Dienstag, 8. September 2020

Anime-Review & Empfehlung: Solty Rei (2005) - "I hate bad people!"


 


Titel: Solty Rei
Entstehungsjahr: 2005
Genres: Action, Scifi, Drama
Sprachen: Japanisch, Deutsch
Folgenanzahl: 24 + 2 Bonus

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Studio Gonzo ist der Name eines japanischen Animationsstudios, das vor allem in den 2000er Jahren den durchwachsenen Ruf einer ausgewachsenen Fließband-Anime-Fastfood-Kette besaß, die schnell, billig und massen-tauglich produziert. So erschienen unter dem Label des Studios zahlreiche Serien mittelmäßiger Qualität, die zudem oftmals sehr ähnliche Plotstrukturen und wiederkehrende Elemente aufwiesen. Gonzo kannte man weiterhin für billige Computeranimationen, flache Charaktere und unbefriedigende Manga-Adaptionen. Serien wie Chrono Crusade, Hellsing oder auch Witchblade hatten sicherlich ihre Existenzberechtigung, sind wirklich keine schlechten Anime und auch nicht so schlecht produziert - aber sie alle teilen die gleiche Konsistenzlosigkeit, die gleichen Stories mit ähnlicher Dramaturgie, das selbe, fade Gefühl eines lapprigen Cheeseburgers und einer warmen Cola. Fast Food, das gut schmeckt, nicht aber fest im Gedächtnis bleibt. 


Heute ist die Glanzzeit Gonzos längst vorüber - zwar existiert und produziert das Studio noch, aber die Jahre, in denen es namhafte Franchises wie Hellsing oder Black Cat auch nur anfassen darf, sind lange gezählt. Anime dieser Gleichmäßigkeit gibt es heute zwar mehr als je zuvor, aber der Fokus hat sich vom klassischen Heldenakt auf Genres wie Harem und Isekai verschoben. Kaum jemand weint den mittelmäßigen Serien von Gonzo eine Träne nach, doch bei all dem Naserümpfen darf man eines nicht vergessen: Es kamen seltenerweise auch wirklich exzellente Serien dabei heraus, die in der Lawine von Anspruchslosigkeit untergingen. 

Romeo x Juliet ist eine davon, auch wenn sie wieder das Problem des Archeplots hatte. Kiddy Grade ist ein ganz persönliches, vergessenes Trash-Darling, aber worum es heute geht ist natürlich etwas Anderes, und zwar die Serie, die ich als Gonzos Meisterstück betrachte und als zu unrecht vergessen einschätze: Solty Rei.


Wenn man nur einen kurzen Moment hinsieht, findet man an Solty Rei genau die selben, symptomatischen Eckpunkte der meisten anderen Gonzoserien: 26 Folgen, eigener Weltentwurf, Story in drei Akten, allerhand Fillerfolgen, trashiges Scifi-CGI, Stereotypen. Ja, ich will es gar nicht bestreiten, auch Solty Rei war als Anime-Fastfood angedacht, das uns eine traditionelle Heldenstory runterbetet. Doch in seinen Details und seinen Charakteren hat Solty Rey es dank seines Teams geschafft, sich mehr noch als ein Chrono Crusade oder ein RomeoxJuliet darüber hinauszuheben und als emotionale Seherfahrung zu überzeugen - die im übrigen gut gealtert ist, falls jemand nach diesem Review mit dem Gedanken spielt mal reinzuzeppen. Gehen wir der Sache auf den Grund - Was ist Solty Rei und warum ist es kein Fast Food, sondern ein waschechter Mittelklasse-Gourmetschmauß?





Familienanime



In einer katastrophen-geplagten Stadt der fernen Zukunft sind Cyber-Augmentierungen ebenso wie der Missbrauch dieser keine Seltenheit. Darum gibt es Hunter wie den hartgekochten Roy Revant, welcher sich für den richtigen Betrag sowohl Verbrechern als auch entlaufenen Kätzchen annimmt. Als das Mädchen Solty, welches ihr Gedächtnis verloren hat, ihn mit ihrer übermenschlichen Stärke zufällig vor einem besonders gefährlichen Cybergauner rettet, nimmt Roy sie bei sich auf. Leider wird Solty aus irgendwelchen Gründen von der R.U.C. verfolgt, der größten und mächtigsten Organisation dieser Stadt, welche nach außen hin nur das Wohl der Menschen im Sinn hat. Und dann ist da noch Roys Tochter Rose, welche beim markerschütternden 'Blast-Fall' vor einigen Jahren, der unzählige Menschenleben forderte, ebenfalls umkam... oder?


