auch im Hochlganz erwähnt werden, dass kein Spiel - Weder Indie noch Triple A - ohne Fehler auskommt. Das Kampfsystem von Grim Memoria entspricht dem Standard des 2003er Makers, abgesehen von den fantastischen Gegneranimationen. Zum Steigern des Helden Geryon bekommt der Spieler ein ebenso simples Level-System, das sich aller paar Siege aktiviert. Hier kann man Punkte auf jeweils einen von vier Werten verteilen. Verteilt man jedoch falsch, oder grindet an bestimmten, sehr frühen Storypunkten nicht ein wenig, ergeben sich bestimmte Zwangs-Bosskämpfe als schier unschaffbar. Dies kann eine frustrierende Blockade im sonst so flussähnlichen Spielpacing sein und im schlimmsten Fall sogar zu einem Softlock führen. Wahrscheinlicher aber ist, dass es einem nur etwas Grinding auferlegt oder ein paar Anläufe mehr abverlangt. Die Motivation dazu ist unabdingbar, und durch die interessante Story glücklicherweise auch gegeben. 


Fazit - Der Preis der Freiheit
 
 
Grim Memoria ist grundsätzlich ein hochpoliertes, in fast allen Elementen vorbildliches Indie-Rollenspiel, das in realtiv kurzer Lauflänge eine große Bandbreite von Emotionen anspricht. Aber wie in Jacks Spielen so üblich werden auch tiefergehende Fragen nach dem Sinn der eigenen Existenz, dem Wert von Freiheit und der Unvermeidbarkeit des Schicksals aufgeworfen. Damit muss man sich nicht länger beschäftigen, aber man kann. Leichtherzige Minispiele umwerben einen ebenso wie nahegehende Emotionen, fordernde Kämpfe paaren sich mit ansprechenden Dialogen. 

Grim Memoria ist Makergold und ein Vorzeige-Titel der Vergangenheit, der faltenlos gealtert ist und an einen Ersteller erinnert, der in diesem Medium geglänzt hat, leider aber wohl nicht glücklich war. Aber es ist ja manchmal die Erinnerung, die zählt. 



            9 von 10 Kätzchen für Grim Memoria

-> Feels




-Y

 
 

 

um 4/10/2021 06:50:00 PM Keine Kommentare:
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Kategorien: 09. RPG Maker-Reviews

Sonntag, 4. April 2021

RPG Maker-Review - Finstere Träume (2008) von Kelven

 



Erstellungsjahr: 2008
Ersteller:
Kelven
Genre:
Horror, Mystery
Spielzeit:
Ca. 3 Stunden
Engine:
RPG Maker 2000


Kelven hat in den ersten Jahren seiner Makeraktivität einige größere Fantasy-Rollenspiele, aber ebenso klassiche Horrorspiele veröffentlicht, die sich mal mehr mal weniger an den prominentesten Elementen des Genres bedienten. 'Finstere Träume' aus dem Jahre 2008 schien damals auf den ersten und zweiten Blick ein weiterer Vertreter dieser Kelvensparte zu sein, ein stimmiges doch überraschungsarmes Gruselmärchen für zwischendurch im bekömmlichen Retrogewand. Dahinter steckte wesentlich mehr, doch das musste man selbst herausfinden.

Aufgrund der Natur von 'Finstere Träume' ist es buchstäblich unmöglich, ein längeres Review darüber zu verfassen ohne das komplette Erlebnis empfindlich zu spoilern und damit den ersten Spieldurchlauf effektiv zu verderben. Darum gibt es hier in Kürze und Würze das Vorfazit mit dem dringenden Hinweis, dass dieses Werk mehr als die meisten anderen Makerspiele davon lebt nicht gespoilert zu werden und ihr euch, gemäß dem Fall ihr mögt Pixelhorror oder seid gar mit Kelvens Werken vertraut, umweglos heran wagen solltet. Ihr müsst eine Vorliebe für knifflige Rätsel haben, aber mehr Hürden gibt es nicht. Wollt ihr nicht selbst Hand anlegen ist dies ein Spiel, das sich auch sehr gut auf Youtube von einem Lets Player anschauen lässt, im Gegensatz zu den meisten Horrorwerken, die man selbst erleben muss. Und jetzt hört hier bitte auf zu lesen, falls ihr das Spiel nicht durchgespielt habt. Ihr verderbt euch sonst ein hervorragendes Erlebnis. 


