Freitag, 18. Oktober 2019

Review: Uncharted - The Lost Legacy (PS4) - "Das ist also AAA..."

 


Mein Name ist Chloe Frazer, ich bin australische Schatzjägerin, und verdammt, offensichtlich die Heldin eines waschechten AAA-Blockbuster-Hollywood-Videospieles. Da kann man schon mal ins Staunen geraten. Zu lange halte ich mich damit aber nicht auf, denn meine Geschichte verlangt eiliges Handeln - Es geht um ein sagenumwobenes, indisches Artefakt, den Stoßzahn der buddhistischen Gottheit Ganescha, das ich zu finden gedenke. Dass ich mich dabei mit der zwielichtigen Söldnerin Nadine zusammentun muss, ist zu Anfang eher notwendiges Übel als besondere Freude, und natürlich ist auch wieder ein fanatischer und unbelehrbarer Antagonist dabei, der einem mit seinen gesichtslosen Kugelfängern das Leben schwer macht. Egal,die blase ich weg, genau wie jedes andere Hindernis. Für moralische Bedenken bleibt keine Zeit wenn es darum geht, einen millionenschweren Schatz zu finden, den man am Ende dann aber doch nur wieder weg gibt...

Genau so ist es Chloe, danke für die Einleitung. Wie du schon richtig sagst - Du bist Heldin eines AAA-Videospiels. Eine Güteklasse, die ich in der Regel großzügig umgehe. Zugetan bin und war ich immer eher den kleineren Genres wie Fighting-Games, J-RPGs oder Adventures, große Blockbusterspiele hingegen interessieren mich nur in den seltensten Fällen. Na klar - Sie sind hochqualitativ, spielen sich flüssig, sehen bombastisch aus, sind bis auf den letzten Pixel feinpoliert und von A bis Y durchinszeniert. Aber mir meistens dann doch... zu platt und seelenlos. 

Die Uncharted-Reihe befand sich nie auf meinem Bedarf. Die Schatzjäger-Formel mit Kletter&Rätsel-Gameplay hat mich noch nie gereizt, mit dem Helden Nathan Drake konnte ich nichts anfangen und so richtig verstanden, mit welchem Teil man am besten anfängt, habe ich auch nicht. Das änderte sich, als ich einem Bekannten vor geraumer Zeit Uncharted: The Lost Legacy zum Geburtstag schenken wollte, da ich ihn noch nicht lange kannte und mir das wie eine sichere Bank erschien. Ich hatte nur Gutes über den neusten Eintrag der Uncharted-Marke gehört und gelesen, und dass die Heldenrolle diesmal von zwei Frauen besetzt wurde, stieß mir ebenfalls positiv auf. Der besagte Bekannte lehnte das Spiel ab - Ich jedoch wollte dem Franchise zumindest einmal eine Chance geben, und behielt Lost Legacy kurzerhand einfach selbst.

Was ich bekommen habe, war zweifelsohne in etwa das, was ich erwartet hatte, mit verschwindend geringen Abweichungen. Dennoch ist mein letztes Spiel dieser Größenordnung einige Zeit her, und so musste ich ab und zu innehalten und mir denken - "Das ist also AAA..." 
Der Storymodus ist einigermaßen kurz und relativ schnell durchgespielt. Das kann man schlecht finden, was für mich hier aber nicht der Fall war, da mir die Länge genau richtig erschien für den vergleichsweise flachen und überschaubaren Inhalt. Die Protagonistinnen empfand ich nach anfänglichen Schwierigkeiten durchaus als sympathisch, und es stimmt, was man so sagt - Die Dynamik zwischen den beiden funktioniert gut, wie man es von den Hauptcharakteren eines Blockbuster-Spieles auch erwarten können sollte. Aber alles ist eben wirklich komplett auf One liner, fette Sprüche, Coolness und Unterhaltsamkeit ausgelegt, so dass wirklich JEDER zweite Satz, der aus dem Mund der Heldin kommt, ein dummer Witz ist. Daran muss man sich gewöhnen. 

