Samstag, 28. März 2020

Spiele-Review: Injustice 2 (PS4) - We all are Gods here






 Übersicht
  • 1.Vorwort
  • 2. Die Story
  • 3. Was ist Gerechtigkeit?
  • 4. Story-Schwächen
  • 5. Ein Charakterfest
  • 6. Die Technik 
  • 7. Content & Extras
  • 8. Fazit


1. Vorwort - Mehr als ein Prügler
2013 veröffentlichte die unter Warner Brothers stehende Spiele-Schmiede Netherrealm Studios mit 
'Injustice  - Gods among us' einen ikonischen Fighting Game-Erfolg, der auf dem gleichnamigen DC-Comic basierte und der breiteren Öffentlichkeit somit die düstere Seite bekannter Superhelden zeigte. Der Comic und auch das Spiel beziehen sich auf die Multiversen der DC-Welt, so dass Batman, Superman, Wonderwoman, Green Lantern, Aquaman und viele weitere alteingesessene Comichelden ebenso wie unbekanntere Charaktere in einer Story vereint wurden und moralische Abgründe aufzeigten. Das Konzept von Injustice blieb einzigartig, sowohl im Fighting Game-Genre als auch dem Rest der Videospielewelt, nirgendwo sonst hätte man je wieder gesehen, dass die Lizenz westlicher Superhelden, welche ganz in Marvels Sinne meistens für bunte Kostüme und ironische Sprüche stehen, so effektiv, eindrucksvoll und düster eingesetzt wird wie in Injustice. Der Titel teilte und teilt sich viele Gemeinsamkeiten mit der anderen, hauptsächlichen Marke des Studios, Mortal Kombat. Beide Reihen haben einen unverkennbaren Stil und eine in Teilen so hochwertige Qualität, dass man bei Street Fighter, Tekken oder Dead or Alive vergeblich danach sucht. 

Denn Injustice ist nur in zweiter Linie ein Fighting Game, und vorrangig ein Storygame. Das weiß ich jetzt. Aber ich wusste es vorher nicht, und habe mir von der Marke nur mittelmäßige Kampf-Action erwartet. Darum habe ich mir den neueren Titel, Injustice 2 geholt. Als überzeugter Mortal Kombat-Fan seit Mortal Kombat X hatte ich ein gewisses Grundvertrauen in das Studio, war mir aber nicht sicher was ich von Injustice halten soll.

  Jetzt, nach Teil 2, kann ich guten Gewissens sagen, dass das eine der besten Fighting Game-Erfahrungen war, die ich je machen durfte. Ich bin wirklich, ehrlich vollkommen begeistert. Fighting Games sind noch vor Rollenspielen mein absolutes Lieblingsgenre, und obwohl die Kampf-Mechaniken von Injustice(Und Mortal Kombat) gar nicht mal so gut sind, überzeugen beide Marken mit etwas Anderem - der fantastischen Welt und Story.

Ein langes Vorwort, doch notwendig um nachzuvollziehen können, wie die Ausrichtung bei Unjustice 2 für mich war. 
Für viele ist es zweifelsohne 'nur' ein richtig guter Comicprügler. Für mich war es mehr. 

 
2. Schwarze Götter in bunten Hosen - 
Die Story
Ich konnte nie viel mit westlichen Comics und Superhelden anfangen. Bis ins hohe Teenageralter war ich der festen Überzeugung, dass das alles alberner Kinderkram und US-Comics nur die anspruchslose Version japanischer Manga wären, welche optisch, inhaltlich und stilistisch immer überlegen sein mussten. Das hat sich mittlerweile zum Glück geändert und ich bin mir vollstens bewusst, dass die meisten Comicleser vermutlich erwachsen sind. Ich weiß, welche Vielfalt an komplexen, erwachsenen, düsteren und interessanten Geschichten es im Comic-Kosmos gibt, das kann mit der Manga-Kultur mindestens mithalten.

Dennoch hatte ich kein Interesse daran. Christopher Nolans Dark Knight-Filme gehören zu meinen Allzeit-Favoriten, aber diese waren mit Vorsatz so uncomichaft wie es nur ging. Am ehesten noch hat mich irgendwann die X-Men-Marke erreicht, da ich die älteren Filme gut und die neueren Filme hervorragend fand. Aber auch hier stellte sich kein besonderes Interesse auf weitere Comiclektüre ein.