Von hier an werde ich also nun offen über Finstere Träume Schreiben und Spoilern. 

 

Es gibt freilich nicht viele Makerspiele in der deutschen Community, die im Kern von einem 'Twist' leben oder in ihrer Story überhaupt welche einsetzen - Und noch weniger gibt es stimmungsvolle Spiele, die plötzlich einfach mal so das Genre wechseln, weder im Pixelsegment noch sonstwo. Wenn wir einen schnellen Blick auf Kelvens damalige Historie werfen - Die Zeit um 2008 herum - sehen wir seine Projekte Deep im Dunkeln, Finstere Träume und Sonnenschauer. Dem Herren war offensichtlich nach Parodie zumute. 


Der Geniestreich, der Kelven mit Finstere Träume meiner Meinung nach gelungen ist war es, ein scheinbares Horrorspiel zu nehmen und es am Ende des ersten Drittels als gänzlich-satirische Parodie auf das Horrorgenre, die eigenen Spiele und diverse bekannte Vertreter zu enthüllen. Wir kennen Beispiele von (Indie-)spielen, die uns zu Anfang eine heile Welt vorgaukeln und sich dann als Horror herausstellen. Doch umgekehrt? Da wird es rarer. Für mich persönlich ist der Twist in 'Finstere Träume' der beste 180°-Turn der ganzen Makerszene, und ich lache heute noch Tränen wenn ich LPern dabei zusehe, wie sie es nicht kommen sehen und dann mental mehr und mehr kollabieren. 


Das wirklich Raffinierte dabei ist, dass die Hinweise darauf sich vorher schon auftürmen, wenn man es denn weiß. Die kleine, großbusige Jessica, die auf all die schrecklichen Ereignisse, die Gewalt und das Verschwinden ihrer Familie mit stumpfer Eiseskälte reagiert? Der selbe, arme Trottel, der als Running-Gag aller paar Minuten von irgendetwas Gefährlichem verschwenderisch-brutal zerfetzt wird? Die pure MASSE von prähistorischen Gruselklischees aus Konsorten wie Silent Hill, Resident Evil oder dem Haunted House-Genre, die hier komplett wahllos auf den Spieler geschmissen werden wie die erste Hälfte eines bestimmten, bekannten Horrorparodie-Films es damals tat? Auch und vor allem seine eigenen Werke lässt Kelven über die Planke gehen, von Aliminator über Desert Nightmare und Calm Falls bishin zu Verlorene Seelen wird alles durch den Kakao gezogen und das mit dem herrlichst-platten Humor der einem im Pixelsegment geboten werden kann. 

 

Das ist nicht selbstverständlich - Kelvens humoristische Parodien sind Hit or Miss. Startet man seine ebenso witzig-gemeinten Werke 'Deep im Dunkeln' oder 'Alex III' wird man nur sehr wenig zu Lachen haben, doch dann eben präsentiert er Spiele wie 'Finstere Träume' oder 'Sonnenschauer' in denen Kelven zeigt, wie fantastisch er stumpftrumpfen Humor umsetzen kann, wenn er denn will. 


'Gewalt ist falsch!'

Ob nun die von den Gewaltpornos ihres großen Bruders abgestumpfte Jessica, der hirn-, doch nicht herzlose Frankensteinverschitt 'Fifi', die erotische Wirkung einer nackten Mutti auf der Folterbank, das ekstasische Kampfsysten, die sich am Ende in haarsträubend-hanebüchener Logik zusammensetzenden Geschichten aller beteiligten Personen oder eben der Twist-Moment - Ganz nebenbei wird da einfach mal die KOMPLETTE Narrative von zwei Weltraumpolizisten eingerissen, nebst euphorischem Heldentheme. Alles in Finstere Träume ist lustig und alles arbeitet hervorragend auf den Twist und schließlich das emotionsgeladene Finale mit den vermutlich besten Credits (Hyperbel, yay!) der deutschen Makerszene hin. Der Wiederspielwehrt ist entsprechend hoch, oder eben die diebische Freude, jemand Ahnungslosem dabei zuzusehen. 



