Freitag, 12. Juli 2019

Filmreview - The Purge (2013)



"Gesegnet sein die neuen Gründungsväter, gesegnet sei Amerika - Eine wiedergeborene Nation.


The Purge - Die Säuberung(Danke für den Übersetzungs-Untertitel, liebe Publisher!) ist ein Film aus 2013, dessen Franchise große Wellen geschlagen hat, die nun im Jahre 2019 langsam endgültig abklingen. Dabei hat das Franchise für meine Begriffe einen durchaus positiven, wenn auch sehr durchwachsenen, Fußabdruck in der Filmlandschaft hinterlassen. Kürzlich habe ich im örtlichen Lebensmittel-Großhandel eine 3-in-1-Bluray-Collection der ersten drei Purgefilme zum gesegneten Preis gesehen, und konnte nicht widerstehen. Zum ersten Mal seit 2013 damals sah ich so auch den ersten Purgeteil wieder. Über diesen gibt es aber aus ganz bestimmten Gründen nicht all zu viel zu erzählen, also lasst uns doch erst mal etwas ausschweifender über das Franchise an sich sprechen. 

Die größte Stärke und die morbide Faszination von The Purge ist seine raffinierte Prämisse: 
Ein fiktives Amerika um 2020 herum hat mit immer höherer Arbeitslosigkeit und Kriminalität zu kämpfen. Bis die Partei der neuen Gründungsväter auf den Plan tritt, an die Macht kommt und die Purge begründet - Ein umstrittenes Gesetz, das einmal im Jahr, für eine Nacht von 12 Stunden, alle Verbrechen und Straftaten, inklusive Mord, legalisiert.So können Menschen ihre Mordgelüste und Dämonen an nur einem Tag im Jahr entladen, um den Rest in Frieden zu verbringen. Laut Logik der Purgefilme funktioniert das ganz wunderbar. 
Für uns Zuschauer ist diese Prämisse unter anderem deswegen so interessant, weil sie einerseits nicht unendlich weit weg von unserer Realität zu sein scheint in einer Welt, in der Donald Trump US-Präsident wird und die AfD in Deutschland mehr und mehr an Aufschwung gewinnt, und zum anderen, weil wir uns fragen - Wie kann so was funktionieren? Und wie reagieren die Menschen darauf, wenn sie einfach ALLES tun dürfen? 

Da sind wir dann auch gleich beim ironischen Hauptproblem des ersten Teils: Während bis heute KEINER der Purgefilme das unheimlich komplexe, spektakuläre und innovative Potential dieses Konzeptes ausgereizt hat wie man es sich gewünscht hätte, macht der allererste Teil schlichtweg überhaupt nichts daraus. Es ist paradox, gerade so, als hätte der Regisseur James DeMonaco gar keine Lust auf das Drehbuch von... oh... James DeMonaco gehabt. Was stellen wir uns vor, wenn für eine Nacht keine Strafen für Verbrechen drohen? Anarchie, Zerstörung, Wahnsinn, Mord und Totschlag, ein Effektfeuerwerk. Was präsentiert uns The Purge 1? Einen klaustrophobischen Home Invasion-Thriller einer wohlhabenden Kleinstadt-Familie, weitab jeden Trubels. 

Man war damals regelrecht verwirrt, als man den Streifen im Kino oder Zuhause zu ende gesehen hatte - Er war nicht gut, zumindest sehe ich das so, doch die Idee, mit der der Film beworben wurde, war hochspannend. Warum wurde sie nicht für mehr genutzt als die Erklärung, warum unsere bedrohte Familie keine Polizei rufen kann? Wer weiß. Vielleicht traute das Studio dem Film nicht, und erst nachdem dieser ein Erfolg wurde, bekam James DeMonaco grünes Licht für ausgedehnte Fortsetzungen. Und obgleich diese wie bereits erwähnt trotz ihrer Buntheit, Verrücktheit und Brutalität nie so weit gingen, so tiefgehend wurden, so kreativ wüteten, wie man es sich bei diesem Gesellschaftsentwurf gewünscht hätte, gingen sie konsequent mit der Idee um. Einer der für mich beim ganzen Purgefranchise interessantesten Kritikpunkte, der zumindest mir aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass jeder einfach nur mordet. Alle Verbrechen sind legal, trotzdem sehen wir in 4 Filmen so gut wie kein einziges Mal jemanden etwas anderes tun als zu töten. Keine kleinen Einbrüche und Diebstähle, um die finanzielle Situation aufzubessern, keine Vergewaltigungen oder sexuellen Übergriffe, nur Mord, Mord, Mord. Wenn wir versuchen, das mit der Realität in Einklang zu bringen, wackelt das Konzept schnell. 

