Mittwoch, 25. März 2020

Film-Review: John Wick 3 (2019) - Sequel-Trainwreck




John Wick war damals ein großer Erfolg, weil die ruchlose Gewalt verbunden mit so lupenreiner Action-Ästhetik etwas regelrecht Neues war und dem Action-Kino an sich zu einer kleinen Renaissance verhalf. Die Welt, die mit ihren eigenen Regeln nach und nach etabliert wurde, bot weit mehr als die Geschichten üblicher KrachBummPeng-Eskapaden, optisch wie musikalisch war ebenfalls für Klasse gesorgt und so war John Wick ein rundes Paket, das etwas schwächer für einen zweiten Teil zurückkehrte. 

Schon im ersten Teil jedoch kristallisierte sich eine Schwäche heraus, die in einem solchen Franchise unvermeidbar schien, dem Kern der Filme jedoch bis heute erheblich schadet: John Wick ist die fleischgewordene Definition einer Mary Sue. Er ist unbesiegbar, unangreifbar, buchstäblich ein Gott, er kann nicht sterben. Mögen da auch noch so viele hundert schwerbewaffneter Gegner auf ihn einstürmen, mag er auch noch so viel Schaden einstecken, der von Keanu Reeves verkörperte Profikiller steht zuletzt und ist nicht kleinzukriegen. Während man das im ersten Film gerade noch so als Stilmittel verzeihen kann sorgt es schon im Nachfolger für hanebüchene Milchmelk-Logik, die jeden Realismus und jede Authenzität mit Trompeten über Bord wirft, genau so wie jeden auch nur entfernten Anflug von Spannung - der Protagonist ist unbesiegbar. Wir wissen, dass er nicht fallen kann. Und so ist jeder weitere Kampf, jede weitere, scheinbar dramatische Situation für uns nur eine weitere Gelegenheit, flüssige und visuell-ansprechende Abschlachtungen durch John Wick zu sehen, die jedem gesunden Menschenverstand trotzen. Dennoch, das Drumherum blieb hochwertig und die Action war gut. Es war schwer ein solches Maß an Surrealismus und Style over substance auszublenden, aber es war möglich.

Nun hatten wir 2019 die dritte Franchise-Installation um den eigentlich desillusionierten Mafia-Aussteiger Wick vor uns, die in weiten Teilen von der Kritik als bester Teil der Reihe, und ferner als bester Actionfilm seit langem angepriesen wird. Spoiler, das ist nicht meine Meinung. Ich gehe davon aus dass, wer auch immer diese Meinung über John Wick 3 vertritt, hervorragend darin ist, selektiv verschiedene Aspekte seines Seherlebnisses auszuschalten und komplett zu ignorieren, und sich einfach nur über das Handwerkliche und Sichtbare zu freuen: Fette Action, großartige Bilder, gute Musik, beeindruckende Kampfszenen. Denn alles andere, und da gibt es eigentlich keine zwei Meinungen, ist ganz, ganz großer Schund der untersten Güteklasse.


Wen interessiert die Handlung?

Eigentlich war die doch immer so gut ausgefleischt in John Wick. Auch Teil 3 fällt positiv damit auf, dass er wirklich unmittelbar am Ende seines Vorgängers ansetzt, so dass weder John Wick selbst noch wir eine Pause vom Strudel der Gewalt bekommen. John Wick hat die Gesetze des Continental-Mafiahotels und ferner des in der Mafiawelt über allem stehenden 'Hohen Rates' gebrochen und ist somit zum Abschuss freigegeben, für schließlich 15.000.000 Dollar. Fünfzehn Millionen. Hübsches Sümmchen für einen angeschlagenen Mitt-Dreissiger. Sicheres Todesurteil für Gegner einer Mary Sue.