Mit diesem Hintergrund ist es interessant zu wissen, dass 2/3 des Characterkaders von Injustice 2 aus relativ kleinen, unbekannten Figuren besteht, die außerhalb der Comic-Community vermutlich kein Pferd kennt. Ich selbst hatte von so etwa 50 % auch noch nie gehört. Und die großen Namen? Superman, der wohl albernste, langweiligste Comiclulli aller Zeiten. Flash, der Typ der buchstäblich nur schneller rennen kann. Aquaman. AQUAMAN. Von der Story erwartete ich mir demzufolge überschaubaren Spaß. 

Ich lag falsch. Wie auch Mortal Kombat und Gods among Us legt Teil 2 den Hauptfokus nicht auf das Gameplay sondern das Drumherum, die Story, die Welt und DC-Helden. Storymodi in Fighting Games kann man in 99 % aller traurigen Fälle mit einem Wort zusammenfassen: Alibi. Wenn man ein Zweites zulässt: Hanebüchen. Königskämpfer wie Tekken oder Dead or Alive sind dafür bekannt, derartig beknackte Geschichten und Charaktere zu haben, dass sie sich irgendwann selbst nicht mehr ernst genommen haben. Ich spiele momentan parallel Soul Calibur 6, und heiliger imaginärer Gott ist das ein Multiversum an Unterschied. Man merkt Fighting Games grundlegend einfach an, dass nur selten irgendjemand Lust auf die Story hat und dass auch niemand extra dafür angestellt wird. Techniker Ikaru hat nach der Mittagspause noch fünf Minuten Zeit? Schreib mal die Story weiter. Hausmeister Konogawa möchte sich auch endlich mal kreativ entfalten? Entwickel uns ein Charakterkonzept. 

  Angenehme Ausnahmen wie BlazBlue mit seiner komplexen Animewelt sind Nische. Die Brücke zwischen Nische und Mainstream, das ist Mortal Kombat. Und so auch Injustice(2).

Der Storymodus ist hier im filmischen Stil mit grundsolider bis guter Grafik extrem ausgefleischt und auch tatsächlich ernst zu nehmen, hier hört man keine Dialoge die von einem Sechsjährigen mit beschädigtem Grammatikzentrum geschrieben sein könnten, hier sind die handelnden Personen keine Parodien ihrer selbst, hier fühlt man sich als würde man einer hochbewerteten, animierten Comicserie einer überaus düsteren und dramatischen Welt zusehen. 

Das Konzept von Injustice ist, dass Joker Superman in Teil 1 mit einem Trick dazu brachte, seine eigene Frau zu töten und die Weltstadt Metropolis in die Luft zu jagen. Dafür hat Superman den dreisten Dauergrinser endlich übers Messer springen lassen und wurde von ihm korrumpiert, so dass er ein absolutes Regime der Gerechtigkeit gründete und die Welt unterwerfen wollte. Batman und ein paar andere Hanseln verhinderten das, Superman landete im Knast und wir sind in Teil 2. Der Weltensammler und Space-Monarch Brainiac kommt zur Erde, um Superman umzubringen und den Planeten seiner Sammlung einzuverleiben, nachdem er vor langer Zeit dabei gescheitert ist, den Kryptonier zusammen mit dem restlichen Planeten Krypton wegzusprengen. Dafür müssen Superman und Batman, gute und böse Helden, erneut zusammenarbeiten. Hmmm, irgendwoher kommt mir das bekannt vor... 
na ja, egal.

Klingt alles nicht schlecht, der große Gewinn liegt aber daran, wie das alles inszeniert wurde. Der Storymodus ist wie gesagt hochwertig und spannend anzusehen, als jemand der mit all diesen Charakteren ohne das Wissen von Teil 1 ÜBERHAUPT NICHTS verbunden hat, war ich schnell sehr investiert in ihre Probleme, ethnischen Ansichten und in den großen Krieg 
'Gnadenlose Gerechtigkeit' vs. 'Moralischer Kompass'. Die Charaktere und Dialoge sind alle so wunderbar-stimmig geschrieben, dass man sogar ohne jedes Comic-Vorwissen sehr schnell in diese atmosphärisch-düstere Comicwelt voller Grauzonen und schwerer Entscheidungen hereingezogen wird. Welcher Superheld diente unter Superman im Regime, weil er daran glaubte das Richtige zu tun? Welcher Superheld bereut seine vergangenen Taten und versucht nun Vergebung zu finden? Welcher ist zum Dienste unter dem größenwahnsinnigen Brainiac gewechselt, um eigene Vorteile für sich rauszuholen?

