Freitag, 16. August 2019
Sie möchten als Arschloch arbeiten? Werden Sie doch Fahrkartenkontrolleur!
Jeder von uns hat als Kind irgend einen Wunsch, was wir später arbeiten, was wir mal sein wollen. Was wir mit unserem Leben anfangen werden. Während die einen ihrer heroischen Natur folgen und Polizist, Feuerwehrmann oder Staubsaugervertreter werden, bevorzugen andere ein ruhiges Leben hinter Schreibtisch und Kaffeemaschine. Beides ist vollkommen legitim, ebenso wie die berüchtigten 'kreativen' Jobs beim Fernsehen oder gar der Spieleindustrie. Es führen viele Wege nach Paris, und es gibt mittlerweile ausreichend Möglichkeiten in unserer Gesellschaft, sich zu verwirklichen, oder zumindest sein Leben zu finanzieren.
Natürlich werden wir nicht immer das, was wir uns wünschen oder schon immer ausgemalt haben. Das liegt einfach in der Natur von Träumen - Sie tendieren dazu, welche zu bleiben. Während die Alternativen aber öfter auch gar nicht so schlecht aussehen und wir etwas tun, mit dem wir uns am Ende des Tages anfreunden können, finde ich es sehr schwer mir vorzustellen, wie jemand sich als kleines Kind sagt: 'Ich werde später mal Fahrkartenkontrolleur!"
Irgendwie ist das ja doch eher unwahrscheinlich. Vielleicht noch am ehesten ein dickes, unbeliebtes und zurecht gemobbtes Kind, das Polizist werden wollte, nie was dafür getan hat, durch sämtliche Prüfungen gerasselt ist und jetzt eben dafür im öffentlichen Verkehr den Revolver rasseln lässt, bis an die Zähne bewaffnet mit Kartenlesegerät und grimmigem Blick.
Aber wie sollen sie denn auch anders gucken? Wie würdet ihr gucken, wenn ihr eurer weinenden, enttäuschten Mutter bei jedem Besuch zu Hause klar machen müsst, dass ihr kein gesellschafts-unfähiger, völlig inkompetenter Versager, sondern eine wichtige Stellschraube im Getriebe des öffentlichen Verkehrs seid? Wenn ihr auf eurem Tinderprofil unter Beschäftigung 'Es ist kompliziert' angeben müsst? Wenn ihr euren Kindern, und deren respektgetränkten großen Augen abends vor dem Schlafengehen erklärt, dass der eigentliche Inhalt eures Berufes ist, ein riesiges Arschloch zu sein und anderen Leuten den Tag zu versauen, nur um mit anzusehen, wie das Leuchten in den Augen eurer Sprösslinge ganz schnell wieder verschwindet?
Fahrkartenkontrolleure gehören für mich zu einer der schlimmsten Auswüchse unserer Gesellschaft, und liegen sympathientechnisch irgendwo zwischen Netto-Mitarbeiter und AfD-Wähler. Niemand mag sie(zurecht). Niemand begegnet ihnen gern(zurecht). Niemand würdigt sie mehr als einen notwendigen Blick(zurecht). Und wer jetzt den Finger heben und einwenden möchte, dass das aber ganz schön gemein wäre, und die doch auch nur ihren Job machen - Think again.
Die haben sich das ausgesucht. Oder haben sie das? Ich glaube, niemand wollte jemals Fahrkartenkontrolleur werden. Niemand macht das gerne. Niemand. Das möchte ich glauben. Das ist wahrscheinlich der Job den du machst, wenn du für alles, aber auch wirklich für alles andere schlichtweg zu inkompetent oder faul bist, aber trotzdem noch abends an deiner Playstation in Call of Duty Köpfe wegsprengen willst oder ein paar ungewollt entstandene Plagen ernähren musst, damit der Staat dir nicht das Kindergeld entzieht. Aber dann auch wieder gibt es immer bessere Alternativen im Reinigungs-, oder Einzelhandelsegment, für die man ebenso wenig studiert haben muss. Fahrkartenkontrolleur werden aber ist etwas, das man vielleicht doch wollen muss. Jeder, der diesen Job annimmt, weiß genau, worauf er sich einlässt - Der einzige Inhalt deines Tages ist es ja, potentiell JEDEM selbigen zu versauen, Launen zu zerstören, Knöllchen auszustellen. Gratulation. Deine Eltern müssen wirklich sehr stolz auf dich sein.