Dennoch muss man sich angesichts der positiven Resonanz zum Film fragen, wer sich noch für die Handlung oder ein sinniges Drehbuch interessiert? Offensichtlich keiner. Wie sonst könnte man diese bescheuerte Zirkusrunde von Comickämpfen, totchoreografierten Ästhethikschlachten und der wahrscheinlich größten Glückssträhne in der Geschichte der Menschheit verzeihen? Vielleicht sollte ich weniger kryptisch werden und erzähle deswegen nun den gesamten Film in kürzester Form nach, um all dessen Absurdität zu entlarven.
 

John Wick ist von seinen Kämpfen aus Teil 2 noch schwer angeschlagen, hat aber genau 60 Minuten Zeit, um buchstäblich der gesamten Unterwelt zu entkommen die sein Kopfgeld will. Es wird im Film immer wieder betont wie John Wick in Ungnade gefallen ist weil er die Gesetze gebrochen hat, wie er nirgendwo mehr hingehgen kann und ganz auf sich alleine gestellt ist - logischerweise folgen wir ihm also, als er sich zuerst bei einem Arzt versorgen lässt, sehen dabei zu wie er buchstäblich eine Handvoll Deus Ex Questgegenstände aus irgend einem Schließfach holt, danach mithilfe des ersten Gegenstandes Unterschlupf bei einer plötzlich aus dem Nichts herbeigeschriebenen und vorher nie erwähnten Theater-Vereinigung sucht, die mit seinen weißrussischen Wurzeln zusammenhängt, wir sehen dabei zu wie er mit dem nächsten Gegenstand am anderen Ende der Welt eine alte Freundin, gespielt von Halle Berry, zwingt sich mit ihm zusammenzuschließen, und dürfen erleben, wie er den geheimen König des Hohen Rates irgendwo in der Wüste in ein paar Zelten vorfindet, der über sein gigantisches Kopfgeld und die gebrochenen Gesetze die Schultern zuckt und meint 'Bring Continental-Hotelbesitzer Winston um und du bist gut.' John Wick willigt schweren Herzens ein seinen alten Frteund übers Messer springen zu lassen, nicht das erste Mal in dieser Trilogie dass er Freunde töten will um seinen weißrussischen Arsch zu retten, nur um dann, als es soweit ist - Überraschung - zögert und sich entscheidet es nicht zu tun, sondern den gesamten hohen Rat innerhalb des Continental-Hotels wie auf der Fleischereimesse abzuschlachten. Dies gelingt ihm und dem freundlichen Rambo-Butler von nebenan selbstverständlich ohne Probleme und die hohe Richterin, auf die ich gleich noch zu sprechen komme, zuckt nach Wochen des freilaufenden Gesetzesbrechers John Wick, der jede Regel dieser etablierten Gangsterwelt viermal im Quadrat gebrochen und eine halbe Armee des Hohen Rates abgeschlachtet hat, einfach in feinster 'Schwamm drüber'-Manier mit den Schultern, lässt John Wick erschießen und das Hotel in Ruhe. Nur, dass John Wick natürlich nicht erschossen ist. Dazu gleich nochmal mehr.  
Die Story ist schon genug um jeden Vieldenker in die Resignation zu treiben, aber das eigentliche Problem ist die unrealistische Style-Action, die hier diesmal immer wieder auf neue Höhepunkte getrieben wurde. Immer und immer und immer wieder sehen wir Gegnerwellen, die sich so unglaublich dämlich verhalten, dass John Wick sie wohl auch als Vierjähriger ins Nirwana hätte schicken können. Immer wieder sehen wir Kämpfe, die aus purem Glück oder Zufall zugunsten des Protagonisten ausgehen, oder weil einfach NIEMAND AUF IHN SCHIESST GESCHWEIGE DENN ZIELEN KANN. 

