Samstag, 1. Februar 2020

Anime-Review & Deutsche Veröffentlichung: Usagi Drop (2011) - Just wanna make you happy




In meinem kürzlichen Review der Supermoe-Serie Wataten! habe ich das Thema Wholesome im Animesegment angesprochen: Vor allem seit Beginn des Jahrzehnts um 2010 herum gibt es fast schon ein eigenes Untergenre von Anime, die sich eigentlich nur einem Ziel verschreiben: Balsam für die Seele zu sein. Zu entspannen und zum vollmündigen Lächeln zu bringen. Ein fröhlicher, unbeschwerter und heiler Kontrast zum tristen und oft deprimierendem Grau unseres Alltags zu sein. Diese Serien verfolgen keine große Handlung, halten sich fern von klassischer Spannung und sind auch meist nicht unter den großen, bekannten Hits anzufinden. Stattdessen fristen sie ein bescheidenes, kleines Nischendasein und verbreiten sich vor allem über Geheimtipps und sprechen so natürlich vor allem eine erwachsene, anime-kundige Zielgruppe an. Glanzvolle und exemplarische Vertreter des Wholesome-Genres sind Serie wie Non Non Biyori, Yuru Camp, Flying Witch oder Dagashi Kashi. Alles eher kleine Produktionen mit überschaubarem Erfolg, aber absolut unbezahlbar in ihrem Angebot.

Nun gibt es aber natürlich auch Durchmischungen dieses Genres und einige bekanntere Anime, die dem Wholesome grob zugeordnet werden, vielleicht aber eine größere Zielgruppe ansprechen. Die meiner Ansicht nach populärste und erfolgreichste Wholesome-Animeserie, wenn wir jetzt mal alle Moesachen außen vor lassen, ist Usagi Drop. Allen voran ein durchaus ernstes Familiendrama, das in seiner Essenz und seinen meisten Moment aber eigentlich nur eines ist: Herzerwärmend. Die malerische und optisch recht einprägsame Serie von 2011 erlangte nach ihrer Erstveröffentlichung recht schnell große Popularität, und das stückweise auch außerhalb von Fankreisen. Und jetzt, acht Jahre später, kann man zweifellos sagen, dass Usagi Drop den Sprung zum zeitlosen Klassiker geschafft hat, der sich heute wie damals einer enormen Popularität erfreut, vor allem in Hinsicht auf seine Funktion. Und das trotz der Tatsache, dass der weder der originale Manga je in Deutschland erschienen ist, noch eine zweite Staffel produziert wurde oder wohl noch wird. Beides aus gutem Grund, aber darauf gehe ich weiter unten ein. 
2017 kündigte der deutsche Publisher 'AniMoon', der zuvor schon durch den Underground-Megahit 'Higurashi No Naku Koro Ni' positiv von sich reden gemacht hatte an, dass man Usagi Drop (endlich) nach Deutschland bringen würde. Noch im selben Jahr erschienen die 11 Episoden auf DVD & Bluray. Jetzt, zweieinhalb Jahre später, werde ich diese Bluray-Ausgabe kurz rezensieren.

Bluray-Ausgabe: Usagi Drop
 
Verfügbar bei: Animoon, Amazon, u.a.

Preis: 100 - 120 € verteilt auf 3 Volumes
Ja, die Preise sind, wie alles bei Animoon, mehr als gesalzen. 110 € entspricht 10 € für jede Episode, was schon wirklich äußerst happig ist. Dafür bekommt man eine recht hübsche Ausstattung nebst Pappschuber, einige nette Extras so wie eine ohne Einwände herausragende Synchronisation.
Ich selbst habe ein Angebot von Animoon genutzt, in Zuge dessen sie die gesamte Serie und den Realfilm für 99,99 € herausgegeben haben. Das kann man dann auf Bluray schon machen bei der hochwertigen Bearbeitung.

