Donnerstag, 12. September 2019

Undertale: Mega-Review und Besprechung - 'You're gonna have a BAD TIME.'


"DETERMINATION."

Puh. Jetzt ist es also so weit. Ich kann mich nicht mehr länger drücken. Denn das habe ich, wochenlang.

Undertale, ach Undertale... du machst es mir nicht einfach. Offen gesagt bist du eines der am schwierigsten zu bewertenden und reviewenden Spiele, derer ich mich je angenommen habe. Unter anderem deswegen habe ich diesen Text hier wochenlang aufgeschoben - Und um alles einsickern zu lassen. Diese paar Wochen haben sich aber gelohnt, denn hätte ich direkt nach Beendigung des Sensations-Indie-Spiels ein Review verfasst, würde es vollkommen anders aussehen als jetzt. Mit aller Gedankenkraft möchte ich mich nun aber doch der Herausforderung widmen, Undertale zu besprechen, viel dazu zu sagen, und ein Fazit zu ziehen. Für viele ist das einfach - Meisterwerk. Spiel des Jahrzehnts. Kunst. Ein neuer Meilenstein des Storytellings im Medium Videospiel. 
Für mich ist es komplizierter. Und mit Sicherheit stimme ich mit solchen Prädikaten nicht oder nur eingeschränkt überein.
Ich habe mir desmal aber sogar brav eine Stichpunktliste bereitgelegt, und die sollte ich chronologisch abarbeiten. 

Als kurzer Teaser für Menschen, die keine Texte mögen und auch zu den 10 % gehören, die Undertale nicht in den ersten zwei Jahren gespielt haben - Tut es. Falls ihr Undertale mal im Sale habt oder es irgendwo kostengünstig erlangen könnt, eine Menge Geduld und Frustrationstoleranz in Punkto Schwierigkeit habt und ein unheimlich, unheimlich cleveres Erlebnis wollt, spielt unbedingt Undertale. Das muss als Vorrede reichen, ist ja auch genug. Vielleicht sei noch angemerkt, dass dieser Text an gegebener Stelle explizite Spoiler enthalten wird. Wollt ihr das Spiel unvoreingenommen erleben, ist es wohl in eurem Interesse, später wieder zu kommen.


Meine Vorgeschichte mit Undertale - Hype und Skepsis


Undertale hat einen in der jüngeren Internetvergangenheit beinahe beispiellosen Megahype erfahren, als es 2015 an die Startlinie ging, und über zehntausende Steam-Bibliotheken der Spielerschaft herfiel wie eine Zombieseuche. Es war überall, und somit buchstäblich omnipräsent, man KONNTE ihm quasi nicht entgehen. Ebenso wenig wie dem positiven Echo und den Preisforderungen für das auf Retro gemachte Pixelspiel mit an 8/16Bit-Zeiten angelehnten Soundtrack. Nun, ich bin ihm dennoch entgangen, zumindest was das Spielen angeht, denn ich stand Undertale von Anfang an extrem skeptisch gegenüber. Das lag zuerst und vor allen ganz entscheidend an der Grafik. Die rudimentäre 2D-Pixelgrafik erinnert an alte Nintendo und Gameboyspiele, und ist in guten Teilen Schwarzweiß gehalten, was mich zusammen mit den äußerst gewöhnungsbedürftigen Designs der Bosse derartig brutal abschreckte, dass ich bis zum Jahr 2019 nicht das allergeringste Interesse hatte, Undertale selbst einmal zu probieren. Auch das Wenige, was ich von Handlung und Kampfsystem aufschnappte reizte mich nicht, und so tat ich es einfach als überhypten Internet-Mist ab. Das Einzige, das ich positiv wahr nahm, war der ikonische und eingängige Soundtrack, der durch Youtube kursierte, und der auch mir gefiel.

Dann, vor drei, vier Monaten, kam ich dazu Undertale durch einen Freund auf meiner Playstation Vita kostenlos zu erhalten. Das war der Knackpunkt - Ich wäre nie von selbst auf die Idee gekommen, für das Spiel Geld auszugeben oder es auch nur nachzuholen, aber wenn ich es für Umme auf dem Silbertablett serviert bekomme - Warum nicht? Vielleicht war es an der Zeit zu sehen, was wirklich hinter dem gigantomanischen Megahype stand. Gute Entscheidung, wenn ich das mal so sagen darf. Ich wurde überrascht, um mal das Mindeste zu sagen. 


