ASMR - "Thus, I give you Tingles!"

ASMR ist etwas, das viele von euch vielleicht höchstens als Parodie kennen - Ist das nicht dieser Youtubehype von vor einigen Jahren, bei dem komische Frauen ganz nah an die Kamera herangehen und unangenehm flüstern? Während ich selbst bei meinem ersten Kontakt mit der stillen Subkultur ebenfalls nur gelächelt und den Kopf geschüttelt habe, muss ich hier und heute ein tiefgreifendes Geständnis machen - 
Ich höre regelmäßig, täglich sogar, ASMR. 
Dieses Ergebnis war ein schleichender Prozess, der alles andere als klassisch von statten ging, denn das der Entspannung und dem besseren Einschlafen gewidmete Unterhaltungsgenre hat mich über seine Parodien eingenommen. Und darum, weil ich selbst unfreiwilliger Teil von ihr bin, möchte ich diese Subkultur ein wenig beleuchten und über meine Erfahrungen darin sprechen.

Was ist erst einmal ASMR? Wikipedia, take over!
Autonomous Sensory Meridian Response (oft als ASMR abgekürzt) bezeichnet die Erfahrung eines statisch-ähnlichen oder kribbelnden Gefühls auf der Haut, das typischerweise auf der Kopfhaut beginnt und sich entlang des Nackens und der oberen Wirbelsäule bewegt (sogenannte Tingles).
Dieses Gefühl wird als beruhigend und angenehm empfunden und häufig durch akustische, visuelle und taktile Sinnesreize (sogenannte Trigger, deutsch „Auslöser“) ausgelöst, seltener auch durch bloße persönliche Aufmerksamkeit und Zuwendung durch eine andere Person. Typische Trigger dabei sind:

• bestimmte Geräusche (z. B. das Reiben von Händen oder Lippengeräusche),
• ruhige Stimmen und sanftes Flüstern,
• beruhigende Handbewegungen, oder
• leichte Berührungen am Kopf (z. B. beim Haarewaschen oder beim Haarekämmen).

Das Phänomen ist noch kaum wissenschaftlich erforscht worden, wurde jedoch mit Ton-Berührung-Synästhesie verglichen.


Mein erster Berührungspunkt mit ASMR war, ungewöhnlich genug, in der Sendung Game One, während dieser Szene. Flüsternde Menschen? Das empfand ich als so unangenehm, dass ich gar nicht weiter darüber nachdachte. Erst Jahre später wurde das Thema für mich wieder  relevant, als ich das neue Video der Stimmen-Künstlerin Nyanners auf Youtube ansah, welches - Ihr ahnt es - eine ASMR-Parodie darstellte. Und während ich es zunächst nur, wie die meisten vermutlich urkomisch, intelligent inszeniert und albern fand, erwischte ich mich dabei, wie ich es Abends ab und zu nochmal anmachte. Und nochmal. Und nochmal. Ich fand heraus, dass ich es als entspannend empfand, und bis heute habe ich ds Video sicherlich 3-400x angesehen bzw. gehört. Nicht der ASMR-Einstieg, den man erwarten würde, und wohl auch nicht für Nyanners, die sich zunächst darüber lustig machte, und dann so überrascht von dem positiven Feedback war, dass sie mittlerweile regelmäßig ASMR-Streams veranstaltet. Aber gut, anderes Thema. 

Mein erster Fuß war also im ASMR-Spektrum, aber abgesehen von diesem Video traute ich mich wenig hinein, weigerte mich unbewusst zu glauben, ich sei dem ASMR zugänglich, sondern nahm stattdessen an, es wäre eben nur dieses eine Video. Die nächste und endgültige, absurde Abwärtsspirale in die Welt des stimmlichen Entspannens traf mich, als Rocketbeans TV ein Format namens Social Eating einführte. Zwei Folgen davon speicherte ich mir, weil sie mich irgendwie entspannten, obwohl da nur zwei Männer Kram aßen, rauchten und blödes Zeug laberten. Irgendwann um diese Zeit herum musste ich mir eingestehen, dass etwas mit mir nicht stimmte. Ich fand gefallen an ASMR, vor allem an einer besonderen Sub-Kategorie davon - Food-ASMR, also Videos, in denen Leute einfach nur essen.
Oh je. 

Dabei geht das auf meine früheste Kindheit zurück, und war darum vielleicht unvermeidbar. Schon als Kind entspannte es mich ungemein, wenn ich einen Film oder eine Serie sah, wo Personen einfach nur gemütlich zusammensaßen und aßen. Oder wenn ich Freunde oder Familie in Ruhe essen hörte. Es machte etwas mit mir, ich konnte es nur nicht einordnen oder erklären. Das kann ich mittlerweile - Ich höre mir gerne Video an, in denen Leute essen, denn Essgeräusche entspannen mich. Jetzt ist es raus. Viele können das ja gar nicht - Schmatzen oder Kauen in Sendungen bereitet ihnen Übelkeit. Bei mir ist das Gegenteil der Fall, auch wenn übermäßiges Schmatzen für mich genau so unangenehm ist.