Die Story und überhaupt das ganze Spiel muss sich den dringlichen Vorwurf gefallen lassen, dass es extrem nah an Genrekollegen wie Tomb Raider oder auch Far Cry  verortet ist. Das betrifft allen voran den Inhalt - Ich kann langsam wirklich keine gebildeten, elloquenten Antagonisten mit einer Organisation seelenloser Fanatiker unter sich mehr sehen. Alle neuen Tomb Raider-Teile haben das gemacht, eben so wie Far Cry 4 und 5. Und so auch Uncharted Lost Legacy, wobei hier sogar noch die Ähnlichkeit zu Tomb Raider bei Heldin und Gameplay auffällt. Im Gegensatz zu Tomb Raider aber ist Uncharted viel polierter und hochglänzender, wohingegen es in meinen Augen qualitativ zu dieser Konkurrenz aber stark abfällt. Teurer ist nicht immer gleich besser.

Wenn man mit dem anfänglichen, relativ offenen Gebiet durch ist, denkt man schon fast, man befände sich auf den Weg ins Finale, dabei hat man gerade mal die Hälfte des Spieles hinter sich gebracht. Hier wird also durchaus für Überraschung gesorgt, was positiv hervorzuheben ist. 
Was mir persönlich gegen Ende hin sehr gefallen hat ist die Entschlossenheit und Inbrunst von Antagonist Asav - Sicher, man kann ihm wie JEDEM ANDEREN SEKTENANTAGONISTEN keine große Intelligenz anrechnen, wenn auch er bis zum Schluss nicht versteht, dass man die Protagonistin nicht lebendig in einer versinkenden Höhle zurücklässt, sie grundlos verschont oder sie immer wieder mit kleinen Gruppen angreift, statt sie EINFACH ENDLICH ZU ERSCHIESSEN!! 
Aber was Asav für mich ein wenig über seine unglücklichen Kollegen aus Tomb Raider und Far Cry erhebt, ist seine Konsequenz. In diesen Spielen ist es immer so, dass die Antagonisten mit beispielloser Arroganz und bilderbuchhafter Bösartigkeit auftreten, und man sich als Spieler im Laufe der Geschichte, wenn man einen Sieg nach dem anderen gegen ihre Truppen einfährt und ihre Organisation im Alleingang mehr und mehr dezimiert, schon diebisch darauf freut, am Ende die dummen Gesichter und wutentbrannten Reaktionen der Bösewichter zu sehen, die doch die ganze Zeit so selbstsicher auftraten. Meistens wird man enttäuscht - Entweder zucken sie mit den Schultern, begehen Selbstmord, werden reaktionslos umgebracht oder freuen sich sogar über unseren Erfolg - WAS FÄLLT DENEN EIN?!

Nicht so Asav. Asav ist wutentbrannt und tobt wie eine Bestie, als Chloe und Nadine ihn im Finale des Spiels konfrontieren und bekämpfen. Er liefert dem Spieler ein hartes Gefecht, das zeigt, wie drastisch, beharrlich und kompromisslos er darum kämpft, seine (wahnsinnigen) Pläne umzusetzen, und dass er die Heldinnen als Bedrohung komplett ernst nimmt. Das muss und sollte man nicht sympathisch finden, aber mit den aufrichtig-zornigen Dialogen, die er am Ende noch zum Besten gibt, gewinnt er etwas mehr an Tiefe als Antagonist als seine vergleichbaren Kollegen. Und das in einem Spiel, das trotz unzähliger Klippen in etwa so viel Tiefe besitzt wie ein 2D-Adventure. 

Das Ende ist, wie eigentlich auch der Großteil vom Rest des Spiels, natürlicherweise vorhersehbar und gibt einem abgesehen vom runden Abschluss nicht viel mehr. Die After Credits-Scene, welche einmal mehr beweist, dass man hier in einem Spiel ist, das explizit BLOCKBUSTER sein MÖCHTE, ist zwar überraschend, in ihrem Inhalt und ihrem Abschlussgag aber dermaßen platt und überflüssig, dass sie fast schon störend wirkt. Aber das sind dann eben die Nachteile, wenn man alles und jedes der filmischen Inszenierung unterwirft. Dennoch, da ich mich sehr gut auf die Blockbuster-Inszenierung einlassen konnte, und meine Erwartungen entsprechend angepasst habe, hatte ich eine unterhaltsame Zeit mit Lost Legacy, seiner Story und den Charakteren. Am Ende mochte ich sie sogar ganz gern.