Das Übliche. Die Überraschungen innerhalb der Geschichte von Solty Rei halten sich in Grenzen. Hier wird kein Plot revolutioniert und kein Hammertwist eingebaut. Der Anime ist im Grunde natürlich eine flache Seherfahrung, gewinnt aber durch die starken Details an Höhe. 

 

Die Emotionalität von Solty Rei ist hoch, sehr hoch in Kernfolgen. Im Grunde ist es eigentlich ein Anime über das Thema Familie, und über Trauerbewältigung. Wir haben den überraschend-liebenswert und erfrischend geschriebenen Charakter von Solty, die neben ihrem ikonischen, grünen Design weit mehr zu bieten hat als die anime-typischen Mega-Mädchen mit verlorenem Gedächtnis und bezaubernder Unschuld. Die schelmische Intelligenz und der engstirnige Eigensinn lassen Solty innerhalb der Serie immer wieder als emanzipierten Charakter durchscheinen, was ähnlichen Figuren wie etwa Chii aus Chobits, Ren aus Dears, Rei aus Evangelion, Chrono aus Chrono Crusade oder Rico aus Gunslinger Girl grundsätzlich verwehrt bleibt. Und daneben den betagten und verstaubten Hardboiled veteran und Antihelden Roy, der durch seine Verluste und seinen Zynismus geprägt ist, gegenüber Solty aber natürlich nach und nach aufweicht. Das klingt klischeehaft und ist es auch ein Stück weit, aber die Wärme und Aufrichtigkeit, mit der diese Vater-Tochter Beziehung in Solty Rei inszeniert wird ist exemplarisch. Es sind fabelhaft-geschriebene Protagonisten, die man gerne zusammen sieht.

Was Solty Rei aber erst recht von ähnlichen Mainstream-Vertretern dieser und heutiger Zeitrechnung unterscheidet, ist sein Mut zur Bitterkeit. So fröhlich und positiv die Serie in vielen Momenten sein mag, so niederschlagend und trostlos ist sie in Anderen. Man hat sich in diesem Original-Anime getraut, Charakteren in lang-ersehnten Momenten höchsten Glückes gleich wieder alles weg zu nehmen und sie damit sicht-, und fühlbar zu vernichten. Doch statt dass die trauernden Charaktere in dieser Serie, welche an bestimmten Punkten jeden, aber auch jeden Lebenssinn verloren haben, sich zwei Tage später mit einem coolen Spruch wieder aufraffen und weitermachen, den ganzen Tag überdramatisiert heulen oder gar versuchen sich umzubringen, habe ich Trauer und Sinnlosigkeit in einem Anime selten so authentisch und schmerzhaft dargestellt gesehen wie in Solty Rei - Da liegen die betreffenden Charaktere tagelang stinkend und untätig in ihrem dunklen Apartment herum, sitzen halbnackt vor dem Kühlschrank und stopfen alles in sich herein und brüllen und schlagen andere Charaktere an, die versuchen sie aus ihrer Misere zu holen, wiederholen immer wieder die selben Gründe, warum es nicht mehr gibt, weswegen es sich zu leben lohnt. Doch wo Schatten ist da ist auch Licht, und Solty Rei hat von beidem so viel, dass es nicht so wirklich übertrieben ist zu sagen, die Serie wäre abseits ihrer Wohlfühl-Filler ein emotionaler Anime über Familie, bei dem man jedem Charakter das größte Glück wünscht.

 

Doch nicht jeder Charakter in Solty Rei bekommt es auch - denn die Serie hat ebenso den Mut, wichtige Personen im Verlaufe der Handlung sterben zu lassen - Hässlich und permanent. Liebgewonnene Charaktere, die nunmal sterben, wenn man sie tötet. Ja, das mag eine logische Schlussfolgerung sein, doch im Medium Anime wird dieses Prinzip von Ursache und Wirkung nur allzu oft vergessen. Nicht so hier, wo es tatsächlich konsequent und schmerzhaft umgesetzt wird. Das musste man sich damals erstmal trauen, denn beliebte Charaktere lange aufzubauen und dann wegzumetzeln war riskant.