Gruselige Rätsel & Arcadige Kämpfe

Beruhigend und aufreibend zugleich ist die Tatsache, dass Finstere Träume sich nicht auf seinem Twist ausruht - dafür kommt dieser auch viel zu früh, was man durchaus noch etwas hätte hinauszögern können. So aber muss man sich von Anfang bis Ende der Reise durchs Herrenhaus-Labor-Dimensionsvoid mit den typischen Kelvenrätseln außeinandersetzen, das schließt trockene Schieberätsel ebenso wie Zahlencodes und Logikprobleme ein. Manche davon gestalten sich kreativ und unterhaltsam, wiederum andere sind Geduldsproben. Hier und da wird für meinen Geschmack die Frequenz und Komplexität der Rätsel überspannt, was dem humoristischen Charakter und dem Pacing der Handlung schadet, doch wenn man mit der Erwartungshaltung eines Kelven-Horrors den Titlescreen betritt, wird man damit rechnen. 

 

Trotz dem Twist fehlt es 'Finstere Träume' gerade im ersten Drittel nicht an gelungener Atmosphäre und effektiven Jumpcares, was gerade im Releasejahr des Spieles zu Kontroversen führte. Nicht jeder war glücklich über den gefallenen Mantel, nicht jeder begüßte den parodischen Charakter. Viele Spieler trauerten um einen guten Stimmungsaufbau und ein solides Horrorspiel, doch damals wie heute aus der Perspektive des Jahres 2021 übersehen diese Spieler meiner Meinung nach das größere Bild - Finstere Träume hätte ein anständiges Horrorspiel werden können wie Kelvens bis dato existierende Werke, doch durch seinen popkulturellen Rundumschlag gegen sich selbst und alles, was das logikleere und backbillige Horrorgenre gerade im Videospielesegment hervorgebracht hatte, hat es sich in meiner Wahrnehmung einen Platz als das einzige Spiel dieser Art und vermutlich eine der raffiniertesten Ideen mit der urkomischsten Umsetzung überhaupt in diesem Medium in den Maker-Analen gesichert. Es gibt keine vergleichbaren Werke, und auch wenn 'Finstere Träume' durch viele Rätsel und vielleicht eine halbe Stunde zu gestreckter Spielzeit im Mittelteil natürlich kleine Schwachpunkte aufweist, ist dies vermutlich auch jetzt, 13 Jahre später, im Großen und Ganzen noch immer die beste, spielerische Horrorparodie die existiert.

 

Fazit - Dann ist ja alles geklärt.


Als Horrorfan bekommt man von Finstere Träume ein gutes erstes Drittel mit hübschen Effekten und guten Jumpscares. Als Ahnungsloser bekommt man vermutlich die beste Horrorparodie im Pixelspielgenre. Der Humor ist so platt und selbstironisch, dass man sich mindestens ein halbes Dutzend Mal beim Schmunzeln erwischen wird, sei es weil man die parodierten Elemente auch noch aus heutigen Gruselspielen oder Filmen wiedererkennt oder nicht glauben kann, wie stumpf Kelven das noch ins Spiel gezimmert hat. Der Twist ist absolut großartig inszeniert und sorgt für enormen Wiederspielwert, außerdem ist das folgende Kampfsystem ebenso unterhaltsam. Dem gegenüber stehen die vielen Kelvenrätsel, die Geduld und Hirnschmalz verlangen, ebenso wie ein Pacing, das im Mittelteil etwas gestreckt wirkt.

Für mich waren das nur bedeutungslose Kerben auf dem Antliz von etwas Besonderem, und wer dem Gameplay aus dem Weg gehen möchte, der bemüht eben ein LP vom Projekt - Es lohnt sich. Finstere Träume ist etwas Besonderes und es ist Erstaunlich, dass es nicht mehr Parodien dieser Art gibt. Ja, es könnte das lustigste deutsche Makerspiel sein, wäre da nicht Sonnenschauer. So aber ist es immer noch eine bewusst-bescheuerte Überraschungstüte, die sich im Zweifelsfall auch für Maker-Unkundige und Oma Uschi eignet - Die Reaktionen sind Teil des Reizes. 


            8 von 10 Quantenspaltungsdisruptoren für 

Finstere Träume  

-> Yoraiko findet dich genial!


