Dienstag, 11. Februar 2020

Serien-Review & Empfehlung: THE TERROR - Disziplin ist alles




1845 stachen zwei britische Schiffe, die HMS Erebus und die HMS Terror Richtung Antarktis in See um eine bisher nur vermutete Handelsroute zu entdecken. Diese großangelegte Expedition scheiterte katastrophal und endete in den Jahren 1845 - 1848 mit dem Tod aller über hundert Besatzungsmitglieder beider Schiffe. Erst 2014 fand man das Wrack der Erebus, 2016 schließlich das der Terror. Bereits 2007 jedoch hat sich Autor Dan Simmons dem historischen Stoff in seinem Roman 'The Terror' angenommen und diesen mit übernatürlichen Horrorelementen erweitert. 2018 produzierte Amazon auf Grundlage dieses Buches eine zehn Episoden umfassende Serie gleichen Namens - The Terror. Eine Serie, die für viele wie aus dem Nichts kam, nicht zuletzt wegen dem Umstand, dass Amazon neben Großkalibern wie Netflix und HBO nicht unbedingt für seine großen Hits bekannt ist. Ein großer Hit aber, das war The Terror. Das und mehr. Für mich, der nun mit solchen Stoffen eigentlich immer recht wenig anfangen kann, der aber diese pre-moderne Zeitperiode überaus gerne in Filmen und Serien sieht, war es nur eine kleine Filmformat-Empfehlung, die mich zu dieser dazumal nicht übermäßig bekannten Produktion brachte. Ich sah Episode 1. Ich sah Episode 3. Und bevor ich es mich versah, hatte ich die Serie in zwei Tagen durchgesehen - Ich konnte nicht aufhören. The Terror traf mich wie eine Abrissbirne - Vollkommen unerwartet hat es mich in seinen Bann gezogen. Mittlerweile gibt es eine zweite Staffel, die ein vollkommen anderes Setting in den Fokus stellt, und auch nicht zwangsweise die Letzte sein wird - Doch bevor ich diese beginne muss ich niederschreiben, warum Staffel 1 von The Terror für mich eine meiner besten Serien aller Zeiten darstellt und sie, würde ich Serien mit in meine Filmliste aufnehmen, wahrscheinlich recht hoch in den Top 10 angesiedelt wäre. Lest hier, warum The Terror eine fantastische und hypnotische Seherfahrung ist, die trotz ihrer immensen Sogkraft doch so weit vom üblichen Einheitsbrei unserer Unterhaltungslandschaft entfernt stattfindet. 

Eines ist The Terror sicher nicht, und das ist in irgend einer Weise positiv. Hier gibt es keine Hoffnung. Keinen Silberstreif am Horizont, keinen Glauben, dass sich vielleicht alles zum Besten wenden kann - Man muss nicht wissen, wie die reale Expedition ausgegangen ist, um das sehr, sehr schnell zu begreifen. Diese Serie lebt den Begriff 'Trostlosigkeit' - Alles ist grau, bitter, kalt, ausweglos und stellenweise unerträglich bedrückend. Bereits in Episode 1 frieren beide Schiffe wie vom Protagonisten, Kapitän Croizure, vorhergesehen im Nordmeer fest und wir vollziehen zu Episode 2 einen Sprung von einem Jahr. Über hundert Männer sind auf zwei Schiffen in der Arktis gefangen, hängen aufeinander, werden verzweifelter im Laufe der Serie. Wir fühlen all das, die Kälte ist förmlich greifbar - Durch die hervorragende Kamera-Arbeit sind wir ständig Teil der Isolation, die bedrückende Aussichtslosigkeit der Lage, die zum Schneiden dicke Atmosphäre von Trostlosigkeit und Sehnsucht nach einem heißen, englischen Tee, und die Frage, die sich uns als Zuschauer auch unweigerlich stellt: Was willst du machen, wenn du mitten im Nirgendwo mit 100 Männern und zwei Schiffen festgefroren bist, tausende Kilometer entfernt von jeder Zivilisation, ohne jede Form von Leben oder Natur? 




Und als wäre diese Situation nicht schlimm genug, bekommen es die Terror und die Erebus auch noch recht bald mit einer Art übernatürlichem Jäger zu tun, der weder so ganz Tier noch menschenähnlich zu sein scheint und die Reihen der englischen Seeleute mit erschreckender Brutalität ausdünnt.

