Mittwoch, 11. Dezember 2019

Modern Talking ist gar nicht so schlimm.




Die Weihnachtszeit macht einen zuweilen wunderlich. Man wird sentimentaler, hat das dringende Bedürfnis hunderte Euro für pseudo-intime Freunde und Verwandte auszugeben und betet einen übergewichtigen Psychopathen an, der auf internationaler Ebene nachts in Häuser einbricht und deine fragwürdigen Tendenzen Kindern gegenüber in Form billiger Geschenke auslebt, damit diese sich auf seinen Schoß setzen und ihm Milch und Kekse servieren. Aber diese schönste Zeit des Jahres lässt einen auch hemmungsloser werden - da rollt schon mal ein unüberlegtes Geständnis über lockere Lippen.

Ich sage, was der Titel schon verraten hat, ich sags jetzt, ich spreche es aus - Modern Talking war nie so schlimm wie es gemacht wurde. Kommt, spart euch das spöttische Grinsen und das affektierte Kopfschütteln - IHR HABT AUCH EIN ODER ZWEI LIEDER VON DENEN GERNE GEHÖRT. TUT NICHT SO ALS OB DAS NICHT DEN PEINLICHEN TATSACHEN ENTSPRICHT. Niemand würde es zugeben, niemand redet gerne darüber, aber jeder treibt sich ab und zu noch in den Kommentarbereichen unter Videos wie 'Cherry Cherry Lady' oder 'You're my heart' herum, ein Ort der für Modern Talking-Nostalgiker heutzutage die Rolle einer Beichtstube zu übernehmen scheint. 


Ich habe Modern Talking als Kind gemocht. Wirklich. Und so gibt es auch heute überraschenderweise immer noch viele Lieder, die ich ganz unironisch einfach sehr, sehr gut finde und gerne anhöre. Na schön, ursprünglich hat mich meine Mutter (Hallo, Mama!) dazu gebracht, weil ich ihr immer ihren MP3-Player geklaut habe. Aber es brannte sich ein. Beschneidet mich das in meiner Männlichkeit? Na ja, auch nicht mehr als die halbnackten Animegirls an meinen Wänden oder meine Freundschaft ist Magie-Pferdeplüschtiere. Natürlich hätte ich meine Zuneigung gegenüber Dieter Bohlens und Thomas anders' Duo-Band schon damals nicht mal unter Androhung von Hochspannungs-Elektroschocks zugegeben, der Schulhof hätte mich gelyncht. Wie so vieles Buntes, Quirliges, Exotisches der 90er und 2000er galt Modern Talking unter Heranwachsenden alternativlos als 'schwul', 'bescheuert', 'peinlich' und 'Uneingeschränkt uncool'. Warum? Weil Thomas Anders' Stimme unheimlich hoch (Und unfassbar GUT!) war und die beiden ihrer Zeit geschuldet alberne Frisuren, albernere Outfits getragen und gleich NOCH MAL albernere Musikvideos produziert haben. War mir egal. War süchtig nach einigen Liedern. Bin ich heute nicht mehr, aber die Lieder die ich damals mochte haben den Test der Zeit für mich bestanden - Das ist ernsthaft gute 80er und 90er Musik. Modern Talking ist nicht von ungefähr so erfolgreich und populär gewesen, die waren schlichtweg wirklich gut, zumindest in Teilen. Es ist keine Schande für mich, das einzugestehen und Farbe zu bekennen - Nicht mehr. Ich finde Modern Talking gut und höre es gerne. So. 


Woran macht sich das fest? Bevor ich zu der erwartbaren Auflistung einiger exemplarischer Songs der ikonischen Popband komme will ich noch mal einige ihrer Aspekte außeinandernehmen. 



Das Wichtigste ist wohl Thomas Anders' (Und auch Dieter Bohlens) hohe, weiche Stimme. Es wurde ja immer gespottet (Später sogar vom dieter Bohlen-Film selbst) dass er die bekommen hat, indem ihm zwischen die Beine getreten wurde. Weil die ja so hoch ist. Haha. Der Witz geht auf euch - Denn das Lustige daran ist, dass wahrsheinlich nichts mit seiner Männlichkeit passiert ist - Der hatte tatsächlich diese unglaubliche Stimme. Ich empfinde sie heute noch als außergewöhnlich und sehr melodisch.


Außergewöhnlich waren auch die typischen Klänge eines Modern Talking-Songs - Dominiert von Piano-, und Klavierklängen erkante man ihn sofort, jederzeit, überall. Das funktioniert noch heute - Der Sound von Modern Talking ist, zum Guten oder Schlechten, relativ einzigartig und unverwechselbar. Man braucht vielleicht drei Sekunden, um ein Lied dieser Band zu identifizieren, zumindest ist das meine Erfahrung. Natürlich klingen sie untereinander alle sehr ähnlich - Macht aber nichts, wenn man den grundsätzlichen Sound mag.

