Die 'Auf Reisen'-Reihe ist eine der namhafteren Marken älterer RPGs aus der B-Liga, die sich natürlich nicht ansatzweise mit den Giganten der Szene messen kann, in Genießerkreisen allerdings hohe Beliebtheit besitzt. Das war und ist wohl darauf zurückzuführen, dass das mit dem Spiel 'Xian auf Reisen' begründete Mini-Franchise außerordentlich individualistisch und facettenreich daherkommt, und sich in seiner Grundidee und Ausführung sehr von vielen damaligen Spielen auf dem Maker unterschied. Ist der Kern dieser Titel grundsätzlich, eine Parodie auf andere RPGs, Filme, Spiele und alle möglichen humorvollen Inhalte zu sein, kommen von Spiel zu Spiel viele Elemente und Genres hinzu, wie etwa Horror und Splatter. Berüchtigt wurde zuerst Xian auf Reisen in diesem Kontext auch mit seinen geradezu aberwitzig-übertriebenen Splatter-Schlachtungen von Gegnern, die sich in den weiteren Teilen fortsetzte. Kurz gesagt, wer Xian auf Reisen oder den geistigen Nachfolger Sao auf Reisen spielt, bekommt auch heute noch in jedem Fall eine bunte Wundertüte durchgeknallter und oft recht schlauer Unterhaltung.
Irgendwann dann folgte Sam auf Reisen, das wieder gar nichts mit den anderen beiden Titeln zu tun hatte, sich aber anschickte, das Franchise fortzuführen. Bedauernswerterweise mit wenig Erfolg.
Zwanzig Minuten oder auch die Einstiegsphase. Das ist bei Makerspielen ein entscheidendes und oft als Referenz genutztes Zeitfenster, das dann wichtig wird, wenn es entweder sehr viel besser oder schlechter als der Rest des Spiels ist. Bei Sam auf Reisen ist leider, und damit hatte ich beim Spielen nicht gerechnet, Letzteres der Fall. Das Vor-Intro ist kreativ und spaßig erdacht, die Inszenierung brachte mich zum Lachen und das trotz dem Einsatz simpelster Mittel. Hat man das Intro gesehen, kann man dann im Großen und Ganzen aber schon ausmachen, denn der beste Teil liegt hinter einem. Sam auf Reisen verliert sich in uninspirierten, nervigen Standard-Kämpfen mit Nie-Treffer-Techniken und One-Hit-Kills, stumpfen und dermaßen unlustigen Gags und Dialogen, dass es nur noch beleidigend für die Intelligenz des Spielers ist. Von ururalten Memes, die sogar zu Fips Asmussens Geburt schon einen Bart hatten, über Deine Mutter und Fäkalhumor bishin zu brutal-pointenlosen Wortwitzen die derartig flach geraten sind, dass man sie auf einem Haar ablegen könnte. Der Humor, ich möchte mir die Zunge waschen dafür dass ich die Inhalte dieses Spiels so betitele, ist der größte Kritikpunkt an Sam, denn wenn ihr nicht unter elf Jahre, sozial unpässlich und sehr, sehr leicht zu amüsieren seid, so werdet ihr nicht lachen. Versprochen.
Von den ellenlangen, unnötigen, ja ich möchte sagen stierdreisten und offensichtlich sadistischen Laufwegen will ich da gar nicht anfangen. Platonische Schläge in die Gesichter der Ersteller. Viele davon. Damit eng verbunden muss man den konstant unersichtlichen und beliebigen roten Faden ansprechen, der den Spieler von einem Plotpoint zum Nächsten bringen will. Oft ist überhaupt nicht klar, was getan werden muss, oder es ist kompletter Blödsinn, auf den kein Mensch je kommen würde. Ein Questlog wäre auch hilfreich gewesen bei der Größe der Stadt, die den zentralen Handlungsort des Spieles darstellt. Und für die unerträglichen Spawnspeed-Geister aus der Encounterhölle sollte das Spiel als 'Nicht für Choleriker geeignet' ausgeschrieben werden. Die Hintergrundmusik will sich dem Geschehen nie so recht anpassen, weswegen sie auch nichts Gutes zum Gesamteindruck beiträgt.
Doch wo viel Schatten ist, da lungert meistens auch etwas Licht herum. Das bereits erwähnte Intro wird euch Schmunzeln lassen. Die Landschaften sind ein Hochgenuss, sei es der Mastermind-Turm am Anfang oder die sehr ansehlich erstellten Häuser der Stadt. Die Lichteffekte sind das größte optische Plus dieses Machwerkes, das waren fast durchgängig ansprechende Schmankerl, an denen man sich kaum sattsehen kann. Die Anspielungen und Referenzen überall bereiten dem geschulten Allrounder Freude. Damit hat es sich aber auch schon auspositiviert. Okay, dass diese Demo wie auch die anderen Spiele des Franchises relativ kurz ist, macht mich hier ausnahmsweise sehr glücklich. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob die Ersteller das als Kompliment auffassen würden...
Ein Vergleich mit Xian auf Reisen und Sao auf Reisen stellt sich in meinen Augen gar nicht und jeder, der etwas anderes behauptet, sollte die beiden oben genannten Titel nochmal spielen. Während die ersten beiden Spiele mich in zahlreicher Hinsicht großartig unterhalten haben, kann Sam das in keiner Sekunde meiner Spielzeit von sich behaupten. Auf jeden Fall also kein legitimer Teil des Auf Reisen-Franchises. Dazu fehlen trotz bemühter Splatterposen auch einfach zu viele Kernelemente der Vorgänger.
Wollt ohr also eine bunte, absurde, groteske und schlichtweg auch einfach künstlerisch hochwertige Retrospiel-Erfahrung, fangt am besten mit Xian an und spielt danach noch Sao. Diese Titel, denen ich vielleicht mal noch ein eigenes Review widmen werde, kann man so ziemlich jedem empfehlen, der etwas für Retro-RPGs übrig hat. Sam... nun, der muss leider draußen bleiben. Und das ist wirklich das Lustigste an ihm.
3/10 Witzebücher für Sam auf Reisen
- Yoraiko
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