Speielerisch konnte ich Uncharted Lost Legacy nicht übermäßig viel abgewinnen. Das Klettern funktioniert sehr flüssig und ohne große Erklärungen oder Ruckler, taugt für mich als unterhaltsames Gameplay aber nur bedingt, vor allem dann, wenn die meisten Kletterpassagen über die steilsten Gebirge und tödlichsten Schluchten derartig butterweich und beinahe schon automatisiert von statten gehen, dass man als Spieler das Gefühl hat, eigentlich kaum noch was zum Geschehen beizutragen. 
Und mitunter gibt es dann auch hier noch Stellen, an denen die Technik unsauber verarbeitet wurde und man z.b. zehn bis zwanzig mal in den Tod stürzt, ehe man sich an ein von einem NPC bereitgestelltes Seil hängen kann, weil die Kollisionabfrage so ungenau ist. 

Die Rätsel empfand ich, wie in einfach ausnahmslos jedem Rätselspiel, als lästig, überflüssig und teilweise auch wirklich anstrengend. Das Schöne an AAA ist, dass die Entwickler an alles denken, und so sind die Rätsel in Uncharted meistens entweder sehr gut lösbar oder lassen nach und nach von NPC Nadine Tipps bis hin zum kompletten Rätsel ausspucken. Ein Angebot, das ich gerade im späteren Verlauf durchaus ein, zwei Mal ausnutzen musste. 

Apropos Nadine - Begleitende NPCs in Videospielen sind immer so eine Sache. Sie können von vollkommen egal über zutiefst nervig bishin zu unglaublich frustrierend variieren, je nachdem, wie oft und leicht sie sterben, womit sie einen zuquasseln und all das. Nadine in Uncharted fiel mir äußerst positiv damit auf, dass sie ständig und von sich aus nützliche Tipps für den Spieler hat: Ein Gegner schleicht unter dir entlang? Sie warnt dich. Du hast ein Item übersehen? Sie weist dich darauf hin. Ein Gegner hat dich im Würgegriff und droht, dich umzubringen? Sie schreitet ein. Und kann sie dich verraten? Nein, denn sie ist genau wie Ellie aus Last of Us unsichtbar für alle Gegner, was natürlich überhaupt gar keinen Sinn ergibt, dem Spielfluss aber ungemein weiterhilft. Alles in allem eine ganz großartige Art und Weise, einen KI-Begleiter ins Spiel einzubinden, der ehrlich hilfreich ist und interessante Dialoge mit Protagonistin Chloe führt. 

Die Grafik ist eine der größten Stärken des Spiels, wie es nicht anders zu erwarten ist von der Marke und Entwickler Naughty Dog. Das Spiel ballert eine Skyline-Kulisse nach der anderen heraus, weite Dschungellandschaften, gigantische Wasserfälle mit eindrucksvollen Statuen oder fantasievolle, fiktive Städte aus alter Antike, von denen man sich wünschen würde, dass sie tatsächlich existierten. Und da es sich hier um ein Blockbusterspiel handelt, darf es natürlich nicht beim Bewundern bleiben - Es gibt einen recht üppigen Fotomodus, den man jederzeit aktivieren und das Ingame-Bild signifikant bearbeiten und verändern kann. So sind alle Bilder, die ich in diesem Artikel verwende, aus dem Fotomodus. Allerdings ist der wie die meisten solcher Fotomodi derartig komplex, dass ich abgesehen vom Titelbild, das ihr hier ganz oben seht, nicht oft die Möglichkeiten ausgelotet habe bzw. nicht die Zeit und Geduld hatte, mich jetzt eine Stunde an eine Bildbearbeitung zu setzen. Dennoch, tolles Gimmick!

