Dienstag, 22. Oktober 2019

Apex Legends - Verflucht, ich bin süchtig.




Ugh. Ich dachte immer, ich wäre etwas Besonderes. Ich nahm stets an, ich wäre etwas Besseres. Es gibt wenige Genres in Videospielen, die ich wirklich konsequent umgehe: Rennspiele. Sportspiele. Point and Click. Strategiespiele. Shooter. Und natürlich das neuzeitliche, inzestöse Kind von Mama Mainstream und Onkel Ohnehirn - Battle Royal.

Das Genre hat unter Videospielern, die wirklich tief im Medium und seinen Möglichkeiten drin sind, keinen guten Ruf. Nicht erst, aber vor allem seit der hochansteckenden Zombieseuche Fortnite, die dafür bekannt ist vorzugsweise 7 - 16 jährige, übergewichtige, psychisch-labile Kinder zu befallen und ihnen das Geld aus dem Fleisch zu ätzen, dass es dem T-Virus die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Sich mit diesem Genre zu identifizieren, das schon seit längerer Zeit den Sprung auf die größten Märkte der Spieleindustrie geschafft hat, fällt mir schwer. Versteht ihr, was ich bespiele mit Leidenschaft und Freude sind solche Kategorien wie Visual Novels. J-RPGs. Fighting Games. Playable Movies. Story-driven Games. All die Einträge im Interessenbereich meiner Bewerbung und meines Tinderprofils, die mich garantiert in jede Arbeitsstelle bringen und mich zum Knaller auf spritzigen Nerdpartys machen. Ich spiele Kram der mir das Gefühl gibt, was Besseres als ihr zu sein. Nicht dieser abgeranzte Mainstream-Kokolores, den ja ohnehin nur anspruchslose Menschen spielen und ja.

Aber dann kam mein Fall. Und dieser kam nicht ohne Ankündigung: Schon seit Jahren sehe ich immer mal wieder in die PUBG-Let's Plays auf RocketbeansTV rein - Das fand ich sehr, sehr spannend und unterhaltsam zum Zusehen und das Prinzip mit dem Kreis erschien mir raffiniert. Aber es selbst spielen? Nein, das reizte mich kein bisschen. Über Fortnite brauchen wir gar nicht reden und auch sonst konnte das Genre für mich nie als potentieller Timekiller herhalten, da ich weder den Reiz in einem Battle Royal sah noch das Interesse daran mit meiner Selbstwahrnehmung in Einklang bringen konnte. Es blieb dein den LPs. 

Bis ein Freund in mein Leben trat, dessen fragwürdige Einflüsse auf mich ich jetzt nochmal überdenken sollte. Er erzählte mir von Apex Legends und wie toll und anders das doch wäre. Er verstünde meine enorme Abneigung gegen Battle Royal weil es ihm genau so ginge, aber Apex Legends sei anders. Er wollte es mit mir zusammen spielen, aber ich weigerte mich, für so was Geld auszugeben. Als er mich aufklärte, dass das Spiel kostenlos ist und man dafür sogar auf der PS4 kein Playstation+ braucht (Playstation+ ist das dreisteste, unverschämteste Abo-Modell der Welt), gab ich schließlich nach und lud es mir herunter. Was konnte es denn schon schaden, mal reinzuschnuppern?




Oh, die Naivität. Die Jugend, die Schande. Seit etwas mehr als einer Woche besitze und spiele ich Apex Legends nun, täglich, und  muss haltlos eingestehen, dass ich (ein wenig) süchtig bin. Konträr zu meiner enormen Skepsis und dem Selbstbild des unnahbaren, coolen Elite-Gamers brach ich schon nach wenigen Spielen ein und hatte Spaß. Eigentlich spiele ich nur sehr, sehr ungerne online mit anderen zusammen, vor allem Shooter sind mir einfach zu schnell und zu wild, damit komme ich nicht klar. Aber der Fakt, dass ich hier mit meinem Freund in Echtzeit reden und im Team zusammen spielen konnte und dass wir beide Anfänger waren die zusammen lernten, entwickelte eine unheimliche Sogwirkung auf mich notorischen Singleplayer. Selbst in Partien ohne ihn spielt man in Apex nun mal in 2er bis 3er-Teams und ist selten allein. Die Lernkurve ist steil. Das Battle Royal-Prinzip unheimlich kurzwillig.  