Und stellt Kara, alias Supergirl, Supermans übermächtige Cousine, sich am Ende der Story auf die Seite ihres Cousins, der die einzig-mögliche Gerechtigkeit im Töten des Bösen sieht, oder doch eher auf die von Batman, nachdem sie von den Taten Supermans erfährt?

Es sind all diese verflochtenen Storystränge und mehr, die in der Geschichte eine Rolle spielen und sich gegenseitig beeinflussen, die meisten davon glaubhaft geschrieben, so dass man bald mitfiebert und in der Welt versinkt - wie in einer guten Serie eben. Dabei könnten die Kämpfe, welche innerhalb der Story dank der guten Grafik flüssig von Zwischensequenzen übergehen, fast schon ein Störfaktor beim Zusehen sein, wenn sie nicht so sinnig und überzeugend in die Konflikte der handelnden Personen eingefügt wären. 


Batman spannend zu gestalten ist nur mäßig-schwierig: Spätestens seit Nolan's Trilogie ist der dunkle Ritter der Nacht das erwachsenere Pendant zum fliegenden Schlumpf mit dem S auf der Brust. Ja, aber gerade DER ist in Injustice die deutlich interessantere und vielschichtigere Figur mit der moralischen Kälte, die der Joker in ihm freigesetzt hat. Sogar Zirkusaufsteller wie Harley Quinn, die in injustice 2 zu den Guten gewechselt ist, oder - ja, ich sage es - Aquaman bieten hier Tiefe und sind einfach unterhaltsame Charaktere, die man gerne beobachtet und denen man abnimmt, eigene Überzeugungen und Beweggründe zu haben. 

Es gibt wenig, sehr wenig, dass ich an dem Storymodus von Injustice 2 auszusetzen habe, und auch diese Schwachpunkte ergeben sich fast alle nur daraus, wie gut die Geschichte eigentlich ist.


3. Was ist Gerechtigkeit? - 
Ein Gedankenspiel
Gnadenlose Gerechtigkeit gegen Menschlichkeit und Vernunft. Es ist ein alter Konflikt, wir kennen die Thematik:
L gegen Kira, um mal eines der bekanntesten Beispiele zu nennen. Darf man Verbrecher töten, nur weil sie keine Einsicht auf Besserung zeigen? Darf man das Böse ermorden, um die Welt zu einem vermeintlich besseren Ort zu machen?

Superman sagt ja. Batman sagt nein. Kira sagt ja. L sagt nein. Viele Zuschauer des Death Note-Anime und ebenso viele Spieler von Injustice finden sich hier natürlich auf Batmans Seite wieder: 
Wer Monster tötet wird selbst zum Monster. Schau lange genug in den Abgrund und der Abgrund schaut zurück. Selbstjustiz ist nicht die Antwort auf Unrecht.

Ich bin gegen die Todesstrafe, die in den vereinigten Staaten und anderen Ländern wie etwa auch Japan immer noch durchgeführt wird. Ich war immer dagegen. Ich empfinde es als falsch, Menschen in Gefängnissen auf ihre Hinrichtung warten zu lassen. In Europa setzt man auf Resozialisierung, in den USA auf Bestrafung und Rache. Mir erscheint Ersteres richtiger, während mir das organisierte Töten Verurteilter, die oft auch noch unschuldig sind, als falsch erscheint.

Das alles zu erwähnen hätte wenig Sinn wenn ich jetzt schreiben würde, dass ich mich dem Konsens anschließe und innerhalb der Story auf Batmans Seite stehe. Tue ich nicht. Ich mag mich jetzt hier auf moralisch dünnem Eis bewegen, aber ohne Vorwissen stand ich von Anfang an komplett hinter Supermans Denkweise, habe verstanden was er meint und dem zugestimmt. Das blieb bis zum Ende so. 