Wer sich mit einer solchen Serie identifizieren kann oder neugierig geworden ist, dem empfehle ich wärmstens(Und Wärme braucht ihr hier, am besten mit heißem Tee eingekuschelt gucken) sich an The Terror heranzutrauen - Diese Serie hat keine Längen, kaum Schwächen und ist mit gerade Mal zehn Episoden auch nicht zu lang. Man muss nur wissen, dass sie sehr ruhig und langsam erzählt ist - Sie ist kein Actionkino. Alle anderen lesen weiter, wenn ich (Spoilerfrei) noch ausführlich ins Detail gehe was die Stärken von THE TERROR anbelangt.



Diese Welt will unseren Tod



Das ist eine Atmosphäre-Serie. Alles funktioniert hier über Atmosphäre, das authentische Setting, die fühlbare Arktis, das graue, trostlose Gefühl, auf das man sich einlässt. Eine effektgeladene Handlung oder große Dramaturgie treten an die zweite Stelle, obwohl die Spannung in The Terror von der ersten bis zur letzten Minute kaum nachlässt - Es gibt keine Längen in den zehn Episoden, keinen langweiligen Moment, das Pacing ist perfekt und viele Episoden enden auf eine Weise, die es sehr schwer machen, nicht direkt weiterzugucken. Das Production Value ist gefühlt unheimlich hoch - OBWOHL es eine so minimalistische, triste Serie ist sieht alles IMMER gut aus - Jede Einstellung ist ein Gemälde, alles wirkt hochwertig, die Animation bestimmter Entitäten ist auch gelungen.

Die Setting-Stärken teilen sich in die Pre-Moderne, die hier für meine Begriffe überaus authentisch und gelungen dargestellt ist, so dass die Kostüme und die Designs sämtlicher Charaktere ebenso wie deren Ausdrucksweise direkt aus dem neunzehnten Jahrhundert entnommen scheint. Einprägsame Eigenheiten dieser Zeit wie das konsequente gegenseitige Ansprechen mit 'Mister' und 'Sir', das ausnahmslos alle Personen befolgen, machen das ganze Geschehen so viel nahbarer als es bei oberflächlicheren Produktionen Hollywoods in dieser Zeit der Fall war, wo Personen sich einfach mit Nach-, oder gar Vornamen(!!) ansprechen. Wenn man diese Zeit mag kommt man hier wirklich voll auf seine Kosten.

Dann ist da die erwähnte ruchlose Arktis, die einen selbst vor dem Bildschirm mit ihrer Kälte, ihrer Lebensfeindlichkeit und ihrer graublauen Farbpalette erreicht. Das umfasst auch die (seichten) Horror und Mysteryelemente, die keineswegs heicherisch oder besonders aufregend daherkommen sondern wie der Rest der Serie eher atmosphärischer Natur sind - So etwa ein von unheimlicher Stimmung dominierter Tauchgang inmitten des des finsteren Eismeeres in Episode 1, der einem die Haare zu Berge stehen lässt. Gerade die am Anfang der Serie häufiger eingesetzten Wideshots - Also extrem weit herauszoomende Kameraeinstellungen - fangen PERFEKT die unglaubliche Isolation und Weite der Umgebung ein - Wenn die beiden riesigen Schiffe Terror und Erebus plötzlich nur noch zwei kleine, schwarze Punkte in einem Meer aus Weiß sind, kann man nur allzu gut nachvollziehen, warum die in den Schiffen festsitzende Besatzung nicht einfach los läuft um Hilfe zu holen.




Dem zuträglich ist auch der außergewöhnliche Soundtrack, welcher der Handlung gemäß zwar, wenn überhaupt, nur sehr subtil im Hintergrund wirkt, gerade aber die wichtigeren und verstörenderen Szenen mit fremden, unangenehmen Klängen füllt und das Ganze geschehen noch kafkaesker macht. Als Beispiel sei hier nur das Theme Tenebrous genannt, welches in The Terror eine schrecklich-verstörende Wirkung erzielt. Von künstlicher Dramatik gibt es in dieser Serie zwar nicht viel, aber dann und wann gelingt es dem Soundtrack mit eindringlichen Tönen, die ganze Szene zu dominieren. Unaufdringlich und doch unverkennbar, das ist das Konzept der Musik in The Terror.

