Der 2006 ins Licht der deutschen RPG Maker-Szene getretene Entwickler Real Troll lieferte damals ein großes, populäres Projekt nach dem Anderen ab und wurde schnell bekannt für seinen einprägsamen Comicstil ebenso wie für einen schrulligen, belesenen Humor. Nach Captain America folgte mit 'Die Reise ins All' der bekanntheitstechnische Durchbruch, da hier all seine Stärken aufeinandertrafen und ein vollwertiges Scifiroman-Comedy-Epos entstehen ließen, das ihn bis heute als einen der einflussreichsten Maker in unseren Breitengraden auszeichnet. Mit 'Wolfenhain' folgte 2016 der nächste Brecher, und aktuell ist sein Endzeit-Projekt... Endzeit in der Entwicklung.
Das sind seine großen Spiele, aber was mitunter in so manchen Analen und Chroniken vergessen wird, sind die kleineren Liebhabertitel im Schatten der Popularitäts-Giganten. Einem solchen Winzling widmen wir uns heute, und dabei handelt es sich um kein geringeres Spiel als das, in dem Real Trolls kuriose Fähigkeit zum gesellschaftsüberspannenden Humor ihren Höhepunkt erreichte und in einer Zelebration der Absurdität alter Noir Filme gipfelte. Ich spreche natürlich von MOLOCH CITY, ein knallhartes, schwarzweiß-anmutendes Detektivspiel, indem dicke Wummen ebenso wie große Gefühle und eiskalte Dramen den Alltag dieser verdammten, gnadenlosen Stadt regieren.
Wir begleiten Brick Dynamite, seines Zeichens Privatdetektiv und unvermeidbares Krebsgeschwür einer Stadt wie Moloch City - Gezeichnet, hartgekocht, erkaltet und kompromisslos haben die Jahre in dieser verdammten Stadt den Hünen von einem Mann gemacht, der Frauen ebenso wie windigen Mafiosis auflauert. Umso heimtückischer also ist die Ironie des zynischen Schicksals, als IHM eine Frau in seinem Büro auflauert - Tessa van Weidly, eine unglückliche Dame in ihren besten Jahren, die den Ehebruch ihres Gatten fürchtet. Brick, der den Job ausschließlich aus professioneller Motivation annimmt und die unverhohlenen Avancen seiner Kundin diszipliniert zurückweist, begibt sich auf einen unscheinbaren Trip in die tiefsten Tiefen dieser verdammten Stadt, welcher ihn nicht nur mit dem Gesetz und marodierenden Kleinganoven, sondern auch mit den höchsten Instanzen krimineller Hässlichkeit in Konflikt bringen wird... doch am Ende des Tages war Brick noch immer der Härtere.
'Nur die alte Wunde, Frank. Nur die alte Wunde.'
Moloch City ist, ohne Wenn und Aber, eine vollständige Film Noir-Realsatire. In perfekt-vollendeter Reinform wird hier jedes, aber auch jedes alte Noir-Klischee, Gangster-Genre, Film-Element und Romantrope durch den zuckerreduzierten Kakao gezogen, von Anfang an ist klar, dass einen hier ein Spiel erwartet, das sich vorrangig als Parodie versteht, ohne aber mit der inhaltlichen ' E R N S T H A F T I G K E I T ' von allem zu brechen. Ich habe auf dem RPG Maker nie eine gelungenere Operette von Absurdität, Geistesreichtum, popkultureller Erfahrenheit und solch großen Gefühlen gesehen, wie sie hier aufgelegt wird. Und all das wird vereint in einem recht kurzen, äußerst unterhaltsamem Action & Adventure-Spiel, welches eines der Lustigsten des Mediums darstellen dürfte. Dabei wird das Spiel exponentiell lustiger, je mehr alte (Film-)Klischees man kennt, die Meisten davon sind jedoch älter als jeder Mensch, der Moloch City je spielen könnte, darum gibt es keine großen Hürden. Das Schöne an der Kurzweiligkeit, der Einfachheit des Gameplays und diesem herrlichen Filmsatire-Überzug ist die Tatsache, dass Moloch City dadurch auch hervorragend für Makerunkundige Personen geeignet ist - Es ist eine parodische Kurzgeschichte im Spielgewandt. Dass der Maker das Medium ist, ist eher Zufall, und stellt hier weniger als bei anderen Spielen ein Hindernis dar.