Da fahren bewaffnete Motohrradkiller an ihn heran ohne zu schießen, um sich ihre Waffen von John Wick abnehmen und damit erschießen zu lassen. Da konfrontiert man John Wick immer noch nur einzeln, zu zweit oder in Gruppen gerade klein genug, dass es nie jemand schafft, ihm in den Rücken zu schießen. Da wird er aus Respekt vor seinem Ruf in eigentlich schon verlorenen Kämpfen am Leben gelassen, damit er wieder aufstehen und seine Gegner dann doch noch besiegen kann. Nicht zu vergessen sein 'kugelsicherer Anzug', ja. 
Es gibt eine zehnminütige Sequenz in der Mitte des Filmes, die oft mit einem Call of Duty-Level verglichen wurde, und das trifft es. Mit zwei Kampfhunden im Schlepptau ballern sich John Wick und Halle Berry durch eine riesige Wüstenfestung, schlachten dabei effektiver als eine Atombombe an die hundert schwerbewaffneter Soldaten ab und tragen daraus so gut wie keine Verletzung hervor, die Hunde werden an bestimmten Stellen wie Quicktime-Events eingesetzt um bestimmte Wachen auszuschalten. Keiner schafft es die beiden auch nur einmal anzuschießen. In einer Festung voller Soldaten. John Wick mag als Mörderlegende eine Sache sein, aber das war einfach zu viel.
 

John Wick wird von einem Mann aufgenommen, der zwei Szenen zuvor buchstäblich von unten bis oben aufgeschlitzt wird wie ein Schwein. Aber hey, ein paar Pflaster, zwei Aspirin und dann geht das wieder! 
  Um John Wick und das verräterische Continental-Hotel zur Strecke zu bringen, schickt der Hohe Rat im Finale schließlich, wie es heißt, seine 'besten Leute' zur Unterstützung des anführenden Ratskillers welcher im Film als John Wicks Antagonist fungiert. Dazu zwei Anmerkungen: Es kommen zwei Busse an und man fragt sich - warum nicht zehn Busse? Warum nicht das ganze Hotel sofort sprengen wo man doch weiß, dass John Wick eine unaufhaltbare Ein-Mann-Armee ist? Und zweitens, wenn das die besten Männer des Hohen Rates waren sollten sie sich vielleicht lieber die Kaufhaus-Security von Edeka abwerben.

Am Ende des Filmes fällt unser Protagonist nachdem er mehrmals beschossen wurde buchstäblich von einem Hochhaus, kracht dabei an Metalltreppe, Dach und Kanten und bricht sich mehrmals das Genick. Zwei Minuten später ist er vom Boden verschwunden. Sind sicher nur ein paar Blessuren. Fans gehen davon aus, dass sein Tod vorgetäuscht werden sollte. Fans sind offensichtlich noch nicht von Hochhäusern gefallen.

Dass John Wick im Laufe des Filmes zu irgend einem Zeitpunkt irgendeine Form von Erschöpfung zeigt bleibt aus. Er ist kein Mensch, er ist ein Instrument für den Plot um tolle Actionszenenm zu liefern. Ich will aber mit Sicherheit nicht sagen, John Wick 3 hätte nicht auch Spaß gemacht. Es gibt selbstverständlich Licht.


Wie kreativ wollen Sie Ihren Massenmord?

Die Kampfszenen sind abgesehen von der fehlenden Spannung immer noch erstklassig, und im dritten Film tatsächlich noch um vieles besser als in den Vorgängern. Das ist mit das Beste was es momentan im Actionkino gibt und daran besteht überhaupt kein Zweifel. Hier wird nicht nur geprügelt und geschossen, hier wird buchstäblich alles was in der Umgebung irgendwie verfügbar ist zur Waffe umfunktioniert und zweckentfremdet. In einer Szene relativ am Anfang flüchtet John Wick in einen Pferdestall und schlägt den Reittieren so auf den Hintern, dass diese seinen Verfolgern mit ihren Hinterbeinen im richtigen Moment das Genick brechen. Darauf muss man erst mal kommen. Es findet ein Kampf zwischen Waffenschränken statt, der fantastisch choreografiert ist und beim Zussehen wehtut. Der Messer-, bzw Martial Arts-Kampf mit zwei asiatischen Killern, die man auch aus den The Raid-Filmen kennt, ist der stylistische Höhepunkt des Franchises, ist so intensiv und gut gefilmt, dass man gar nicht anders kann als Spaß zu haben. Musikalisch bewegt man sich hier fast in Richtung Mortal Kombat. Nur nicht drüber nachdenken. Dann macht die Ästhethik dieses Franchises Freude.




