Samstag, 20. Juli 2019

Brandanschlag auf Kyoto Animation




Manchmal fehlen einem die Worte, und man muss erst mal verarbeiten, dass eine Nachrichtenmeldung Realität, und keine Fiktion aus einer Serie oder einem Film ist. Und man muss sich Zeit nehmen, das Ausmaß einer Tragödie zu verstehen. So erging es mir nun, als ich von dem Brandanschlag auf Kyoto Animation, das Animestudio hinter unter anderem Serien wie Clannad, Lucky Star, K-ON! oder Violet Evergarden erfahren habe. 

Bevor ich ein paar Worte und Gedanken zu dieser für Japan beispiellosen Tragödie loswerde, erst einmal die grobe Situation, für alle, die es nicht mitbekommen haben oder nicht aktuell im Bild sind. Sämtliche Quellen, die ich für diesen Text recherchiert habe und nutze, verlinke ich unten. 

Am letzten Donnerstag, dem 18. Juli, drang ein 41 jähriger Mann in das japanische Animations-Studio Kyoto Animation ein, überschüttete Wände und Mitarbeiter mit brennbarer Flüssigkeit und zündete diese daraufhin an. Es folgten mehrere Explosionen, das Feuer verbreitete sich schnell über das ganze Gebäude, die Feuerwehr rückte mit  30 Einsatzwagen an, konnte das Feuer aber dennoch erst nach fünf Stunden vollständig löschen. 73 Menschen waren zu dem Zeitpunkt im Gebäude, davon sind 34 gestorben, 36 weitere sind leicht bis schwer verletzt. Das Motiv des Mannes, so hat er es gegenüber der Polizei ausgesagt, soll eine von KyoAni gestohlene Idee sein, die er für eine Novel hatte. Ihm droht nun die Todesstrafe. 

Wie gesagt, man muss sich dem Ausmaß bewusst werden, den dieser Vorfall mit sich bringt. Das klingt jetzt vielleicht ein wenig pathetisch, aber in unserer heutigen Zeit hören wir fast täglich von Schreckensmeldungen, Tragödien, Unfällen und Toten, da realisiert man manchmal erst auf den zweiten Blick, wie schlimm eine Sache eigentlich ist. Ein Thema, das über der ganzen Trauer und den Mitgefühlen gegenüber KyoAni hängt, ist der Vorwurf der selektiven Teilnahme, wie es ihn auch damals bei den Amokläufen in Paris gab - Im nahen Osten herrscht Krieg, täglich sterben Menschen, aber wenn ein Haus in Japan brennt, trauern die Leute. Ich sehe das anders. Jede Tragödie auf der Welt darf ernst genommen werden, keine verdient mehr oder weniger unser Mitgefühl, aber der unerwartete Schock, der einem bei einem solchen Vorfall in einem so sicheren Land wie Japan trifft war für mich ungleich größer. Und selbstverständlich muss man ehrlich sagen, dass Tragödien einen natürlich gleichmal noch härter treffen, wenn man eine Verbindung zu den Betroffenen hat - Viele, viele Fans von KyoAni und seiner wunderbaren Arbeit können das von sich behaupten.

34 Tote. Eine solche Zahl erscheint absurd. Viele der Mitarbeiter haben versucht, auf der Treppe zum obersten Stockwerk zu entkommen, als sie vor Erschöpfung zusammenbrachen. Die Japantimes stellt fest, dass dies der Brandanschlag mit den meisten Todesopfern in Japan seit 1989 ist. Man kann nicht oft genug betonen, dass unsere Gedanken bei den Angehörigen und bei KyoAni sind, die sich von diesem schweren Schlag kaum in naher Zukunft erholen werden. Denn abgesehen davon, dass all diese Toten ansich schon furchtbar sind, darf man nicht außer Acht lassen, welche großartigen Talente uns hier verlassen haben - Zeichner, Autoren, Direktoren, Animatoren, Programmierer, die Hälfte von KyoAni ist ausgelöscht, Menschen, die in den letzten Jahren hart dafür gearbeitet haben, der ganzen Welt wunderbare Serien nahezubringen. Jetzt sind sie weg, und man fragt sich, wie das Nichts, das sie hinterlassen haben, gefüllt werden soll. All die Scripte, die sie geschrieben haben. All die Serien, die sie betreut haben. Ihre ganz persönlichen Werke, die maßgeblich von ihnen abhingen. Verloren. Denn das Drama endet nicht bei den menschlichen Verlusten - 