Der Joker ist, das wissen wir aus allen Medien, eine absolut unbekehrbare Figur. Er will die ganze Welt einfach nur brennen sehen. Schon immer schüttelt man ein wenig den Kopf darüber, dass Batman gemäß seiner Richtlinie, niemals zu töten, den psychopathischen Massenmörder immer und immer wieder einfängt und einsperrt, statt ihm das Licht auszublasen, obwohl er immer wieder unzähligen Menschen das Leben nimmt. Superman hat die fiktive Welt von ihm befreit und ich soll das schlecht finden?

So wie ich es verstanden habe geht es in dem ethnischen Konflikt von Injustice 2 darum, unbelehrbare Straftäter, die immer weiter schaden und nicht mehr zu retten sind umzubringen. Wenn wir hier von Charakteren wie Joker reden sehe ich daran nichts Falsches. Oder besser gesagt: Ich verstehe warum Superman, Wonderwoman, Cyborg und einige mehr es tun, nachdem sie durch Joker ihnen wichtige Menschen verloren haben - weil Batman Joker hat gewähren lassen. Am Ende der Story - Spoiler! - geht es um die Frage, ob man den besiegten Brainiac, der sicherlich nicht aufhören wird ganze Welten und Völker zu vernichten, umgebracht werden soll. Superman sagt ja. Batman sagt nein. Der Konflikt bricht aus und Superman steht als der Böse da, weil er einen weltenvernichtenden Space-Psychopathen aus dem Weg räumen will. Und das soll ich schlecht finden? 

Ich bin da auf der Seite des Regimes. Ebenso wie ich, wenn ich mich mit Death Note beschäftige, eher auf Kiras denn auf L's Seite bin. Ich weiß, es geht in diesem Konflikt nicht um Einzelfälle wie Brainiac oder Joker, sondern um die grundsätzliche Linie - Man darf nicht töten, sonst macht man sich selbst schuldig. Wenn diese Supermenschen aber selbst immer weiter töten und die Welt aktiv und erheblich schlechter machen, und man sie nur damit aufhält, dass man sie immer und immer wieder (erfolglos) einsperrt, warum dann nicht den einzigen Ausweg nehmen und sie ausschalten? Eine Bestrafung passiert ja schon in dem Moment, in dem sie eingesperrt werden - sie sind nicht mehr frei, sondern verwesen in Isolation vor sich hin. Bis sie wieder ausbrechen. Warum das nicht beenden? 

Nur, damit Batman seinen eigenen, moralischen Kodex aufrecht erhalten und nachts ruhig schlafen kann? Ich weiß nicht. 




Es mag angesichts meiner festen Einstellung zur Todesstrafe heuchlerisch erscheinen, aber diese Fiktion ist schon alleine deswegen nicht mit der Realität vergleichbar, weil es in unserer Welt keinen irren Supermenschen wie Joker gibt, die aller zwei Wochen ausbrechen, Städte in Brand setzen und dabei hunderte Menschen töten bevor es wieder konsequenzenlos in die Spaßzelle geht. Und selbst bei 'normalen' Killern wie dem Frauenschlechter Victor Zasz gäbe es in der Realität Auflagen und Mittel um zu verhindern, dass er weitermordet. In der Comicwelt offenbar nicht. 122 tote Frauen. Weg mit ihm. Es reicht. Er hatte seine Chance. Dabei muss man auch etwas Anderes bedenken: Es gibt in der Realität wie gesagt keine Supermenschen. Wenn wir unsere Mörder und Terroristen einsperren, dann bleiben sie in der Regel im Gefängnis, können niemandem mehr schaden und sitzen ihre Strafe ab. Es besteht schlichtweg keine Notwendigkeit, ihnen das Leben zu nehmen. In der Fiktion von DC ist das nicht so: Die Gefängnisse und Anstalten haben hier einfach keine Wirkung und die Bösen brechen immer wieder aus und machen weiter. Sie zu töten ist buchstäblich der einzige Weg, das zu verhindern.



