Samstag, 21. März 2020

Film-Review: 'Klaus' (2019) - Nothing new from christmas




Der spanische, betont-traditionelle Animationsfilm Klaus aus dem Jahre 2019 ist von der ersten bis zur letzten Sekunde Weihnachten. Er wmöchte warm und wohlig sein, er möchte sich als wiederkehrende Tradition auf den Fernsehbildschirmen im Winter etablieren, er möchte die ganze Familie ansprechen. Die eher bescheidene Netflix-Produktion war bei den Oscars relevant und wurde von Kritikerseite fast durchgehend positiv aufgenommen. Dennoch hatte ich davon bis vor wenigen Wochen noch kein Sterbenswörtchen gehört, und obwohl das vielleicht viel über mich aussagt, kenne ich in der Regel meinen Weg mit Filmen, also ist das möglicherweise auch ein Statement über Klaus selbst.

Denn bei all seiner zauberhaften Klasse ist Klaus nichts Erinnerungswürdiges. Nichts, das sich mit Besonderheit oder Rafinesse ins Gedächtnis brennt, und in meiner Wahrnehmung auch nichts, das auf die emotionale Stärke eines 'Die Weihnachtsgeschichte' oder auf den beeindruckenden Production Value eines Disneyfilmes aufschließen kann. Klaus ist gewöhnlich und altbacken. Es schöpft seine Stärke aus Tradition und alten Stärken. Vielleicht ist es deswegen etwas unter dem Radar geblieben, vielleicht fühlt es sich da aber auch ganz wohl.

Nun muss ich mich, der ich eine halbwegs fundierte Kritik zu diesem 96 Minuten langen Weihnachtsfilm verfassen möchte, aber mit folgendem Dilemma außeinandersetzen, das Filmenthusiasten vor allem immer wieder im Animations-, und Kindergenre heimsucht:
Wohlfühl-Atmosphäre vs. Schablonenhaftigkeit. Angepasste Erwartungen vs. unterwältigende Inszenierung. Familienfilm-Nachsicht vs. Kritiker-Strenge. Tradition vs. Zeitgemäßheit. 

Klaus ist all das und man kann den Film somit grundsätzlich auf zwei Weisen betrachten und bewerten: Entweder als schönen, runden und gemütlichen Weihnachtsfilm für Klein und Groß oder als Animationsfilm der versucht mit größeren Produktionen zu konkurrieren und dem Zuschauer eine Geschichte nahe zu bringen. In der ersten Interpretation kommt Klaus gut weg. In der Zweiten ganz und gar nicht. 

Wer einfach einen weiteren, windelweichen und wirklich toll-animierten Film für jeden Anlass und Personentyp möchte, den er sich jedes Jahr zur kalten Zeit ansehen können möchte, der findet in Klaus einen würdigen Eintrag in dieser Kollektion. Wirklich, der Streifen ist nicht verkehrt und tut der Hauptzielgruppe kaum weh. Wenn man mit dem Herzen guckt, dann gibt es nicht übermäßig viel zu kritisieren. Es ist ein schöner Film. Für Kinder. Für Erwachsene. Das sprech ich Klaus nicht ab. 

Problematisch wird es dann, wenn man seinen Kopf nicht ausschalten kann und anfängt, objektive Maßstäbe anzusetzen. Denn dann zerfällt das eigentlich so unschuldige Wohlfühl-Abenteuer in seine angestaubten, ranzigen Einzelteile.

Ich sehe was was du nicht siehst

Hauptproblem am Film ist, und das teilt sich Klaus eben mit zahlreichen Filmen dieser Richtung, die unbekömmliche Vorhersehbarkeit. Der Film ist keine zehn Minuten gelaufen und man weiß genau wie er bis zum Ende verlaufen wird, welche Zwischenstationen er einlegt, welcher Charakter sich wie entwickelt und was man beim Zuschauer erreichen möchte. So ergibt sich aus der Grundgeschichte der beiden zerstrittenen Familien im Film und der Ankunft des Proptagonisten Jesper sehr schnell, dass er wohl beide Lager wieder durch gute Taten zusammenführen muss, und dafür natürlich von einer magischen Entität auserwählt wird. Wir sehen den einzigen, weiblichen Charakter im Alter des Protagonisten für eine Szene und wissen, wohin sie sich entwickelt und was ihre Rolle in diesem Film ist. Wir ahnen sehr früh, welches tragische Schicksal der titelgebende Klaus erlitten hat, da das Foreshadowing hier auch nicht gerade subtil vorgeht. Wir wissen selbstverständlich, dass der große, grimmige Veteran einen guten Kern hat. Wir ahnen, dass der eigentlich egoistische Jasper, der seine Aufgabe nur erfüllt um schnellstmöglich seinen Luxus wiederzubekommen, sie bald aus freien Stücken und mit Leidenschaft ausführen wird.