Das Intro der Serie repräsentiert diese eigentlich schon ausgezeichnet: Nicht nur ist die Musik so bedrückend und einprägsam wie die Handlung selbst, dem Vorspann gelingt auch ein perfektes Verhältnis aus Länge und Informationsgehalt. Intros in Serien sind immer so eine Sache, manchmal sind sie zu lang, so dass man sie nach dem ersten Mal überspringt, dann wieder sind sie zu voll mit Spoilern. Das Terror-Intro läuft dreißig Sekunden und ist auf eine spannende Weise animiert, die GENAU das richtige Maß an Foreshadowing betreibt. Außerdem werden die Bilder der Kapitäne immer genau dann weggeschnitten, wenn sie vielleicht zu viel verraten würden, so dass man jedes Mal wieder versucht mehr zu erkennen - Und so vielleicht bemerkt, dass das Intro sich auch mit jeder Episode weiter verändert. 

Ein Wort zur deutschen Synchronisation: Beim ersten Mal sah ich die Serie auf deutsch, beim Zweiten auf englisch. Ich spreche mich mit voller Überzeugung dafür aus, dass die deutsche Vertonung mit guten, passenden Sprechern und einer gelungenen Altsprache dem O-Ton ebenbürtig ist - Mindestens. Falls ihr mit etwas schwierigerem Seemannsgarn-Englisch so eure Probleme habt oder euch einfach fallen lassen wollt, greift ruhig zum deutschen Ton.



Ich dulde hier keine Hysterie

 

Zur Handlung ist vor allem zu sagen, dass wir in 10 Episoden bemerken können, was wir nach Episode 1 schon wissen: Es ist einfach hoffnungslos und es wird IM - MER - schlimmer! Nicht auf eine übertriebene Art und Weise, wir sehen nur, wie den britischen, eingefleischten Seemännern innerhalb drei langer Jahre in der Arktis mehr und mehr die Möglichkeiten zur Rettung davonrinnen, sich ihre Zahl weiter dezimiert und ihre Situation immer dann wenn sie denken, dass es schlimmer nicht mehr kommen kann, noch düsterer wird. So können wir mit morbider Betroffenheit beobachten - Milder Spoiler, aber nicht wirklich weil ihr ja wisst wie die Expedition ausging - wie in Episode 1 über 100 trainierter, eingespielter Seeleute eine Einheit bilden und diese in Episode 10 auf ein Dutzend zerstreuter Halbtoter geschrumpft ist, bis schließlich keiner mehr lebt. The Terror gewinnt nicht nur dadurch einen Wiederschauwert, weil es durchaus spannend ist nochmal zurückzugehen und zu sehen, wie es dazu kommen konnte.



Nicht zuletzt dadurch, weil es in der Besatzung eine sogar für Serien exorbitante große Anzahl an Identifikationsfiguren für den Zuschauer gibt - Über ein Dutzend(!!) der Seemänner, sein es die Kapitäne, die Sergeants, die Ärzte oder die Matrosen werden näher beleuchtet und so gut und stimmig charakterisiert, dass man eigentlich fast mit jedem Einzelnen von ihnen mitfiebert, ihre Schicksale genau so gespannt verfolgt wie die der Hauptfiguren und bei fast jedem ihrer Tode bedrückt ist. Von Hauptfigur Kapitän Croizure über den anfänglichen Angeber und späteren Good Guy Kapitän Fitzgerald zu den zahlreichen Sergeants und Corporals oder dem gutherzigen Arzt Goodsir bis hin zu kleineren Figuren wie einem Arzt der ein romantisches Verhältnis mit einem jüngeren Matrosen pflegt. Und es gibt natürlich auch in The Terror ein paar klare Antifiguren, die den meisten Zuschauern wahrscheinlich weniger warme Gefühle im Bauch bereiten - Allen voran Hikki, über den ich hier nicht zu viel verraten möchte. Außerdem Figuren wie der zutiefst religiöse Sir John oder der wenig empathische Schiffsarzt Dr. Stanley. Aber auch diese negativ-belegten Personen sind zu keinem Zeitpunkt eindimensional. 

Viele Dieser Charaktere machen auch eine starke Entwicklung innerhalb der zehn Episoden durch, so dass wir Personen, die wir in Episode 1 vielleicht noch maximal-unangenehm fanden in Episode 10 mehr zu schätzen wissen - Und andersrum. 

Das Ende der Serie schließlich ist niederschlagend und stimmt nachdenklich, aber es ist konsequent und die einzig mögliche Konklusion eines solch fatalistischen, historischen Ereignisses. 