  Gimmick ist auch das richtige Stichwort für die Extras, die man nach einmaligem Durchspielen der Story-Kampagne freischaltet. Mal abgesehen von den altbekannten alternativen Kostümen und freischaltbaren Waffen (Die man leider nur in bestimmten Abschnitten auch nutzen kann, WTF) gibt es hier tatsächlich auch Gameplay-verändernde Optionen und ganze Rendermodes. Ja, sowas hatte ich vorher auch noch nirgendwo gesehen. Das ist also AAA. Auch den Ton kann man verändern, so dass z.b. alles in 4BIT, 8BIT erklingt oder mit Helium gefüllt ist. Mit all diesen Optionen hatte ich mich beinahe schon darauf gefreut, vielleicht doch nochmal die eine oder andere Stunde in den Storymodus zu versenken, aber meine Befürchtung, es handele sich nur um kurzweilige Spielereien, bewahrheitete sich. So sind die Soundmodi zwar ganz nett, verlieren aber schnell ihren Reiz wenn man merkt, dass alles in 4BIT bzw. 8BIT einfach furchtbar klingt. Ebenso zu tiefe Stimmen. Das Einzige, was überhaupt erträglich war, waren die Helium-Stimmen, aber einen besonderen Reiz geben die der Klang-Kulisse auch nicht. Da hätte ich es viel sinnvoller gefunden, wenn man die Stimmen der Charaktere hätte tauschen können oder Ähnliches, aber das wäre eben auch bedeutend mehr Arbeit gewesen. Gleiches gilt für die bildverändernden Rendermodes: Pixeloptik, Schwarzweiß und CRT mag ja alles ganz lustig sein, wird aber auch schnell wieder langweilig oder ist schlichtweg potthässlich. Die einzigen Modi, die hier für mich wirklich einen Mehrwert boten, waren der Cellshading-Look, der tatsächlich unheimlich gut und authentisch aussieht, und dem Spiel einen ganz neuen Look verleihen könnte, und der famose Regenbogenland-Look, der alles in klare, strahlende Regenbogenfarben taucht. Aber reicht das, um das Spiel nochmal durchzuspielen? Meh.

Zuletzt die Gameplay-Cheats - Bedauerlicherweise auch hier nichts Bedeutendes, da Effekte wie Zeitlupen-Schüsse, gespiegelte Landschaften oder unendlich Munition eben meistens nicht wirklich auffallen oder das Geschehen kaum beeinflussen. Und Features, die 'Keine Schwerkraft' heißen, dieses Versprechen nur allzu vorhersehbar nicht konsequent umsetzen, sondern nur getroffene Gegner kurz schweben lassen. Schwach, aber irgendwo auch verständlich. Denn was wäre das noch für ein Kletterspiel, wenn wir überall einfach herumschweben könnten? 

Ein Spaßiges. 


Fazit

Trotz vielem Gemecker auf hohem Niveau war Uncharted: Lost Legacy wirklich überraschend okay. Ich muss einfach betonen, wie unglaublich niedrig meine Erwartungen an das Spiel waren, und wie solide und popkornartig es mich dann doch von Anfang bis Ende unterhalten hat. Weglegen konnte ich den Controller nur selten, denn wenn man AAA-Spielen auch vieles vorwerfen kann - Dass sie sich nicht flüssig und butterweich spielen, ist nichts davon. Die Hauptcharaktere sind genau das, was man bei einem 8 - 10-Stunden-Abenteuer erwartet und braucht, funktionieren in diesem Kontext gut und sind unterhaltsam ohne zu viel Tiefe zu entwickeln, die aber auch gar nicht notwendig ist, denn sie haben sie ja schon durch vorhergehende Teile, die ich nun nicht gespielt habe. Der Antagonist ist das, was man schon vierzig Mal gesehen hat, nur in etwas besser. Das Gameplay ist repititiv aber nicht störend oder aufdringlich. Audiovisuell ist Uncharted nach wie vor ein Brecher.

Wer einfach mal eine flache, anspruchslose Unterhaltung für ein paar Abende abseits von komplexen Geschichten, anstrengenden Kämpfen und emotionalen Achterbahnfahrten sucht, der wird mit Uncharted Lost Legacy, ein Spiel für wirklich jeden Spielertyp, wahrscheinlich bestens bedient. Danach hat man nicht viel Neues dazugelernt oder seinen Horizont nennenswert erweitert, aber man war definitiv gut unterhalten. Und das soll bei Videospielen ja auch manchmal wichtig sein. 


6/10 Enterhaken für Uncharted - The Lost Legacy
 
- Yoraiko



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