Ich kann selbst nicht ganz differenzieren, warum ich gegen die Todesstrafe in der Realität, aber für sie in der Fiktion bin. Vielleicht bin ich ein Heuchler. Das mag sein. Aber ich stand zu keinem Zeitpunkt auf Batmans Seite. Doch alleine, dass ich mir diese ganzen Gedanken mache und mich so mit der Thematik von Injustice 2 beschäftige zeigt, wie grandios der Storymodus sich auswirkt und dass er sogar mehr noch als Mortal Kombat überzeugt und der beste Story Modus aller Fighting Games stand jetzt ist.


4. Storyschwächen - 
Wer nicht die Wahl hat, hat die Qual
Es mag für die meisten Spieler kein Problem gewesen sein, weil ihr moralischer Kompass klar bei Batman lag, ich aber empfinde es als Kritikpunkt, dass ich innerhalb der Story nie die Wahl habe. Ich kann mich nicht entscheiden, auf welche Seite ich mich schlage, Batmans oder Supermans, sondern werde immer automatisch auf Ersteren verfrachtet. Erst ganz zum Schluss kann ich wählen, um eines von zwei Enden zu bekommen, und das war dann auch sehr befriedigend. Dennoch hätte ich hier gerne mehr Optionen gehabt, um beide Perspektiven ausgiebig betrachten und unterstützen zu können. 

Außerdem fand ich es sehr schade, dass Supergirl, die in der Story die Rolle der dritten Protagonistin einnimmt und zwischen Batman und Superman schwankt, am Ende der Story einfach so komplett umkippt nachdem sie erfährt, dass ihr Cousin tatsächlich Verbrecher tötet, nebst verurteilendem Blick und 'HOW COULD YOU?'-Attitüde. Ich weiß ich weiß, sie hat recht und ich bin hier der Dreckskerl, aber dennoch fand ich es enttäuschend, wie schnell sie sich verständnislos für dessen Ansicht gegen ihren Cousin stellt, den sie vorher so überzeugt unterstützt hat, und ihn am Ende zusammen mit Batman in die Verbannung schickt. Blut ist dicker als Wasser, Mädchen.

Die Entscheidungen die man in der Story hat sind darauf beschränkt, mit welchem von zwei Charakteren man gegen einen bestimmten Gegner kämpft, nebst eigener Szene und Dialog. Ein nettes Detail, aber nicht viel mehr. 

Ein weiterer Wehrmutstropfen ist, dass die Story nicht wirklich lang ist, und ich gerne noch viel, viel mehr davon gesehen hätte. Aber angesichts der Qualität, die diese in ihren Cutscenes aufweist, ist die überschaubare Länge nur allzu verständlich. 


5. Ein Charakterfest
Injustice 2 lebt, meiner Meinung nach noch mehr als Mortal Kombat oder Blazblue, komplett von seinen Comic-Charakteren, denen es hier ganz eigenes Leben einhaucht.

Wer zum Geier ist Deadshot? Wer ist Atrocitus? Captain Who? Red Hood, Rotkäppchen oder was? Black Manta, what? Cheetah oder Cheater? Dr.... Fate?

Kannte ich alle nicht. Sind aus der dritten Liga der Superhelden. Ist vollkommen egal, denn auch diese B-Heroes werden authentisch mit Persönlichkeit und eigenen Zielen gefüllt, in die Story integriert und mit Dialogen bestückt, so dass ich sie bald einordnen, mögen oder nicht mögen, ernst nehmen konnte. Das muss man bei einem Cast von 38(!!) Charakteren auch erst mal schaffen. 


Ich habe mich in viele Charaktere wirklich verliebt, sei es die Tritagonistin Supergirl, die etwas weniger mordlüsterne Harley Quinn, die arschtretende Mutter Black Canary oder die quirlig-gutmütige Starfire... moment, mir fällt da gerade ein Muster auf. Egal, schnell weiter. Ich mag all diese Charaktere und noch viele mehr jetzt so gerne, bin so interessiert an ihnen, dass ich fast zu den Comics greifen möchte, in denen sie relevant sind. Nur durch die Spiele. Aber das werde ich nicht, weil ich schon genug finanzielle Laster habe. Dennoch, das Interesse wäre da. 

