Montag, 18. November 2019

Film-Review: Trollhunter - They are among us



Das skandinavische Kino hat sich international schon seit vielen Jahren als zuverlässiger Lieferant für schwierige, ruhig erzählte und äußerst sterile Filmstoffe etabliert, die sich sehr vom amerikanischen Blockbuster-Entertainment unterscheiden und mit ihrer Verschrobenheit sicher nichts für Jedermann sind. Der norwegische Found Footage-Geheimtipp Trollhunter ist aber einer der verträglicheren Beiträge Nordeuropas zur Filmkultur und obendrein auch einer der Gelungeneren, wenn es nach mir geht. Es kommt dem Film ebenso zugute, dass er sehr ehrlich ist - What you see is what you get. Wenn man den Titel liest und daraufhin eine Erwartungshaltung aufbaut wird genau diese auch erfüllt, wenn auch deutlich weniger effektvoll als es das Movieplakat einem vielleicht glauben machen will.

Worum geht es? Eine Dreiergruppe junger Studenten untersucht in den abgelegenen Regionen Norwegens eine Serie von rätselhaften Bärentoden. Sie stoßen dabei schnell auf den zwielichtigen Zeitgenossen Hans, der sich ihnen alsbald als Trolljäger vorstellt. Die Studenten werden sich entscheiden, ihn bei seiner nächtlichen Arbeit zu begleiten und zu filmen - Dem Töten von Trollen.
Das daraus entstandene Videomaterial wurde gefunden, ausgewertet und von einem Erzähler vorgestellt.

Wie ich sagte hält TrollHunter sich nicht lange mit einem zähen Spannungsaufbau, einem unnötigen In die Irre führen des Zuschauers oder dem Aufrechterhalten des Mysteriums auf - Keine zwanzig Minuten im Film bekommen sowohl die Studenten als auch wir den ersten, sich bewegenden Troll zu Gesicht. Dabei ist dieses Machwerk mit den Genres Fantasy und Horror bestückt, Horror ist Trollhunter aber nur bedingt. Viel mehr versteht der Film sich als furchteinflößende, morbide-interessante Naturdokumentation einer fiktiven Tierspezies, den Trollen. Die Tatsache, dass sich von Anfang bis Ende viele Dialogzeilen Zeit genommen werden, um die heimlichen Bewohner Norwegens zu erklären, in allen Aspekten ihres Lebens zu beleuchten und als Tiere in einen authentischen Kontext zu setzen sorgt dafür, dass alles angenehm bodenständig bleibt und nie in Monstergrusel ausartet - Wir nehmen die Trolle als wilde Tiere wahr, nicht als unerklärliche Horrorbestien. Da man sich darum viele Gedanken gemacht hat, gewinnt der Film an Konsistenz und wird viel interessanter als vergleichbare, plattere Horrorfeatures. Die Trolle sind glaubwürdig und in unserer Realität mehr oder weniger vorstellbar.

Desweiteren mochte ich das Auslassen gängiger, westlicher Stichpunkte im Horror-Fantasy-Genre - You believe it when you see it - So sagt es das Plakat und so händelt es der Film. Es wird sich nach dem ersten Auftauchen eines Trolls nicht erst zwanzig Minuten darüber unterhalten, ob das denn jetzt die Realität war, dass so etwas unmöglich wahr sein kann, dass die Studenten unter Drogen stehen müssen, dass es eine logische Erklärung geben muss und so weiter und so fort. Sie sehen, sie akzeptieren, wie es echte Menschen auch tun würden. 

Der Horroraspekt den ich eher als effektiven Grusel bezeichnen würde kommt vor allem in der ersten Hälfte zum Tragen und fühlt sich erfrischend anders an - Mal wird ein Troll durch seinen grotesken Körper und die verstörend-unmenschlichen Laute die er von sich gibt schemenhaft im nächtlichen Wald zur angsteinflößenden Bedrohung, mal passiert das ganz simpel über eine gewollt-ruckelige, grobschnitzige Animation der deformierten Kreaturen, die dann schon wieder so unwirklich beziehungsweise unpassend-überzeichnet wirkt, dass man sich zwangsweise unwohl fühlt. Jumpscares gibt es - Wie von einem skandinavischen Film zu erwarten - zum Glück keine, dafür eine wirklich durchgehend sehr gelungene Stimmung. 

Aufgelockert wird das buchstäblich graugrünbraune Seherlebnis durch einen unerwarteten, sehr durchdacht eingestreuten, trockenen Humor. Der Film ist ernst und gruselig, keine Frage, aber er nimmt sich auch aller Nase lang die Zeit, einen Schmunzler beim Zuschauer zu erwecken und beweist so Selbstironie. Humor und Grusel funktioniert nur selten zusammen in einem Film - Trollhunter ist einer dieser Filme. Und das hat er auch nötig, denn trotz seiner spannenden Geschichte und der weniger anstrengenden Inszenierzung als man sie bei anderen skandinavischen Filmen vorfindet merkt man auch diesem Werk seine Wurzeln an - Die 103 Minuten ziehen sich vor allem im Mittelteil spürbar, alles ist monoton und die actionreichen Sequenzen machen einen eher kleines Teil davon aus. Dann aber kommt die zweite Hälfte.

Grob kann man Trollhunter in zwei Teile teilen: Der Erste ist das aufgelockerte, skandinavische Gruselkino mit dem Einführen der Trolle, überaus interessanter Lore zu diesen und den Nachforschungen, was diese aus ihren Revieren treibt. Im zweiten Abschnitt dann nähert man sich doch etwas der amerikanischen Abrissbirnen-Unterhaltung an und wird größer, spektakulärer, vielleicht unterhaltsamer. Alles noch im Rahmen der angezogenen Handbremse einer fiktiven Tierdoku, aber hier werden jetzt klassischere Spannungsmomente aufgebaut, die man so oder ähnlich kennt, wie etwa das Gefangensein mit gefährlichen Kreaturen in deren Zuhause oder den Showdown mit etwas... sehr, sehr Großem, um mal nicht zu viel vorweg zu nehmen. Diese zweite, effektvollere Hälfte schadet dem Film aber nicht, im Gegenteil, sie belohnt den Zuschauer für das bisherige Interesse an der Theorie und lässt es nochmal ordentlich knallen. 

Schließlich offenbart der Erzähler vom Anfang uns ein wenig bitter aber äußerst befriedigend die fiktiv-dokumentarischen Fakten, die auf den Fund des von den Studenten aufgenommenen Materials in der Realität folgen würden, um Trollhunter dann mit einem mehr als gelungenen Abschlussgag enden zu lassen - Ich musste herzlich grinsen.

Wer einen Einstieg ins skandinavische Kino sucht, ohne sich dabei gleich einen einschläfernden Arthouse-Film oder eine tiefgehende Melancholie-Tragödie auf die Netzhaut legen zu wollen, wer intelligent-gemachten Realismusgrusel mag bei dem die Wackelkamera keine große Rolle spielt und sinnvoll eingebunden ist, oder wer einfach ein paar von Norwegens trostlosesten Landschaften erleben möchte - Der macht mit Trollhunter wenig falsch. Ein sympathischer Film, der sich keine großen Fehler leistet und der uns am Ende vielleicht sogar ein wenig trollt. 


6/10 Christen für Trollhunter

- Yoraiko 






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