Wir kennen all das. Ist nichts Neues. Haben wir schon zichtausendmal genau so und besser gesehen. Die entscheidende Frage ist, ob euch das beim Sehen stört. Könnt ihr all das ausblenden und vergeben oder interessiert es euch gar nicht erst, die selben, abgeklapperten Schubladen immer wieder vorgesetzt zu bekommen? 

Ich konnte es nicht verdrängen, und ich habe es wirklich versucht.

Tatsächlich die popkulturelle Halsschlagader geplatzt ist mir aber erst, als der Film im letzten Drittel die Mumienmutter aller Kinderfilmtwists, das graue Urgestein der zerstampften Spannungsbogen, den abgesalzesten Erzählkniff von vor 1930 aus dem Familiengrab holt: Der Protagonist hat das wichtige Geheimnis seiner eigennützigen Aufgabe für sich behalten, sich mittlerweile aber zum Guten geändert, sein Geheimnis kommt aber raus bevor er es selbst gestehen kann und alle hassen ihn jetzt weil er sich nicht richtig erklärt und nur wirr vor sich hinbrabbelt wie das stotternde Kind bei einem Buchstabierwettbewerb das nur aus Inklusionsgründen teilnehmen durfte. Man kennts. 
Solchen Scripten fehlt jegliche Kreativität und Frische, so dass man sich als älterer Zuschauer irgendwann veralbert vorkommt. Wie gesagt  - Es ist eine Frage der Wahrnehmung. 

Was lasse ich eher an mich heran? Tradition oder Abgedroschenheit? Für die allerallermeisten ist die Antwort klar, weil das hier ein herzerwärmender Familienfilm ist und er gar nicht das Rad neu erfinden will. Ich aber habe große Probleme damit, stereotypische Stellschrauben auszublenden und denke, man kann Tradition auch einsetzen ohne dabei jeden jemals produzierten Animationsfilm zu kopieren. Aber das bin eben nur ich.

Bevore das alles hier zu negativ klingt möchte ich betonen, dass Klaus' Handlung nicht frei von Kreativität und Leidenschaft ist - umstandlos überzeugt hat mich die Raffinesse, wie im Laufe des Films der sich aufbauende Weihnachtsmann-Mythos mit all seinen Einzelteilen zusammengesetzt wird, mal durch Zufall, mal durch Fügung. Warum sind es Rentiere, die den Schlitten des Weihnachtsmanns ziehen? Warum kommt er durch den Kamin, und warum gibt es eine Liste mit bösen Kindern? Hier wurden eine Menge guter und witziger Ideen umgesetzt.

Und wie ich betont habe - die Handlung tut höchstwahrscheinlich keinem so wirklich weh, nicht mal dem zynischsten Nihilisten. Ich bin da nah dran, und ich konnte lächelnd hinausgehen. 

Emotionen, Humor, Liebenswürdigkeit 

Etwas das ein solcher Film naturgemäß vor allem anderen erreichen möchte sind eure Emotionen. Der Film ist in vielen Szenen aufgebohrt-emotional und ergreifend, ist offensichtlich fieberhaft bemüht, gerade jene Gefühle und Werte, an die wir uns in der kälteren Jahreszeit erinnern, abzurufen und in honigweicher Zuckerform zu präsentieren. Während das größtenteils auch ganz gut klappt, stolpert die weihnachtlich-herzliche Manipulation hier und da im Looping auf die Fresse. 