Ausstattung & Extras: 
Hier kann man Animoon nie etwas vorwerfen, und so kommt auch Usagi Drop mit toller Habtik daher: Der Pappschuber für alle Volumes + Film ist hübsch anzusehen, die Mediabook-Cases mit blätterbaren Seiten sind schon besonderer Natur und über die Extras lässt sich auch kaum klagen - In Vol.1 gibt es als Plüschtier den Tränenhase von Rin dazu, die folgenden Postkarten, Poster und Sticker sind 'nur' eine nette Dreingabe aber auch etwas, das Animoon nun mal nicht tun müsste

Als Extras auf den Blurays sind kurze Interviews mit den deutschen Synchronsprechern, was im deutschen Anime-Vertrieb für mich viel zu selten gemacht wird und darum willkommen ist. Sympathische, kleine Gespräche mit sympathischen Menschen. Außerdem gibt es die vier Mini-Episoden, die extra zur ersten Staffel produziert wurden, noch oben drauf.

Synchronisation:
Die deutsche Vertonung war schon immer der größte Knackpunkt, wenn es um eine Anime-Veröffentlichung hierzulande ging. Gerade Animoon hat sich in dieser Hinsicht leider nicht besonders mit Ruhm beklecktert, als ihr ohnehin schwierig zu vertonendes Higurashi auf deutsch in einer einzigen Fremdscham-Katastrophe endete. Umso überraschender war es für mich, dass Usagi Drop ganz ohne Ironie fast auf einem Niveau mit dem Original ist - Das ist bei Anime unglaublich selten der Fall. Sicher liegt es auch daran, dass die Geschichte so simpel ist, aber jeder Sprecher überzeugt in seiner Rolle, keiner klingt zu jung oder zu alt, Rin wirkt auf deutsch genau so unschuldig, keck und neugierig wie im Original. Zwar merkt man zwischen den Zeilen genau wie bei Higurashi wieder Animoons stellenweise etwas zu bemühtes 'Coole Alltagssprache'-Konzept heraus, das stört aber gerade bei dieser Art Serie kaum. Eine schöne Referenz für deutsche Synchronisation. 

Fazit zur Bluray-Veröffentlichung:
Trotz der preislichen Fragwürdigkeit von Animoons Produkten ist die Usagi Drop-Veröffentlichung frei von jedem Tadel: Ausstattung, Synchronisation, Bild, Extras, alles vorbildlich und hochklassig. Wer den happigen Preis nicht bezahlen will oder kann, wartet auf ein Angebot, bestenfalls auf eines, das den Realfilm auch noch einschließt, der ein eigenes Review bekommen wird.


Inhalt: Usagi Drop


Von der offizielen Animoon-Seite:
Der 30-jährige Single Daikichi erfährt, dass sein verstorbener Großvater eine kleine Tochter aus einer Beziehung mit einer jüngeren Liebhaberin hinterlassen hat. Da die kleine Rin vom Rest der Familie verstoßen wird, entscheidet sich Daikichi, die 6-jährige bei sich aufzunehmen. Das Leben des Fulltime-Jobbers wird von nun an gründlich auf den Kopf gestellt, denn die Erziehung eines Kindes stellt für ihn eine neue und ungeahnte Herausforderung dar…