- Y



um 4/04/2021 05:14:00 PM Keine Kommentare:
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Kategorien: 09. RPG Maker-Reviews

Samstag, 13. Februar 2021

RPG Maker-Review: Licht und Finsternis (2005) von Kelven

 


 Erstellungsjahr: 2005
Ersteller: Kelven

Genre: Fantasy, Adventure
Speilzeit: 25 - 30h
Engine: RPG Maker 2000

 

Die Fantasy-Dreifaltigkeit von Makermedium Kelven fand mit dem 2005 als letztes erstellten 'Licht und Finsternis' nicht nur ihr Ende, sondern auch ihren Höhepunkt; nach dem grobschlächtigen Erstling Eterna aus dem Jahre 2003, das weder in Sachen Charaktere noch Gameplay gut gealtert ist, und dem ungeschliffenen Zwielicht von 2004, das zu schwer war und viel Potential liegen ließ, erreichte Licht und Finsternis einen neuen Standard, der heute tatsächlich so noch annehmbar ist - im Geiste alter JRPGs. Das 30-Stunden-Fantasy-Abenteuer von betonter Klassik machte eigentlich alles besser als sämtliche vorhergehende und viele nachfolgende Projekte Kelvens, mit einer vielfältigeren und bunteren Welt, lebendigeren Charakteren, abwechslungsreicherem Gameplay und einem zumindest in der ersten Hälfte adäquaten Balancing. Im Gegensatz zu Eterna und Zwielicht würde ich Freunden solider Oldschool-RPGs auch heute noch Licht und Finsternis ans Herz legen - ohne bisher das moderne Remaster gespielt zu haben, welches aber eher den Look änderte, der nun wirklich das Allerletzte war, das an diesem Projekt überholt werden musste.

Eingangs und zum Abschluss des Vorfazits muss man festhalten, dass auf die deutsche Makerszene gerechnet 'Licht und Finsternis' auch im Jahre 2020 noch eines der besseren Rollenspiele ist, das das Projekt in seinem Gesamterlebnis nicht so hoffnungslos veraltet ist wie ähnliche Titel und das Fantasy-Freunde hier mit ein paar Kompromissen eine gute Zeit haben können. Diese Kompromisse aber fallen vor allem störend auf, wenn man sich mit der Makermaterie auskennt oder ein erfahrenerer JRPG-Spieler ist, und darum sehen wir uns die Bestandteile dieses Mammujtprojektes nun noch etwas genauer an. 

 

 

'I've met my demons, and there are many.' 

Wir spielen Tiaram, einen aufsteigenden Dämonengeneral des Unterwelt-Fürsten Baal, der eines Tages auf einer Routinemission von einem seltsamen grünen Licht in die Oberwelt gezogen wird und dort ohne sein mächtiges Schwert und damit effektiv seine Kampfkraft vor dem Nichts steht. Als Mensch getarnt muss er jetzt nicht nur herausfinden, was es mit diesem Licht auf sich hat, das ihn und andere Dämonen aus der Unterwelt entreisst, er will es auch nutzen, um das heilige Bannfeld, das die Ober-, und Unterwelt seit jäher trennt, auszulöschen und seinem Dämonenfürsten somit den Weg für einen Eroberungszug zu ebnen.  

Dabei begnenn ihm natürlich eine handvoll verschiedener Persönlichkeiten, von der kessen Diebin über die strenggläubige Priesterin bis zur skrupellosen Subbubi.  Doch auch die in der mittelalterlichen Fantasy-Welt von Licht und Finsternis vorherrschende Kirche wird zunehmend aufmerksam auf die auftauchenden Dämonen und holt in Form eines wahnhaften Inquisitors zu einem Präventivschlag nach dem Anderen aus... 

Die Erwartungshaltung, wenn man ein Pixel-Rollenspiel aus dem Jahre 2005 angeht, sollte die Richtige sein und ist es hier vermutlich auch - Die Geschichte könnte altbekannter nicht sein und fließt so gleichförmig vor sich hin wie ein sanftes Waldbächlein. Es werden die typischen Storybook-Stationen abgehakt, jeder Trope und jedes Element das ihr erwartet wird auch in Licht und Finsternis enthalten sein. Doch es ist eine Sache, nichts Neues zu machen, und wiederum eine Andere, damit auch erfolgreich zu sein. Wenn ihr Licht und Finsternis also spielt, weil ihr eines dieser seichten und sicheren Retro-RPGs möchtet, werdet ihr entsprechend unterhalten, weil die Dialoge (Meistens) passabel geschrieben sind und die Welt als Fantasy-Konstrukt überzeugt. Die Klischees sind nicht übermäßig störend eingesetzt und so werdet ihr selten Ächzen vor Augenrollen. Andererseits gibt es auch Rollenspiele - Innerhalb und außerhalb der Makerszene - die bereits 2005 Kreativität und Innovation haben durchblicken lassen, und Licht und Finsternis ist keines davon. Ordnet das mit allen positiven und negativen Implikationen ein. 