 Meine Erfahrungen mit Undertale, und meine heutige Position


Es ist nun einige Wochen her, dass ich auf meiner Vita alle drei 'Wahren' Pfade Undertales abgeschlossen habe. Anschließend habe ich mich durchs Internet gekämpft, um noch all die Geheimnisse und Fakten zum Spiel zu erfahren, die ich bisher nicht kannte. Ich habe den Soundtrack erneut gehört, und über die dazugehörigen Szenen reflektiert, habe mir Remixes angehört, Fanarts angesehen, mehr und mehr über die Geschichte und die Charaktere von Undertale nachgedacht.

Ich war immer sehr anti-Undertale. Mein Freund, der ein absoluter Riesenfan ist, obwohl er das Spiel noch nicht mal wie ich ganz durchgespielt hat, hat das immer schmerzlich zu spüren bekommen, wenn ich mich darüber lustig gemacht habe. Und auch während meines Playthroughs von Undertale habe ich viel gelitten, genervt aufgestöhnt, die Konsole frustriert beiseite gelegt, im Kopf Kritikpunkte gesammelt und meine grundsätzliche 'Das ist trotzdem doof'!'-Haltung kaum verändert. Aber. Undertale ist wie eine Krankheit. Je länger sie auf dich einwirkt, desto größer der Schaden. Nun habe ich Undertale also einige Wochen nachwirken lassen, und ganz ehrlich - Ich kann den Verdacht meines Freundes, dass ich nur nicht auf den positiven Begeisterungszug Undertales aufspringen würde, weil ich dagegen sein will, nicht mehr gänzlich entkräften. Denn so fühlt es sich mehr und mehr an - Dass ich Undertale lieben müsste, es aber nicht will, weil ich dagegen sein will, weil ich mir nicht eingestehen will, dass ich falsch lag und voreingenommen war. Denn Eines ist sicher: 
Du meine Güte ist Undertale eine komplexe und auf unheimlich vielen Ebenen faszinierende Geschichte. Undertale ist mehr als die Summe seiner Teile, es hat spielerische, moralische, gaming-metaphysische, metaphorische, emotionale und unterhaltsame Tiefe, und das in fast jeder dieser Kategorien überragend. Undertale ist mehr als ein Spiel, es ist ein Meilenstein, der dem gesamten Medium in meinen Augen tatsächlich einen neuen Kommentar hinzufügt, und die Möglichkeiten auslotet. 

Aber reicht das? Wird Undertale seinem Hype gerecht? Ich wollte erst schreiben nein. Aber ganz ehrlich? Ich weiß es nicht mehr so genau. Undertale hat unheimlich viele Schwächen, und der Hype, der das Spiel als den Heiligen Gral des Storytellings darstellt, erscheint mir doch ein wenig zu euphorisch und fehlgeleitet. Denn, und darauf komme ich
weiter unten zu sprechen, viele Elemente des Undertale-Kosmos kommen nicht mal vom Spiel selbst. Um aber überhaupt erst mal aufzuschlüsseln, was Undertale in meinen Augen mangelhaft und fehlerbehaftet macht, sehen wir uns seine Schwächen an. 