Aha. 
Darum spielt die ganze Welt also diese Spiele. 

Und statt noch länger naserümpfend daneben stehen zu können, bin ich jetzt aktiver Teil davon. Ugh. Aber nicht nur das - Ich bin süchtig. Das darf ich wohl behaupten, wenn meine bisher längste Session sieben Stunden am Stück(!!) Apex spielen ausmachte, von 20:00 Uhr bis 03:00 Uhr Morgens.

Genug von meinem Selbstmitleid. Kommen wir zu Apex Legends selbst und was aus meiner Sicht den Reiz des Spiels ausmacht. Dass es kostenlos ist ist wichtig, und der überaus faire Umgang mit Micro-Transactions ebenfalls - Es gibt nur kosmetische Gegenstände frei zu schalten, und selbst die kann man tatsächlich mit gewonnener Ingamewährung kaufen - Das dauert extrem lange, ist aber absolut okay wenn man bedenkt, dass die Micro-Transactions die einzige Einnahmequelle von Respawn Entertainment darstellen. So gerechte und angenehme Micro-Transactions hat man selten gesehen. Desweiteren sieht das Spiel wirklich nicht schlecht aus - Ja, die Legenden haben mir zu Anfang nicht gefallen und ich finde die Designs immer noch nicht gut. Wenn ich da auf Marken wie League of Legends oder Overwatch gucke, ist der Standard einfach zu hoch. Aber ich habe mich an die Legenden gewöhnt und ihren kruden Teenie-Charme zu schätzen gelernt. Die Ingamegrafik ist überaus okay, nichts Besonderes, aber überhaupt kein Vergleich zum graugrünbrauen PUBG-Brei oder der Hirnkaries erregenden Fortnite-Regenbogenpampe. Die Lernkurve ist wie erwähnt sehr steil - Am Anfang sind mein Freund und ich natürlich nur gestorben, mussten uns ans Looten gewöhnen, alle Waffen kennenlernen, die Karte erkunden und ein Gefühl für Battle Royal entwickeln - Schon nach ein, zwei Tagen jedoch waren erhebliche Verbesserungen zu spüren. Und durch die Level, Erfahrungspunkte, Währungen und Freischaltungen hat man ständig ein Belohnungsgefühl, auch wenn man schlecht spielte. Das ist vor allem für mich wichtig, da ich in der Regel sehr schlecht in Videospielen bin, vor allem in kompetitiven Genres wie Fighting Games, und hier dennoch gut sein kann in dem ich trainiere, lerne, besser werde. Das Spiel ist nicht unfair, und selbst der größte, eingespielteste Profi kann von einem Anfänger zu Fall gebracht werden. Das Markierungssystem ist das Schlagende Herz des Gameplays - Damit kann man wunderbar kommunizieren, sich gegenseitig unterstützen, den Weg vorgeben, sich aufspalten, vor Feinden warnen und und und. Eine simplizistische und doch rundum gelungene Idee, ohne die das Spiel auf mich einen deutlich schwächeren Reiz ausüben würde. 
Definitiv kann man das System natürlich noch verbessern - Ich weiß immer noch nicht genau, wie man bestimmte Ansagen der Charaktere auslöst, die meine Teamkameraden mir regelmäßig um die Ohren hauen. Es wird einfach nirgendwo erklärt.


Unheimlich essentiell für die leidige Suchtspirale ist auch die gigantische Community - Aus so ziemlichen allen Multiplayer-Spielen, die ich bisher online gespielt habe - Und das waren eben zumeist nischige Fighting Games oder RPGs - habe ich gelernt, dass man immer mindestens 2-3 Minuten auf ein Spiel wartet. Hier dauert es maximal 20 Sekunden. 20 Sekunden

Eine Drittelminute und du bist im nächsten Spiel. Läuft es nicht? Quitte und spring ins Nächste. Nur noch ein Versuch. Ein Spiel mehr noch, noch ein Level, noch ein Kill. 
Kein Entkommen