Das Foreshadowing innerhalb der Serie ist fantastisch und bereitet einem vor allem beim zweiten Sehen große Freude, viele Details und Szenen zeigen gerade rückblickend, wie gut durchdacht diese Geschichte ist. Hier ist natürlich jedes Beispiel ein Spoiler, darum werdet ihr mir das einfach glauben müssen - Das Foreshadowing ist brillant, gerade auch deswegen, weil man vieles beim ersten Mal noch gar nicht versteht oder richtig zuordnen kann.

Die Spannung zieht sich wie gesagt nebeldick durch alle Episoden und so gibt es auch einige sehr effektiv umgesetzte Twists, die mal mehr mal weniger unerwartet kommen, aber immer großartig inszeniert sind - Etwa der Tod eines wichtigen Charakters bereits in Episode 3.

Was gerade erfahreneren Zuschauern, die schon unzählige Serien und filme(Mit übernatürlichen elementen) positiv auffallen wird, ist wie mit der Wesenheit des Tuunbaq umgegangen wird - Das tierähnliche, hochagressive und intelligente Wesen ist offensichtlich kein enfacher eisbär, nein noch nicht mal ein Tier - Ohne große Zweifel zu hegen, ihren Menschenverstand zuz hinterfragen oder es als LÖappalie abzutun akzeptieren die Männer diese Tatsache und stellen sich auf ihren übernatürlichen Feind ein, versuchen Folge um Folge erbittert(und leider weitestgehend erfolglos) das Biest zur strecke zu bringen. Ein erfrischender Ansatz und auch vollkommen nachvollziehbar - Denn was würde es bringen, sich in der Situation der Männer groß mit Sinnfragen zu beschäftigen, während ein mordendes Biest sie einen nach dem Anderen in Stücke reißt?



Das tut Tuunbaq äußerst brutal und unsauber - In The Terror gibt es ohne Frage explizite Gewalt, Körperteile fliegen herum, verstörende Tode werden inszeniert und Innereien gezeigt. Allerdings wird die Gewalt nie als Splatter oder zum Selbstzweck eingesetzt sondern nur sinnvoll genau da, wo man sie in diesem realistischen, schmutzigen Setting braucht. Wie schmutzig und ungeschönt es in dieser Zeit zuweilen ablief, beweist derweil eine quälend-lange Auspeitsch-Sequenz, die einem nicht den Gefallen tut, irgendwann wegzuschneiden - Sie bleibt drauf, bis zum Schluss.

All das sind Punkte, die wirklich für die Serie sprechen und sie zu einer hochqualitativen Produktion machen, die meines Erachtens nach viel, viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat - Aber was mich wirklich vollends in meinen Bann zog und bis heute meine tiefliegende Faszination für The Terror ausmacht ist etwas anderes - Im Angesichte von Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Hunger und dem sicheren Tod das Aufrechterhalten zivilisierter, strenger Disziplin. 


Disziplin ist alles



Herr der Fliegen. The Divide. Climax. Das Experiment. The Mist. The Descent. High-Rise. Event Horizon. REC. 

Das sind nur einige Filme, die sich - Mal mehr, mal weniger berechtigt - damit außeinandersetzen, wie Menschen in isolierten Extremsituationen mit fieberhafter Geschwindigkeit zerbrechen, in ihre animalischen Urinstinkte zurückfallen, jeden gesunden Menschenverstand verlieren und völlig wahnsinnig werden. Bei einigen ist das nachvollziehbar und nur realistisch - Immer wieder haben uns Geschehnisse und schließlich auch Filme wie Das Experiment oder The Mist gezeigt, wie unheimlich wenig es doch braucht, damit Menschen die Fassung verlieren und sich dem Überleben des Stärkeren unterwerfen. 

Dieser Trope ist etwas, das mich eher oft als selten anstrengt - Denn er tendiert dazu, überspitzt und hochdramatisch eingesetzt zu werden, um die Abgründe der menschlichen Psyche zu zeigen. Meistens denke ich mir dann und kritisiere entsprechend - Menschen sind nicht so zerbrechlich. Es braucht mehr als eine Extremsituation, zwei Wochen in Isolation und ein bisschen Hunger damit wir uns gegenseitig umbringen, unsere Köpfe auf Stühlen aufspießen und hysterisch um ein Feuer tanzen. Das ist UNREALISTISCH! 