Rick Dynamite als Protagonist ist, abgesehen davon, dass Moloch City nur mäßig bekannt ist, ein ikonischer SchwarzWeiß-Denker und Muskelhirn im Makergenre, der mit Selbstverständlichkeit durch die Irren und Wirren Moloch Citys schreitet und sich dabei so wichtig nimmt wie einen Gangsterpapst, dass man dabei eigentlich nur permanent Grinsen und Kichern kann. Er erreicht natürlich aufgrund der Laufzeit nicht die Tiefe eines Von Mackwitz, funktioniert in diesem Filmspiel aber wie gewünscht als menschgewordener Ausschiss eines korrupten Großstadtsystems. Andere Charaktere und Bösewichte gibt es nur wenige, aber jeder vonm ihnen ist eine wandelnde Liftfasäule von Klischees und Genrebausteinen, die mit süffisanter Fingerfertigkeit von Real Troll inszeniert werden.
Die Story hält natürlich auch ein paar KNALLHARTE Twists bereit, welche das Herz von Rick Dynamite als auch dem Spieler weit mehr als nur einmal auf eine gefährliche Zerreißprobe stellen. Diese Geschichte unterhält von Anfang bis Ende besser als jeder Gangsterfilm und jede Slapstick-Komödie, was vor allem eben dem ungeheuer-effektivem Humor zu verdanken ist, der mich damals beim ersten Durchspielen weit mehr als nur einmal vor Lachen hat Heulen lassen. Ich denke da etwa an eine Szene, in der Rick Dynamite sich von einem Zimmer(!!) einer Villa provoziert fühlt und sogleich beweisen muss, wer von ihnen beiden der Härtere ist - Ohne Rücksicht auf Verluste.
Kein Karlauer, kein Klischee, keine groteske Rückblende wird in Moloch City ausgelassen. Dies funktioniert hier durch die Genrekenntniss des Erstellers auch, ohne dass es anstrengend wird.
"Du.. du verdammte Stadt!!"
Real Troll-typisch dürfen wir uns durch hochwertige und gut durchdachte Umgebungen bewegen, die trotz des trostlosen Moloch City eine nostalgische Pracht ausstrahlen, welche ebenfalls an die alten Geschichten erinnert. Die Film Noir-Atmosphäre ist trotz des Humors stark verankert im Spiel. Es gibt eine schöne, kleine Weltkarte und in den jeweiligen Gebieten viel zu entdecken, vor allem überraschend-kreative Dialoge bei wirklich jedem Schrank, Stuhl und Mülleimer - Wie man es von Real Troll kennt. Das Erkunden als Erlebnis.
Der Stimmung schließt sich auch der dramatische Jazzscore an, welcher auch die knallhärteste Situation mit genretypischen Tönen zu untermalen weiß, fernab von makerbekannten JRPG-Tönen.
Das eigene Kampfsystem von Moloch City, über das ihr Rick Dynamites Fadenkreuz über eine Map hin zu euren Gegnern bewegt, ist der einzige und größte Schwachpunkt des Spiels. Nicht nur ist das zu bewegende Fadenkreuz viel zu langsam für die Größe der Maps, durch die immergleiche Abfolge von sich duckenden und sich zeigenden Gegnern bewegt man sich quasi immer nur im Kreis, außerdem dauern die Kämpfe in der zweiten Hälfte des Spiels durch die hohen Lebensdauer der Gauner viel zu lange und ziehen sich. Es war eine gute Idee, hat aber nicht so glatt funktioniert wie der Rest von Real Trolls Spottroman.
Die wenigen, verbauten Rätsel sind Real Troll-typisch nicht immer einfach bzw. überhaupt verständlich, was dann sehr schnell mal zu Frust führen kann. (Bsp. Tresor!) Aber es wäre ja auch irgendwie nicht schlüssig, wenn dieses Spiel nicht von einem verlangen würde, KNALLHART zu sein, oder?
Fazit - Ist es zu hart, bist du zu weich.
Moloch City ist Filmsatire, Gangsterparodie, Detektiv-Adventure und Kurzfilm in einem. Es ist absurd, lustig und charmant in jedem Baustein seiner Stadt, in jeder Szene und in jedem Augenblick seiner Erzählung. Der Humor funktioinert an vielen Stellen des Spiels so gut, dass man sich Winden und Heulen muss vor Lachen. Die Umgebungen und die Musik sind wie nicht anders von Real Troll gewohnt hochwertig und es macht Spaß, alles zu erkunden. Das Kampfsystem war eine kreative Idee, die nur mäßig umgesetzt wurde, die Rätsel sind eine durchmischte Erfahrung und die kurze, (gewollt!) wenig-kreative Handlung weiß besser zu unterhalten als so manche Crime-Serie. Für mich ist es eines der lustigsten Makerspiele überhauptl, und wenn ihr mal wieder gepflegt Lachen oder einem Außenstehenden ein in sich stimmiges Makerspiel präsentieren wollt, ist Moloch City die Geschichte eurer Wahl - Falls ihr dafür hart genug seid.
- Yoraiko
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