 

 

'Ich hab keine Lust zu...'

Eine dieser negativen Implikationen wäre, dass die Fantasy-Handlung von Kelven eben eher zweckmäßig ist, um die Helden durch die verschiedenen Stationen seiner Welt und schließlich zu einem dramatischen Klimax zu führen. So ist es unübersehbar platt, dass viele Wege und Aufgaben überhaupt nur in Gang gesetzt werden, weil Protagonist Tiaram keine Lust zu irgendetwas hat. 'Ich habe keine Lust einen Umweg zu gehen also kämpfen wir uns eben den Weg frei.' 'Ich habe keine Lust hier noch länger zu diskutieren also erledigen wir es einfach.' 'Ich habe keine Lust noch groß zu warten, also risikieren wir es eben.' Das kann man auch ganz praktisch einsetzen, wenn man die Handlung und deren Dialoge auf ein verträgliches Level heruntersimplizieren möchte.

'Ich habe jetzt keine Lust, über unseren emotionalen Konflikt zu sprechen, machen wir das später.'

'Ich habe keine Lust über mein unangemessenes Verhalten einem anderen Charakter gegenüber zu reflektieren, ich frage mich warum alle so schlecht drauf sind?' 

'Ich habe keine Lust.' 

Tiaram hat keine Lust. Ein Glück, denn sonst gäbe es die Hälfte von Kelvens Plot nicht. Das ist abgesehen von der enormen komödiantischen  Note aber tatsächlich weniger störend als man denken könnte, viel mehr ist da Kelvens damalige Angewohnheit zu beklagen, Fantasy-Stories im letzten Akt immer heillos zu überstürzen. Licht und Finsternis weist in der ersten Hälfte ein sehr angenehmes Tempo auf, das euch langsam in Welt und Charaktere einführt, mit dem Konflikt zwischen Kirche, Ketzern, Menschen und Dämonen bekannt macht und den Charakteren Raum gibt, sich zu entwickeln. Dann passieren ein, zwei schlimme Dinge, Bumm, Krach, Peng, Climax. Es hatte gerade in Kelvens älteren und längeren Rollenspielen immer öfter den Anschein, als verliere der Ersteller selbst in den letzten Dritteln seiner Projekte ein wenig die Lust auf diese, so dass die Finalpassagen ein ums andere mal hoffnungslos gehetzt wirken. Das muss einen hier nicht stören, denn die Story funktioniert, aber es sollte nicht unerwähnt bleiben.

Hingegen dringend unerwähnt bleiben sollte nach Ansicht der Kirche in Licht und Finsternis jegliche Ketzerei gegenüber dem allmächtigen Schöpfer Primas, denn wie auch bereits in Eterna und einigen anderen seiner Spiele hat Ersteller Kelven hier seine (damalige?) enorme Abneigung respektive Skepsis gegen die Kirche eingearbeitet und diese als großen Semi-Antagonisten inszeniert. Die Kirche ist machtgierig und egoistisch, und dieser einfache Leitspruch lässt sich in seiner Stereotypität leider auf sämtliche Feindbilder in Eterna, Zwielicht und Licht und Finsternis übertragen. Die sind halt böse, ne.

Wenn ihr diese Schleifsteinfaktoren überseht, bekommt ihr in Licht und Finsternis immer noch eine angemessene Portion Unterhaltsamkeit heraus, die mit einigen gelungenen Twists am Ende gewürzt wird. Als persönliches Loblied sei zudem noch gesagt, dass Licht und Finsternis Kelven' erstes längeres Rollenspiel war, indem es einenm verdienten Epilog mit den Charakteren gab, um deren Zukunft zu beobachten. Macht hier keinen Fehler - Diese Charaktere bringen Freude. 



Daarndy

Protagonist Tiaram ist da sicherlich wie in so vielen Fantasy-RPGs die blasseste Bohne, denn auch wenn sein Dämonendesign genau so wie das von Konkurrent Zelphir wirklich sehr gelungen ist und cool aussieht (Ich hatte länger als ich zugeben möchte einen Crush auf den grünohrigen Schönling) sieht man davon fast über das gesamte Spiel nur wenig, stattdessen... drängt sich sehr schnell ein sehr fauler Geruch von 'Das kenn ich doch irgendwoher' auf. So ist Tiaram in seiner menschlichen Form fast eine exakte optische Kopie des Protagonisten von Feuer um Mitternacht, ein anderes deutsches Rollenspiel, dessen Persönlichkeit er in Zügen auch gleich noch mitbekommen hat, gemischt mit ein wenig Grandy aus Unterwegs in Düsterburg. 