 Undertale - Die Schwächen, meine Kritikpunkte


Ich habe die Grafik angesprochen. Viele Menschen mag das damals vielleicht nicht abgeschreckt haben, es mag sogar genügend Liebhaber dieses nostalgisch-minimalistischen Stils geben, aber ich empfand ihn schlichtweg als potthässlich und extrem abschreckend. Und als ich meinen Playthrough gestartet habe, habe ich auch wirklich lange gebraucht, um mich gerade an die schwarzweißen Ingame-Artworks der Monster zu gewöhnen. Das mag bis hierhin alles Stil-Entscheidung sein, was mich dahingegen nachhaltig stört und vermeidbar gewesen wäre, sind die mitunter grotesken und ästhetisch wenig ansprechenden Designs der Charaktere. Damit meine ich vor allem Undyne, die im Kampf quasi ein glatzköpfiger, einäugiger Pirat mit zwei schiefen Zähnen ist. Ihr Laufsprite ist da in Farbe schon etwas verträglicher, aber wenn ihr euch mal sämtliche Fanarts von Undyne anguckt, werdet ihr schnell merken, dass sie auf den meisten volles, rotes Haar hat und einfach anders aussieht als im Spiel - Mit gutem Grund. Ähnliche Fälle sind Charaktere wie Alphys und Toriel, wenn Letztere auch nur wieder eine Gewöhnungssache war. Mag natürlich alles auch eine Frage des Geschmackes sein, aber das sind Faktoren, die es mir schwerer machten, diesen und jenen Charakter zu mögen. 

Da wir gerade bei Charaktere mögen sind - 
Ich hasse alle Undertalecharaktere. 
Mittlerweile mag sich das etwas verändert haben, dazu nochmal mehr beim Abschnitt Stärken, aber du meine Güte, fand ich die beim Spielen alle unerträglich. Das geht Hand in Hand mit meiner zweigrößten Kritik, dem Humor. Ich glaube mich recht zu erinnern, dass ich im gesamten Spiel kein einziges Mal schmunzeln musste, zumindest nicht wegen dem Humor. Dieser war mit einer beeindruckend Konsequenz derartig unlustig, profan und infantil, dass ich am liebsten einfach JEDEN der Hauptakteure ins Nirvana gesprengt hätte. Hasscharakter Nummer 1 dabei für mich Papyrus, dessen einzige Rolle im Spiel es ist, Comic Relief zu bieten. Mettaton und Sans waren ähnlich schlimm. Aber Papyrus, Papyrus war dieser eine Bekannte, den wir alle haben, der immer krampfhaft versucht lustig zu sein, und wir zerrissen sind zwischen einem höflichen Lachen und einem entnervten Stöhnen. Ich empfinde Undertale als unendlich unlustig. Meine Gedanken zu Papyrus sind zwar mittlerweile etwas anders, aber dazu unten mehr. Was sich definitiv nicht geändert hat ist meine Abneigung gegen Alphys. Selbst nachdem ich weiß, was hinter ihrer unangenehmen, unbeholfenen Art steckt, finde ich sie nicht weniger lästig und anstrengend.

Der letzte große Stolperstein Undertales in meinen Augen ist die Schwierigkeit. Undertale wird und wurde oft mit Dark Souls verglichen. Bei dieser Analogie konnte und kann ich mir nur an den Kopf greifen. Dark Souls ist fair. Dark Souls gibt dir Gegner mit festen Angriffsmustern, die du studieren, lernen und antizipieren kannst, du kannst dich für jeden Gegner individuell ausrüsten und natürlich kannst du auch leveln oder besser werden, andere Waffen probieren und all das. Dark Souls vernichtet dich, aber es baut dich auch wieder auf, und motiviert dich so, weiterzumachen. Undertale ist das nicht. Undertale ist an vielen Stellen leider einfach nur unglaublich frustrierend und mitunter sogar schlichtweg unverschämt unfair, und der Mangel an Optionen, den man als stiller Protagonist Frisk hat, lässt einen nur allzu schnell in eine Sackgasse laufen. Zudem setzt das Game ganz stark auf Backtracking so wie Heal-Spaming - Man hat eigentlich überhaupt nur eine Chance in den richtig harten Kämpfen, wenn man sich ständig wieder hochheilt, aber da man nur acht Items tragen kann, Shops im Spiel sehr unregelmäßig verteilt sind und man nie weiß, wo der nächste Megaboss auf einen wartet, muss man schon mal 20 Minuten im Schneckentempo zurücklaufen, um sich mit ein paar Items einzudecken. Ich denke da ganz konkret an Undyne The Undying. Ohne 8 Heilitems hätte ich diesen Kampf wohl noch 200 mal öfter kämpfen dürfen, als ich es letztendlich habe, und das waren schon gut 60 Versuche. Undyne the Undying und natürlich der berüchtigte Sans, der wahrscheinlich einer der schwersten Bosse der Videospielgeschichte darstellt, sind die beiden Spitzen eines Kampfsystems, das sich oftmals sehr unfair anfühlt. Natürlich kann man auch dieses System lernen, man kann sich die Muster von Sans und Undyne und all den anderen mit hunderten Kämpfen aneignen, wie es ja dann auch viele mit 0-Hit-Runs und dergleichen machen. Für mich fühlte sich das aber etwa bei Undyne oft auch viel zufälliger an, ich war ein Stück weit der Gnade des Zufalls ihrer wechselnden Angriffsmuster ausgesetzt, und hab diese wie gesagt auch nur mit vielen Heilungen überstanden. Dennoch ist Undynes Kampf schaffbar, und das ohne wirklich konkret unfair zu sein. Sans' Kampf ist das Gegenteil. Dieser Kampf ist geradeheraus unfair, so unfair wie er nur sein kann. Wörter wie 'Lächerlich', 'Schwachsinn', 'Dummer Scheiß', 'Dreck' und 'Unschaffbarer Dreck' sind mir seinerzeit entglitten. Ich weiß nicht, wie viele Versuche es mich gekostet hat. 200? Und das Schlimme ist, dass man nichts tun kann, um sich zu verbessern, außer es immer und immer wieder durchzustehen. Deswegen würde mir niemals einfallen, Undertale mit Dark Souls zu vergleichen. Denn Undertales Kämpfe sind oft unfair. Aber vielleicht... muss das ja auch sein? Dazu unten mehr. Als letzter Kommentar dazu, dass auch Grinding unerlässlich ist, wenn man zumindest auf Non-Pacifist-Routen überleben möchte.

