Freitag, 19. Juli 2019

Ein Stelldichein des Genusses


Ein Stelldichein des Genusses


In meiner kürzlich veröffentlichten, weltbekannten Abhandlung über den qualitativen Tiefpunkt Ferreros, die Kapitulation an die eigene Selbstachtung, die Ode an die Yogurette, der Teufel trägt braunweißrot, habe ich in aller Explizität mit diesem missverstandenen Terroranschlag auf die Geschmacksnerven abgerechnet, und nachvollziehbar, stichhaltig und grundsympathisch aufgeschlüsselt, warum es moralisch im höchsten Maße fragwürdig ist, freiwillig für Yogurette gutes Geld auszugeben, das man auch verbrennen könnte.


Heute aber möchte ich mich einmal den positiven Seiten des Lebens zuwenden, die Sonne eines neuen Tages auf meinen Bierbauch scheinen lassen, und hinaus in die Welt schreien, dass es auch Spaß machen kann, zu verdauen. 
Denn so einfach es ist zu hassen, so amüsant es auch sein mag seinen Zorn zu entfesseln, und auf ein wehrloses Produkt niedergehen zu lassen, so anspruchslos ist es doch auch. Und so lesen Sie, verehrter Leser oder gar charmante Leserin, heute etwas von den weniger misslungenen Ergebnissen der Bemühungen unserer Lebensmittelindustrie, uns von der Tatsache abzulenken, dass wir eines Tages sterben und in der Erde verfaulen werden. 
Ja ich möchte fast meinen, Sie erwartet ein Loblied. Die Speerspitze des Ungesunden, des Köstlichen, besser wird’s nicht, das gustatorische Liebesspiel im Himmelbett. Daher sei vorab gesagt, dass hier zwangsweise explizit Werbung für gewisse Produkte und Marken gemacht wird, ohne dass ich von diesen auch nur einen müden Cent oder wenigstens ein paar verdammte Produktproben zugesendet bekommen hätte!! Doch so wie die Firmen hinter diesen Produkten mir nichts Gutes getan haben, so hat Ferrero mir einst nichts Böses getan, als ich sein Produkt als das Gepantsche entlarvt habe, das es nunmal einfach ist. Das ist also nur fair. Betrachten Sie es als ganz persönliche, unfinanzierte Meinung - Und das sind doch die Ehrlichsten, nicht wahr?      


Ich möchte mich, so Sie gestatten, dabei zuvorderst auf zwei ganz bestimmte Produkte konzentrieren. Ja, unsere Welt hat neben ungezählten, kulinarischen Schrecken auch viele Gaumengenüsse aufzubieten, aber all diesen hier eine Bühne zu gereichen würde nun doch etwas den Rahmen sprengen. Darum, horchen Sie auf, welche Produkte heute Ihre Sinne mit auf eine Reise ins Schlarafenland nehmen werden: 

Oreo und Dr. Pepper



Sie sind die greifbaren und unbestreitbaren Beweise dafür, dass die Nahrungsaufnahme nicht immer nur ein Mittel zum Überleben oder verarbeiten spröder Nährstoffe sein muss, nein, sie kann ein Erlebnis sein! Aber warum ist das so? Selbstverständlich kennen Sie die unvergleichliche Euphorie, die mit dem Verspeisen eines Oreo-kekses einhergeht, falls Sie schon mal das Vergnügen hatten - Und der Himmel sei Ihrer Seele gnädig falls nicht. Lassen Sie mich dennoch in gemeinsamer Freundschaft noch einmal erörtern, was diesen unseren heiligen Gral der Gebäckindustrie ausmacht.


Meine Geschichte mit Oreo-keksen gleicht einem griechischen Drama - Erst einige Jahre nach ihrer gestiegenen Popularität in Deutschland wurde ich auf sie aufmerksam - Und hatte kein Interesse. Langweilig sahen sie aus, und sie erinnerten an diese reizlosen, veralteten Kakao-Vanille-Kekse aus Opas Veteranenschrank. Als ich dann hier und da durch Zufall doch dazu kam, in einen solchen Keks zu beißen, schloss ich mich der einhelligen Meinung meines Dunstkreises an, der schwarze Keks sei eklig und viel zu dominant in seinem Geschmack. Wie naiv ich doch war. Wie ein kleiner Junge, der noch nicht den Reiz eines erblühenden Mädchens verstand, wie ein Bauer, der die herbe Reife eines Weines von 65er Jahrgang nicht zu schätzen wusste. Ich war jung und dumm. Doch ein, zwei Jahre später kam die Wende, ich gab den Keksen eine erneute Chance und lernte diesmal, ihren Geschmack und ihre Natur richtig einzuschätzen. Oreo-kekse sind eine perfektionierte Formel aus Süße, erwachsener Herbe und Knusprigkeit, und es drängt sich einem beim Verpspeisen der Verdacht auf, dass wenn Gold essbar wäre, es so oder ähnlich schmecken müsste.  
Aber mit dem Geschmack nicht genug - Der Oreo-keks ist schwarzweiß. Was der Natur der Panda ist, ist dem Gebäck der Oreo. Der Goth unter den Lebensmitteln. 


