Montag, 8. Juli 2019

Film-Review - Buried - Lebend begraben (2010)




Es mag eine geringfügig unorthodoxe Wahl für mein erstes Film-Review hier sein, aber da ich gerade den Thriller Buried - Lebend begraben(Danke einmal mehr für den überflüssigen deutschen Untertitel, der auch dem letzten Bierbürger klar macht worum es geht) gesehen habe dachte ich mir, mache ich daraus doch gleich den ersten Film, über den ich erstmalig für meinen Blog was erzähle.

Die Grundhandlung von Buried ist einfach wie raffiniert - Paul, gespielt von Ryan Reynolds, den wir in jüngerer Vergangenheit vielleicht am besten durch seine Rolle des Deadpool kennen, ist ein amerikanischer Lastwagenfahrer der im Irak arbeitet und dort Güter zum Wiederaufbau transportiert. Zu Anfang des Films bereits erwacht er in vollkommener Dunkelheit und Enge, nur um kurz darauf festzustellen, dass er eingesperrt in einem Sarg lebendig in der Wüste begraben wurde. Schnell erfährt er durch das gefundene Handy, dass er Opfer einer Geiselnahme samt Lösegeldforderung wurde.

 Der Film geht knapp 100 Minuten und wahrscheinlich kennt man mindestens das Konzept schon. Obwohl ich den Film heute erst gesehen habe, kannte ich natürlich Ausschnitte und die Grundidee, dass jemand unter der Erde festsitzt und damit zurechtkommen muss. Ich glaube aber auch, dass Buried noch eines der ersten, bekannten Medien war, die das so umgesetzt haben, und einfach oft parodiert bzw. kopiert wurde. Aber ich will mal über den Film selbst reden. 

Er ist gut. Das vorneweg. Wenn ihr beklemmende, deprimierende und in ihrer Bedrohlichkeit sehr gut nachvollziehbare Thriller mögt, ist das kein schlechter Tipp für euch. Ryan Reynolds liefert eine überzeugende und sehr emotionale Performance ab, die einen wirklich willkommenen Kontrast zu seiner Leichtherzigkeit und Albernheit in den urkomischen Deadpool-Filmen zeichnet. Buried ist vor allem deswegen ein packender Thriller, weil wir alle uns mit der Misere des unbescholtenen Truckfahrers identifizieren können - Vielleicht ist nicht jeder von uns im Irak stationiert, wohl aber dürfte den meisten der Gedanke ein Grauen sein, urplötzlich unwissend fünf Meter unter der Erde gefesselt in absoluter Dunkelheit eingesperrt aufzuwachen, ohne Chance auf Rettung. Die klaustrophobische und hilflose Atmosphäre, die man bei dieser Prämisse erwarten darf, wird durch die Kameraführung und Ryan Reynolds verzweifelte Performance und gelegentliche Wutausbrüche nebst Tränen konsequent durchgezogen und kontinuierlich verstärkt. Wir verlassen im gesamten Film den Sarg kein einziges Mal, und sind somit MIT Truckfahrer Paul dort gefangen. Das ein Kammerspiel zu nennen wäre noch übertrieben. 

Man könnte meinen, hundert Minuten in einer dunklen Box werden schnell langweilig, aber für mich ist das gar nicht der Fall gewesen.Paul findet mit sich im Sarg einige Gegenstände wie ein Feuerzeug, ein funktionierendes Handy und Beruhigungstabletten, die er alle auf sinnvolle Weise einsetzt. Der Film arbeitet sich dabei auch nach und nach durch die Stationen, die man erwartet. Was glaubt ihr denn, was einige schlimme Dinge sind die passieren könnten, während man in einer Kiste tief unter der Wüste liegt? Ja, und genau diese Dinge passieren dann auch. Das ist natürlich nicht negativ gemeint, das Tempo der Erzählung fühlt sich genau richtig an, und jedes Mal, wenn Paul ein wenig Hoffnung schöpft oder sich seine Situation scheinbar verbessert, muss er sich wieder im sprichwörtlichen Grab umdrehen, weil irgendetwas schief geht. Besonders positiv hervorheben möchte ich nochmal die Kamera-Arbeit, die sich vor allem dadurch auszeichnet, das sie trotz der unausbrechlichen Enge des Sarges immer wieder in langen, langsamen und unbewegten Fahrten aus dem Sarg herauszoomt und somit zwar erst eine scheinbare Weite suggeriert, uns in Wirklichkeit aber die Leere und Finsternis verdeutlicht, in der Paul gefangen ist. Ein sehr interessantes und für mich effektives Stilmittel.

Neutral bis leicht negativ anmerken möchte ich das Drehbuch, das für mich eher häufiger als selten die Dummheit seiner handelnden Personen voraussetzt, um Spannung und Verzweiflung möglichst lange aufrecht zu erhalten. Damit beziehe ich mich auf die Personen, die Paul mit seinem Handy anruft  - Denn es ist durchaus nicht so, dass er jemanden anruft und fünf Minuten später gerettet wird. Da gerät er an eine Mitarbeiterin der amerikanischen Polizei, die ihn erst mal gehörig ins Kreuzverhör nimmt und für bescheuert erklärt statt ihm umgehend zu helfen, anschließend an einen gelangweilten Callcenter-Mitarbeiter der wahrscheinlich in einer halben Stunde Feierabend macht und an den bösen Firmenchef, der lieber die Interessen seiner Finanzen wahren möchte als den eigenen Angestellten zu helfen. Und natürlich ist jede zweite Person nicht erreichbar, stattdessen hören wir in diesem Film mehr Anrufbeantworter als wenn wir mal wieder nichts zu tun haben und unsere wenigen Freunde abgrasen, um zu sehen ob nicht vielleicht doch einer Lust hat rüberzukommen. Ich weiß nicht, ob ich Buried das vorwerfen kann oder sollte, weil es für mich schon fast den Eindruck einer Satire respektive Gesellschaftskritik hatte. 

