Samstag, 4. Juli 2020

RPG Maker Review: Stürmische Tage (2012) - Lesbische Anime-Elfen-Cuteness-Krieger-Feministinnen der Liebe





Erstellungsjahr: 2012 
Ersteller: Cloud8888 
Genre: Romance, Action, Fantasy 
Spielzeit: 3-4 Stunden 
Engine: RPG Maker 2003




Lesbische Heldinnen in einem Pixel-RPG? Wem dieses Konzept genügt, um ein paar Stunden ulkig-herzlichen Kinkshame-Spaß zu haben, und wer zudem noch Bande zur Anime-Kultur und ihren Stereotypen hat, der könnte mit 'Stürmische Tage' einen alten Geheimtipp entdecken. Alle Anderen schütteln den Kopf und lesen weiter. 


RPG-Maker-Spiele sind in ihrer Grundessenz mal Final Fantasy-Klone gewesen. Bis heute wird dieses ganz eigene Medium von Pixelspielen daher vom Genre Adventure, Fantasy, Action oder auch Comedy geprägt. Es gibt viele Horror-RPGs, manche Sci-fis, wenige Thriller.


Was es so gut wie gar nicht gibt, sind Romantik-Makerspiele. Das Romance-Genre, was sowohl in Büchern, als auch Serien und Anime - um nur einige zu nennen - ein Zuhause hat, ist der Makerszene fremd. Deutsche Veröffentlichungen mit dem Fokus auf den Gefühlen zwischen zwei oder mehr Personen kann ich an einer Hand abzählen, und zwei Finger davon gehören den Visual Novels von Rosa Canina, die nur auf dem Papier dem Maker zugeordnet werden können. 



Umso verblüffender war 2012 das von Cloud8888 vorgestellte Projekt, das gleich in mehrerer Hinsicht ein Novum darstellte: Ausgeschriebenes Romantic-Game. Bisschen Action, na gut, aber es ging um die Liebe. Aber es musste lesbische Liebe sein. Zwischen Quasi-Elfinnen. Mit Anime-Ästhetik. Und Harem-Charakter. Oh, und natürlich noch die unterliegende LGBT-Propaganda, um das Ganze zu rechtfertigen und irgendwie zusammenzuhalten.

Stürmische Tage war extrem besonders, aber nicht extrem erfolgreich, so dass das Kurzspiel ein Geheimtipp blieb. 
Als ich es vor fünf oder sechs Jahren zum ersten Mal spielte, war ich hellauf begeistert. Vor zwei Monaten absolvierte ich meinen zweiten Durchlauf. Was steckt hinter den vielen Schlagwörtern? 


Gott ist lesbisch
In einem fiktiven Deutschland typischen Mittelalters gibt es eine aufstrebende Religion unter der Göttin Leondra - die Religion der gleichgeschlechtlichen Liebe. Wer das 'Ritual' mit einem Partner oder einer Partnerin ablegt, bekommt spitze Elfenohren und ist sodenn mit seinem Geschlechtsvetter auf ewig verbunden. Der Kaiser allerdings sieht dies gar nicht gern, da er den Akt zwischen homosexuellen Menschen als Todsünde ansieht. 
 

Caitlin und Katarina sind zwei Kriegerinnen, die sich ganz toll lieb haben. Vielleicht auch ein kleinwenig mehr als andere Mädchen in ihrem Alter. Caitlin lebt alleine mitten im Nirgendwo friedlich vor sich hin, bis eines Tages Katarina zu ihr stößt und sie benachrichtigt, dass der Kaiser mit einer Armee Richtung Burg Nordlicht zieht - die selbsternannte Glaubensfestung der Elfengöttin, hinter deren Mauern all jene Homosexuellen ein Zuhause finden, die im restlichen Land diskriminiert und gejagt werden. Caitlin muss sich ihren alten Kameraden wieder anschließen, um zusammen mit ihrer geliebten Katarina das Recht auf freie Liebe gegen den Kaiserpapst zu verteidigen.


Feminismus vs. Objektifizierung
'Stürmische Tage' könnte in seiner Grundbotschaft so wunderbar charmant und pädagogisch wertvoll sein: Die homosexuelle Ehe ist genau so legitim wie jede Andere, an gleichgeschlechtlicher Liebe ist überhaupt nichts falsch, im Gegenteil, sie kann etwas sehr Schönes sein. Hetze gegen Randgruppen und LGBT sind dumm und beschränkt. Es ist ein starkes Spiel für diese Thematik. Na ja. Wäre. 


Wenn nicht unter allem der sich permanent aufdrängende Verdacht eines wahrgewordenen Sabbertraums voller Lesbenservice liegen würde. 




Jede Frau in Stürmische Tage ist lesbisch. Zumindest jede junge, attraktive Frau. Mal von den beiden weiblichen Heldinnen abgesehen alle namhaften Nebencharaktere so wie annähernd jeder weibliche NPC. Homosexuelle Männer sieht man kaum. Die Dialoge sind eigentlich purer Fanservice ohne rechte Konsistenz. Die Tatsache, dass verheirateten Leondra-Gläubigern nach der Zeremonie Elfenohren wachsen, erscheint vollkommen wahllos und lässt nur den Schluss zu, dass es sich dabei um eine Vorliebe handelt. 
Ständig schmeißen die Damen sich Anzüglichkeiten und indirekte Aufforderungen zum Coitus entgegen.

Was will uns Stürmische Tage damit sagen? Dass das althergebrachte Klischee, lesbische Frauen wären immer und überall willig, doch wahre Wurzeln hat?