So hatte ich zum Beispiel mit dem Freund, der mir Klaus empfohlen und ihn mit mir gesehen hat, nach dem Ende eine Debatte über eine wichtige Szene im ersten Drittel, in der ein kleiner Junge das erste Weihnachtsgeschenbk überhaupt auspackt. Mein Freund musste dabei weinen. Ich fand die Szene nett, konnte und kann aber ums Verstecken nicht verstehen, wie in aller Welt man bei einer so simplen und nichtssagenden Szene weinen kann. Weinen ist eine zutiefst bewegte, intime Reaktion für mich, die ein Medium einmal aller Jubeljahre auslöst. Klaus kam dem zu keinem Zeitpunkt auch nur nahe, nicht weil es schlecht wäre, sondern weil es ein emotional einfach-gestriktes Szenengeflecht zeigt, das offensichtlich bei vielen funktioniert, die sich voll und ganz auf die Atmosphäre einlassen können, bei mir aber als zu bemüht in die Ablage wanderte.

Ein positives Beispiel für eine instinktive Reaktion auf den Film ist das Mädchen Margu. Mein imaginärer Gott ist dieser Charakter precious. Es gibt keine deutsche Übersetzung die dem auch nur nahe kommt. Precious. Precious precious precious. Niedlich auf einem Gänsehaut-erregenden Level und so liebenswert, dass man ihren kleinen, blauen Augen und ihrer Zahnlücke die ganze Welt schenken möchte. Zumindest war das meine Reaktion auf diesen wunderbaren kleinen Nebencharakter, und es sind solche Magic Moments die das Seherlebnis von Klaus ausmachen. Ich hatte davon vielleicht nur ein paar weniger als die Meisten. 
Muss. Margu. Beschützen. Muss. Beschützen. Beschützen
P R O T E C C

Es half ihrem Charme und dem des Filmes, dass das Norwegisch, welches Margu von Anfang an spricht, konsequent durch den ganzen Film gezogen wird, so dass das Kind kein englisches Wort sagt und wir auch keine Untertitel bekommen. Ebenso wie Jasper müssen wir interpretieren was sie sagt und inwieweit sie ihn überhaupt versteht. Es ist liebreizend. Hach.  

Der Humor ist über weite Strecken der Erzählung recht simpel gestrickt und erwartbar flach, nicht negativ nein, aber spürbar zurückgenommen und versöhnlich zugunsten der gemütlichen Atmosphäre. Ein kantenloser Humor der niemanden verprellen kann und auch Oma Uschi nicht ausschließt, könnte man sagen. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel, so etwa eine meiner Lieblingsszenen, in der Protagonist Jasper einem unartigen Kind mit der Androhung der unartigen Liste die Rechnung macht, begleitet von einer eindeutig an das thug life-meme angelehnten Rapmusik. Ich musste herzlich lachen. Und Herz, das beweist Klaus in solchen Momenten eindeutig.

 Optik überraschend und doch durchwachsen

Von einem spanischen Netflixfilm würde man eine kompromissbereite Animationsqualität erwarten, nicht aber so eine herrlich-flüssige Vorstellung wie Klaus sie uns liefert. Die kräftigen Farben, eindrucksvollen Lichteffekte und malerischen Umgebungen müssen sich nicht nennenswert vor den Werken größerer Studios verstecken, visuell lässt man sich mit Klaus also auf etwas polierfrisch Massentaugliches ein. Durchwachsene Kerben in der Optik sind vielleicht nur auf meinen Geschmack zurückzuführen, das Characterdesign der Tim Burton-esquen Menschen aber ist hier und da grundlos grotesk. Warum musste zum Beispiel Lehrerin und Love-Interest Alva einen zusammengedrückten Kopf haben, der sie aussehen lässt wie das Ergebnis einer gescheiterten Hirn-Transplantation? Abber dann sieht man Margu oder die anderen Kinder und die Welt ist wieder im Reinen. Das passt schon. Audiovisuell stellt Klaus zufrieden, mehr als das, macht fröhlich. 




Erwähnenswert ist noch, dass sowohl mehrere fremde Parteien als auch ich nach einer Minute Laufzeit kommentiert haben, dass uns die Optik extrem an Atlantis erinnert. Obs nun an den eckigen Fingern oder an der Ähnlichkeit Jespers zum guten, alten Moliere liegt, wer weiß das schon. Klaus sieht aber natürlich um längen besser aus als der in Würde gealterte Disneryfilm von 2001. 