Brauchen wir noch mehr Gründe, um unseren farbenscheuen Freund die Krone aller Kekse aufzusetzen? Nun, spitzen Sie Ihre Ohren und halten Sie sich gut fest, ich erfuhr es selbst erst vor wenigen Monaten - Oreo-kekse sind vegan. Es klingt seltsam, entspricht aber tatsächlich den Tatsachen. Als Fast-Veganer ebenso wie als gewissenhafter Mensch ist es mir so ein dreifaches Vergnügen, umweltbewusst in den monochromen Keks zu beißen, wohlwissend, dass keine Kuh dafür ihre Körperflüssigkeiten lassen musste. Zu einer noch einmal außerordentlicheren Brillanz gelangt der Oreo-keks selbstverständlich, wenn man ihn für einige Sekunden in eine Tasse Sojamilch tunkt - Oder Kokosmilch, oder Mandelmilch. Hierbei ist wichtig, das richtige Zeitfenster zu finden, um ein perfektes Ergebnis aus Weiche doch noch immer vorhandener Integrität des Kekses zu erreichen. Für mich haben sich hier 4-5 Sekunden als ideales Maß herausgestellt. Im übrigen treffen wir hier auf eines der Hauptargumente, das Oreo-kekse vor den zahlreichen, mittelgeilen Kopien schützt - Tunkt man sie in Milch, werden sie schön sämig und zergehen auf der Zunge wie eine Creme. Die Oreo-Kopien? Die werden nass und pappig. Sie sehen also, manchmal lohnen sich die 30 Cent mehr eine Marke eben doch. 


In den letzten Jahren war auf der Marke Oreo jedoch ein Trend zu erkennen, den man gut oder schlecht bewerten kann, ein krampfhaftes Verlangen nach Diversität - Sie kennen es wahrscheinlich alle, Oreo gibt es mittlerweile in gefühlten siebenundsvierzig Varianten, die alle verschiedene Elemente des Oreo-kekses in den Fokus stellen, diesem neue hinzufügen oder gar wieder welche wegnehmen. Dabei sind gewiss nicht alle davon schlecht, das empfindliche Gefüge des Originals hat für mich aber noch keine davon erreicht, und diese Vielfalt drückt für mich Unsicherheit aus. Mondelez International, der vertreibende Konzern, scheint sich mir nicht sicher zu sein, wo die großen Stärken seines Kekses liegen, scheint noch immer zu experimentieren. Sehen wir uns einige der Produkte genauer an. 


Da haben wir eine von vielen bevorzugten Varianten, den Oreo Double, der mit der doppelten Menge an Vanillecreme zu gleichbleibendem Keks aufwartet. Für mich zu süß. Dann gibt es den Gegenentwurf, Crispy&Thin, was einfach nur sehr dünne Oreo-kekse sind, und das funktioniert für mich alleine schon deswegen nicht, weil sich das Verspeisen anfühlt, als hätte man eine Packung Pringles in der Hand, abgesehen davon, dass man hier einfach nur Geld für weniger vom gleichen Produkt zahlt. Obskur. Interessanter sind da die Oreo White, welche mit weißer Schokolade ummantelte Oreo-kekse darstellen. Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen, wenn ich nur darüber schreibe, und so ging es mir auch, als ich zum ersten Mal davon gehört habe. Und ja, diese Kekse sind unglaublich köstlich, aber auch unfassbar süß. Während der klassische Oreo-keks seine Stärke daraus zieht, nicht so erschöpfend süß zu sein wie andere Kekse, schafft man von den Weißen in der Regel nicht mehr als 2-3 am Stück. Also nett für besondere Anlässe, mehr aber nicht. Oreo Golden hat es auf die Spitze getrieben, und dem schwarzen Produkt schlichtweg seinen ikonischen Keks entzogen, um ihn gegen einen hellen auszutauschen. Wie auch ich sollten Sie jetzt meinen, heller Keks mit Vanillecream schmeckt wie jeder zweite Gebäckbatzen aus Bettinas Bäckerei, aber nein, der Zauber von Oreo liegt auch hier noch im Rezept, und so bietet diese helle Variante die für mich bisher einzige, annehmbare Alternative zum Klassiker an. Geschmacksrichtungen wie Strawbeery, Brownie oder Peanutbutter sind kurzweilige Spielereien, aber nichts, das dauerhaft bestand hätte.