Noch etwas, das ich über das ganze Franchise sagen möchte ist, dass man sein ungenutztes Potential in fast jedem Film daran sehr gut bemerkt, wo sein stärkster Abschnitt liegt: Mit Ausnahme von Teil 1 sind das immer die ersten 20 Minuten im Film, die Zeit vor Beginn des Purges. Hier wird inszenatorisch ein ums andere Mal unheilvoll aufgespielt, Menschen versuchen panisch von den Straßen wegzukommen, Waffeneinkäufe werden noch schnell erledigt, Purger schleifen effektvoll ihre Macheten, die Fernsehsender geben Überlebenstipps. Es herrscht Endzeitstimmung, und wir als Zuschauer spüren die zum schneiden dicke Anspannung in Mark und Knochen. Wir spüren die nahende, unausweichliche Bedrohung, bis schließlich die ikonische Sirene in ganz Amerika ertönt, die den Beginn der Säuberung einläutet. Danach... flacht es ab, jedes Mal. Die Purgefilme können die Anspannung und Bedrohlichkeit nicht halten, in unseren Köpfen sah es schlimmer aus. Schade, aber dennoch eine gute Filmreihe, das darf man nicht unterschlagen.

Das dürfte genügen über das Franchise, ich habe gestern also Teil 1 nochmals gesehen und muss nun sagen, er ist immer noch so furchtbar, wie ich ihn in Erinnerung habe. 
James Sandin, unser von Ethan Hawke gespielter Protagonist, verkauft für die Purge Sicherheitssysteme an Häusern, die er natürlich auch selbst nutzt. Nach dem Abendessen mit seiner wohlhbenden Familie wird das Eigenheim verriegelt und alles ist gut. Na ja, bis ein Obdachloser das Reichen-Viertel erreicht, verfolgt von eifrigen Purgern, um Hilfe schreit und vom jungen Spross des Hauses reingelassen wird... aber die nachkommenden Purger fordern seine Auslieferung, sollen sie nicht die ganze Familie abschlachten.

Hier beginnt also wie gesagt ein Thriller im eigenen Haus, der in seiner Struktur und Erzählung einzig und allein von Dummheit und schlechtem Writing zusammengehalten wird.
Regisseur James DeMonaco schien selbst nicht so recht zu wissen, wie er die Ereignisse vorantreiben soll, also passiert das konsequent über die Dummheit der handelnden Personen und ein Meer an Logikfehlern - Der etwa zehnjährige Sohn Charlie ist ganz vorne mit dabei. Natürlich ist er noch nicht aufs genaueste darauf gedrillt, wie die Purge abläuft und wie er sich zu verhalten hat, obwohl er sie schon sein Leben lang kennen müsste. So lässt er also einen Wildfremden gegen die explizite Anweisung seines Vaters ins Haus obwohl im klar sein müsste, welche Konsequenzen das nach sich zieht. So rennt er ständig in das durch Stromausfall stockdunkle Haus, weg von seinen Eltern, um irgendetwas zu erledigen, fragt mich nicht was. Überhaupt ist das das wohl so ziemlich bescheuerteste Element im ersten Purgefilm, das schon unfreiwillig komisch wirkt: Die beiden Kinder von James und seiner Frau Mary rennen ständig, absolut grundlos, und gegen das Bitten ihrer Eltern weg, irgendwo hin, weg ins dunkle, verzweigte Haus, trotz der Gefahren, um die Konfusion für die Charaktere und den Zuschauer künstlich zu erhöhen, nur um zehn Minuten später wieder aus dem Nichts aufzutauchen, ohne sichtliche Erklärung was sie eigentlich gerade so Wichtiges gemacht haben. Ein ganz, ganz billiges Mittel, um Spannung zu erzeugen. Aber das schwachsinnige Verhalten hört bei der Familie nicht auf - Der Freund von James' Tochter, der von ihm aufgrund seines zu hohen Alters nicht akzeptiert wird, beschließt einfach mal, ihn mit einer Pistole zu erschießen. Zwar wird das verhindert, logisch müsste man sich aber fragen, was zum Geier der Junge sich dabei gedacht hat? Was wäre seiner Meinung denn passiert, nachdem er den grummeligen Vater seiner minderjährigen Freundin erschossen hat? Dachte er sie sagt dann 'Och, jetzt ist er tot, da können wir ja endlich zusammen sein, good job' ???? Wahrscheinlich wusste der Drehbuchschreiber selbst nicht, was das sollte, und so wird für den Rest des Filmes nicht darauf eingegangen, was uns beweist, dass es diese Szene nur gab um Konfusion zu stiften und die Charaktere auseinander zu treiben. 