Die Fähigkeiten der Legenden habe ich in den ersten 10 - 20 Spielen überhaupt nicht und dann nur sehr zögerlich eingesetzt, bis ich sie einigermaßen verstanden hatte. Was man Apex deutlich ankreiden kann, ist das Tutorial - Es erklärt nur die grundlegenden Mechaniken, nicht aber die einzelnen Legenden oder die verschiedenen Waffen. Was die Fähigkeiten oder Schießeisen können - Das muss man selbst rausfinden, in der Hitze des Gefechts. Keine sehr einladende Lösung. Auch heute noch benutze ich die Skills eher sparsam, was daran liegt, dass man in einem Schussaustausch ohnehin nach 2-3 Schüssen auf dem Boden liegt ehe man überhaupt daran denken kann, irgendetwas anderes zu tun als panisch zurück zu feuern. 

Was mich ebenfalls enorm motiviert hat, sind die variablen Gameplay-Möglichkeiten, die auch in Apex sehr zum Tragen kommen: Es gibt verschiedene Wege, als Letzter zu leben. Klar, man kann sich von Anfang an durchballern und jeden Konflikt suchen, aber man kann eben auch immer gerade so am Rande des Geschehens bleiben, jeden Gegner großzügig umgehen und sich bis zum Ende mitschleichen und hoffen, dass die anderen sich gegenseitig ins Jenseits schicken. Oder man campt schwer bewaffnet in einem abgelegenen Haus so lange es der Kreis zulässt. Habe ich alles schon probiert, hat alles schon funktioniert. Für einen eher ruhigen Spieler wie mich willkommene Optionen. 

Alles in allem: Ohne die anderen Battle Royals gespielt zu haben nehme ich mir heraus zu zurteilen, dass Apex Legends besser ist. Zumindest besser als die Meisten, und damit im oberen Durchschnitt des Genres. Das Spiel ist eine kostenlose, bunte, recht zugängliche Mischung mit sehr hoher Sogwirkung, extrem aktiver Community und konstantem Belohnungsrausch. Das ist kein Entschuldigung für meinen Fall, aber es erklärt ihn zumindest. 
Richtig? ... Richtig?!

Lasst mich noch über das derzeit stattfindende, große und in Apex Legends ein Novum darstellt - Schattenfall.


Schattenfall ist ein Modus, über den ich vor dem neulichen Starten der Konsole selbstverständlich nicht informiert war, plötzlich begrüßte mich einfach das neue Menü und ich wurde unwissend hineingeworfen. Meine Aufregung war immens, meine Begeisterung von einer neuen Karte bei Nacht, mit Jumpscare-Monstern in Lootkisten, Schattenmonstern, Einzelspieler-Modus und einer Gruselatmosphäre überschwänglich. Dann kam bald die Ernüchterung, Wut, Frustration, Akzeptanz
Schattenfall ist ein Modus, der wirklich gut sein könnte, in seiner Essenz aber doch eher ein Mahnmal der Unerträglichkeit ist. Das hat vor allem den Grund, dass er - Davon ist das ganze Internet voll - rettunglos unbalanced und unfair ist. Ich erkläre das nochmal kurz: 

Man startet als einzelne Legende. Schießt man eine andere Legende ab, wird diese zum Schatten. Wird man selbst abgeschossen oder wiederum von einem Schatten getötet, wird man zum Schatten, um Legenden zu töten. Mit jeder gestorbenen Legende wird die "Dunkle Seite" stärker. Jeder getötete Schatten kommt nach wenigen Sekunden wieder. Man bekämpft sich also erst untereinander, macht den kollektiven Feind damit immer gefährlicher und schließt sich ihm letztendlich an. Erst wenn man als Legende lange genug überlegt hat, bildet man ein großes Überlebensteam. Ein irrsinnig interessantes und gut durchdachtes Konzept, mit klaffenden Schwächen.
Jeder der den Modus gespielt hat weiß es - Die Schatten sind unglaublich schwer zu schlagen. Um als Legende in Schattenfall zu gewinnen, muss man nach einer gewissen Zeit ein Rettungsschiff lebend erreichen. Das mag logisch erscheinen wenn man bedenkt, dass jede getötete Legende zu einem Schatten wird, aber das ist nicht das Problem. Die Probleme liegen beim Balancing beider Fraktionen: 