Wie der Direktor des Animationsstudios bekannt gab, wurden sämtliche Materialien und Computer ausnahmslos zerstört. Externe Backups hatte man in dem noch immer als Familienunternehmen organisierten Studio nicht. Sämtliche Scripte, Drehbücher, Zeichnungen, Planungen - Vernichtet. Der finanzielle Schaden für das Studio ist schwindelerregend, und es bleibt abzuwarten, ob es sich überhaupt jemals davon erholen wird. Ob man uns wieder mit herzerwärmenden, unterhaltsamen Serien beschenken wird. Unter den Toten waren unter anderem die Hauptverantwortlichen für mehrere aktuell produzierte Serien, deren Zukunft ebenso ungewiss ist. Was das Motiv des Täters angeht, so muss man sich fragen, ob es in einem Rechtsstaat wie Japan nicht verdammt nochmal einen anderen Weg gegeben hätte, gegen eine vermeintlich gestohlene Idee vorzugehen. Ich bin mir da sicher. Es gibt IMMER einen anderen Weg als DAS, aber vor allem in diesem Fall. Ob er die Todesstrafe verdient, das muss wieder jeder für sich entscheiden, es ist nicht an uns, darüber zu richten. Aber was dieser Mann genommen und vernichtet hat, ist immens, gelinde gesagt. 


Kurz noch ein Kopfschütteln und Mahnen loswerden möchte ich in Richtung von Schundmagazinen wie Welt.de, die ihre Berichterstattung prompt instrumentalisiert haben und Aussagen wie diese einarbeiteten:
»Das Film-Studio produziert Manga-Serien für junge Menschen. Diese Filme sind teils sehr brutal. Möglich, so sagen Kenner, dass sich der Täter davon beeinflussen ließ.«

Ja genau, die brutalen Kyoto Animation-Serien, Welt. Danke für deine neutrale Berichterstattung. Mittlerweile wurde das wieder rausgenommen, weil man ihnen sonst wohl zurecht die Website angezündet hätte. Knallköpfe.

Um darauf hinzuweisen, wie man das Studio jetzt unterstützen kann, verlinke ich ohne Umwege auf den Artikel von Anime2You zum Thema, der das Ganze übersichtlich und verständlich zusammenfasst: Unterstütze KyoAni

Aber selbst wenn man das Studio nicht direkt unterstützt, kann man die Nachricht verbreiten und zum Helfen auffordern. Für mich persönlich war es wichtig, darüber zu schreiben, wie hart mich dieser gerade für die Anime-Industrie unvorstellbare Schlag trifft, und welche Konsequenzen auch daraus hervorgehen. KyoAni hat einige meiner absoluten Lieblingsserien wie Clannad oder Violet Evergarden produziert, und ich kann nur hoffen, dass man irgendwann einen Weg finden wird, weiterzumachen.

Abzuwarten bleibt auch, wie die Animagic in Mannheim 2. bis 4. August nun verfahren wird. Es ist angesichts dieses schrecklichen Ereignisses ein profaner Gedanke, aber man muss ihn sich stellen - Die größte Anime-Messe Deutschlands ist ein Ereignis der Freude, mehrere Verantwortliche von Kyoto Animation waren eingeladen. Wird es eine Schweigeminute geben, wird man eine Spendenaktion starten oder wird man die Messe gar ganz absagen? Ich hoffe das nicht, denn das wäre meines Erachtens nach der falsche Ansatz, damit umzugehen. So oder so aber wird es sicher eine merkwürdige Stimmung werden, die auf der Messe vorherrscht.

Ich halte inne, und wünsche allen direkt und indirekt Betroffenen die größtmögliche Stärke. 

Ruhe in Frieden, Kyoto Animation.





Quellen: 
Anime2you
Japantimes 
BBC News 
Zeit Online 



- Yoraiko


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