Wie ging das? Neben dem ausgiebigen Storymodus liegt der eigentliche Zauber der Charaktere woanders, und zwar in den extensiven Dialogzeilen, die sie füreinander übrig haben. Schon seit Mortal Kombat ist Netherrealm Studios dafür bekannt, jedem Charakter für genau jeden anderen Charakter eine individuelle Kampf-Begrüßung in den Mund zu legen. Bei beispielsweise 38 Charakteren wären das 37 verschiedene Botschaften für Supergirl zu Beginn eines Kampfes. Nun gibt es aber in Mortal Kombat und Injustice 2 nicht nur eine Botschaft pro Charakter - Sondern vier bis fünf. Bei 38 Charakteren sind das also grob geschätzt 150 Messages für Supergirl zu Beginn eines Kampfes, abgestimmt auf ihren jeweiligen Gegner. Da jeder Charakter diese Messages hat, gibt es davon im Spiel grob geschätzt 5600. 5600 individuelle Messages, vertont und abgestimmt. Sicher, manche Aussagen der Charaktere wiederholen sich und sind offensichtlich Bausteine, aber dennoch ist diese Zahl absurd. Individuelle Messages passieren in anderen Fighting Games aufgrund des hohen Aufwandes bei großem Kader nur sehr selten und zögerlich, die Extensivität wie Injustice 2 diesen Fanservice aber bedient ist beispiellos.

Ach nein, richtig. Jetzt fällt es mir ein - Mit bestimmten Kostümen werden Charaktere zu anderen Charakteren. So kann Supergirl zu Powergirl werden, Captain Cold zu Mr. Freeze, Flash zu Shazam und und und. Und ja, selbstverständlich: Auch diese Kostüme haben individuelle Messages für alle Charaktere und andersrum. Hier hat man wirklich keine Mühen gespart. 

Aber da hört es nicht auf. Im Kampf gibt es sogenannte Clash-Events, die ausgelöst werden können und bei denen man als Spieler ein paar Knöpfe drücken muss um sie zu gewinnen. Für diese Clash-Events hat jeder Charakter für jeden Charakter 4-5 individuelle Messages. Etwa 200 also. 

Dann gibt es den Arcade-Modus, in dem man fünf Gegner besiegen kann. Anschließend gibt es ein kurzes, bebildertes Storyende für jeden Charakter. 38 zusätzliche Enden also.


Leider gibt es keine individuellen Siegersprüche, aber wer würde sich darüber ernsthaft beschweren ob dieser erschlagenden Komplexität? Dieses Design ist mehr als Fanservice, ein Großteil des Storytellings passiert über diese kurzen Gespräche, weil Charaktere hier ihre Beziehungen etablieren, von sich selbst offenbaren, alte Referenzen ziehen, uns als Zuschauer mehr übereinander erklären und und und. Der Grund, dass ich mich in so viele Charaktere so gut hineinversetzen konnte und mich in einige von ihnen verliebt habe ist, dass sie so unglaublich viele Dialoge besitzen.

Diese individuellen Dialoge gehen so weit, dass sie alleine schon genug Reiz bieten, mit möglichst vielen verschiedenen Charakteren gegen möglichst viele Gegner zu kämpfen - andere Fighting Games scheitern dabei, diesen Anreiz zu schaffen, wenn man erst mal seine drei Mains gefunden hat. 

Da man aber fast unmöglich so viel spielen kann, ist Youtube VOLL mit langen Compilation-Videos, in denen man hunderte Begrüßungen und Clash-Dialoge von Injustice 2-Charakteren sieht. Damit kann man Stunden verbringen. Habe ich schon. Und es ist immer noch unterhaltsam. Die Entwickler hätten das nicht machen müssen, oder nur einen Bruchteil davon, aber sie haben sich entschieden, weit über fünftausend Voice-samples für die Kämpfe aufzunehmen. Das verdient Respekt und hat sich offensichtlich gelohnt.

Allein wenn Charaktere wie Starfire und Cyborg, die ich nun beide etwa aus Teen Titans kenne, sich Sprüche um die Ohren werfen, blüht in mir die Nostalgie. Das ist einfach schön. Die Kampf-Dialoge sind manchmal witzig, tiefgehend, referenziel, traurig, bitter, unangenehm, cool, romantisch - Storytelling über Kampf-Begrüßungen. Lasst das einsacken.