Die Rätsel waren, wie eigentlich in jedem Rätselspiel, unerträglich, überflüssig und ein einziger Zeitfresser. Mit großem Abstand auf das Scheißetreppchen kommt dabei das Pfeilhüpf-Spielchen im Hotland. Diese Momente waren es, in denen ich Undertale selbst gerne under die Erde befördert hätte. 

Aber wo viel Schatten ist, da ist naturbedingt auch viel Licht. In diesem Fall wahrscheinlich mehr, als ich gerne zugeben möchte, und so wird das gleich nochmal länger dauern.


 Undertale - Die Stärken


Wo soll ich nur anfangen? Undertales große Stärke ist seine Story bzw. seine Welt. Dass wir als Frisk in einen zunächst feindlichen Untergrund geworfen werden, mag keine besondere Prämisse sein, wohl aber, wie durchdacht die Geschichte dahinter ist, und wie sie sich entfaltet - Undertale spinnt eine Welt, die auf uns als Spieler reagiert, wirklich reagiert. Mir sind wenige, wirklich sehr wenige Spiele bekannt, die in einem solchen Maße wie Undertale ihre Welt aufgrund der Handlungen des Spielers verändern, und das so gut, überzeugend und konsequent. So hat Undertale ja seine drei großen Routen, je nach Spielerverhalten, die sich alle komplett unterscheiden und im Falle der Genocide-Route sogar eine GANZ andere Stimmung und Wahrnehmung des Spiels zeichnen. Undertale war vielleicht das erste Mal, dass ich mich als handelnder Protagonist ernst genommen gefühlt habe - Ich entscheide, die Welt reagiert. Einfaches, bekanntes Konzept, und doch selten so genutzt, wie man es sollte. Undertale brilliert hier wirklich. Zwar ist die Story um Chara, Asriel, den Krieg von Menschen und Monstern, der Gefangenschaft im Untergrund und all das ohnehin schon grundsolide, aber durch den Meta-Twist des Welt-Resettens, der Routen und des wissenden Sans kommt noch mal eine ganz andere Ebene hinzu. 