Und wenn wir von den Keksen weggehen - Dann erblicken wir Erfolgsgeschichten. Denn auf diesen Märkten hat man nicht mehr versucht, das eigene Spitzenprodukt zu übertrumpfen, sondern dieses sinnvoll umgewandelt. Oreo-Eis ist in jeder Form ein Hochgenuss, der sich vor allem dadurch auszeichnet, dass er auch frisch aus der Tiefkühltruhe zartweich auf der Zunge zergeht. Der Oreo-Pudding schmeckt besser als vergleichbare Lizenzprodukte, und die Oreo-Torte, nun, die ist der aufsteigende Held, der die Benjamin Blümchen-Torte als langjähriges, herrschendes Königsgeschlecht der Tiefkühltruhe abgelöst hat, und einen dazu bringt, sich in sie hineinschmeißen zu wollen. Würde ich morgen im Lotto gewinnen, würde ich armen, hungernden Menschen kein Brot spenden, sondern Oreo-Torten. Wenn sie endlich etwas zu essen bekommen, dann doch bitte gleich das Beste vom Besten… ehe sie zwei Wochen später an Herzversagen dahingerafft werden. Aber das ist dann ja nicht mehr mein Problem.


Lassen Sie mich noch kurz über Dr.Pepper sprechen. Sie müssen wissen, ich verabscheue Coca Cola. Pepsi. Sprite. So ziemlich jede Art von Cola und Softdrink. Nur Dr. Pepper, das Getränk der Intellektuellen, hat es in mein Herz und meine Blase geschafft. Wie, fragen Sie sich jetzt berechtigterweise? Wie jedes gute Produkt beworben wird - Mit Anime. Für die texanische Getränkemarke gab es 2011 mit der Animeserie Steins;Gate das wahrscheinlich beste Advertisement in der Geschichte ihres Konzerns - Und lustigerweise wusste man seitens der Texaner wahrscheinlich nicht mal was davon. In dieser Serie trinkt der Protagonist 
Hououin Kyouma, selbsternannter wahnsinniger Wissenschaftler, das wie er sagt Getränk der Intellektuellen, Dr.Pepper. Immer gut im Bild, explizit genannt, eine Werbung die man sich nicht schöner wünschen könnte. Ich hätte gerne Statistiken darüber, inwieweit die Abverkäufe des Getränkes nach Steins;Gate in die Höhe gegangen sind. Als ich damals das Erste mal zu dem hierzulande eher unbekannten Getränk gegriffen habe, hatte ich das große Glück, dass es tatsächlich auch köstlich schmeckte - Nicht so widerlich-süß oder chemisch wie Cola, mit einer erfrischend-fruchtigen Note und einem ganz eigenen Geschmack. Dr.Pepper zu trinken bedeutet, zu leben. Zu Atmen. Zu fühlen. Mensch zu sein. Einen tiefen, langen Schluck vom schwarzen Getränk aus der Dose zu nehmen fühlt sich an, als würde einem ein von Gott gesandter Engel in den Mund ejakulieren. Es spült einem Leib und Seele durch, und man geht nach jeder Dose als unübersehbar gereinigter, besserer Mensch hervor. Und irgendwann als unübersehbar übergewichtiger Mensch, wenn man es übertreibt, aber das ist ja mit allem Leckeren so.


Oreo-kekse und Dr. Pepper zusammen - Das ist für mich die Offenbarung. Natürlich ist beides immer noch in Maßen zu genießen, denn Zucker ist nun mal der erklärte Feind unseres Körpers, aber in wohldosierten, anlassorientierten Mengen kann der Oreo-keks und die Dr. Pepper Dose mehr für uns sein als nur ein Snack und ein Getränk - Sie können Freunde sein. Möglicherweise… Freunde fürs Leben
Und eines ist sicher - Hätten die Römer damals schon Oreo-kekse und Dr. Pepper gehabt, hätten sie sich diese statt beschissener Weintrauben und zweitklassigem Wein in den Mund fallen und tröpfeln lassen.
Sein Sie kein Römer. 
Sein Sie ein verantwortungsbewusste Mensch des 21. Jahrhunderts. 
Essen Sie Oreo. 
Trinken Sie das Getränk der Intellektuellen. 


Überleben Sie nicht einfach nur - Leben Sie.       


Vielen Dank.

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