Dann wäre da noch die charmante, schlaue, impulsive und lebensfrohe Diebin Lea, die introvertierte und herzensgute Priesterin Selena, ein vom glauben abgefallener Kriegsveteran, ein böser Succubi der Menschen verachtet... you name it. Jeder Charakter in diesem Spiel ist ein einfaches Klischee. Aber Klischees werden benutzt, weil sie funktionieren, und so funktioniert der Cast hier, und mehr noch, er ist sympathisch und hat abgesehen von der fehlenden Chemie zwischen allen ein paar warmherzige Momente.

Die absehbare Romanze zwischen Tiaram und Lea insbesondere steht sehr gut Pate für die Art, wie die Charaktere in Licht und Finsternis funktionierten: 

Süß, aber denk besser nicht drüber nach. Der Sprung in Tiarams Gefühlwelt von 'Lea ist zwar ein Mensch aber eigentlich gar nicht so scheiße und minderwertig, und sie hat Muckis!' zu 'IcH LiEbE sIe UnD kAnN nIcHt OhNe SiE lEbEn' kommt quasi aus dem Nichts und ist dann einfach da. Es ist kitschig, es ist einfältig. Aber liebenswert ist es trotzdem, ein Adjektiv, das Eterna und Zwielicht nicht mal mit einer Stunde Vorbereitungszeit in ihrem Sprachschatz finden würden. Interessant hingegen war die ebenfalls genrekonforme aber seltener eingesetzte 'Monster meets girl'-Beziehung, die sich zwischen Primaspriesterin Selena und Primashasser Zelphir entwickelt hat und am Ende genau wie seine Konkurrenz oder vielleicht doch mehr mit Tiaram zu... nichts geführt hat. Das war bedauerlich, ergibt jedoch Sinn wenn man bedenkt, dass Kelven seine Fantasy-Handlungen nur als Werkzeug für das Gameplay verstand. Und dieses Gameplay hatte es in sich. 


 

 

Life is just another point of no return 

In Eterna probierte Kelven sich an einer Weltkarte, in Zwielicht war er dann bereits beim schlauchigen Gebiet zu Gebiet-Prinzip angekommen, dass er auch hier - deutlich besser - zu Rate gezogen hat. Ihr werdet in einer Region, etwa eine Stadt oder ein Dorf, abgesetzt und könnt die Gebiete drumherum erkunden. Seid ihr bereit, geht ihr weiter und könnt in der Regel nicht wieder zurückkehren, da die Story eine Einbahnstraße ist. Während diese Art des Erzählens deutlich immersiver funktioniert als eine Weltkarte und in der Story von Licht und Finsternis auch Sinn ergibt ist es ein schrecklich-unbefriedigendes Gefühl, viele der Gebiete nur einmal zu sehen und dann im nächsten Abschnitt des Spiels zu sein, vor allem weil man vieles verpassen kann. Makerspiele wie Feuer um Mitternacht hingegen haben aufgezeigt, wie nachvollziehbar-effektiv eine sich nach und nach zusammensetzende Schlauchwelt sein kann, die man immer wieder durchläuft. Gerade im Bezug auf die Tatsache, dass ihr vor dem letzten, finalen Boss in einer Sackgasse eingesperrt werdet, in der ihr weder Zugriff auf Heilmittel noch neue Ausrüstung oder gar die Möglichkeit zu Trainieren habt wäre es sinnvoll gewesen, die nun bekannten Gebiete nochmals durchwandern zu können - Auch, wenn der Aufwand dafür enorm gewesen wäre. 