Bevor ich auf das Hauptthema, das mich in dieser Hinsicht beschäftigt, True Pacifist & Genocide-Run, zu sprechen komme, etwas zur großen Varianz Unterales: Beim ersten Mal habe ich natürlich blind gespielt, und dabei ein neutrales Ende erreicht, bei dem ich jeden Boss und ein paar Monster getötet hatte. Ich wusste, dass man die Kämpfe friedlich lösen konnte, hatte aber kein Interesse daran und genoss es, diese nervigen Sülzköpfe abzuschlachten. Was ich erst im Nachhinein erfahren habe ist, wie variantenreich das Neutrale Ende ist - Je nachdem, welchen Boss man in welcher Konstellation tötet oder nicht tötet verändert es sich, und erschafft so ganz andere Situationen. Dabei kommen Dialoge heraus, die teilweise noch tragischer sind als der Genocide-Run.(Lasst nur Papyrus leben...) Und natürlich merkt sich das Spiel auch, welche Enden du schon gesehen hast, unter anderem. All das ist aller Ehren wert. 

Der True-Pacifist-Run, also der Run ohne irgendetwas zu töten, war etwas, von dem ich erst nach der neutralen Route erfahren habe. Ich habe ihn danach bestritten, um abschließend den Genocide-Run zu gehen, auf den ich mich am allermeisten freute, weil ich, genervt vom Spiel und seinen Charakteren, darauf brannte, alles und jedes zu töten. Außerdem sah ich es so, dass Frisk ein wehrloses Kind war, dass in eine feindliche Umgebung geworfen und von allem angegriffen wurde - Ich wollte Rache. Aber der True Pacifist Run, der der wahre Pfad des Spiels ist, gibt sich natürlich zunächst redliche Mühe, einen endlich vernünftig mit allen Charakteren vertraut zu machen, diese einem über Dates näher zu bringen und sie am Ende auch zu echten Fanfavoriten zu erziehen. Das hat bei mir nicht so ganz funktioniert, aber auch ich konnte hier Charaktere wie Papyrus und Undyne etwas mehr mögen lernen. Das Ende ist dramaturgisch klassischer Heldenstoff für solche Geschichten, alle kommen um zu helfen, der Bosskampf nimmt zwei, drei Haken, und am Endeende ist alles gut und es gibt ein Happy End. Das hat mich nicht kalt gelassen, ich fand es schön, und mochte Toriel an diesem Punkt dann auch sehr gern. 

So richtig verbandelt mit den Charakteren war ich aber noch nicht, denn vor mir lag, was ich lange herbeigesehnt hatte - Der Genocide-Run. Alles und jeden töten. Jetzt, nachdem ich das perfekte Glück mit diesen Charakteren erlebt hatte war ich gespannt zu sehen was passiert, wenn ich es ihnen wieder nehme, zusammen mit allem anderen. 
Der Genocide-Run ist für mich der mit Abstand beste Pfad in Undertale. Nicht, weil es so schön war, alle zu töten - Sondern weil er eine andere, wirklich ganz und gar andere Atmosphäre und Geschichte mit sich bringt als alle anderen Pfade, er durchgehend bitterernst ist, und man fühlbar und unausweichlich die Konsequenzen seine Tuns zu spüren bekommt - Der Auslöschung einer ganzen Welt. 
Man wird der Antagonist. Und während einige Spiele, gerade aus Japan, damit werben, dass man auch mal einen Antagonisten spielt, wurde es nirgendwo besser umgesetzt als in Undertale, wenn man mich fragt. Dieser Run hat mich fasziniert. Er hat mich an die Charaktere gebunden, und hat mich über die Schwelle gestoßen, Undertale als mehr als nur ein funny crazy Game anzusehen - Trotz oder gerade wegen Undyne the Undying und Sans. Dass die Musik sich in jedem Abschnitt zu einer düsteren, unheilvollen Hintergrundmelodie ändert, nachdem wir ALLES getötet haben, trägt dazu auch unheimlich viel bei und ist einfach cool durchdacht.

Städte und Orte werden evakuiert, weil ich komme. NPC's wie Händler verändern ihre Texte, und strafen mich mit der gebührenden Verachtung für Massenmord. Bosse, die mich vorher zu Tode genervt haben, werden von mir mit einem Schlag getötet, weil sie an mich glauben oder unvorsichtig sind. Wiederum andere Bosse werfen mir alles entgegen, um mich verdammt nochmal davon abzuhalten, ihre Heimat und jeden den sie kennen und lieben endgültig auszulöschen. 