Den spitzohrigen Vogel abgeschossen hat das RPG damals aber mit den für den (deutschen) Makerraum beinahe einzigartigen Sexszenen zwischen den Protagonistinnen. Diese waren sehr explizit und sehr seltsam inszeniert, so dass sie eher albern als irgendwie schön wirken. Und objektifizierend.


Ist Stürmische Tage eine kleine Leuchtfackel des Feminismus oder doch eher ein verklebtes Fanpaket für Anhänger weiblicher Fortpflanzungsversuche? Man darf sich dessen unsicher sein, im Zweifel also beides.



Bei Karies fragen Sie bitten ihren Arzt oder Apotheker
Stürmische Tage ist vor allem eines: Süß. Herzerwärmend süß und liebenswert. Die Dialoge zwischen den Liebenden sind, so einfach und schlicht sie auch geschrieben sein mögen, alle plüschig-pink und in bester Cuteservice-Manier gehalten, so dass man hier glücklicherweise mit jedwedem Zynismus verschont bleibt.


Man mag ja von der sehr gewollten Romantikebene zwischen allen weiblichen Charakteren halten was man möchte, aber wenn man so was mag (Was ja vollkommen legitim ist, ich zähle mich dazu) dann ist 'Stürmische Tage' schon eine sehr runde Sache. Da kann man es dann auch eher verzeihen, dass die Texte voller Rechtschreibfehler und grammatikalischer Beinbrüche sind.



Liebe macht hübsch 
Optisch bietet Stürmische Tage - Für Fans von Retro-RPGs natürlich - eine gelungene RTP-Ästhetik, die mit einer schön gestalteten Burg Nordlicht, tollen Charakter-Edits und vielen bunten Farben aufwartet, um den inhaltlichen und stilistischen Anime-Einschlag zu unterstreichen. 

 
Die Facesets/Gesichter der relevanten Charaktere sind in dieser Richtung mal mehr, mal weniger hübsch. Zwar geben sie insgesamt ein stimmiges Gesamtpaket ab, leiden jedoch unter wahllosen Stilmixen. Dennoch ist Stürmische Tage visuell für sein Genre weitestgehend gut gealtert. Viele kleine Animationen und vor allem der animierte Titelscreen mit dramatischer Musik werten die Erfahrung weiter auf. 




Abzüge in der B-Note
 
Das Gameplay dieses Spiels ist so mangelhaft wie seine Dialoge niedlich sind. Stürmische Tage ist nicht lang, und seine Spielzeit füllt es neben Dialogen und Sexzenen vor allem mit Kämpfen, hakeligen Minispielen und anspruchslosen Fetchquests.


Das eigene Action-Kampfsystem ist das größte Manko des Erstellers Cloud8888, da es sich auch heute noch sehr ungenau und unberechenbar spielt. Bevor man sich versieht, hat man den Game Over-Screen vor Augen, ohne so recht zu wissen, was gerade passiert ist. 


Die wenigen Minispiele, welche zur Auflockerung eingestreut wurden, funktionieren nur mit knapper Not und wurden mehr schlecht als recht gescripted, und das merkt man auch. Sie spielen sich unbeholfen und passen nicht so zum Rest der windelweichen Romantikerfahrung.




Ich habe es angesprochen, Stürmische Tage ist leider sehr, sehr kurz. Das Spiel spielt sich trotz seines mangelhaften Kampfsystems relativ flott durch, viel mehr als Burg Nordlicht wird man nicht sehen. Und das ist tatsächlich schade: Das Gameplay und die groben Eckpunkte dieses 2012 erschienen Spiels waren ungeschliffen, die Idee und die Umsetzung (Größtenteils) aber erfrischend und liebenswert. Die Charaktere pflegen teilweise Beziehungen zueinander, über die man gern mehr erfahren würde, und die Vergangenheit der Protagonistinnen spielt in der Handlung eine wichtie Rolle. Dieses fiktive Deutschland mit seiner fiktiven Religion in hübscher Grafik hätten das Potential geboten, ein längeres Spiel daraus zu machen oder zumindest einen würdigen Nachfolger zu liefern - das ist leider nicht passiert. Vom Konsum von Stürmische Tage II kann ich wirklich nur jedem abraten, diesem Spiel fehlt jeglicher Charme des ersten Teils. Teil 1 jedoch, der hat auch heute noch seine Existenzberechtigung. Vielleicht nicht für jeden, aber für manche. Und das reicht doch aus?





Fazit

 
Wer ein süßes, von östlichen Einflüssen geprägtes Kurzspiel im Stile eines Harem-Anime ohne Männer möchte, bei dem jeder Dialog einen Grinsen lässt, entweder aus Wärme oder Fremdscham, der kann Stürmische Tage für seine 3-4 Stunden ausprobieren. Man muss albernen Pixelsex abkönnen und sich durch ein unbeholfenes Kampfsystem beißen, wird dafür meiner Meinnung nach aber mit einer rosaroten Romantik-Spielerfahrung belohnt, von der man halten kann was man will, die aber bis heute einzigartig im deutschen Makerraum ist und wohl bleiben wird. 



Ich selbst hatte das Spiel von damals definitv in meiner Erinnerung verklärt, die Dialoge sind trotz ihrer Niedlichkeit infantil, die Story ist hauchdünn und das Gameplay störend. Dennoch habe ich einen weichen Fleck für Stürmische Tage. Und es ist vielleicht genau dieser weiche Fleck, den Cloud8888 bedienen wollte. Auf dass wir uns alle Elfenohren wachsen lassen, in Einigkeit und freier Liebe.



- Yoraiko









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