Auch die Handlung kann trotz ihrer Unsinnigkeit mit Konsistenz aufwarten. Die Hohe Kammer, welche hier durch die zentrale Antagonistin, genannt 'Die Richterin' repräsentiert wird, bestraft im Laufe des Filmes jede einzelne Zuflucht und Unterstützung von John Wick, die einem Gestzesbrecher wissentlich geholfen haben, brutal. Das ist insofern sehr willkommenm da man hier als Zuschauer zumindest einigermaßen das Gefühl bekommt, dass diese Hohe Kammer so etwas wie Autorität besitzt. Schade, dass das am Ende so eingerissen wird. Die Schauspielerin der Richterin, Asia Kate Dillon, ist die mit Abstand stärkste Rolle im Film und verströmt überzeugend eine bedrohliche Aura.

Diese ganze Welt macht auch immer noch Spaß - die Profikiller überall, die tätowierten Sekräterinnen der Hohen Kammer, welche die Kopfgelder ausgeben, die Continental-Hotels und deren Gesetze, all das zeugt von Konsistenz. Man muss oder kann sich aber über den Wehrmutstropfen aufreben, dass all das, auch die welteigenen Gesetze, keinen Sinn ergeben und nicht eingehalten werden, damit John wick am Ende des Tages noch einen Kopf hat. Ob einen das stört hängt, das zeigt das positive Echo, ganz erheblich von der eigenen Wahrnehmung ab.


Fazit

Trotz aller gegebenmen Stärken die der dritte John Wick-Teil in sich vereint und definitiv besser umgesetzt hat als in den ersten beiden Filmen, so dass er ein beispielloses und hochwertig produziertes Gewaltstyle-Feuerwerk für das Mainstream-Kino ist, kann ich den Streifen nicht als gut wahrnehmen. Zu sehr hat er die Regeln der Realität, des gesunden Menschenverstandes und einem Mindestlevel an Logik verletzt. Zu sehr hat er auf die eigenen, in zwei Teilen aufgebauten Gesetzte gepfiffen. Style over substance ist hier das gelebte Konzept, in dem wir eine zehnminütige Shooter-Sequenz von zwei Pistolenträgern und ihren Hunden gegen eine Terorristenarmee schlucken müssen. Nichts ergibt einen Sinn, nichts darf hinterfragt werden. Aber es knallt und ist bunt. Macht das Spaß? Ja, keine Frage. Popkorn und Cola fühlen sich mit diesem Film wohl, einwerfen und genießen. Regt es einen dennoch bis zur Verzweiflung auf, dass hier bestenfalls Cartoonlogik angewendet werden darf, weil der Film sonst ganz schnell in sich zusammenfällt? 
Das finde ich schon. 
Spannung existiert, wie auch in den Vorgängern, absolut gar nicht. John Wick hat seine Halbwertszeit für mich lange überschritten, und Hoffnung gibt es wenig - Keanu Reeves möchte diese Rolle so lange weiterspielen wie die Leute es sehen wollen, und die Leute - das wissen wir - futtern alles, wenn es nach Karamel schmeckt und regenbogenfarbig angesprüht wurde. Teil 4 ist schon in der Planung, und ob das der letzte Ableger des Brainoff-Stylefestes sein wird, bleibt abzuwarten. Es wäre zu hoffen.




      4/10 Ballerinas fürJohn Wick 3




- Yoraiko










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