Und so unglaublich plötzlich und unbefriedigend das Genocide-Ende auch ist - Die Route bleibt einem im Gedächtnis, und wirkt sich natürlich auch bitterböse aus, wenn man danach nochmal einen True Pacifist-Run macht. Das ringt und rang mir Respekt ab, und die Route hat mich Emotionen verschiedenster Art durchleben lassen - Bis ich plötzlich Mitgefühl mit den Charakteren hatte, die ich doch so lange gehasst habe. Mitgefühl für den verzweifelten Kampf, den sie gegen mich, den Spieler, führen - Einen Gott. 

Es tut mir leid, ich muss gleich nochmal gesondert darauf eingehen. Was ich noch ansprechen muss, ist Frisk -_- Fratze. Stumme Protagonisten sind beileibe nichts Neues. Wo sie aber in den meisten Spielen lästig, seltsam oder schlichtweg leblos wirken, hat das bei Undertale Methode und einen unheimlich raffinierten Grund, auf den man erst nach und nach stößt. Sicher, über weite Strecken des Spiels mag einem die leblose Visage des kleinen Mädchens(?), das wir steuern, unpassend erscheinen ob der vielen lebhaften Dialoge, emotionalen Situationen und all dem, aber was ich in diesem Gesicht sehe, ist die Möglichkeit zur Interpretation - Denn Frisk' Gesichtsausdruck können wir uns eigentlich auch selbst ausmalen. Das wäre wenig spannend, wenn dies ein Spiel wie Zelda mit nur einer Handlung wäre, in dem das Gesicht des Helden einfach fehlt. Was aber, wenn wir an den Genocide-Run denken? Dann dürfte sich Frisk, die nunmehr eine psychopathische Wiedergeburt eines wahren Monsters ist, ganz anders geben, etwa mit roten, teuflischen Augen und einem gnadenlosen, diabolischen Grinsen, während sie einen wehrlosen Gegner nach dem Anderen in die Hölle schickt. Und dieses Grinsen ist da - Wir wissen es. Das Spiel muss es uns nicht zeigen. Vielleicht interpretierte ich da auch zu viel, aber rückblickend gesehen erscheint mir Frisk' -_- wie eine Leinwand für die Gedanken des Spielers.

Sonst, der Soundtrack. Eine weitere der fraglos größten Stärken dieses Machwerkes, und auch die mit der einfachsten Strahlwirkung nach außen, sind die unglaublich guten Musikstücke. Ich muss es euch nicht erzählen - Megalovania ist einfach ein kleines Meisterwerk, genau wie Spiderdance. Der Rest ist mindestens sehr gut, allen voran noch Undynes Battlethemes. Aber auch in den leiseren Zwischentönen wie etwa dem Genocide-Run zeigt der OST seine Raffinesse, wie ich oben erwähnt habe. Diese Stücke kann man sich hunderte Male anhören, und man hat immer noch nicht genug davon, und ich gehe so weit zu sagen, dass Spiderdance und Megalovania unter den Top20 der besten Videospiel-Stücke der letzten fünf Jahre sind, mindestens. Die sind Memes, die sind Remix-Grundlage, die sind einfach der absolute Hammer. Und ja - Obwohl ich diese Möglichkeit beim Anhören der Stücke vor dem Spielen von Undertale gedanklich geleugnet habe - Sie werden besser, wenn man den Kontext kennt. Sans. Undyne. 

Ach ja, und das Bullet Hell-Kampfsystem sprotzt natürlich über vor kreativen Ideen, überraschenden Wendungen und vielen besonderen Momenten. Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig und auf der Playstation Vita auch leicht ungenau in der Eingabe, aber eine mehr als willkommene Abwechslung zu dem, was man sonst so serviert bekommt. 
Jetzt will ich noch etwas zur Community sagen.