Viel mehr ist es auch gar nicht - In Usagi Drop beobachten wir eine sich entfaltende Konstellation bestehend aus Daikichi und der kleinen Rin dabei, wie sie nach und nach zusammenwachsen, nicht unbedingt als Vater und Tochter, aber definitiv als Familie. Das ist sowohl entspannend als auch herzerwärmend und oftmals noch sehr komisch. Nicht komisch im Sinne von unheimlich lustig durch platte Anime-Gags, sondern authentisch witzig im Alltagsleben das wir selbst kennen - vor allem Eltern oder große Geschwister finden sich hier sicher oftmals wieder und können mit Daikichi mitfühlen, und selbst ich habe, lange bevor ich als Erzieher gearbeitet habe, den Anime tief in mein Herz geschlossen weil Protagonistin Rin sich so liebevoll zeigt wenn ihr der erste Zahn ausfällt, sie Kelloggs im Supermarkt einkauft oder ihr erstes Küchenmesser bekommt. Wer sich mit solchen kleinen, feinen Momenten einer heranwachsenden Tochter anfreunden und darüber erfreuen kann, für den ist Usagi Drop gemacht. Es ist eine für das Medium Anime so herrlich atypische Serie, dass man sie ohne Probleme auch seiner Mutter, seinen Bekannten oder vielleicht sogar Kindern zeigen kann - Weil nichts davon wirklich unter den Schwächen des Mediums Anime leidet. Das Medium spielt nicht mal eine Rolle - Es handelt sich schlichtweg um eine Familiengeschichte, und das funktioniert überall. Langeweile kommt nie auf, dafür sind die kleinen Alltagsabenteuer Rins und die stetig Steilkurven unterliegenden Vormund-Herausforderungen Daikichis einfach zu unterhaltsam präsentiert. Wenn der dreißigjährige Geschäftsmann immer und immer wieder versucht, Rin pünktlich aus dem Kindergarten abzuholen und dabei ein ums andere Mal tragisch scheitert, wenn die beiden sich darüber unterhalten ob Rin Daikichi denn nicht als 'Papa' bezeichnen möchte oder auch wenn andere, wichtige Charaktere wie Rins Freund Koki und dessen Mutter Yukari das Bild betreten, dann geht einem als Zuschauer Herz und Hirn auf. Nein, Langweilen wird sich hier niemand, der mit den richtigen Erwartungen hinein geht. 

Im Thema Charaktere spreche ich zuerst und kurz über Rin, die für ihr Alter vor allem zu Anfang der Serie offensichtlich und auch innerhalb der Serie bekanntermaßen seltsam ist. Kein Wunder, ihr ist mit sechs Jahren der alleinerziehende Vater weggestorben. Rin präsentiert sich von Anfang an reifer und nachdenklicher als gleichaltrige Mädchen, ein Kontrast der einem vor allem klar wird, wenn die ebenfalls sechs Jahre alte Reina mit Rin interagiert, schnell von ihr genervt ist und die Erwachsenen um sich herum malträtiert - Reina ist überdreht, zickig, egoistisch und naiv, oder kurz gesagt, sie ist eine Sechsjährige. Rin nicht. Na gut, ganz so einfach ist es nicht - Es gibt unter sechsjährigen Mädchen ein extrem großes Spektrum an Persönlichkeiten, darum kann man es durchaus akzeptieren, dass Rin eben eher die ruhigeren Charaktertypen repräsentiert und Reina... den Rest. Später relativiert sich das und Rin wird unter Daikichis und Kokis Einfluss redseliger, lebendiger, aufgeweckter. Daikichi, der sich Anfangs noch schwer tut, richtig mit Rin umzugehen, taut nach und nach für sie auf. Die Charaktere machen in den nur 11 Episoden eine gute Entwicklung durch. Relevant ansonsten noch die erwähnte Yukari, die die Rolle von Daikichis Schwarm übernimmt und ihr Sohn Koki, der Rins Gefährten miemt. Der Rest, wie etwa die tatsächliche Mutter Rins, sind für die Kerngeschichte nicht ganz so relevante Nebencharaktere. 

Audiovisuell ist Usagi Drop für seine Zeit und sein Genre auf hohem Niveau gewesen und fantastisch gealtert -Die Serie ist heute wie damals gut anschaubar. Mit seinem äußerst weichen, größtenteils in warmen, herbstlichen Pastellfarben gehaltenem Look und den realistisch-minimalistischen Charakterdesigns besitzt der Anime zudem hohen Wiedererkennungswert. Die Musik ist das, was man erwarten darf: Ruhig und emotional, aber nicht austauschbar. Eines der ikonischsten Themes erkennt man bereits an wenigen Takten, aber auch der Rest des verlinkten OST besitzt Klasse. Auch das ist etwas, das nicht allzu viele Slice of Life-Serien von sich behaupten können.