Die Filler sind kaum wo so angenehm wie in Solty Rei - begründet ist das erst mal damit, dass Solty immer darin auftaucht und ihr liebenswürdigewr Charakter niemals endender Positivität in einer maximal unnervigen Ausführung immer gern gesehen ist, weiterhin aber darin, dass die Filler einfach äußerst passabel geschrieben und in die nicht uninteressante Scifi-Welt integriert sind. Fast alle der oben genannten, ähnlichen Serien machen das bedeutend schlechter.


Das Finale von Solty Rei könnte klassischer und erwartbarer nicht sein, das möchte ich gar nicht abstreiten. Mischt man die Tropes jedoch zusammen mit den bis dahin sichtlich-gereiften und entwickelten Charakteren, die solch intensive Beziehungen zueinander aufgebaut haben, dass man gar nicht anders kann als mit ihnen zu fühlen, entsteht ein eindrucksvoller und spannender Klimax, der es sich bis zur allerletzten Minute der Serie nicht nehmen lässt, gänsehauterregende Überraschungen einzustreuen. Am Ende geht man nach 26 Folgen Solty Rei mit einem honigwarmen Gefühl, erinnerungswürdigen Protagonisten, einem einigermaßen spannenden Plot, einer gehörigen Gänsehaut und vielleicht der ein oder anderen Träne aus der Serie. So Rund wie die Erde, dieser Anime. Es ist folgerichtig und ein Segen, dass niemals auch nur daran gedacht wurde, eine zweite Staffel zu produzieren.



'I hate bad people!'




Abgesehen von der unschuldigen Solty und dem grummeligen Roy ist der Cast von Solty Rei mit Stereotypen übersät - wir haben das kleine, hochbegabte Hackermädchen, den unangenehmen Computernerd, die prollige Sonnengemüts-Soldatin und den zwielichtigen Rosenkavalier. Aber Stereotypen werden eingesetzt, weil sie funktioneren. Gerade Solty Rei als Fehlproduktion im Massenbetrieb, als unerwartet-herausstechendes Glanzstück legt viel mehr wert auf das Wie als das Was. Die Verantwortlichen hinter der Serie geben sich hier selten mit den bestehenden Stereotypen zufrieden, sondern setzen sie unterhaltsam miteinander ein und brechen sie auf. Sie gestalten sie ansprechend. Und da ist es egal, ob wir die Formel schon kennen oder nicht. Auch hier warten jedoch allerhand Überraschungen in der zweiten Hälfte der Serie. 


Die Antagonisten sind vielleicht der schwächste Part der Serie, da hier wirklich Staub vor Sternchen angesetzt wurde, doch das ist ein Ärgernis, das beruhigenderweise in der lauschig-warmen Qualitätskurve des Heldencasts untergeht.


Die Welt von Solty Rei beschränkt sich fast ausschließlich auf die von der R.U.C. beherrschten Stadt, welche zwischen 'registrierten' reichen Bürgern und den armen Unregistrierten unterscheidet. Uns wird hier eine klassische Bilderbuch-Scifi-Umgebung präsentiert, die wir sowohl von der gesellschaftlichen Spaltung als auch von der omnipräsenten Cybertechnologie her kennen. Es steckt ein netter, wenn auch nicht irrsinnig-aufregender Twist dahinter, aber das Setting von Solty Rei ist im Grunde gesundes Mittelmaß. Dafür kommt man nicht, dafür bleibt man nicht. Diese Aufgabe übernehmen schließlich die, die darin leben.



'But we will return to love'

 

 

 

Im Soundtrack gibt es vor allem ein paar wenige Stücke herauszustellen: 

Zunächst das fantastische, ja ohrenbesetzende Opening-Theme, das ein Schema F-Video benutzt, musikalisch aber zum Schnurren bringt. Das Ending fällt weniger nennenswert aus, bleibt aber für viele auch heute noch ein harmonischer Rauswurf. Wirklich, wirklich essentiell ist aber das eigentliche Maintheme der Serie, das sich in Form von Plattenspielern durch alle 26 Folgen zieht, der japanische Jazzsong Return to Love. Er trägt innerhalb der Handlung eine sehr, sehr wichtige Rolle, die ihn nur umso enger an die Gänsehaut-Flatrate eures Körpers spannt. Ein toller Song, der aus der Masse damaliger Anime-Soundtracks heraussticht, wie Solty rei als Ganzes es tut.