Die Undertale-Community


Einen Großteil der Faszination Undertale macht die Community aus. War diese es in den ersten Monaten, die das Spiel durch das ganze Internet getragen und seinen Ruhm gemehrt hat, blieb sie bis heute dabei, das Universum und die Welt des ehemaligen Indietitels mit Inhalten und Extras zu füllen - Endlos viele Fanarts, die die rudimentären Charaktere komplexer und epischer darstellen, als sie es ingame je sein könnten, und somit unser Bild dieser Personen mitprägen. Endlos viele Remixes, die uns die ohnehin schon beispiellos ohrwurm-erregenden Musikstücke noch länger, weiter, besser ins Hirn gravieren. Fangames-, und Videos, die die Geschichten und Character-Arcs des Originals erweitern und weiter ausfleischen. Fanfiction. Animationen der Kämpfe. Fansongs und Fanlyrics für bestehende Songs. Kreatives und Ideenreiches Cosplay. Tiefgehende Diskussionen, Memes, Jokes. All das macht für mich einen großen Teil der Sogwirkung Undertales aus. Und jetzt die entscheidende Frage - 
Ist das der Verdienst des Spieles oder nicht? 

Intuitiv würde ich nämlich sagen nein. Vor allem, da es wie ich glaube so wahrgenommen wird - Undyne wird durch ihre Fanarts als viel hübscherer und leidenschaftlicherer Charakter wahrgenommen, als sie es eigentlich tatsächlich ist. Manche Kämpfe und Szenarien (Muffet, Asriel...) werden komplexer, wenn sie Fanlyrics oder Animationen spendiert bekommen. Aber das ist nicht Canon. Das war nicht intendiert. Wie viel davon darf man Undertale also positiv anrechnen? Natürlich, das Spiel hat all das inspiriert, der Kern ist der Selbe - Dennoch finde ich, dass man da sehr vorsichtig sein muss, Undertale zum tiefkomplexen Multiwerk zu erklären - Vieles kommt auch einfach durch die Fans zu Stande. Und ich weiß, ich mache das hier teilweise selbst und werde es noch weiter, aber dadurch merkt ihr schon, wie schwer es ist, das zu trennen. 


 Der springende Punkt - Faszination Undertale 


Ich habe mich die ganze Zeit ein wenig darum gewunden, zum Punkt zu kommen, aber das mache ich jetzt - Was ist es, das mich wirklich so sehr an Undertale fasziniert, das mich dazu bringt, es als weit mehr als nur ein gutes Spiel zu betrachten? Das ist natürlich die Metaebene bzw. die tiefere Bedeutung in Undertale. Der Charakter Sans ist einer der Wenigen in Undertale, der sich unserer als Spieler bewusst ist - Er weiß, dass er nur eine Figur in einem Spiel ist, das unserer Gnade ausgesetzt ist, ganz wie eine gewisse Literaturclubprädidentin. Das wird nirgendwo so klar wie im Genocide-Run. Ich sehe den Genocide-Run weniger als persönlichen Rachezug von Chara, sondern eher als Ereignis im großen Kontext des Spiels. Der Genocide-Run ist nichts anderes als der Kampf des Spieles und der Welt gegen uns als Spieler, der sie vergewaltigt - Möglicherweise nicht zum ersten Mal. Möglicherweise nachdem wir sie schon mal befreit haben. Das meint vor allem Sans' Kampf gegen uns, aber auch Undynes. Eine wahre Heldin. Was lässt die Welt, was lässt Undertale und was lässt endgültig Undyne uns spüren, als sie sämtliche Kräfte zusammennimmt, ihre Entschlossenheit zeigt und nicht bereit ist, uns weiter ihr Volk abschlachten zu lassen? Genau - Sie zeigt uns, dass wir das Böse sind. Wir sind nicht länger ein Kind, das sich gegen Monster zur Wehr setzen muss, wir sind der Antagonist und das pure Böse in Undertale, das es zu bekämpfen und aufzuhalten gilt. Das Musikstück, das spielt, wenn man Undyne the Undying bekämpft, heißt Battle Against a True Hero. Wisst ihr, was der Name und dieser epische, treibende Klang uns sagen? 

Genau - Wir, der Spieler, sind so sehr zum Antagonisten geworden, dass sogar die Kampfmusik gegen uns ist. Es macht klar, dass Undyne die Heldin ist, nicht wir. 