Man kann weitermachen. Warum hat eine reiche Familie die in Purge-Sicherheitssystemen dealt und es selbst nutzt in ihrem riesigen Haus keinen einzigen Schutzraum? Warum verteidigt der Junge Charlie den Obdachlosen auch dann noch vehement, wenn er seiner Schwester das Messer an die Kehle gehalten und ihr eine Gehirnerschütterung verpasst hat, nachdem er seinen Vater bedroht hat und die Leben seiner ganzen Familie auf dem Spiel stehen? Warum entscheidet Vater James sich im letzten Moment vor der Auslieferung, doch das Richtige zu tun und gegen eine Übermacht an Mördern zu kämpfen, und lässt sein körperlich kräftiges Opfer dann trotzdem gefesselt auf einem Stuhl zurück?????!!
Das Drehbuch von The Purge ist zum Haareraufen bescheuert, nichts ist durchdacht, alles wird dem Effekt unterworfen. Apropos Effekt: Der erste Teil ist noch voll mit Sinn und wirkungslosen, billigen Jumpscares wie dem Sohn, der seine Mutter hinter der Kühlschranktür erschreckt, oder der psychopathische Freund der Tochter, der sie im Würgegriff nach hinten auf ihr Bett zieht statt Hallo zu sagen. Man kennts.

Das klingt jetzt alles sehr negativ, warum bekommt The Purge 1 von mir dennoch eine durchschnittliche Bewertung? Weil der Film natürlich auch Stärken hat. Zuerst zu nennen sind Ethan Hawke und Rhys Wakefield, der Schauspieler des zentralen Antagonisten und Anführers der Party-Purgers. Während ersterer für mich eine seiner stärksten Rollen abliefert in seiner Bemühung, seinen Kindern einerseits den Wert der Säuberung zu erklären, und andererseits ums Überleben zu kämpfen, und damit wirklich stellenweise den Film rettet, ist Letzterer mit Abstand die größte Stärke von Purge. Rhys Wakefield' Performance ist fantastisch, nicht oft vorher hatte man einen so herrlich-wahnsinnigen, psychopathischen und verstörenden Teenager gesehen, der sich eine schmierige, unangenehme Form von Charisma bewahrt hat. Ich meine, seht euch das an: 

Es gab Petitionen, ihn zum neuen Joker zu machen, und ich verstehe sie. Seine Performance ist wunderbar morbide und hochunterhaltsam, da ist das plumpe Ende, das der Film ihm serviert, fast schon unbefriedigend. Das Ende vom Ende hingegen ist eines, das vor schwarzem Humor und Gesellschaftssatire nur so trieft und hat mir gut gefallen,m weil es sich nicht so ernst nahm wie der restliche Film. Außerdem ist die Gruppe der Horrorclown-Purger ein Anblick, den man nicht so schnell vergisst. 

Ein Fazit steht im Raum. Wenn ihr an der Purgereihe Interesse habt und oder das Konzept interessant findet, seht sie euch an, sie ist eure Zeit wert. Ob ihr dabei mit dem ersten oder zweiten Teil beginnt ist euch überlassen, denn ihr müsst Nummer 1 nicht gucken, ihr könnt ihn zum Schluss sehen oder ganz weglassen. Trotz seiner Vor-Stellung im Purgefranchise kann ich Teil 1 immer noch nicht gut finden, zu hanebüchen ist das Script, zu realitätsfern das Verhalten ausnahmslos aller Charakere. Unterhaltsam ist der Film dennoch abgesehen von seiner zähen Mitte, wenn man Home Invasion mag. Ich ordne ihn für mich als ganz okay ein.  

5/10 Masken für The Purge

 
- Yoraiko  


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