- Schatten können eine Legende mit meistens einem, manchmal zwei, selten drei Schlägen töten
- Schatten sind viel, viel schneller und wendiger als Legenden, halten dafür aber auch nur 2 Schüsse aus 
- Schatten sehen, wo auf der Karte ihr Mörder ist, wo andere Schatten sterben, wo sich Legenden grob befinden, wo Legenden sterben, sie hören wo geschossen wird, sehen Legenden als rotleuchtende Silhouetten selbst auf weite Entfernungen sehr klar, sind im letzten Drittel einer Runde in der vielfachen Überzahl
- Sobald das Rettungsschiff gelandet ist werden Schatten nochmals schneller und sehen alle Legenden permanent überall auf der Karte genau wie das Rettungsschiff.
- Die Zeit um das Rettungsschiff als Legende zu erreichen ist unglaublich knapp - Meist landet es 500 - 800 Meter von einem entfernt, was im Spiel eine grausam-endlose Laufstrecke ist, wenn aller paar Sekunden Schattengegner auftauchen, die dich one-hitten und damit aus dem Spiel kicken können. Es braucht 100 Sekunden zum Landen, dann hat man 30 Sekunden um an Bord zu gehen und sich zu retten. Unnötig zu erwähnen, dass die meisten Schatten den einsehbaren Landeplatz einfach belagern und alles töten, was sich bewegt. 

Die wichtigsten Probleme des Modus dürften damit bekannt sein. Will man friedlich auf andere Spieler zugehen und ihnen signalisieren, zusammenzuarbeiten, weil es keinen Sinn ergibt sich gegenseitig zu töten und die wirkliche Bedrohung zu stärken, wird man gnadenlos niedergeballert, jedes Mal. Die einzige Lösung: Campen. Campen, Campen und nochmals Campen. Das war für mich bisher die mit Abstand erfolgreichste Strategie in Schattenfall. Zwar habe ich schon mehrmals als Legende gewonnen, aber das waren wirklich drei von vielleicht fünfzig Spielen. Der Modus macht keinen relevanten Spaß, er ist extrem schwer, frustrierend und unbarmherzig, jeder Fehler führt zum Tod. Es geht die Vermutung in der Community, das wäre Absicht von den Entwicklern. Das würde Sinn ergeben - Schattenfall ist aufgemacht als bitterböses Halloween-Event der Schatten, der (nach einiger Zeit nervtötende) Sprecher des Modus, der sich selbst als Overlord des Bösen versteht, macht klar, dass Legenden hier nichts zu Lachen haben. Na schön, dann war es eben Absicht. Darum muss es mir nicht gefallen. 

Es ist eine Verschwendung und ich würde hoffen, dass am Modus noch geschraubt wird, aber da er in zwei Wochen (leider) ohnehin wieder permanent verschwindet, erübrigt sich das wohl.

Was soll ich noch sagen. Mittlerweile ist es ganz aktuell wieder besser geworden bei mir - Ich spiele etwas weniger Apex und setze mir Grenzen. Das liegt auch daran, dass ich mich wieder mit anderen Zeiträubern wie meiner Playstation Vita oder meinem Super Nintendo Mini beschäftige. Dennoch, ich vernachlässige meine Pflichten und andere Hobbies viel zu sehr für Apex, und das ist etwas, das ich ernsthaft hinterfrage und verurteile. Apex macht Spaß, keine Frage, aber im Gegensatz zu Storyspielen gibt es mir nichts, bringt mich erfahrungstechnisch nicht voran und ist quasi eine Beschäftigung, bei der ich mich im Kreis drehe, wo ich doch gerade produktiv sein könnte.

Spielt also jemand, der diesen aufwühlenden Suchtbericht liest, mit dem Gedanken Apex aus seinem PC oder seiner PS4 doch auch mal kostenlos auszuprobieren, so kann ich nur sagen - 



Bitte gebt Acht auf die Suchtgefahr.
 



- Yoraiko

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