Dienstag, 18. August 2020

RPG-Maker-Review: Souldestruction - Bein' a teenager's hard






Wir alle waren als Teenager schrecklich 'cool'. Wir standen an der Spitze der Nachtmode, widersetzten uns entschlossen jedem Trend und ließen keinen Farbton über ganz ganz dunkles Grau und Weinrot an unsere Haut. Wir hatten die Welt verstanden, und die Welt war Leid. Ganz, ganz fürchterliches Leid in Form einer üblen Akne, eines unerwiderten Paarunstriebes mit optionaler Ruckelnummeranfrage oder der schlichten aber niederschlagenden Erkenntnis, dass niemand da draußen uns versteht. 


Ja, wir waren Teenager, und Teenager bedeuten Instabilität. Diese Instabilität hat jeder anders verarbeitet - viele leiteten sie in eine ehrliche Depression um, was dann gar nicht mehr so lustig war, viele mehr hätten aber zum Glück nur gerne eine gehabt, weils als Teenager 'schick' war.
Was, diese Erkenntnis empört euch? Dann erinnert euch mal an eure ersten Gedichte, da schämt ihr euch bis nach Spanien. 


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Viele Teenager düsteren, unverstandenen Gemüts haben es jedoch geschafft, ihr Anderssein, ihren Individualismus und ihre Gedankenschwärze in fruchtvolle Kreativität umzuwandeln. Bedauerlicherweise hauptsächlich in Gedichten. Ihr glaubt, Faust ist heutzutage sperrig zu lesen? Dann befasst euch mal als Pädagoge mit 'Blutmondgemetzel' vom kleinen Kevin 'AbYzZ L0rD' Neumann, 14 Jahre, der darin anschaulich und mit der Wortgewandtheit eines zwangsneurotischen Schuhverkäufers seine Leidenschaft für nächtliche Spaziergänge und satanistische Riten auf Kosten von verblendeten Konformistinnen - natürlich nur rein theoretisch - beschreibt. 


Internet sei Dank aber gibt es seit einiger Zeit das... na ja, Internet, Auffangbecken wirklich jedes missverstandenen Individuums, in dem dieses sich geistig und vokal entladen kann. Wer darüber hinaus gehen und wirklich etwas Kreatives leisten möchte, der findet die RPG Maker Szene, und der erstellt mit morbider Freude und viel angestautem Frust etwas Kunstähnliches. Souldestruction war vermutlich so ein Fall. Vielleicht auch Vampires Dawn und Urban Nightmare, wenn ich jetzt so darüber nachdenke... aber bleiben wir bei Souldestruction.


Leider war das deutsche Makerspiel Souldestruction trotz seiner hoffentlichen Ventilfunktion für Erstellerin 'TigerDRena' nicht mit Erfolg beschenkt - damals wie heute kennt das Nischen-Matrjoschka kein Mensch, und das im übrigen zurecht. Aber der Reihe nach: Ich fand es vor vielen Jahren durch Zufall über ein Youtube-Let's Play des einigermaßen bekannten Szene-Moguls Koshi.  Die Grafik interessierte mich, mehr wusste ich nicht, außer vielleicht, dass der Name des Spiels die mögliche Qualitätsspanne bereits stark einschränkte. Die Erstellerin war, wie man über einschlägige Suchmaschinen herausfinden konnte, als Cosplayerin und Zeichnerin tätig, was zumindest eine interessante Kombination abgab - nicht viele Makerspiele kamen von diesem Schlag Mensch. 



Um es bereits zusammenzufassen:
Souldestruction ist als Bestandsaufnahme eines ganzen Lebensjahrzehnts und dem wohl schwierigsten Lebensababshnitt - Teenager sein - als Edge-Style-Gothicporn-Overload eine unfreiwillig komische aber irgendwie auch stimmige Angelegenheit. Ich würde euch ja empfehlen, allein aus grotesker Neugier einmal in ein Lets Play zu sehen, wenn ihr den Mut habt. Das oben verlinkte LP ist die letzte Quelle dazu. Selbst spielen würde ich es nicht, wenn ihr keine Linkin Park-Poster oder Oomph!-Schweißbänder mehr an der Wand hängen habt. Warum, sei hier kurz erklärt. 