Das großartige Opening ist in meiner Wahrnehmung als eines der einprägsamsten, kreativsten und ikonischsten der letzten Jahre in die Analen eingegangen, bildet auditiv einen absoluten Ohrwurm der auch in der vollen Version super funktioniert und optisch eben diese Kinderbuch-Mandala-Stilistik, die mit so wenig so viel erreicht und auch so gut zur Geschichte passt. Kann man sich immer wieder ansehen. Und täglich grüßt die Gänsehaut. Das Ending, dessen normales Video leider nicht verfügbar ist, erreicht zwar nicht ganz diese Größe, zeigt sich aber exakt genauso lebensbejahend und ist in einer Nussschale alles, was auch Usagi Drop als Ganzes aussagt. In jeder Episode sieht man hier ein anderes, besonderes Erlebnis im Leben von Rin und das ist alles in allem einfach eine liebevolle, tolle Sache. 

Reden wir nun nach all der Positivität noch über den großen Elefant im Usagi Drop-Kosmos, das schwarze Schaf der Familie, der bittere, bittere Nachgeschmack, der einem den vorher doch so süßen Tee vermiest - Der Manga. 
Wenn ihr nur bis hier lesen wollt und euch fragt, ob ihr den Anime schauen sollt und das auch unabhängig vom Manga funktioniert, der viel weiter geht: Ja, ja, ja! Lasst den Manga bitte liegen. Unbedingt. Fangt ihn nicht an, lest ihn nicht zu ende. Finger weg! 

Der Manga oder auch, wie man eine wundervolle Geschichte rückwirkend pervertiert 


Zu lange möchte ich nicht darüber reden, da ich konkret auch nichts spoilern möchte - Weniger, um potentielle Mangaleser zu bewahren als mehr, um die wunderbare Familienerfahrung die der Anime ist nicht mit der Existenz des Manga-Endes zu zerstören. Denn das ist, was die Usagi Drop-Community vor allem seit dem Abschluss der zugrunde liegenden Mangareihe beschäftigt und wofür Usagi Drop traurigerweise eigentlich seine Berühmtheit erlangt hat als berüchtigte Trainwreck-Katastrophe. Jeder Usagi-Drop-Thread und jedes Usagi Drop-Video auf Youtube ist voll davon - Die Entwicklung am Ende des Manga. 

Franchises wie Game of Thrones oder LOST haben nicht zum ersten Mal gezeigt, dass das Ende einer Serie diese rückwirkend vollständig zerstören kann, um jetzt mal etwas weiter zu greifen. Auch Usagi Drop ist dem zum Opfer gefallen und das auf einer ungleich schlimmeren, weil moralisch viel perverseren Ebene. Es ist genau aus diesem Grund, dass der in sich abgeschlossene Anime keine zweite Staffel bekommen hat und man sich auch sonst so gut es geht von Usagi Drop fern hält. Warum das Franchise nicht viel bekannter ist, als es so auch nur sein könnte.

Um mal so vage wie möglich zu bleiben, nimmt die Beziehung der Hauptcharaktere im Manga eine Wendung, die man so sicherlich nicht im Kontext einer Familiengeschichte erwartet hätte und die eigentlich auch auf allen Ebenen daneben ist. Sicherlich weiß schon jeder, was ich meine, denn wenn man über einen Vater und seine kleine Tochter spricht, und dass da gegen Ende der Geschichte irgendetwas gewaltig schief geht, gibt es eigentlich nur eine Sache, die man meinen kann. Ja, genau das. 
 Ughh... mir läuft gleich wieder ein Schauer über den Rücken wenn ich daran denke. Das Ganze wurde zu einem Meme, keine Frage, aber es pervertiert im wahrsten Sinne des Wortes alles, was vorher so rein  und unschuldig erschien.
 
Darum: Der Manga existiert nicht. Nicht für die Usagi Drop-Community. Nicht für mich. Und hoffentlich auch nicht für euch.

Fazit

Usagi Drop ist eine ganz wunderbare, herzerwärmende Geschichte für groß und klein, für die ganze Familie. Auch heute sehe ich mir die Beziehung von Daikichi und Rin noch gerne an, lasse mich unterhalten von den Querelen eines kleinen Mädchens das in den Kindergarten kommt und eines Erwachsenen, der ein Vater werden muss. Die Serie ist so gealtert, dass sie auch aus 2020 sein könnte und ist wirklich eine Empfehlung für jeden, der die leisen Zwischentöne im Anime-Segment sucht.


8/10 Tränenhasen für Usagi Drop

- Yoraiko







 

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