Nicht so in The Terror - Natürlich wissen wir nicht mit Gewissheit, dass die tatsächliche Crew damals nicht einem ähnlichen Schicksal anheim gefallen ist, als ihr mehr und mehr ihre aussichtslose Lage bewusst wurde, aber im Buch als auch in der Serie sieht man wenig von einer rasend schnell zerfallenden Ordnung, blinder Anarchie und gewalttätigen Menschen, die sich gegenseitig umbringen und einen Blutkult gründen. Und warum? Weil wir es hier mit einer eingespielten, disziplinierten und bestens organisierten Schiffscrew des vereinigten Königreiches zu tun haben. Die drei Kapitäne und deren zahlreiche Sergeants, Kadetten und Corporals wissen die Terror und die Erebus mit strenger, routinierter Hand zu führen und die Motivation der Männer am Leben zu erhalten, statt nach wenigen Folgen die Kontrolle zu verlieren. Man merkt, dass das hier keine zufällig zusammengewürfelte Truppe aus Zivilisten oder eine halbgar-dargestellte Hollywood-Matrosenmannschaft ist: Jeder dieser Männer ist trainiert, gehorsam und mit englischer Vernunft gesegnet. Nun ja, sagen wir die Meisten. 
Und daran ändert auch eine über drei Jahre lang anhaltende, absolute Isolation am Ende der Welt nichts - Disziplin ist alles. 

Würden andere Serien und Filme schon nach Folge eins damit beginnen, den mentalen und zivilisierten Verfall der Crew nach wenigen Monaten in überspitzten und hochtrabenden Szenen zu beschreiben, springen wir hier ein Jahr und nichts hat sich geändert. Die Episoden vergehen, die Lage wird schlimmer, aussichtsloser, Männer sterben, doch die Ordnung wird aufrechterhalten. Als ein Mob aufgebrachter Männer droht, über die an Bord der Erebus untergebrachte Eskimofrau herzufallen, lässt Kapitän Croizure die Marinesoldaten in die Luft schießen, befehligt alle auf den Boden und verhängt klare Strafen. 
'ICH DULDE HIER KEINE HYSTERIE' - So ist es. Hysterie wird an englischen Pioniersschiffen nicht geduldet. Es gibt keine riesigen Meutereien, den Kapitäns wird zu keinem Zeitpunkt der Gehorsam verweigert, stattdessen bemüht sich die Serie mit vielen Szenen und Details immer wieder zu betonen, dass hier Disziplin und Ordnung vorherrschen. Und das wird fast über zehn Folgen aufrechterhalten - Für uns als Zuschauer ist diese Beständigkeit, dieses Durchhalteveermögen der Crew eine Konstante und ein Grund, warum wir gerade auch mit den Offizieren der Kapitäne so sympathisieren - Sie setzen all das durch. Unvergessen für mich auch die Szene, als - Kleiner Spoiler - sich die komplette verbliebene Crew endlich dafür entscheidet, die Schiffe zurückzulassen und nach Süden zu wandern. Diese Szene könnte chaotisch ablaufen, man könnte nach diesen fast drei Jahren in der Eiswüste eine Menge gebrochener, verwilderter Männer zeigen, die in ihrer Verzweiflung nach Strohhalmen greifen, aber stattdessen läuft alles geordnet ab, alle sind mit voller Konzentration und in klarer Formation dabei und der Startbefehl zum Aufmarsch ist ein inbrünstiges 'VORWÄRTS, MÄNNER!!' einer der Generäle, das keinen Zweifel, kein Zögern und keine Reue zulässt - Wir sind eine Elitecrew ihrer Majestät der Königin und wir machen stets das Beste aus der Situation. Das ist es, was wir in der Serie erleben. 

Ja selbst als in einer der letzten Episoden eine Art Kriegsgericht mit den wenigen verbliebenen Männern in der schlimmstmölgichen Situation und einem Moment größer Not abgehalten wird, wird dafür ein Galgen gezimmert, es werden offiziele Reden und Anhörungen abgehalten und die Offiziere nehmen die Stellungen von Ordnern ein. Erst, als wirklich auch noch der letzte Rest der Truppen durch eine Eskalation zersprengt wird und sich Antagonisten in Bewegung setzen wird man den Überlebenskampf unter Menschen mitbekommen, aber dann ist es auch nachvollziehbar zu diesem Punkt gekommen und selbst dann läuft es noch mit einer gewissen, morbiden Art von Zivilisiertheit ab.