Schwarz ist das neue Schwarz
Souldestruction ist optisch klar dem Obskuren und Okkulten zugeneigt, ist grafisch für damalige Maßstäbe und den Makerkontext aber mehr als in Ordnung. Die Umgebungen und Effekte glänzen teilweise mit Kreativität für das Pixelmedium und besitzen echte Highlight-Momente. Düster-romantishe, selbstgemachte Menüs und ansprechende Charaktergrafiken so wie vereinzelte, spaßige Splatterposen haben mich zum Spiel gebracht und gehalten. Es gibt hier nicht viel zu kritisieren, wenn man mit dauerschwarzem Spülmittel und blutrotem Weichspüler gerne seine Wäsche bearbeitet. Oder kurz gesagt, gefällt euch der Titlescreen gefällt euch das Spiel. Man merkt der Fassade die zeichnerische Natur ihrer Erstellerin an.


Aber mit diesem Medium hat die damals vermutlich blutjunge TigerDRena sich nicht für eine Zeichnung, sondern für ein Spiel entschieden. Und vielleicht war das die falsche Entscheidung. 


Depressivmachendes Gameplay
Makerspiele sind Text-RPGs, und leben somit mehr noch als modernere Games von Dialogen, Story, Atmosphäre und Charakteren. Jeder einzelne dieser Punkte ist in Souldestruction eine schmerzliche Begleiterscheinung, die man gerne aus dem Projektordner werfen würde, damit man sich an den Bildern erfreuen kann. 

Die Dialoge und Texte sind, von Anfang bis Ende, von einem vergleichenden Standpunkt her grausam und schmerzhaft zu lesen. Dies ist weniger auf die symptomatischen Rechtschreibfehler zurückzuführen, die einem in der Textbox hier öfter begegnen als das Wort 'Leid', sondern viel mehr auf die Gedankenlosigkeit des ganzen Plots. Alle Gespräche sind vollkommen konfus, durcheinander und ergeben oftmals nicht mal für drei Sätze hintereinander kohärenten Sinn. Atmosphäre kann so nur schwerlich entstehen, wie sehr sich auch bemührt wird, die leidgeplagte Protagonistin, die möglicherweise ein Self-Insert war, näher an den Spieler zu bringen.


Und Souldestruction ist als Horrorspiel angegeben. Nun, gruseln werdet ihr euch hier allerhand, aber eher vor dem, was ihr selbst vielleicht mal vor fünf bis zehn Jahren wart. 

 


Warum ich keine Storyzusammenfassung gegeben habe? Weil es keine gibt. Ich habe wirklich keinen blassen Schimmer, worum es in diesem Spiel eigentlich ging. Zuerst handelte die Erzählung von Depressionen. Dann wurde eine Satanssekte relevant. Dann begaben wir uns in Dreamalnd R-esque Traumwelten. Und dann war da noch ein ausgebrochenes Virus. Es scheint, als wären viele, eingängige Ideen planlos aneinandergereiht wurden, um die 'Stimmung' des Spiels zusammenzuhalten. Nichts davon will klicken, und so klink ich mich aus. 

Ein Makerspiel als Depressionsverarbeitung über Depression, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit, hätte ich sicherlich damals wie heute hochinteressant gefunden. Die gute TigerDRena, die zur Zeit meines Spielens von SoulDestruction im übrigen Kontakt mit mir aufgenommen und sehr sympathisch über sich selbst gelacht hat (Grüße an der Stelle), hat sich aber dafür entschieden, sich lieber ein wenig 'Nach Gefühl' auszutoben und schwarze Farbe mit greller Popkultur zu kreuzen. Und wir, wir haben dafür im besten Fall was zu Schmunzeln, wenn wir es uns als Video oder - für die coolen Kids - tatsächlich als Spiel aufs innere Auge legen. 

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Wirklich empfehlen kann ich es nicht, und dieses Review existiert auch nur, weil ich für meine investierte Seelenzerstörungszeit wenigstens IRGENDETWAS zurückhaben möchte... außer diese wirklich beachtenswerden Pixelkünste, die man hier bewundern kann.


2 von 10 Rasierklingen für Souldestruction
-> Du machst Yoraiko depressiv! :(








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