Der Rest vom Soundtrack ist solide Standardkost.


Man sieht Solty Rey an, dass es vierzehn Jahre auf dem Buckel hat, aber nicht so sehr. Es existieren viele Standbilder und die Animationen sind etwas angestaubt, und über die Gonzo-Grause-Computergrafiken haben wir ja schon gesprochen. Wenn man über diese Punkte hinwegsieht, entdeckt man aber vielleicht die immer noch tollen Farben, die coolen Kämpfe und die teilweise wirklich charmanten Umgebungen. Es ist ein Fast Food-Anime aus dem Jahre 2005, vergesst das nicht - ihr seid nicht für die Grafikpracht hier. Euren Augen wird es an nichts mangeln, solange ihr sie euch nicht ausweint. Was durdchaus vorkommen kann, und das zum Glück auch auf Deutsch.



Maßstabsetzende deutsche Vertonung

 

 

Okay schon gut, ganz so wahnsinnig toll war die deutsche Synchronisation jetzt auch nicht - Gesunder Durchschnitt ist da wieder das Zauberwort. Meilenweit entfernt von auditiven Stimmungskiller-Katastrophen wie 'Mahou Sensei Negima', 'Burst Angel', 'Soul Eater', 'Chobits' oder 'Gantz', aber auch ein paar Leitersprossen zu tief für wohliges Wegschmelzen des Trommelfells. Einige deutsche Stimmen fallen unangenehm heraus weil sie zu alt sind, wiederum andere passen einfach nicht zu der Person, der sie gehört. Aber das sind Ausnahmen. Was diese Mittelmäßigkeit jedoch in meinen Ohren mehr als wieder ausgleicht ist Soltys deutsche Stimme, Maximiliane Häcke. Ich habe beide Sprachfassungen gesehen, und habe bis heute kaum eine so passende, deutsche Sprecherin für einen Anime-Charakter gehört wie sie für Solty. Ihre Interpretation des Charakters hat eine Authenzität von 100 % und kommt somit problemlos an das japanische Original heran. Roy ist auch alles andere als übel. Insgesamt macht man mit der O-Ton-Fassung weniger falsch, aber wer eine wirklich exzellente, unglaublich süße Solty möchte, probiert Deutsch. Gestanden sei da noch, dass ich Maximiliane Häcke hier zum ersten Mal gehört habe und sie seit dem eine meiner absoluten Lieblingssprecherinnen ist. Und einer meiner absoluten Lieblingsanime, das ist Solty Rei. Auch heute noch. 




Fazit




Im Anime-Medium wird heutzutage unheimlich viel anders gemacht, es wird viel probiert und experimentiert. Nicht bei Solty Rei - Das ist weichgepsülte Standardkost, deren Bestandteile euch schon bei der Muttermilch sauer aufgestoßen sind. Was vielen heutigen, und damals vergleichbaren, Produktionen aber fehlt, ist Herz, und die Fähigkeit, wirklich emotionale Geschichten zu erzählen. Hier hat man bei Solty Rei sauberer gearbeitet und einige der gefühlvollsten Handlungsstränge Studio Gonzos zum Vorschein gebracht, die zusammen mit den zeitlosen Charakteren und der wohligen Musik auch dafür sorgen, dass es die in meinen Augen beste Produktion des Labels war und bleibt. Im höheren Alter zieht es einen ja ab und an zum nostalgischen Staubduft des Dachbodens hin,der die Schätze unserer Vergangenheit bewahrt - warum nicht dieses Mal nach Solty Rei greifen, das etwas weniger speckig, etwas weniger durchgelegen ist als seine Kollegen dieser Zeit? Das in so vielen Momenten so schön und in noch mehr Momenten so traurig ist. Und das eine wirklich starke Protagonistin hervorgebracht hat. Eine Serie, die für sich stehend überzeugend genug war, sie nicht mit einer zweiten Staffel zu erniedrigen. 

 

Greift nach Solty und gebt der Serie auch heute eine Chance. Dann greift Solty nach euch und zieht euch hinein. Und mal ehrlich... ihr wollt doch keine Salty Rei, oder?



  8 von 10 Schallplatten für Solty Rei
-> Yoraiko hat dich vermisst!







- Yoraiko


 

 

 

 

 

 

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