Hat man diese Einbahnstraße verkraftet spielt sich Licht und Finsternis nicht schlecht. Als prägnantestes Merkmal neben dem Kampfsystem auf das ich gleich zu sprechen komme ist da die enorme Varianz zu nennen, die Kelven hier in die einzelnen Segmente gebuttert hat - Das Spiel ist von von diversen, kleineren Spielen und Systemen, die an verschiedenen Punkten der Geschichte ohne großes Trara einfach mal eingeführt werden. Von einem Defend the Fortress-Schlachtensystem nebst Ressourcenmanagememnt, einem U-Boot-Kampfsystem(!!), priesterlichen Prüfungen für Selena, ein Rätselhaus mit den typischen Kelven-Schiebekisten bis zu einem Kakerlakenwettrennen sind allerhand Indizien dafür vorhanden, dass man Licht und Finsternis alles aber keine Langweiligkeit vorwerfen kann. Der Abwechslungsreichtum ist groß und die meisten dieser Aktivitäten bringen Spaß. Es ist also Fluch und Segen, dass Kelven sie mitunter ohne jede Vorbereitung auf den Spieler wirft und so wie zum Beispiel im Falle des schwierigen Schlachten-Minispiels oder der U-Boot-Kämpfe schnell für Ratlosgikeit und Frustration sorgen kann. Auch wirkt die schiere Menge an Arbeit, welche in diese ganzen Systeme geflossen ist absurd wenn man bedenkt, dass man sie als Spieler einmal und dann nie wieder zu Gesicht bekommt. Was man hingegen von Anfang bis Ende auf dem Bildschirm haben wird ist das eigene Kampfsystem. 

Während - um wirklich jeden zweiten Absatz mit dem Vergleich zu starten - Eterna im Standardkampfsystem langweilig und Zwielicht mit einer undurchsichtigen Katastrophe irritierend war, hat Kelven in Licht und Finsternis mit seinem eigenen Kampfsystem eher den Nagel auf den Kopf getroffen. Es ist einmal von den unglücklich-gestalteten Statuszuständen abgesehen übersichtlich, spielt sich gut und ergibt Sinn. Jedoch ist es aufgrund der trägen Animationen recht langsam und das bringt uns zu dem zweiten großen Punkt: Das Balancing. 

Die größte Schwäche und markanteste Eigenschaft dieses Rollenspiels ist sicherlich, wie lange die Kämpfe dauern. Während ihr in der ersten Hälfte noch das Gefühl eines gesund-ausgewogenen Dungeon-Boss-Systems habt, gestaltet sich die Schwierigkeit bald schon dadurch, dass vor allem die Bosse der in sich geschlossenen Gebiete VIEL ZU VIELE HP haben und die Kämpfe sich endlos hinziehen. Auch werden manche Angriffe einfach ganz klar zu heftig und man sieht - trotzdessen, dass man alle Quests und Gegner mitnimmt - kein Oberwasser mehr. Für einige der späteren Bosse und vor allem für den absurden letzten Boss müsst ihr jeweils eine halbe Stunde(!!!) oder mehr mitbringen, und diese könnt ihr leider nicht als eintöniges Entergekloppe absolvieren, denn diese Gegner benötigen ein strategisches und vorsichtiges Vorgehen, sonst ist Ende im Gelände. Ist ein Gebietsboss für euch einfach nicht besiegbar, habt ihr keine Ressourcen mehr um neue Ausrüstung oder Heilitems zu kaufen kann es schon mal sein, dass ihr euch gesoftlockt habt, denn wer den Boss nicht besiegt kommt nicht weiter und nicht zurück. Es ist fraglich, inwiefern dieses Problem im Remaster ausgemerzt wurde und das werde ich sicherlich herausfinden, aber hier im Original bereitet ihr euch besser AUSGIEBIG in jeder Stadt vor und nehmt alle Quests mit. 

Licht und Finsternis funktioniert spürbar-fairer und ausgeglichener als Zwielicht, aber Zwielicht war ehrlicherweise auch Jenseits von Gut und Böse balanciert und eine einzige Spieler-Tranchierung.

Zum Schluss ist zum Gameplay zu sagen, dass ihr, sobald ihr mehr als drei Charaktere in der Party habt, diese bis auf Tiaram bunt auswechseln könnt, und alle leveln dennoch mit. Das ist nett. 



Die Welt, Optik, Musik

Eine der deutlich-größeren Stärken von Licht und Finsternis ist die Welt, denn hier hat vielleicht der größte Sprung zu Eterna und Zwielicht stattgefunden. Waren diese beiden Spiele leer und leblos, sprüht die Welt von LuF vor Farben, NPCs und Kreativität. Ihr wandert durch herbstliche Täler, blaue Wälder, fantasievolle Blumengärten, weitläufige Unterwassertempel, lebendige Höhlen und schwarze Gebirge. Die Städte unterscheiden sich stark voneinander und sehen noch immer hübsch aus, die stetig neuen Gebiete machen Spaß. Ja, die Welt von Licht und Finsternis ist retrospektiv in jeder Hinsicht gelungen und variantenreich. 