6. Die TECHNIK - Grafik, Sound  & Kampfsystem
Nachdem ich euch nun über endlose Seiten mit der ganzen Konsistenz der Welt von Injustice 2 zugeschwafelt habe, kommen wir mal zu den kalten, technischen Fakten. 

Die Grafik ist für meinen Geschmack auch im Jahre 2020 noch überragend im Fighting-Game-Genre. Da kann kein Tekken 7 und kein Dead or Alive mithalten, Street Fighter war schon immer Comicprügler und über Soul Calibur wollen wir lieber gar nicht erst reden. 

Egal ob Cutscene oder Kampf, die Charaktere sehen detailiert und realitätsnah aus, die Stages sind voll mit lebendigen Effekten und sehr interaktiv, so dass man den Gegner durch verschiedene Ebenen des Levels schleudern oder mit herumstehenden Gegenständen bewerfen kann.

Ein wichtiger Punkt des Kampfsystems in Mortal Kombat sind die Fatalities und Supermoves, welche in kleinen, aufwändigen Filmen verpackt sind und den Spieler so belohnen. In Injustice 2 gibt es leider 'nur' einen einzigen Special Move pro Charakter, und diese fallen insgesamt auch deutlich weniger spektakulär aus als in Mortal Kombat. Natürlich sind sie dennoch sehr anschaulich, witzig und spaßig, weit mehr als alles, was die Konkurrenz auch nur im Traum hoffen kann zu erreichen. 

  Alles in allem ist Injustice 2 optisch eine Wucht, noch immer eine Referenz für das Genre und lässt ale Konkurrenz weit hinter sich. Das hätte ich nicht erwartet.

Der Ton fügt sich stimmig ein - es wären mir nun keine herausragenden Character-Themes oder Musikstücke aufgefallen, aber allgemein ist der Soundtrack wirklich gut und nie unpassend, vermittelt auch wie ein DC-Cartoon oder Wonderwoman ganz klare Comicatmosphäre, ohne ordentlich Wumms dahinter vermissen zu lassen. Sehr atmosphärisch, das war der Soundtrack, keine Frage.

Die englische Synchronisation ist fantastisch und seit langem das Beste, was ich im Videospiel-Medium gehört habe. Das will bei meiner Spielgeschwindigkeit nicht viel heißen, aber es hat wirklich jeder einzelne Charakter eine tolle, ausdrucksstarke Stimme bekommen, welche die Persönlichkeiten nur umso stärker betont und hervorhebt. 

Von der Existenz der deutschen Synchro habe ich leider erst kürzlich durch Youtube erfahren, ich habe aber gehört, dass diese einwandfrei sein soll. Nachdem ich mich ein wenig damit beschäftigt habe kann ich das so halb bestätigen. Sie ist... akzeptabel. Die Empfehlung liegt unbedingt auf dem O-Ton.

Das Kampfsystem ist hier angenehme Nebensache, die ihren längerwährenden Reiz auch wirklich und vor allem aus allen oben genannten Faktoren zieht - man will mehr sehen und hören. Das Mortal Kombat/Injustice-Kampfsystem ist meines Erachtens nach nicht das Einsteigerfreundlichste und setzt sehr auf Kombos, wenn man sich nicht eingehend damit beschäftigt liegt man schnell auf der Matte, auch auf Leicht. Ein Soul Calibur machte es sich zur Aufgabe, wirklich jeden Spieler heranzuholen, so dass man hier mit nur wenigen Knöpfen eindrucksvolle Effektfeuerwerke und Komboketten abfeuert. Injustice 2 ist sowohl was Effekte als auch Flüssigkeit des Kampfgeschehens angeht eher bodenständig. Das Kampfsystem machte mir zweifellos Spaß und es ist wirklich nicht schlecht, aber da haben Platzhirsche wie Street Fighter und Tekken die Nase doch noch ein ganzes Stück vorne. 


Injustice und Mortal Kombat sind in Online-Kämpfen und der Tiefe nichts für Gelegenheits-Fighter.

Ist aber okay. Hier glänzen andere Aspekte. 