Nun könnte man trotz allem davon ausgehen, die meisten Kontrolleure sind liebe Menschen, die da nur irgendwie hineingeraten sind, und die diesen Job machen müssen. Fehlanzeige. Zumindest meiner Erfahrung nach. Fahrkartenkontrolleure der LVB in Leipzig lassen sich, das sage ich nach etwa 10 Jahren Straßenbahnfahren in dieser Stadt, grob in drei Kategorien Mensch einteilen:
1. Große, bullige, Muskel-Machomänner -
Große, bullige Muskelmachomänner, ggf. mit Tattoos, viel zu dicken Ohrringen aus offensichtlichem Falschgold und frisurenähnlichen Haarformationen, die in der Regel an einen heruntergebrannten Scheiterhaufen oder ein mit Pestiziden bombardiertes Spinnennest erinnern. Die Stimme tiefer als das Niveau eines Mario Barth-Liveauftrittes, gesegnet mit der Empathie eines Schleifpapier-Vibrators.
2. Ältere Frauen -
Hier gibt es wenig zu sagen abgesehen von der Tatsache, dass diese Gruppe wohl tatsächlich in die Kategorie "Ich könnte mir Besseres vorstellen, aber sein wir ehrlich" fällt. Das ist eine Erklärung, keine Rechtfertigung. Befehle ausführen ist genau so schlimm, das hat die Geschichte uns gezeigt.
3. Frauen... besondere Gänseblümchen -
Exemplare der Weiblichkeit, die aus offensichtlichen Gründen im Unterwäschemodel-, Werbe-, oder Erziehungssegment keinen Platz mehr gefunden haben. Sein es die 150 Kilo zu viel, die MC Donalds-fabrizierte Akneleinwand eines Gesichtes oder die offensichtlich fürs andere Geschlecht vorgesehene Kleidung plus 'Frisur'. Diese Gruppe besteht aus den sympathischsten Vertretern der LVB, Frauen in der Blüte ihres Lebens, die ihre Frustration darüber, dass das mit dem Prinz auf dem weißen Ross und dem hässlichen Entlein, das irgendwann zum schönen Schwan wird wohl doch nur Märchen waren, gern an jedem hilflosen Mitfahrer der Straßenbahn auslassen. Man ist gefangen zwischen seinem Mitleid und seiner Verachtung für diese, sagen wir, Frauen.
Sicherlich gibt es Kontrolleure, die sich dieser Einteilung entziehen, aber am Ende des Tages können wir uns wohl darauf einigen, dass keiner von ihnen je Atome spalten wird. Schön und gut, diskriminierende und platte Einteilungen und Vorurteile, aber vielleicht sind die ja doch ganz nett und höflich? Das ist süß von dir, aber nein. Sind sie nicht. Zumindest habe ich das in den letzten zehn Jahren sonst wohl verpasst. Kontrolleure bekommen eine Fangprämie, auch wenn die garstigen Kleinhirne das immer leugnen, und um die bemühen sie sich auch vorbildlich. Es wird stets nach Lücken in den eigenen Ausweispapieren gesucht, und Wehe Zusatzdokument X und Y ist für den Sozialpass mal nicht sofort dabei, dann brennt aber die Luft! Das berühmte AugeZuDrücken, Verständnis oder auch einfach ein bisschen menschlicher Anstand füllt einem am Ende des Monats auch nicht das Konto, und so kann man das auch gleich weglassen und seine Seele verramschen, so oder so ähnlich das Motto eines wohl jeden Kontrolleurs.