Da fällt es umso schmerzhafter auf, dass die Unterwelt, aus der Tiaram stammt, nur ganz zu Anfang und ganz zu Ende in spärlichen Teilen gezeigt wird, und diese vor allem im unbeeindruckenden Graugrünbrau erstrahlen. Auch kehren wir nie in Tiarams Heimatstadt zurück, ein weiteres Treffen mit dem zu Anfang noch so wichtigen Dämonenfürsten Baal findet nicht statt, die Unterwelt bleibt ein unbedeutender NPC. Auch der unverschämte Storyzug, der einen an Orten wie der menschlichen Hauptstadt mit dem prachtvollen Papstpalast gegen Ende des Spiels gekonnt vorbeiführt, wirken wie grassierende Ermüdungserscheinungen seitens des Erstellers. Tell, dont Show. Aber das ist im Großen und Ganzen Kritik auf hohem Niveau - Die Umgebung ist nicht das, was ihr an Licht und Finsternis kritisiert. 

Die Charakter-Portraits sind insgesamt stimmig und sehen auch deutlich besser aus als die klumpigen Gesichter der Vorgänger-Protagonisten, auch wenn man hier und da ganz klar sieht, dass Kelven andere Grafiken überpixelt hat. Eine seltsame Nase, ein komisches Auge, die Frankenstein-Fratzen bröckeln in Details. Vor allem das Stilmittel, Trauer als schlichtweg geschlossene Augen darzustellen sorgt in vielen Momenten für ein unterliegendes Cringe-Gefühl. Aber wollen wir nicht vergessen - Grundsätzlich sehen die Facesets gut aus. Das ist solide. Die Erwartung muss richtig sein, das dürft ihr nicht vergessen.

Musikalisch spielt Kelven das auf, was ihr aus dem JRPG 1x1 kennt und liebt, mit einigen angenehmen Ausreißern wie dem finalen Kampftheme(Das Kelven mittlerweile ausgetauscht hat, ughhh). Die Soundkulisse wirkt runder als zuvor, und viel mehr gibt es dazu auch nicht zu sagen. Wie übrigens auch zu dem Spiel insgesamt, denn irgendwann muss ja mal Schluss sein. 




Fazit 

Wenn man Licht und Finsternis ins rechte Licht rückt, wollte Kelven hier die Themen von Rassismus, blindem Fanatismus und der Sinnlosigkeit von Krieg darstellen, während er dabei ein abwechslungsreiches und doch altbekanntes Fantasy-Adventure ablieferte. Strahlt die Welt auch in vielen Farben könnt ihr diese nicht lange bewundern, mögen die Minispiele auch so überzeugend sein werden sie euch aufgezwungen, sind die Charaktere im Kern auch unterhaltsam sind sie alle Stereotypen, ist das Kampfsystem auch solide fällt es in der zweiten Hälfte dem Sanduhr-Balancing zum Opfer, ist der letzte Akt durch die verschiedenen Fraktionen und die Twists auch gelungen wirkt alles überstürzt. 

Die Frage, wenn ihr Spiele von vor 16 Jahren anfasst ist, wie sehr euch diese Mankos stören. Und meine Aufgabe in diesem Review ist es euch zu vermitteln, dass sie das hier meiner Meinung nach weniger tun als sonstwo. Das Positive überwiegt bei weitem, und das nicht zuletzt, weil Licht und Finsternis so viel stärker war als seine beiden geistigen Vorgänger und das letzte(!!) klassische RPG von Kelven bleiben sollte. Beinahe jeder Aspekt ist in Würde gealtert und so hat sich diese Dämonenreise eine Grundqualität bewahrt, die einen nostalgischen Fantasy-Klicker ansprechen kann - Ob nun als RPG Maker-, oder als Retropixel-Spiel. Beides hat Licht und Schatten, und Licht und Finternis hat beides. 



                                      7 von 10 Kaltstahls für Licht und Finsternis
-> Yoraiko sieht dein Licht!






 

um 2/13/2021 02:28:00 PM Keine Kommentare:
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Kategorien: 09. RPG Maker-Reviews
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