Die Musik ist im Wesentlichen, was man von den Genres Animationsfilm, Weihnachtsfilm und Familienfilm erwartet, sprich nichts, das eine sepparate Erwähnung ins Positive oder Negative rechtfertigt -  mit einer Ausnahme. Klaus hat, und auch das ist Tradition im Familienstammbaum des Kinder-Zeichentricks, eine längere Montage mit emotionalem Popsong. Und obwohl die gezeigten, stimmungs-manipulativen Bilder so alt sind wie die Zeit selbst funktioniert die Szene durch das tolle Lied und die rundum herzerwärmende Atmosphäre einfach sehr, sehr gut, so dass auch mein erkalteter Körper sich einer deftigen Gänsehaut nicht erwehren konnte. Diese Momente gibt es. Jeder muss seinen finden. Wie ein Geschenk im Kamin.

Fragwürdige Elemente

Ich hätte jetzt das Fazit ziehen können, nehme mir aber die Freiheit, auf zwei in meinen Augen fragwürdige Momente höherer Einsicht einzugehen, die der Film in mir aufgerufen hat. Spoiler für das Ende voraus. Absatz bitte überspringen, falls ihr das nicht wollt. Nehmt diese Kritiken nicht zu ernst, denn sie werden sicherlich mit schwarzem Lächeln verfasst. 

Das Eine ist die Tatsache, wie dieser Film eigentlich die pädagogische Achillesverse der ganzen Weihnachtsmann-Geschichte aufdeckt, ohne es zu wolllen: Die ungezogenen, gesetzlosen Kinder im Film fangen an sich besser zu benehmen, um Spielzteug-Geschenke vom Weihnachtsmann zu kriegen. Lass das einsinken. Keines der Kinder ist interessiert an Frieden, einer Mindestportion Anstand oder dem weihnachtlichen Gedanken, die kleinen, materialistischen Bastarde wollen einfach nur ihre überteuerten Toys'R'Us-Spielsachen und Legoburgen frei aufs Haus vor die Tür geliefert bekommen. Also benehmen, damit der Konsum glüht. Das ist doch mal eine Message für die Bälger Zuhause - Benehmt euch, sonst gibts keine geilen Spielsachen!!

Der zweite Einwand der sich vor mir erhebt betrifft das Ende und ist ein Spoiler. Es geht um die versteckte, düster-morbide Botschaft, die ich glaube als Erster entdeckt zu haben. Wie jeder weiß, der den Film gesehen hat, passiert etwas Drastisches mit Klaus. Seht es euch nochmal genau an.  Was sehen wir in dieser Szene? Ja natürlich, das ungeschulte Auge mag glauben, es wäre ein wunderbar-melancholischer Moment, in der Klaus in Frieden wieder mit seiner Frau vereint wird. Aber ist das wirklich, was da passiert? ICH sehe da, wie der Eiswind, der bestätigt seine Frau ist, Klaus den Berg hochlockt, wir sehen wie dieser riesige, massive Mann hinter einem dünnen Baum verschwindet und auf der anderen Seite nur weiterer Eisstaub herauskommt. SEINE FRAU HAT IHN IM BRUCHTEIL EINER SEKUNDE PULVERISIERT. Denn er war offensichtlich noch gesund und am Leben, was soll ihm also Anderes zugestoßen sein, als dass er im Bruchteil einer Sekunde von seiner dämonischen Frau in winzige, kleine Eisstückchen zerfetzt wurde um ihr in der Hölle Gesellschaft zu leisten? Eine raffinierte Botschaft gegen blinden Feminismus, der hier wohlversteckt eingebaut wurde. Chapeau!

Fazit


Wenn ihr Filme nicht sehen könnt, ohne den Kritiker in euch auszuschalten, wenn ihr ein Kino-Veteran mit fünfhundert Streifen an Vorerfahrung seid, wenn ihr die ganze Welt einfach nur brennen sehen wollt, dann stellt euch darauf ein, während dem Filmeabend mit Klaus dieser eine Freund zu sein den danach keiner mehr leiden kann.

Wenn ihr noch in die Hose macht und wirklich alles hinterfraglos fresst, was man euch mit Glitzerstaub und buntem Zucker in den Napf füllt, dann freut euch, Klaus ist fröhlich und weihnachtlich und GUCK MAL, DIE DICKE FRAU DA TRÄGT EINEN MANN AUF IHREN ARMEN HAHA! 

Spaß beiseite. Klaus ist gut. Nur nicht so gut. Ich würde ihn jetzt nicht jedes Weihnachten gucken. Aber vielleicht noch einmal. Irgendwann. Für Margu. P R O T E C-

 6 von 10 portobefreite Briefe für Klaus 



- Yoraiko














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