7. Content & Extras
Um das Ganze etwas aufzuwürzen gibt es die Motherboxen genannten Lootboxen, welche Ausrüstungsteile für alle 38 Charaktere zufällig enthalten. Diese Lootboxen kann man nur mit dem großzügig ausgeschütteten Ingame-Geld verdienen oder sie mit Kämpfen freischalten, sie sind also eine angenehme Erweiterung. Allerdings für nebenbei nicht wirklich hilfreich, weil man bei dieser hohen Anzahl an Charakteren so selten an gute Ausrüstung für den eigenen Liebling bekommt, und dieser dann vielleicht auch noch nicht das Level hat, das er zum Tragen benötigt... es ist eine Spielerei. 

Langzeit-Motivation sieht in Injustice 2 durchmischt aus. Es gibt kein Bienchen ins Hausaufgabenheft, aber auch keinen traurigen Panda. Die Menge an Inhalt ist vollkommen in Ordnung. Die Story ist mäßig lang aber dafür cinesastisch überragend und spannend. Für die 38 Charaktere gibt es den Arcade-Modus mit den freischaltbaren Enden. Dann die Motivation, möglichst viele Kampf-Dialoge zu hören. Im sogenannten Multiversen-Modus kamm man endlos viele, vorgenerierte Welten mit Kampf-Aufgaben bewältigen, um seine Charaktere zu leveln, Motherboxen zu verdienen und und und. Das ist sicherlich motivierend, wenn man sich länger mit Injustice 2 beschäftigt. 


Zum Freischalten gibt es noch die oben erwähnten Kostüme, von denen einige den Charakter ändern und die meisten einfach nur toll aussehen. Es gibt hier auch mit Echtgeld bezahlbare Micro-Transactions für Kostüme, das bezieht sich aber nur auf die Optik und ist bei diesem fairen Paket aber sowas von in Ordnung. 

Den Online-Modus habe ich mangels Playstation+ leider nicht nutzen können, ich hätte aber wahrscheinlich ohnehin nur die Hucke voll bekommen. Es gibt noch einen Gildenmodus, mit dem ich mich nicht näher beschäftigt habe, der aber auch Boxen freischaltet und online relevant ist.

Wenn man diese beiden Modi noch einberechnet geht der Content von Injustice 2 wirklich klar, und selbst ohne. Ich habe für das Spiel 15 € bezahlt, das ist geschenkt. Und selbst zum Vollpreis wäre es das wert gewesen.

Ein Street Fighter, Tekken, Soul Calibur oder Dead or Alive schaffen nicht halb so viel.


Fazit - Unbedingt spielen



Es ist eine dieser angenehmen Überraschungen gewesen, von der man nichts erwartet und alles bekommen hat. Das passiert in zeiten des Internets, allzugänglichen Informationen und Reviews selten genug, darum war ich sehr positiv anfegtan von injustice 2. Hätte ich nicht noch so viel andere Dinge auf der Liste, würde ich vermutlich noch viel mehr Zeit in den storylastigen Comic-Prügler stecken, aber ich freue mich jetzt schon auf den Vorgänger 'Gods among Us', und sollte irgendwann der dritte Teil angekündigt werden bin ich der Erste der vorbestellt. Was bleibt ist ein solides Grundinteresse und eine Faszination an vielen der Comic-Charaktere, wo vorher nur Desinteresse war. Injustice 2 hat mit seiner extensiven Komplexität und seinen Lastwagenladungen Fanservice den Drang ausgelöst, immer mehr über die Charaktere zu erfahren, obwohl diese eigentlich nur vom Spiel so interessant aufgemacht sind.

Daher ist Injustice 2 sowohl für Einsteiger als auch für Comicfans und Profis bestens geeignet, denn wer weniger Spaß mit dem Kampfsystem hat findet genug Freude in der Welt. Als Fighting Game-Veteran sehe ich hier ein fantastisches Vorzeige-Werk, das sich wirklich nur wenige Fehler erlaubt wie die Releases von Street Fighter 5, Tekken 7, Soul Calibur VI oder Dead or Alive 6 es allesamt getan haben. 

Tolles Spiel. Ein gelungener Eintritt in die Welt der DC-Comics - wenn man denn möchte. 


8/10 Fledermäuse für Injustice 2


- Yoraiko





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