Dabei ist es natürlich ein ganz anderes Thema, dass öffentliche Verkehrsmittel innerhalb einer Stadt ohnehin kostenlos sein SOLLTEN, wenn man mich fragt - Die LVB und natürlich jeder andere Anbieter versteht sich immer als Dienstleister, und den öffentlichen Verkehr als Angebot.
Aber das ist er nicht. Wenn ihr in einer Großstadt lebt und kein Auto habt, ist er schlichtweg eine Notwendigkeit, und die Tatsache, dass z.b. die Leipziger Verkehrsbetriebe Jahr um Jahr um Jahr munter weiter die Fahrkartenpreise nach oben korrigieren, bei stetig gleichbleibend-beschissenem Service mit Ausfällen, falschen Anzeigen und Verspätungen im Minutentakt, bestätigt das nur. Fahrräder bringen einen auch nur begrenzt weit, also ist das Fahren mit einer Straßenbahn keine Option, sondern ein Teil des Großstadtlebens. Darum sollten eben jene Städte bzw. der Staat sich auch darum kümmern, dass die Fahrgemeinschaften auch staatlich bzw. aus Steuergeldern finanziert werden, damit Lisa(35, Harz IV-Empfängerin) mit ihren beiden Kindern Max(7) und Sarah(12) nicht immer Schwarz fahren und dann 100 € blechen muss, wenn die Häscher der Finsternis sie erwischt haben.
Das ganze Geschäftsmodell ist ekelerregend, und es wird schlimmer je länger ich darüber nachdenke. Liefere Leute ohne gültige Fahrkarte ans Messer und du bekommst eine Prämie. Ich bin mir sicher, das wurde und wird in Diktaturen genau so gemacht, aber was anderes als eine Diktatur ist der öffentliche Verkehr unter Organisationen wie der LVB auch nicht. Kontrolleure sind keine guten Menschen. Kontrolleure sind, in der Regel und nach meiner zehnjährigen Erfahrung, Arschlöcher. Das ist BUCHSTÄBLICH Teil der Stellenbeschreibung: Sie wollen als Arschloch arbeiten und täglich dutzende Menschen richtig schön rasend machen? Werden Sie Fahrkartenkontrolleur! Nix können, alles wollen! Ich meine, sicher gibt es genug Leute, die diese Macht richtig genießen und ihren Sadismus auf diesem Wege ausleben. Freundliche und mit einem Mindestmaß an Menschlichkeit gesegnete Personen gehen dann vielleicht doch lieber zum Militär.
Letztendlich hilft eigentlich nur - Schwarzfahren, Schwarzfahren, Schwarzfahren! Und gegen die immer höher steigenden Preise demonstrieren, die wahrscheinlich dem gesamten LVB-Vorstand(Austauschbar mit dem eurer Stadt) die neuen Diamant-Zähne finanzieren. Oh, und selbstverständlich, denn um die geht es hier -
Immer schön unfreundlich und ablehnend gegenüber Kontrolleuren sein. Sie haben sich das ausgesucht. Sie versauen uns den Tag. Versauen wir ihren.
Also sagt ruhig einmal zu viel als zu wenig mit einem nicht allzu gut versteckten Lächeln und ruhiger Stimmlage
"Ihre Eltern müssen sehr stolz auf Sie sein."
Denn wenn wir eines wissen, dann dass Stolz so ziemlich das Letzte ist, das die grimmige, ästhetisch wenig-ansprechende Person vor euch in irgend einer Form mit seiner Tätigkeit verbindet. Das wäre ja auch noch schöner!
Nachtrag: Nein, ich wurde nicht beim Schwarzfahren erwischt. Ich kaufe brav meine Monatstickets. Ich bin zu feige für das, was ihr tun sollt, damit die Welt besser wird.
- Yoraiko
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Danke!!! Sie sind und bleiben Arschlöcher! Mega treffender Text!
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