Sei in der schlimmsten Notsituation, sei buchstäblich im Irak unter der Wüste in einer beschissenen Holzkiste am verrecken, aber die Bürokratie und Inkompetenz des örtlichen Telefonmitarbeiters lässt dich noch immer im buchstäblichen Dreck stecken. 

Entweder das oder erzwungener Spannungsaufbau, das kann jeder für sich selbst entscheiden. Mich hat es nicht sonderlich gestört, da mich das hohe Tempo des Films das schnell hat vergessen lassen. Sobald Paul dann aber doch Menschen erreicht, die versuchen ihm wirklich zu helfen und beizustehen, kommt etwas Wärme und Emotionalität in den Film, die das kalte, isolierte Setting gewinnbringend ergänzt. Er erreicht seine Frau, er erreicht Freunde. Und Paul hat nicht für jeden von ihnen nur Tränen übrig, was mich dazu bringt noch zu erwähnen, dass der Film paradoxerweise durchaus witzige Stellen hat. Vielleicht ist das auch nur mein zynisches Wesen, das dem schwarzen Humor sehr zugetan ist, aber wenn Paul von einer verhassten Bekannten nach dem zweiten Anruf und einer Entschuldigung für sein gehetztes Geschreie eine dringend benötigte Nummer bekommt und kein Sekunde später mit den Worten 'Danke, fick dich!' auflegt, musste ich da schon grinsen.
Der vorliegende Thriller ist also durchaus auch nicht nur ein Runterzieher. 

Bevor ich noch ganz explizit und spoilernd über das Ende rede, möchte ich ein Fazit für mich ziehen - Ich fand Buried gut, weil es für mich mal wieder ein unaufgeregter, ruhiger und nachvollziehbarer Panikfilm war, der mir tausend Mal mehr Angst macht als ein von Geistern besessenes Haus, Zombies oder ein läufiger Axtmörder. Lebendig begraben sein, eine schreckliche Vorstellung, die hier unterhaltsam und raffiniert durchdacht und inszeniert wird mit den erwartbaren Punkten, die wir alle uns wahrscheinlich auch überlegen würden, wenn wir in einer ähnlichen Situation gefangen wären. Die wenigen handelnden Charaktere sind zumeist sympathisch, man fühlt mit Trucker Paul mit. Man versteht aber auch die irakischen Entführer, die unter dem Krieg mit Amerika leiden. Falls ihr keine all zu große Panik vor dunkler, beklemmender Enge und purer Klaustrophobie habt, Thriller mögt und mal eben 100 Minuten auf der Kante habt, guckt Buried! So, ab hier bitte nur weiterlesen, wenn ihr den Film schon kennt oder das Ende gespoilert haben möchtet.





Offen gestanden war ich von dem bösen Ende überrascht. Ich weiß nicht warum, aber ich hatte doch schon mit einem typischen Happy End gerechnet, dass Paul in der letzten Sekunde gerettet wird und wieder alles gut ist. Aber das ist eben nicht die Realität. Die allerwenigsten solcher Entführungsopfer werden gefunden, geschweige denn gerettet. Warum sollte Paul eine Ausnahme sein? Im Moment größter Hoffnung, die Retter am Handy scheinen nur wenige Sekunden entfernt, als der Wüstensand droht Paul jeden Moment zu ersticken, erfährt dieser vom entsetzten Helfer durch das Telefon, dass sie nicht seinen Sarg, sondern den Sarg eines anderen Entführungsopfers ausgegraben haben. 
"Es tut mir so leid" heißt es durch die Leitung. 'Okay, okay...' stöhnt Paul. Dann erstickt ihn der Sand und der Film endet. Phew. Trostlos. Aber authentisch. In den ersten Momenten nach den Credits hat mich dieses Ende schon gestört, irgendwie hatte ich das Gefühl, diesen Schlag in die Magengrube nach 100 Minuten Dunkelheit nicht zu brauchen. Aber wie ich oben schon angeführt habe - Paul ist kein Held und nichts Besonderes, er sagt es selbst, er ist ein kleiner Mann. Und kleine Männer werden selten gerettet. Die Entscheidung, das so inszenieren, finde ich mutig und erfrischend. Gerade wenn man die erwähnten, dramaturgischen Stilmittel beachtet. Pauls Sekunden vorher anrufende, weinende und vollkommen verzweifelte Frau die ihm immer wieder beteuert wie sehr sie ihn liebt und ihn anfleht zurückzukommen. Der Helfer am Handy der ihn auffordert, nur noch ein paar Sekunden durchzuhalten. Und dann ist ist es vorbei, und Paul ist wirklich und endgültig... begraben. 


6/10 Särge für Buried


- Yoraiko



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