Natürlich ist der Kampf gegen Undyne unglaublich schwer und frustrierend - DAS MUSS ER AUCH SEIN. Wir radieren hier eine Welt aus, und die einzige Heldin, die das noch verhindern kann, wirft uns alles entgegen, was sie hat - Es MUSS so schwer sein. Das wäre ja auch NOCH SCHÖNER, wenn es einfach und angenehm ist, einen Genozid durchzuführen. Das Spiel will uns aufhalten. Wir werden so böse, dass Flowy, der Flowy, das stereotype, überzeichnete Ekelmonster, Angst vor uns bekommt und versucht, unsere Gegner vor uns zu warnen. So böse, dass Asgore nicht mehr sagen kann, was für eine Art Monster wir sind. Und dann natürlich der Kampf mit Sans. Sans, der das Resetten mitbekommt und spürt, wie wir als Spieler mit seiner Welt spielen, einfach nur weil wir es können. Der Kampf ist schlichtweg unfair und unglaublich anstrengend, er ist beim ersten Mal scheinbar unschaffbar und bringt einen zur Verzweiflung. Er ist UNFAIR. NATÜRLICH ist er das. Das ist der EINZIGE WEG, uns als Spieler aufzuhalten - Sans' einziger Weg uns dazu zu bringen, die Konsole oder das Spiel endlich wegzulegen und damit aufzuhören, seine Welt wieder und wieder ins Chaos zu stürzen. NATÜRLICH ist der unfair und scheinbar unschaffbar - Der soll nicht schaffbar wirken oder uns motivieren, weiterzukommen, der soll uns dazu bringen, es endlich sein zu lassen. Das ist Sans' einziger Weg, gegen uns z kämpfen, gegen - aus seiner Perspektive - einen Gott. Denn wir können seine Welt jederzeit zurücksetzen. Wir können seine Angriffsmuster lernen und uns verbessern. Er kann das nicht. Welchen anderen Weg also hat er, uns den Spaß an dem zu nehmen, was wir tun? Und selbst das funktioniert am Ende nicht, so dass er einfach dazu übergeht, uns für immer in seiner Angriffsphase fangen zu wollen. Ohne Erfolg. 

Dieser Kampf mag mich wahnsinnig gemacht haben, mag mich den Entwickler Toby Fox verflucht haben, mag mir unbalanced und unfair erscheinen - Aber wenn man im Kontext des Spieles darüber nachdenkt, ist das nur richtig so. Und während des Kampfes zeigt Sans uns Spielern den Spiegel auf - Wir tun es, weil wir es können. Und weil wir können, MÜSSEN wir. So ist es. DETERMINATION.
Das ist für mich viel mehr Undertale als die lustigen Charaktere oder der crazy Artstyle - Die Signifikanz. 


Fazit


Undertale erzielt mit geringsten Mitteln die allergrößte Wirkung, und zeigt mal wieder, was eine gute Idee alles ausmachen kann, wenn sie einfach nur konsequent umgesetzt wird. Toby Fox war nicht der Spiele-Entwickler des Jahrzehnts, er hatte einfach ein paar sehr raffinierte Ideen, die er als der kreative Kopf der er zweifellos ist umgesetzt und damit eine bisher selten da gewesene Wirkung erzielt hat. So anstrengend Undertale an der Oberfläche manchmal auch sein mag, so reif und ernstzunehmend ist es doch im Kern - Und einen fantastischen Soundtrack so wie Charaktere, die einem über Zeit, Routen und Fan-Content ans Herz wachsen, gibt es als Bonus noch dazu. Ich würde mich lächerlich machen, wenn ich meiner ursprünglichen Intention beim Spielen nachkommen und jetzt noch versuchen würde, das Spiel zu zerreissen - Undertale ist definitiv ein popkultureller Brecher. Es ist definitiv ein ganz, ganz großes Werk. Auch wenn ich den Hype damals anstrengend und sicher nicht in jeder Hinsicht gerechtfertigt fand, verstehe ich ihn ein Stück weit. Ich bin dankbar, dass meine Erfahrungen mit Videospielen nun wieder um ein ganzes Stück gereifter sind, und freue mich eigentlich schon darauf, nun bald mal auch den Nachfolger Delta Rune auszuprobieren, zu dem ich noch nicht viel werfahren habe. 
Einstweilen aber bin ich froh, Undertale abgeschlossen zu haben - Und Sans endlich ruhen zu lassen.


8/10 Blumen für Undertale

- Yoraiko






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