Versteht mich aber nicht falsch, eines sollten wir direkt klar stellen - Ich HASSE Flüstervideos. Das war schon immer so, das wird vermutlich immer so bleiben. Nichts ist unangenehmer als eine flüsternde Frauenstimme, die mir ins Ohr spricht darüber, was sie gerade isst und heute gemacht hat. No Talking-Videos sind also zumindest mein Scherflein. Und auch wenn ich bei bestimmten Lieblingsyoutubern mittlerweile aufweiche, so dass ich mir schon ihre Soft Spoken-Videos anhöre, werde ich dem Flüstern wohl nie etwas abgewinnen können. 

Dabei sind die Genres des ASMR heutzutage wirklich breitgefächert, eigentlich alles, das dich entspannen könnte, gibt es als ASMR-Angebot - Flüstern, Essen, Unboxing, Kartenspiele, Let's Plays, Girlfriend-Rollenspiele(Ja, das ist meistens so gruselig wie es klingt), Murmelgeräusche, Buchseiten umblättern, Brettspiele spielen, Dinge basteln, Boosterpacks auspacken, Kochen, Taste-Tests, Unterwassergeräusche und vieles mehr. Ich meinerseits bin über die Jahre auch zu dem Unboxing und oder Sortieren von Yu-Gi-Oh oder anderen Karten gekommen, was mich sehr beruhigt, oder dem unaufgeregten Lesen einer Zeitung, doch allen voran nach wie vor natürlich Menschen, die ohne Schmatzen ein Gericht zu sich nehmen. Schmatzen ist wirklich eklig. 

Interessante Beobachtung - Trotzdessen, dass ich ASMR schätze, und es mich gewissermaßen entspannt - Heute zwar nicht mehr so intensiv wie zu Anfang aber das ist ja normal - ist das nicht, was bei mir diese Tingles auslöst.  Es entspannt mich einfach nur und ist zur Gewohnheit geworden. Das Kribbeln im Nacken und die damit einhergehende Tiefen-Entspanntheit ergibt sich für mich aus einer noch nicht wirklich klar definierten Mischung aus Alltag, Ruhe und Essen. Also kein fokusiertes ASMR, sondern eben einfach eine Situation, in der jemand normal am Tisch sitzt, etwas isst und vielleicht noch irgendetwas erzählt. Unheimlich schwer zu finden. Social Eating ging in diese Richtung, setzte sich auf Youtube aber nicht durch. Darum habe ich einige Social Eatings der Rocketbeans wohl auch so oft gesehen, auch wenn ich das nicht mal vor Gericht zugeben würde.

Es gibt viele Leute, die ASMR pervers oder eklig finden - Das empfinde ich als unangemessen. Jeder Mensch hat ein oder zwei Dinge, die ihn entspannen, und die vielleicht ungewöhnlich sind. ASMR mag, gerade in der Flüster-, oder Ess-Form, für viele obskur und seltsam sein, aber für viele Menschen ist es einfach ein entspannendes Ambiente, wie es für euch vielleicht Wassergeräusche, Naturgeräusche oder Regentropfen gegen eine Fensterscheibe sind. Die ich im übrigen auch sehr gerne mag. Also versucht einfach, diese zum Glück existierende Subkultur Youtubs als Angebot zu verstehen, nicht als aufdringliche Invasion eurer Integrität und Sexualität. Weil ASMR-Videos, so weit ich es in den letzten Jahren mitbekommen habe, wirklich nur sehr, sehr selten sexuelle Elemente enhalten, und das nie auf eine gute Weise. 

Und um das zu untermauern, und mich noch ein wenig mehr selbst zu beschämen, möchte ich ein paar der Top-Tier-ASMR-Videos verlinken, die ich in den letzten fünf Jahren am meisten gesehen und gehört habe, und die mich entsprechend am meisten entspannen. Zwar nutzen diese sich natürlich wie alles andere im Leben irgendwann ab, und heute lasse ich sie nur noch aus Gewohnheit im Hintergrund laufen, aber für mein Empfinden gehören sie zu besseren Vertretern dieser Community. Wenn ich mir heute neue ASMR-Videos suche, versuche ich in der Regel welche zu finden, die irgendwie zu meinen Interessen passen und mir noch etwas geben, während ich sie anhöre. z.b. Interessante Unboxings oder Spiele-Reviews. Da ist also wirklich für fast jeden etwas dabei. Aber nun zu den Links.

ASSMR Nyanners Unboxxing

RBTV Social Eating mit Eddy 

Oreo Cooking 

Eating Jelly Beans, Crinkling & Clicking Sounds

Opening Football Cards and Bubble Gum Chewing

Yu-Gi-Oh Cards - Changing Card Sleeves

Eating Fresh Fruit With Relaxing Newspaper Sounds

RBTV XMAS-WICHTELN

Tearoom Ambience 

Da hätten wir also einen kleinen Abriss meiner Schande. Das ist schon so ein wenig unangenehm, aber wenn man erst mal lernt zu akzeptieren, dass man etwas Ungewöhnliches nun mal entspannend findet, und damit tatsächlich besser einschlafen oder arbeiten kann, wird es eigentlich recht schnell zum Alltag. Also geht gefälligst da raus und entspannt euch zu dem Sound eines übergewichtigen Japaners, der Cheeseburger in sich reinstopft! 

- Yoraiko