Vielleicht ist es schwer nachzuvollziehen, warum ich diese Eigenschaft an The Terror so liebe - Aber wenn man mal eine Reihe von Tragik-Thrillern in Extremsituationen gesehen hat weiß man es einfach unglaublich zu schätzen, eine durch und durch kompetente, in allen Bereichen durchstrukturierte und bestens vorbereitete Mannschaft zu verfolgen, die sich durch keine Widrigkeit, sein es Hunger, Krankheit, ein Monstrum oder der sichere Tod ihre britische Disziplin nehmen lässt.  
Für mich der stärkste Punkt in der Serie und ein großes Plus für das viktorianische Setting, das diese allem übergeordnete Disziplin auch glaubhaft macht - Damals war das einfach anders als heute. Diesen Leuten bedeutete der Gehorsam ihren Kapitänen und Offizieren gegenüber einfach alles. Das wurde nicht hinterfragt




Disziplin ist alles. 


Es gibt tatsächlich aber auch eine einzige, große Schwäche, die ich der Serie vorzuwerfen habe - Nur eine. Wie schon kurz erwähnt spielt eine einsame Eskimofrau, die im Laufe der Serie Kontakt mit der englischen Schiffscrew aufnimmt, eine wichtige Rolle. Dies hat zur Folge, das in zahlreichen Szenen die sprache der Inuit gesprochen wird - Meistens ohne Untertitel. Ja. Da sehen wir Charakteren also minutenlang dabei zu, wie sie - Das habe ich später über Plattformen wie Reddit erfahren - unheimlich plotrelevante und interessante Dialoge führen und Informationen austauschen und wir können sie nicht verstehen. Was am Anfang noch als intendierte Inszenierung erscheint, bei der man durch Beobachtung den Kontext verstehen soll, erweist sich schnell als anstrengend und einfach überflüssig. Das macht einem jetzt nicht die Serie kaputt und es werden tatsächlich auch keine storyentscheidenden Dinge erzählt - aber es nervt gehörig, keine Frage. Zum Glück gibt es im TheTerror-Reddit und anderen Netzquellen Fanübersetzungen.

Aber sonst? Nichts auszusetzen an der Serie von meiner Seite. Nichts. Sie ist in ihren zehn Episoden ein annähernd perfektes Seherlebnis das sich kaum einen Schnitzer leistet. Man muss nur einen sogenannten Slowburner wollen - Eine ruhige, psychologische Thriller-Serie, die nur Stück für Stück ihre Bedrohlichkeit und ihren Schrecken in Zwischentönen aufbaut. Wer wirklich gar nicht mit ruhiger Stimmung und wenig Action kann, läuft Gefahr, sich zu langweilen.


Fazit - We are gone

Was soll ich noch sagen zu einer Serie, zu der ich nun so viel gesagt habe - The Terror ist klein. The Terror ist bescheiden. Die Chance, dass ihr diese Produktion noch nicht kanntet oder gesehen habt ist dagegen beträchtlich. Dabei spinnt dieses historische Horror-Drama eine so einzigartige Ästhetik, Atmosphäre und Dramaturgie, dass ihr sie garantiert lange nicht vergessen werdet oder mit etwas bereits Dagewesenem vergleichen könnt. Begleitet eine durch und durch trainierte und disziplinierte Mannschaft von 100+ englischen Seemännern dabei, wie sie sich der Arktis und dem Übernatürlichen stellen, ohne dabei durchzudrehen. Keine testosterongeladenen Teenager. Keine inkompetenten Soldaten die auch aus der örtlichen Aldi-Zeitarbeit rekrutiert sein könnten. Keine anstrengenden Zivilisten. 

Britische Seemänner. Offensichtlich der Inbegriff von Integrität.

Erwartet keine hoffnungsvollen Momente oder ein Happy End für irgendwen, auch wenn The Terror keineswegs frei ist von positiven momenten - Im Gegenteil, die raren Sonnenstrahlen zwischen Charakteren wirken im tristen Grau der Arktis umso heller. Und diese Charaktere sind mögenswert, fast jeder Einzelne der über Dutzend. 

Nur, macht euch gefasst auf ein niederschlagendes Seherlebnis. Ein niederschlagendes, hoffnungsloses, großartiges, inspirierendes, einprägsames, verstörendes, spannendes Seherlebnis. 

Gebt The Terror eine Chance. Selbst wenn sie nicht eure erste Wahl ist. Oder eure Zweite. Oder nicht einmal eure Dritte. 

Vielen Dank, Ladies and Gentleman. 



                       10/10 Zungen für The Terror









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