In meiner etwas späteren Kindheit dann wurde der Dieter Bohlen-Zeichentrickfilm über RTL veröffentlicht, den manche von uns vielleicht noch als verschwommenen Fiebertraum im Gedächtnis haben. Ja, ich hab den als Kind geguckt. Und ich fand ihn toll, denn es war ja ein Zeichentrickfilm. Auch wenn ich da viele Inhalte... noch nicht so ganz verstanden habe, sagen wir mal so. Aus späterer und heutiger Sicht ist der Streifen natürlich unerträglich und ein furchtbares Stück satirischer Verschundung, das zu dem Zeitpunkt nicht mal Dieter Bohlen verdient hatte und das zurecht komplett untergegangen ist. ABER. Als Kind mochte ich den Film weil ich doof und cartoonsüchtig war und es fachte meine Zuneigung Modern Talking gegenüber neu an. Immerhin.

Modern Talking - Meine Lieblingssongs

Reden ist Silber, Hören ist Gold. Euch dürften so ziemlich alle der folgenden Songs weithin bekannt sein, falls ihr in den letzten dreissig Jahren mal für eine längere Zeit in Deutschland gelebt habt, aber zelebrieren wir doch zusammen ein bedeutendes Stück anrüchiger Nostalgie.

Mit 'You're my heart you're my soul' und 'Cherry Cherry Lady' haben wir gleich die Platzhirsche genannt. Ersteres schätze ich für Thomas Anders' Gesang und den eingängigen Klang, Zweiteres besticht schon mit Ohrwurm-Qualität im Refrain. JA EHRLICH. Der Rest der 'alten' Hits spielt für mich in einer anderen Liga, weit abgeschlagen, erst später in die Wahrnehmung gerückt - Geronimo's Cadilac (Es hat ewig gedauert eh ich den Titel verstanden hatte), Atlantis is calling oder Brother Louie sind im MT-Kontext auch in Ordnung, wurden aber nicht öfter gehört.

Bei den neueren Songs nach ihrem Comeback war für den heranwachsenden Yoraiko auch nochmal einiges dabei - 
Allen voran dieser Track. Gott, dieser Track. Er ist so verflucht catchy und süchtigmachend, immer noch. Das mag vielleicht mein Lieblingssong der Band im Ganzen sein. Diese Stimmen. Als Kind fand ich zudem auch das reißerische Musikvideo fantastisch, bis ich gemerkt habe, dass sich da vollkommen kontextlos halbnackte Frauen reckeln.  Genau so bescheuert, genau so fetzig.  Man darf sich nur das bekloppte Musikvideo nicht ansehen, in dem nackte Frauen auf dem buchstäblichen straßenstrich tanzen. Oder auf die Lyrics hören. Und was zum Geier macht dieser Rapper da? Sie haben aber auch gelungene Musikvideos produziert. Zumindest als Knabe war das für mich 'cool'. Motivationssongs waren irgendwie ihr späteres Steckenpferd, statt Romantik-Schnulzen. Oft vergessen ist dieser schnuckelige Popsong.

Das sind so die Songs, die bei mir damals wie heute für ein wippendes Bein und zuckende Schultern sorgen und die sich teilweise nicht verstecken müssen vor anderen 'Klassikern' der 80er, 90er und frühen 2000er. 


Wenn man sagt, dass man Modern Talking als Band respektiert, bedeutet das nicht zwangsweise, dass man auch die Personen dahinter respektiert. Während ich Thomas Anders schon immer als den sympathischeren und bodenständigen Part des Duos wahrgenommen habe, hat dieser auch eine für mein Empfinden würdevolle Post-Band-Karriere hingelegt, indem er erst einige Soloalben veröffentlichte, sich dann an die zugegeben große Schlagergemeinde richtete und mittlerweile ganz bescheiden moderiert. Dieter Bohlen hingegen ist den meisten heutzutage nur noch als humor-, und pointenlose Karikatur und Flacker-Lichtgestalt der Zombiecasting-Formate RTLs bekannt. Und damals war das auch noch okay - die ersten zwei, drei Staffeln Deutschland sucht den Superstar waren witzig, spannend, neu. Dieter Bohlen war ernsthaft lustig und besaß Charme. Aber mittlerweile? Da wurde das Format totgestrahlt wie eine japanische Hafenstadt und Bohlen ist eine würdelose Medienprostituierte, die eine der peinlichsten Figuren der deutschen Fernsehlandschaft darstellt. Nun ja, wenn die Geldbörse drängt und das Talent lange fort ist, so wendet man sich eben an die Necromantieverwurstung RTL. 

Modern Talking höre ich mir dennoch nach wie vor gerne an, und nach 25 Jahren bin ich mir auch ziemlich sicher, dass sich das nicht mehr ändern wird. Ihr dürft das auch. Nur Mut! Vielleicht nicht gerade mit Bass-Verstärker und Surround-Boxen in der Straßenbahn, aber mit Sicherheit aufgedreht im dunklen Kämmerchen.

Das ist bei weitem nicht nur deutsches Kulturgut. 
Aber eben auch.

- Yoraiko

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